Rechtsanwaltshonorar
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr
Echte Anrechnungsregelung
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdegegner nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdeführer)
zusteht. Streitig ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Gegenstand ist weiter der Kostenausspruch
im Erinnerungsbeschluss.
Im Antragsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Würzburg (SG), Az.: S 11 KR 505/13 ER, ging es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des vom Kläger am 14.11.2013 eingelegten Widerspruchs (§
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) gegen die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden bezüglich von Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets durch den Bescheid
vom 08.11.2013; die Beklagte hatte die sofortige Vollziehung dieses Bescheids angeordnet.
Am 14.11.2013 stellte der Kläger über seinen Bevollmächtigten, den Beschwerdegegner, den genannten Antrag im Eilrechtsschutzverfahren
und beantragte die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 22.11.2013 entsprochen; der Beschwerdeführer
wurde beigeordnet. Auf den Beschluss des SG im Eilrechtsschutzverfahren vom 22.11.2013, mit dem der Antrag des Klägers teilweise abgelehnt worden war, schloss sich das
Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG), Az.: L 5 KR 403/13 B ER, an; in diesem wurde der Beschwerdeführer auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 09.12.2013 im Rahmen der PKH-Gewährung
beigeordnet. Mit Beschluss des BayLSG vom 02.12.2013, berichtigt durch Beschluss vom 09.12.2013, wurde u.a. die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs gegen den oben genannten Bescheid vom 08.11.2013 (auch mit Wirkung für die Zukunft) angeordnet.
Am 25.11.2013 bzw. 04.12.2013 beantragte der Beschwerdegegner, seine Vergütung für die Eilrechtsschutzverfahren Az.: S 11 KR 505/13 ER sowie L 5 KR 431/13 B ER festzusetzen und setzte dabei eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 550,00 EUR und eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG in Höhe von 370,00 EUR an.
Mit Beschluss vom 24.01.2014 setzte die zuständige Urkundsbeamtin die Vergütung des Beschwerdegegners gemäß § 55 RVG auf insgesamt 755,65 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:
1.Instanz:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG:
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400,00 EUR
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Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG:
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20,00 EUR
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Zwischensumme:
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420,00 EUR
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19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG:
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79,80
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EUR Zwischensumme mit Mehrwertsteuer:
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499,80 EUR
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abzüglich Ergebnis Vergleichsberechnung 208,25 EUR (str.) Erstattungsbetrag:
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291,55 EUR
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2. Instanz:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG:
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370,00 EUR
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Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG:
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20,00 EUR
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Zwischensumme:
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390,00 EUR
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19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG:
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74,10 EUR
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Zwischensumme mit Mehrwertsteuer:
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464,10 EUR
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Erstattungsbetrag:
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464,10 EUR
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Gesamterstattungsbetrag:
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755,65 EUR
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Aufgrund des Beschlusses des BayLSG im Eilrechtsschutzverfahren vom 09.12.2013 habe zwar die Beklagte die dem Kläger entstandenen
außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten, auf Antrag des Beschwerdegegners würden die festgesetzten Gebühren
jedoch vorab aus der Staatskasse erstattet. Zusammenfassend sei von einem überdurchschnittlichen ER-Verfahren auszugehen;
eine Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe von 400,00 EUR sei aus ihrer, der Urkundsbeamtin, Sicht angemessen
und vollkommen ausreichend. Entsprechend ihrer Mitteilung vom "15.01.2013" habe die Beklagte mitgeteilt, dass der Beschwerdegegner
für das oben genannte Widerspruchsverfahren Kosten in Höhe von 499,80 EUR geltend gemacht habe, die bereits ausgezahlt worden
seien. Nach dem ab 01.08.2013 geltenden Recht seien die Kosten für das vorausgegangene Verfahren auf die Gebühren des nachfolgenden
anzurechnen. Vorliegend sei eine Vergleichsberechnung durchzuführen, wobei die Gebühren eines Wahlanwalts den Kosten eines
im Wege der PKH-Gewährung beigeordneten Anwalts gegenüber zu stellen seien. Der Wahlanwalt dürfe nicht besser oder schlechter
gestellt werden als der beigeordnete Rechtsanwalt. Daher sei vorliegend nach Anrechnung einer Geschäftsgebühr von 175,00 EUR
(zuzüglich Umsatzsteuer) ein Differenzbetrag von 208,25 EUR gegeben, um diesen die Verfahrensgebühr bei der PKH-Festsetzung
zu reduzieren sei. Somit ergebe sich für das erstinstanzliche Eilrechtsschutzverfahren lediglich ein Erstattungsbetrag von
291,55 EUR.
Gegen diese Kostenfestsetzung hat der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 25.01.2014 Erinnerung erhoben und zur Begründung
darauf verwiesen, dass eine Anrechnung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG nicht zu erfolgen habe, da es sich vorliegend nicht um denselben Gegenstand in dem dort genannten Sinn handle.
Mit Beschluss des SG vom 03.02.2014 ist der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.01.2014 abgeändert worden, soweit das Eilrechtsschutzverfahren
Az.: S 11 KR 505/13 ER betroffen sei. Die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten sind vom SG auf 963,90 EUR festgesetzt worden. Zudem hat das SG in Ziffer III. des Beschlusses festgelegt, dass die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens der Beschwerdeführer
als Erinnerungsgegner trage. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass es sich bei der vorliegenden Fallkonstellation gerade nicht um denselben Gegenstand von Widerspruchs- und
Eilrechtsschutzverfahren handle. Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens sei die Überprüfung der Recht- bzw. Zweckmäßigkeit
eines Ausgangsbescheids, wohingegen der Gegenstand eines Eilrechtsschutzverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
eines Widerspruchs darstelle. Einmal ginge es also um die Rechtmäßigkeit eines Bescheids und im weiteren Fall um die Frage,
ob ein wie auch immer gearteter Bescheid vorläufig Geltung behalten solle oder nicht. Eine Gebührenanrechnung scheide somit
aus.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 11.02.2014 Beschwerde erhoben und beantragt, die Kostenentscheidung des SG (Ziffer III. des Beschlusses) aufzuheben und die Vergütung aus der Staatskasse für das erstinstanzliche Eilrechtsschutzverfahren
auf 755,65 EUR festzusetzen.
Im angefochtenen Kostenbeschluss vom 24.01.2014 erfolge keine Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG, sondern eine Anrechnung nach § 58 Abs. 2 für die vom Beklagten für das Eilrechtsschutzverfahren erhaltenen Zahlungen in Höhe von 499,80 EUR.
Der Beschwerdegegner hat im Schriftsatz vom 14.03.2014 klargestellt, dass letztere Behauptung "gänzlich unzutreffend" sei.
Die von der Beklagten im Schriftsatz vom 15.01.2014 erwähnte Zahlung habe eindeutig die Gebühren für die Vertretung im Widerspruchsverfahren
betroffen. Dies ergebe sich aus der nun vorgelegten Gebührenrechnung (des Beschwerdegegners) vom 18.12.2013 bezüglich des
Widerspruchsverfahrens. Der Beschwerdegegner hat anwaltlich versichert, zu keiner Zeit eine Kostenerstattungsforderung bezüglich
der oben genannten Eilrechtsschutzverfahren erhoben und keine Zahlung hierfür erhalten zu haben.
Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, nach wie vor davon überzeugt zu
sein, dass die Urkundsbeamtin des SG keine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vor-, sondern den Versuch unternommen habe, im Rahmen einer "Vergleichsberechnung" den Betrag zu ermitteln, der aufgrund
der Zahlung von 499,80 EUR durch die Beklagte von der Staatskasse anzurechnen sei. Er hat darauf hingewiesen, dass wegen der
Identität der gesetzlichen Vergütung mit der Wahlanwaltsvergütung und dem Umstand, dass die Beklagte nicht auf einer Anrechnung
der Geschäftsgebühr bestanden habe, sich der identische Betrag für die zu zahlende Verfahrensgebühr errechne, als wenn die
Urkundsbeamtin gleich selbst die Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgenommen hätte. Weiter hat der Beschwerdeführer hervorgehoben, dass eine Erstattungsverpflichtung der Beklagten auch für
die Kosten des Widerspruchs- und Eilrechtsschutzverfahrens bestehe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte nicht
auf einer Anrechnung im oben genannten Sinn bestanden habe; bei der vorgenommenen Vergleichsberechnung könne dies jedoch dahingestellt
bleiben. Eine Anrechnung durch die Staatskasse nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei jedoch auch grundsätzlich möglich, da der Beschwerdeführer an die Stelle des Klägers nach § 15a Abs. 1 RVG trete. In beiden Fällen sei jedoch nötig, dass es sich um denselben Gegenstand (von Widerspruchs- und Eilrechtsschutzverfahren)
handle. Der Beschwerdeführer hat darauf hingewiesen, dass es jedenfalls gebührenrechtlich bei der Anrechnung nicht auf den
Streitgegenstand ankomme, sondern darauf, ob es sich um denselben Gegenstand handle. Weiter hat er die Berücksichtigung von
Synergieeffekten und die Intention der Anrechnungsvorschrift - nämlich die Verminderung von Überzahlungen bzw. Kostengerechtigkeit
- thematisiert.
Der Beschwerdegegner hat hervorgehoben, eine Vergütung für die Vertretung im Widerspruchsverfahren in einer anderen Angelegenheit
erhalten zu haben, als sie das gerichtliche Eilrechtsschutzverfahren darstelle. § 58 Abs. 2 RVG sei nicht einschlägig; eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei nicht möglich. Er hat beantragt, das vorliegende Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung zu übertragen, da es
zu der neuen Rechtslage noch keine gefestigte Rechtsprechung gebe.
In einem weiteren Schriftsatz (08.05.2014) hat der Beschwerdeführer detailliert den Begriff der kostenrechtlichen Angelegenheit
unter Berücksichtigung historischer Herleitungen beleuchtet und weitere Problemstellungen im Hinblick auf die Neuregelung
von § 15a Abs. 2 RVG und die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG unter Berücksichtigung zahlreicher Rechtsprechungsnachweise herausgearbeitet. Zusammenfassend ist er zu der Beurteilung gelangt,
dass eine Anrechnung vorliegend wegen desselben Gegenstands geboten sei.
Im Schriftsatz vom 02.06.2014 hat der Beschwerdegegner darauf hingewiesen, dass § 58 Abs. 2 RVG nicht einschlägig sei mangels derselben kostenrechtlichen Angelegenheit. Derselbe Gegenstand im Sinne von Vorbemerkung 3
Abs. 4 VV RVG sei ebenfalls nicht gegeben. Gegenstand des Verfahrens auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs seien
der Widerspruch als solcher und seine Rechtswirkungen. Hingegen sei Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens der mit dem Widerspruch
angefochtene und damit zur Überprüfung gestellte Bescheid. Am 05.11.2014 hat er mitgeteilt, dass vom Antragsgegner der Betrag
von 968,90 EUR (inklusive Mahngebühren iHv. 5,00 EUR) an den Beschwerdeführer erstattet worden sei; die Staatskasse habe damit
die von ihr getragenen Kosten vollumfänglich erstattet erhalten. Vor diesem Hintergrund bestünden, so der Beschwerdegegner,
ernstliche Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers. Eine Belastung des Beschwerdeführers sei nicht erkennbar.
Hierauf hat der Beschwerdeführer (am 13.11.2014) darauf hingewiesen, dass sich die materielle Beschwer daraus ergebe, dass
der Beschwerdegegner bei einer Zurückweisung der Beschwerde in den Genuss einer höheren Vergütung nach dem RVG kommen würde, als sie von Seiten des Gesetzgebers vorgesehen sei. Zudem hat der Beschwerdeführer auf die dem Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle übertragenen Überwachungsaufgaben hingewiesen. Im Hinblick hierauf könne man dem Vertreter der Staatskasse
doch nicht die Beschwer streitig machen, wenn er - ohne Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung - die vom
Gesetzgeber gewollte, aber bis dato nicht realisierte Deckelung der Vergütung mit einer Beschwerde erreichen wolle bzw. müsse.
Zudem müsse wohl auch daran erinnert werden, dass die Staatskasse darüber hinaus durch die contra legem getroffene Kostenentscheidung
in Ziffer III. des Tenors beschwert sei.
Mit Schriftsatz vom 08.12.2014 hat der Beschwerdegegner die Auffassung vertreten, dass es nicht Aufgabe des Bezirksrevisors
sei, sicherzustellen, dass ein Rechtsanwalt nicht in den Genuss einer höheren Vergütung nach dem RVG komme, als der Gesetzgeber sie angeblich vorgesehen habe. Eine Überwachungsaufgabe gegenüber Rechtsanwälten sei den Bezirksrevisoren
nicht übertragen. Hinsichtlich der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss hat der Beschwerdegegner auf den Betrag von
nur 27,00 EUR verwiesen, so dass insoweit bereits offensichtlich der Beschwerdewert nicht erreicht werde.
Am 22.12.2014 hat der Beschwerdeführer auch hierzu eingehend Stellung genommen und auf seine Aktivlegitimation, mit der gegen
den Beschluss Beschwerde erhoben worden sei, verwiesen. Vorliegend handle es sich um einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung
hinsichtlich der Anrechnungsvorschriften von § 15a RVG, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG und § 58 Abs. 2 RVG.
Mit Verweis auf die Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer am 12.05.2015 davon berichtet, dass mittlerweile weder Rechtsanwälte
noch Kostenrichter in ihren Entscheidungen nach §
197 SGG Zweifel daran hätten, dass es sich in der vorliegenden Fallkonstellation um denselben Gegenstand nach der Vorbemerkung 3
Abs. 4 VV RVG handele.
Im Schriftsatz vom 17.06.2015 hat der Beschwerdegegner u.a. hervorgehoben, dass ein Verfahren nach Aussetzung der Vollziehung
eines Verwaltungsakts und das mit gleichem Ziel betriebene anschließende gerichtliche Eilverfahren denselben Gegenstand hätten.
Vorliegend gehe es jedoch im Widerspruchsverfahren um die Überprüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.
Am 05.04.2016 hat der Beschwerdegegner Verzögerungsrüge erhoben.
Am 05.05.2016 hat er u.a. hervorgehoben, dass es beim Widerspruch um die Beseitigung des Aufhebungsbescheides, beim Antrag
auf Eilrechtsschutz aber um eine Unterbindung der Vollziehung des Aufhebungsbescheides gegangen sei; eine Entscheidung in
der Sache selbst - nämlich über die Aufhebung des Bescheids - sei in diesem Verfahren überhaupt nicht zu erreichen gewesen.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens und des erstinstanzlichen
Antragsverfahrens verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat nur teilweise Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG; es besteht keine Veranlassung, die Sache dem Senat als Gesamtspruchkörper vorzulegen (vgl. die Entscheidung des Senats vom
02.12.2015, Az.: L 15 SF 133/15).
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
- 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.). Denn der unbedingte Auftrag i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG ist dem Beschwerdegegner nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde ist statthaft, weil der Beschwerdeführer durch den Beschluss des SG mit mehr als 200,00 EUR beschwert ist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).
Dabei kann offen bleiben, ob - wie der Beschwerdegegner meint - hinsichtlich des fehlerhaften Tenors des Beschlusses des SG in Ziffer III. (s. unten) ein Beschwerdewert von (lediglich) 27,00 EUR gegenwärtig (verbindlich) festgestellt werden kann
oder ob eine "typische Offenheit in der Sache" gegeben ist und ob eine solche der Staatskasse eine rechtsmittelfähige Beschwer
vermitteln könnte (vgl. den Beschluss des Senats vom 30.04.2013, Az.: L 15 SF 160/12 B, L 15 SF 161/12 B). Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Aspekte.
Denn jedenfalls ist der Beschwerdewert allein bereits durch die in Frage gestellte Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr
erreicht, ohne dass die vom Beschwerdegegner vorgetragene Zahlung des Antragsgegners des Eilrechtsschutzverfahrens an den
Beschwerdeführer hieran etwas ändern würde. Die Berechnung der Beschwer erfolgt schon aus Gründen der Rechtssicherheit rein
formal nach der Differenz zwischen den Anträgen der Beteiligten und dem Tenor der Erinnerungsentscheidung. Sie erfolgt unabhängig
von einer anteiligen Kostenübernahme durch den Verfahrensgegner, da anderenfalls die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von
Lebenssachverhalten abhängig wäre, die außerhalb des Streitgegenstandes des jeweiligen Verfahrens liegen, vorliegend konkret
von Höhe und Zeitpunkt der Zahlung der außergerichtlichen Kosten durch den Antragsgegner (vgl. z.B. LSG Hessen, Beschluss
vom 23.06.2014, Az.: L 2 AS 568/13 B).
Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist jedoch nur teilweise begründet.
a. Soweit das SG die notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt hat (Ziff. III. des angefochtenen Beschlusses),
ist die Beschwerde begründet.
Die Kostenentscheidung ist unzutreffend. Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden dabei nicht erstattet (§
56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss des SG ist daher insoweit aufzuheben.
b. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet
(1) Eine Anrechnung der gezahlten Geschäftsgebühr in Höhe von 499,80 EUR (Widerspruchsverfahren) auf die Verfahrensgebühr
(Eilrechtsschutzverfahren) hat entsprechend der zutreffenden Annahme des SG nicht zu erfolgen.
(aa) Wie der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 02.12.2015 (Az.: L 15 SF 133/15) bereits im Einzelnen dargelegt hat, wurde mit der neu gefassten Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nunmehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, auf eine echte Anrechnungsregelung
umgestellt (vgl. auch z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorbemerkung 3 VV, Rdnr. 4). Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 (d.h. eine nach
den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG) entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren
beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR. Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet (so auch der Beschluss des Hessischen LSG vom 03.02.2015, Az.: L 2 AS 605/14 B; vgl. z.B. auch Müller-Rabe, a.a.O., Rdnr. 5).
Maßgeblich ist vorliegend somit § 15a Abs. 1 RVG (vgl. den o.g. Grundsatzbeschluss des Senats vom 02.12.2015, a.a.O.). Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Anwalt im
Weg der PKH beigeordnet worden ist (vgl. Hessisches LSG, a.a.O.). Der Senat folgt der Auffassung des SG, dass § 15a Abs. 2 RVG im Verhältnis gegenüber der Staatskasse keine Anwendung findet (vgl. auch Hessisches LSG, a.a.O.; Hessischer VGH, Beschluss vom 27.06.2013, Az.: 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13; Hansens, RVGreport 2015, 299 ff.). Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Anrechnung von Leistungen
eines Dritten im Außenverhältnis stattfindet. Die Staatskasse ist jedoch kein Dritter im Falle der Bewilligung von PKH, sondern
Kostenschuldner des Rechtsanwalts (§ 45 Abs. 1 Satz 1 RVG). Sie tritt insoweit an die Stelle des Mandanten (vgl. z.B. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.05.2013, Az.: 18 W 68/13).
Eine Beschränkung des durch § 15a Abs. 1 RVG gewährten Wahlrechts des Rechtsanwalts infolge Anrechnung greift nur, wenn eine entsprechende Zahlung tatsächlich erfolgt
ist, was hier ohne Weiteres der Fall ist. Aus Sicht des Senats bestehen keine Zweifel daran, dass der o.g. Betrag nicht auf
die Gebühr für das gerichtliche Eilrechtsschutzverfahren, sondern für das Widerspruchsverfahren gezahlt worden ist. Dies ergibt
sich schon aus der Kostenrechnung vom 18.12.2013, die der Beschwerdegegner vorgelegt hat.
(bb) Streitig bleibt, ob Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorliegend rechtfertigt. Diese Frage ist nach Auffassung des
Senats zu verneinen. Maßgeblich ist, wie die Beteiligten im Erinnerungs- und vor allem im Beschwerdeverfahren umfangreich
herausgearbeitet haben, ob es sich hinsichtlich des Widerspruchs- und des Eilrechtsschutzverfahrens um denselben Gegenstand
im Sinne von Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG handelt. Entsprechend den zutreffenden Darlegungen des SG und des Beschwerdegegners ist dies bei der hier vorliegenden Konstellation gerade nicht der Fall. Denn Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens
ist die - dem Klageverfahren vorgeschaltete - Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Gegenstand
des Eilrechtsschutzverfahrens in der hier vorliegenden Ausprägung ist jedoch nicht die inhaltliche Prüfung des Verwaltungsakts,
sondern dessen Durchsetzbarkeit im weiteren Sinn bzw. die rechtlichen Wirkungen des Widerspruchs. Freilich verkennt der Senat
nicht, dass auch eine inhaltliche Prüfung des Widerspruchs, somit des angefochtenen Verwaltungsakts, eine - jedenfalls gewisse
- Rolle spielt. Im Hinblick auf das abweichende Prüfprogramm und insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
wonach in (vor allem existenzsichernde Leistungen betreffenden) einstweiligen Rechtsschutzverfahren, umfassende Abwägungen
unter Einbeziehung von Grundrechten des Antragstellers vorzunehmen sind, tritt die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen
Verwaltungsakts deutlich zurück (vgl. z.B. Straßfeld, Sgb 2008, 635, 638, zum Aufwand eines Rechtsanwalts in Eilverfahren,
wenn er bereits im Widerspruchsverfahren tätig war).
Eine Anrechnung der in einem Widerspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Eilrechtsschutzverfahren
ist vorliegend auch nicht mit gesetzgeberischen Motiven zu begründen (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 209 zu der Vorbemerkung
3 Abs. 4 VV RVG):
"Eine Anrechnung ist zunächst aus systematischen Gründen erforderlich. Nach der Definition in Abs. 2 der Vorbemerkung erhält
der Rechtsanwalt die gerichtliche Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Der Umfang
dieser anwaltlichen Tätigkeit wird entscheidend davon beeinflusst, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit
bereits mit der Angelegenheit befasst war. Eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält,
mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war, ist nicht zu rechtfertigen.
Die Anrechnung ist aber auch erforderlich, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern. Es muss der Eindruck vermieden
werden, der Rechtsanwalt habe ein gebührenrechtliches Interesse an einem gerichtlichen Verfahren. Dieses Interesse kollidiert
zwangsläufig mit dem Bestreben einer aufwandsbezogenen Vergütung. Diesen unterschiedlichen Interessen wird die vorgeschlagene
Anrechnungsregel gerecht."
Vorliegend kann jedoch, wo der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren geltend gemacht
hat (s. oben), bereits nicht die Rede davon sein, dass er mit der Angelegenheit durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits
befasst gewesen sei; das Widerspruchsverfahren war dem Eilrechtsschutzverfahren nicht vorgeschaltet, sondern vielmehr dessen
Gegenstand. Wegen der Besonderheiten eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem es regelmäßig um Eilbedürftigkeit
und effektive Rechtsdurchsetzung geht, kann den Senat weiter auch das Argument des gebührenrechtlichen Interesses nicht überzeugen.
Schließlich spricht auch der Regelungszweck von § 15a RVG i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG nicht zwingend für eine Anrechnung in der vorliegenden Fallkonstellation. Zwar hat der Senat in dem Beschluss vom 02.12.2015
(a.a.O.) bereits dargelegt, dass er in § 15a Abs. 1 RVG eine Vorschrift zur Minderung staatlicher Belastungen sieht, da auch diese Vorschrift der Vermeidung von Überzahlungen und
damit der Kostendämpfung dient. Hieraus lässt sich jedoch keine Veranlassung entnehmen, die Tatbestandsvoraussetzungen der
Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG übermäßig weit zu verstehen. Eine solche Festlegung wäre auch Aufgabe des Gesetzgebers, nicht jedoch eine der rechtsprechenden
Gewalt.
Im Übrigen erschließt sich für den Senat schon mit Blick auf die Identität der Betragsrahmengebühren nicht, weshalb es vorliegend
auf eine angeblich zu wahrende Parität zwischen der Vergütung eines Wahl- und eines beigeordneten Anwalts ankommen könnte
(vgl. den Beschluss des Senats vom 02.12.2015, a.a.O.).
(2) Eine Prüfung durch den Senat, ob durch eine von der Kostenbeamtin gegebenenfalls fehlerhaft angenommene Höhe der Verfahrensgebühr
insgesamt doch ein zu hoher Kostenansatz erfolgt und die Beschwerde daher doch begründet sein könnte, hat vorliegend nicht
zu erfolgen. Daran, dass vorliegend eine Verfahrensgebühr von 400,00 EUR zutreffend ist, könnte nämlich im Hinblick darauf,
dass nach Ansicht der Rechtsprechung für ein durchschnittliches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf
die Charakteristika dieser Verfahren nur eine abgesenkte Mittelgebühr entsteht, Zweifel bestehen (vgl. Beschluss des LSG Hessen
vom 26.10.2015, Az.: L 2 SO 95/15 B; vgl. allerdings den Senatsbeschluss vom 11.04.2013, Az.: L 15 SF 43/12 B). Eine solche Überprüfung findet jedoch - wovon der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 13.05.2016 zutreffend ausgegangen
ist - nicht statt, da eine vollumfängliche Prüfung im Rahmen der Erinnerung nach § 56 Abs. 1 RVG und damit auch bei der Beschwerde nach § 56 Abs. 2 RVG nicht stattfindet (vgl. im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 15.06.2016, Az.: L 15 SF 92/14 E).
Die Vergütung für den Beschwerdegegner ist daher wie folgt festzusetzen:
1. Instanz:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG:
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400,00 EUR
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Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG:
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20,00 EUR
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Zwischensumme:
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420,00 EUR
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19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG:
|
79,80 EUR
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Erstattungsbetrag:
|
499,80 EUR
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2. Instanz:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG:
|
370,00 EUR
|
Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG:
|
20,00 EUR
|
Zwischensumme:
|
390,00 EUR
|
19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG:
|
74,10 EUR
|
Erstattungsbetrag:
|
464,10 EUR
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Gesamterstattungsbetrag:
|
963,90 EUR
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Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).