Gründe
I.
Der Beschwerdeführer vertrat K. in zwei Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (S 52 AS 650/06 und S 52 AS 1864/06), wobei er jeweils im Weg der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war. In beiden Verfahren ging es um Leistungen für Unterkunft
und Heizung im Rahmen des Arbeitslosengelds II, wobei unterschiedliche Zeiträume Streitgegenstand waren.
Nach Erledigung beider Klageverfahren beantragte der Beschwerdeführer am 24.09.2008 beim Sozialgericht die Festsetzung der
Kosten nach §§ 45 ff. RVG. Dabei stellte er für jedes der beiden Klageverfahren einen gesonderten Antrag. Für das Verfahren S 52 AS 650/06 beantragte er 321,30 EUR (bei einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250 EUR), für das Verfahren S 52 AS 1864/06 226,10 EUR (bei einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 170 EUR; die Verfahrensgebühr war wegen der Vorbefassung im Widerspruchsverfahren vermindert).
Die Kostenbeamtin beim Sozialgericht fasste beide Anträge zusammen (ihre Festsetzung trägt beide Aktenzeichen) und setzte
unter dem Datum 01.12.2008 insgesamt 321,30 EUR fest. Sie vertrat die Auffassung, es liege nur eine einzige Angelegenheit
im Sinn von § 15 Abs. 2 RVG vor. Dagegen hat der Beschwerdeführer am 15.12.2008 Erinnerung eingelegt.
Der Kostenrichter beim Sozialgericht hat daraus zwei Vorgänge gemacht (S 52 SF 718/09 E und S 52 SF 719/09 E). Unter dem Aktenzeichen S 52 SF 719/09 E hat er mit Beschluss vom 21.02.2011 entschieden, dass für das Klageverfahren S 52 AS 1864/06 keine Vergütung aus der Staatskasse zustehe. Zur Begründung hat er - unter Verweisung auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
- ausgeführt, in der Tat liege nur eine einzige Angelegenheit im Sinn von § 15 RVG vor. Dafür könne nur eine Gebühr beansprucht werden. Die Ausgangsverfahren würden sich lediglich hinsichtlich der Bewilligungszeiträume
unterscheiden; materiell-rechtlich hätten beide Verfahren die gleiche Rechtsfrage betroffen. Die beklagte Behörde habe mehrere
Verwaltungsakte aus einem Rechtsgrund erlassen. Beauftrage der Adressat der angefochtenen Verwaltungsakte einen Rechtsanwalt
damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle
Verwaltungsakte vorzugehen, werde der Rechtsanwalt, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren
geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Im vorliegenden Fall sei eine objektive Klagehäufung möglich gewesen; nur
der Erlass des Widerspruchsbescheids im Folgeverfahren hätte noch abgewartet werden müssen.
Am 03.03.2011 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt. Er argumentiert, es lägen sehr wohl zwei voneinander zu trennende
Verfahren und auch zwei verschiedene Angelegenheiten im Sinn von § 15 RVG vor. Er hält an seinem ursprünglichen Kostenansatz in Höhe von 226,10 EUR fest.
II.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Auch ist sie fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist auch begründet, weil der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Festsetzung von 226,10 EUR hat. Die Prozessvertretung
durch den Beschwerdeführer im Verfahren S 52 AS 1864/06 stellt gegenüber der im Verfahren S 52 AS 650/06 eine eigene Angelegenheit im Sinn von § 15 RVG dar (vgl. unten 1.). Die vom Beschwerdeführer hierfür angesetzten Kosten in Höhe von 226,10 EUR entsprechen auch billigem
Ermessen (vgl. unten 2.).
1. Die beiden Klageverfahren S 52 AS 1864/06 und S 52 AS 650/06 verkörpern unterschiedliche Angelegenheiten im Sinn von § 15 RVG. Daher sind für beide Verfahren, auch für das Verfahren S 52 AS 1864/06, Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstanden.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 04.10.2010 - L 15 B 389/08 AL KO, Beschluss vom 31.07.2012 - L 15 SF 214/10 B E) besteht grundsätzlich Identität zwischen Klageverfahren und vergütungsrechtlicher Angelegenheit. Überdies gilt das Prinzip,
dass Veränderungen des Klagegegenstands (z.B. Verbindungen, Trennungen) sich auch entsprechend im Vergütungsanspruch des Anwalts
- und zwar zu dessen Gunsten wie auch zu dessen Ungunsten - niederschlagen. Ebenso wie es das Bundesverwaltungsgericht in
der vom Sozialgericht angeführten Entscheidung NJW 2000, S. 2289, betont hat, vertritt auch der Senat die Auffassung, dass nach den besonderen Umständen des konkreten Falls durchaus eine
abweichende Behandlung geboten sein kann. So kann sicher nicht hingenommen werden, wenn objektiv Zusammengehörendes künstlich
aufgespaltet wird.
Allgemein muss mit Abweichungen vom Grundsatz der Identität von Klageverfahren und Angelegenheit aber behutsam umgegangen
werden. Denn gerade dieser Grundsatz ermöglicht es den Kostenbeamten, mit vertretbarem Arbeits- und Zeitaufwand die Angelegenheiten
im Sinn von § 15 RVG zu bestimmen. Müsste der Kostenbeamte dagegen in großem Maß die materiellen Gegebenheiten berücksichtigen, wäre dies unökonomisch
und kaum praktikabel.
Es bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Ausführungen, wie sich der Senat zu den vom Bundesverwaltungsgericht in der genannten
Entscheidung formulierten Ausnahmevoraussetzungen stellt. Denn die Vergleichbarkeit mit dem hier vorliegenden Fall hält sich
in Grenzen: Zum Einen ging es in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall um die Kosten für ein Widerspruchsverfahren.
Zum Anderen - was noch weitaus wichtiger ist - werden die Gebühren im Widerspruchsverfahren nach der
Verwaltungsgerichtsordnung nach dem Streitwert berechnet. Zwar sind die Gebührensätze degressiv bemessen. Dennoch kann über die Bemessung der Gebühr
nach dem Streitwert wohl eher eine leistungsgerechte Vergütung erzielt werden als bei einer Bemessung innerhalb eines Gebührenrahmens.
Dieser gravierende Unterschied rechtfertigt eine abweichende Handhabung in der Sozialgerichtsbarkeit im Vergleich zur Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Im hier vorliegenden Fall ist es nicht gerechtfertigt, ausnahmsweise von der Identität von Klageverfahren und vergütungsrechtlicher
Angelegenheit abzurücken, und zwar auch dann nicht, wenn man die vom Bundesverwaltungsgericht in NJW 2000, S. 2289, genannten Ausnahmekriterien heranzieht. Denn zwischen den jeweils zugrunde liegenden Bescheiden bestand schon kein zeitlicher
Zusammenhang; der eine stammt vom 25.11.2005 (Widerspruchsbescheid vom 07.04.2006), der andere vom 04.05.2006 (Widerspruchsbescheid
vom 27.10.2006). Außerdem vermag man auch keine signifikante inhaltliche Gleichförmigkeit zu erkennen. Denn Streitgegenstand
in den Klageverfahren waren nicht isoliert nur die Kosten für Unterkunft und Heizung, was vielleicht für eine gewisse Gleichförmigkeit
hätte sprechen können. Streitgegenstand waren vielmehr die Leistungsansprüche des K. Für jeden der betroffenen Monate musste
eine Bedarfsberechnung im Sinn einer Gegenüberstellung von Bedarf auf der einen und Einkommen und Vermögen auf der anderen
Seite durchgeführt werden. Damit war eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, die von Monat zu Monat sehr stark variieren
konnten.
2. Letztlich war die aus der Staatskasse zu leistende Vergütung in der Höhe festzusetzen, wie sie der Beschwerdeführer beantragt
hat. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Senats Synergieeffekte, die aus einer Arbeitsersparnis infolge Vorbefassung resultieren,
bei der Gebührenfestsetzung zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 02.12.2011 - L 15 SF 28/11 B E, vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E). Solche Synergieeffekte haben auch hier bestanden. Der Beschwerdeführer hatte im Verfahren S 52 AS 1864/06 sicherlich weniger Arbeit, weil er bereits in anderen Verfahren einschlägige Sachkenntnisse erworben und einschlägige Vorarbeit
geleistet hatte. Jedoch ist die vom Beschwerdeführer angesetzte Verfahrensgebühr von 170 EUR um 80 EUR wegen der Vorbefassung
im Widerspruchsverfahren reduziert; damit wird bereits ein Synergieeffekt berücksichtigt. Die zusätzliche Arbeitsersparnis
(also der "aufgestockte" Synergieeffekt), in deren Genuss der Beschwerdeführer gerade wegen der parallelen Prozessführung
im Verfahren S 52 AS 650/06 kam, dürfte im Vergleich dazu eher gering gewesen sein. Deshalb erschiene eine weitere Herabsetzung von 170 EUR lediglich
auf 150 EUR angemessen. Diese Differenz bewegt sich aber noch innerhalb der 20-prozentigen Toleranzbreite, die dem Beschwerdeführer
beim Ansatz der Gebühren zu Gute kommt (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschluss vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E). Aus diesem Grund erhält der Beschwerdeführer den von ihm bestimmten Betrag.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).