Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall auf dem Betriebsweg in der gesetzlichen Unfallversicherung bei entfernungsmäßig
gleich langen Verkehrswegen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls der Klägerin als Arbeitsunfall.
Die Klägerin ist als Außendienstmitarbeiterin (Area Sales Manager) der Firma J., D-Stadt, bei der Beklagten versichert. Die
Firma vertreibt Patientenaufklärungsbögen.
Am 11.04.2012 hatte die Klägerin gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeitern der Firma, den Zeugen D. (im Folgenden: K.) und
E. (im Folgenden: B.), einen Geschäftstermin am Klinikum E ... Anschließend befuhr die Klägerin mit ihrem Firmenwagen von
E. kommend die Autobahn A XY. Richtung Süden. An der Anschlussstelle (AS) E. fuhr sie gegen 15:10 Uhr auf die Ausfahrspur
Richtung Staatsstraße XY. (K-Stadt - E.) und krachte dort in einen vorausfahrenden Lkw. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes betrug
die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs 80 km/h. Die Klägerin erlitt bei dem Zusammenstoß eine LWK-1-Fraktur als kranialen Berstungsbruch,
ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I und eine Rippenserienfraktur VI-VIII rechts.
Mit Unfallanzeige vom 19.04.2012 zeigte der Arbeitgeber der Klägerin den Unfall bei der Beklagten an. Nach Durchführung verschiedener
Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2012 (Widerspruchsbescheid vom 22.08.2013) die Anerkennung des Unfalls
vom 11.04.2012 als Arbeitsunfall ab. Nach Auffassung der Beklagten hätten die Ermittlungen ergeben, dass die Klägerin aus
privaten Gründen von der Autobahn A XY. habe abfahren wollen. Ihre Handlung habe damit nicht ihrer versicherten beruflichen
Tätigkeit gedient, sondern eigenwirtschaftlichen Gründen. Ihre Fahrt mit dem Pkw sei daher zum Zeitpunkt des Unfalls nicht
versichert gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 11.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 mit Urteil vom 26.11.2013
abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Am 28.05.2014 und am 30.09.2014 haben zwei nichtöffentliche Sitzungen mit dem Beteiligten stattgefunden. Dabei hat der Senat
die Klägerin angehört und Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen K., B., C. (im Folgenden: M.) und F. (im Folgenden:
Bu.).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.11.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.08.2013 aufzuheben und den Unfall vom 11.04.2012 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Verkehrsunfallakte der K. sowie
der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Über die Berufung konnte der Senat nach §
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis erteilt haben (Schriftsatz der Klägerseite
vom 22.12.2014 und Schriftsatz der Beklagtenseite vom 22.12.2014).
Die Berufung wurde form- und fristgerecht erhoben (§§
143,
144,
151 SGG). Die auf Feststellung eines Arbeitsunfall gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§
54 Abs.
1 S. 1, 55 Abs.
1 Nr.
3 SGG ist auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat es die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 22.08.2013 abgelehnt, den Autounfall der Klägerin vom 11.04.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Das Ereignis stellt einen
Arbeitsunfall i.S.d. §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII dar.
Arbeitsunfälle sind gemäß §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Gemäß Satz 2 der Vorschrift sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen
auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
1. Das Ereignis vom 11.04.2012 stellt sich als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper der Klägerin einwirkendes Ereignis,
das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, dar.
Die Klägerin hat am 11.04.2012 um 15.10 Uhr einen Unfall erlitten, als sie mit ihrem Firmenwagen an der AS E. (Fahrtrichtung
F.) auf der Abbiegespur Richtung Staatsstraße XY. in einen Lkw hineingefahren ist. Dieser Sachverhalt ergibt sich zur vollen
Überzeugung des Senats aus den Akten der K. (Az. ), insbesondere aus Blatt 3 und 4 der Verkehrsunfallanzeige. Er ist zwischen
den Beteiligten auch unstrittig. Bei dem Zusammenstoß erlitt die Klägerin eine LWK-1-Fraktur als kranialen Berstungsbruch,
ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I und eine Rippenserienfraktur VI-VIII rechts. Diese Feststellung trifft der Senat anhand des
Berichts des Klinikums K-Stadt - II. Chirurgische Klinik vom 25.04.2012, in der die Klägerin noch am Unfalltag stationär aufgenommen
wurde.
2. Das Fahren der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls war auch ihrer versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist, wie sich aus §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII ergibt, erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 13.12.2005 - B 2 U 29/04 R). Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des
Unfalls (BSG, Urteile vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R, vom 12.04.2005 - B 2 U 5/04 R u. B 2 U 11/04 R u. B 2 U 27/04 R; BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu
welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R; BSG, Urteile vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R u. B 2 U 13/07 R; BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10, SozR 4-2700 § 8 Nr. 2 Rn. 4). Zur versicherten Tätigkeit gehört auch das Zurücklegen eines Betriebswegs. Ein Betriebsweg unterscheidet sich
von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von
dem Ort der Tätigkeit i.S.v. §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt (vgl. BSG, Urteile vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R, vom 12.01.2010 - B 2 U 35/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 36 Rn. 16 und vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 39 Rn. 20). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt
wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz
des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz
durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl. BSG, Urteile vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R, vom 30.06.2009 - B 2 U 22/08 R u. vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 19 Rn. 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen
von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf. das gewählte Verkehrsmittel
durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (vgl. BSG, Urteil vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 39 Rn. 20).
Aufgrund der Angaben der Klägerin sowie der Aussagen der Zeugen K. und B. in der nicht-öffentlichen Sitzung vom 30.09.2014
steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin am 11.04.2012 nach Beendigung des Außendiensttermins an der
Klinik in E. nach G-Stadt gefahren ist, um kurz nach 16:00 Uhr am dortigen einen weiteren Außendiensttermin wahrzunehmen.
So hat der Vorgesetzte der Klägerin K., der an dem Außendiensttermin an der Klinik E. teilgenommen hat, bei seiner Zeugenaussage
angegeben, dass er während der Nachbesprechung geradezu darauf gedrängt habe, dass die Klägerin mit dem Chefarzt (der ) am
Klinikum G-Stadt unverzüglich Kontakt aufnehme. Zwar könne er sich nicht daran erinnern, dass die Klägerin ihm wörtlich zugesichert
habe, im unmittelbaren Anschluss nach G-Stadt zu fahren, um den Chefarzt (der ) aufzusuchen. Er sei aber aufgrund des Gesprächs
davon ausgegangen. Der Projektleiter B., der ebenfalls an dem Außendiensttermin in E. teilgenommen hat, konnte sich bei seiner
Zeugenaussage sogar daran erinnern, dass in E. darüber gesprochen worden sei, ob er die Klägerin zu dem Termin im G-Stadt
begleiten solle. Man habe sich dann aber anders entschieden, und ihm sei klar gewesen, dass die Klägerin nunmehr im Anschluss
an die Nachbesprechung alleine nach G-Stadt fahre. Demgegenüber hat die Zeugin M. in einem Schreiben an die Beklagte vom 15.06.2012
zwar ausgeführt, dass sich der Termin am Klinikum G-Stadt erst während der Rückfahrt vom Außendiensttermin in E. ergeben habe.
Bei ihrer Befragung durch den Senat konnte sich M. allerdings nicht mehr daran erinnern, ob sie die Information in dieser
Form von jemandem konkret bekommen hat, gegebenenfalls von wem. Es sei - so die Zeugin - vielmehr auch möglich, dass die Klägerin
schon vor Beginn der Fahrt beabsichtigt habe, einen weiteren Außendiensttermin in G-Stadt wahrzunehmen.
Zweifel an der Absicht der Klägerin, am 11.04.2012 nach G-Stadt zu fahren, um dort einen weiteren Außendiensttermin wahrzunehmen,
ergeben sich für den Senat auch nicht daraus, dass ein Termin mit dem Chefarzt der nicht vereinbart war. Wie der Chefarzt
der Professor Dr. G. auf Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 24.04.2014 mitgeteilt hat, führe man Gespräche in aller Regel
zwar nur nach Terminabsprache. Allerdings sei dies keine feste Regel. Für den Fall dass der Vertreter einer Firma im Sekretariat
vorstellig werde und er - Professor Dr. G. - gerade Zeit habe, könne ein Gespräch auch spontan stattfinden. Hierzu hat die
Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung vom 28.05.2014 nachvollziehbar angegeben, dass sie eine Terminvereinbarung deshalb
nicht gewollt habe, um zu verhindern, dass im Vorfeld des Termins Veränderungen im Besuchsbereich/Patientenbereich des Klinikums
D. vorgenommen werden, zum Beispiel Produkte der Konkurrenz zur Patientenaufklärung gegen Produkte ihrer Firma ausgetauscht
werden. Sie wollte einen authentischen Eindruck vor Ort erhalten und sich davon überzeugen, dass Produkte ihrer Firma - Patientenaufklärungsfilme
- auch tatsächlich im Klinikalltag verwandt werden. Der Zeuge K. hat hierzu angegeben, dass es durchaus üblich sei, dass man
Außendienstbesuche - als einzelner Mitarbeiter - nicht vorab ankündige. Zum einen würden solche Termine schätzungsweise in
der Hälfte aller Fälle von Seiten des Kunden kurzfristig wieder abgesagt. Zum anderen sei es häufig einfacher, nach 16:00
Uhr unmittelbar vor Ort Kontakt zu den Chefärzten zu bekommen, wenn diese das Tagesgeschäft bereits hinter sich hätten und
die Sekretariate nicht mehr besetzt seien. Denn die Mitarbeiter in den Sekretariaten würden eine unmittelbare Kontaktaufnahme
zum Chefarzt häufig erschweren.
Die Fahrt der Klägerin zu dem weiteren Außendiensttermin in G-Stadt auf der A XY. stellte sich somit als versicherter Betriebsweg
dar, da er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wurde (siehe auch Wagner in jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl. 2014, §
8 Rn. 80: Fahrt eines Außendienstmitarbeiters zum Kundenbesuch als versicherter Betriebsweg).
Diesen versicherten Betriebsweg hat die Klägerin nicht dadurch verlassen, dass sie an der AS R. mit ihrem Fahrzeug von der
A Xy. auf die Abbiegespur Richtung Staatsstraße XY. gewechselt ist.
Der Senat hat aufgrund der Angaben der Klägerin und auch unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin Bu. in der nicht-öffentlichen
Sitzung vom 30.09.2014 keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Abfahrt von der A XY. ihren ursprünglichen
Plan, einen (unangemeldeten) Außendienstbesuch bei Professor Dr. G. durchzuführen, aufgegeben hätte. Die Zeugin Bu., die nach
ihren Angaben mit der Klägerin bis zum Unfall telefoniert hat, konnte sich bei ihrer Zeugeneinvernahme nicht daran erinnern,
dass die Klägerin ihr erzählt hätte, wohin sie unterwegs sei. Insofern ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte dafür,
dass die glaubhaften Angaben der Klägerin, wie sie sie schon bei ihrer ersten Äußerung gegenüber der Beklagten im Unfallfragebogen
vom 09.05.2012 getätigt hat, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg zu einem weiteren Kundenbesuch am Klinikum G-Stadt
gewesen sei, nicht der Wahrheit entsprechen könnten. Es ist nach den Feststellungen des Senats grundsätzlich auch genauso
möglich, mit dem Auto auf Höhe der AS R. weiter über die A XY. und letztlich die B XY zum in G-Stadt zu fahren, wie über die
Staatsstraße XY., die B XY. und letztlich ebenfalls über die B XY. Zur Überzeugung des Senats sind die Längen der beiden Fahrtstrecken
- 58,6 km (A XY.) bzw. 58,7 km (St XY.) gemäß Falk Routenplaner (www.falk.de), 57,7 km (A XY.) bzw. 57,1 km (St XY.) gemäß
ADAC Maps (www.maps.adac.de) - praktisch identisch (der Startpunkt auf der A XY. weicht dabei aufgrund der unterschiedlichen
Genauigkeit der Karten der Anbieter leicht voneinander ab).
Von einem Abweg der Klägerin, wie ihn die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 05.06.2014 angenommen hat, kann nicht ausgegangen
werden. Durch das Abfahren von der A XY. hat sich - wie vom Senat festgestellt (s.o.) - die Zielrichtung der Fahrt und damit
die Handlungstendenz der Klägerin nicht geändert; die gewählte Fahrtroute führte weiterhin Richtung G-Stadt, wo der nächste
Außendiensttermin geplant war. Die Klägerin hat sich auch nicht räumlich vom Zielort G-Stadt entfernt (zum Begriff des Abwegs
siehe BSG, Urteile vom 30.01.1963 - 2 RU 7/60, vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 8; Keller in Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand 01/13, §
8 Rn. 240; Wagner in jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 206). Entgegen der rechtlichen Wertung des SG handelte es sich bei der von der Klägerin befahrenen Alternativroute noch nicht einmal um einen Umweg. Vielmehr befand sie
sich weiterhin auf dem direkten Weg nach G-Stadt. Unter direktem Weg ist dabei der entfernungsmäßig kürzeste Weg zum Zielort
zu verstehen (Wagner a.a.O Rn. 213; BSG Urt. v. 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9 siehe auch Keller a.a.O. Rn. 243). Nicht entscheidend ist dagegen, ob es sich auch um den einfachsten
oder schnellsten Weg handelt. Dies wäre regelmäßig - insbesondere im Nachhinein - kaum objektiv feststellbar, da eine entsprechende
Beurteilung u.a. von der jeweiligen Verkehrslage, der Beschaffenheit der Straße, aktuellen Verkehrshindernissen oder auch
dem individuellen fahrerischen Können abhängig wäre. Zudem muss der entfernungsmäßig kürzeste nicht immer auch der einfachste
oder schnellste Weg sein. Vielmehr ist der Versicherte, solange die Fortbewegung nach ihrer Handlungstendenz dem Zurücklegen
des Weges zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist und im öffentlichen Verkehrsraum stattfindet (siehe dazu BSG, Urteil vom 09.12.2013 - B 2 U 33/03 R), in der Wahl des Weges zum Ort seiner beruflichen Tätigkeit grundsätzlich frei (vgl. u.a. BSGE, Urteile vom 31.01.1984 -
2 RU 15/83, vom 30.011985 - 2 RU 5/84 - SozR 2200 § 548 Nr. 68). Nach den Feststellungen des Senats (s.o.) wurde die direkte Wegstrecke durch die von der Klägerin
gewählte Fahrtroute nicht verlängert. Daher war die Klägerin nicht gehalten, weiter auf der - vermutlich schnelleren und für
einen geübten Autofahrer einfacheren Route - A XY. anstatt über die Staatsstraße XY. und die B XY. nach G-Stadt zu fahren,
um ihren Versicherungsschutz nicht zu verlieren. Da insoweit Wahlfreiheit bestand, ist es ohne Bedeutung, aus welchem Motiv
heraus sich die Klägerin für die letztgenannte Alternativroute entschieden hat. Führen zum Ort der beruflichen Tätigkeit zwei
entfernungsmäßig gleich lange Verkehrswege, handelt es sich unabhängig vom Motiv, aus dem heraus der Versicherte einen der
beiden Wege wählt, um einen vom Versicherungsschutz umfassten Betriebsweg.
Ohne dass es nach dem Gesagten darauf ankommt und nur ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Zwar ist der Senat nach
Anhörung der Klägerin und Einvernahme der Zeugin Bu. zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin die Alternativroute gewählt
hat, um das Privatgespräch mit der Zeugin störungsfrei weiterführen zu können und gegebenenfalls auf der ihr besser bekannten
Wegstrecke einen Anhaltepunkt zu finden. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Erklärung der Klägerin in der öffentlichen Sitzung
vor dem SG am 26.11.2013. Dort hat die Klägerin zu Protokoll gegeben, dass sie auf der B XY. nach G-Stadt, auf die sie ja habe abfahren
wollen, eher gewusst hätte, wo ein Anhaltepunkt für sie gewesen wäre. Die Kommunikation über die Freisprechanlage sei wegen
Störungen sehr schwierig gewesen, auch deshalb habe sie von der Autobahn abfahren wollen, um das Gespräch in Ruhe weiterführen
zu können. Sie habe die Autobahn aber nicht verlassen, weil es ein Privatgespräch gewesen sei, sondern weil die Kommunikation
so schwierig gewesen sei. Wenn kein Gespräch hereingekommen wäre, wäre sie allerdings wahrscheinlich weiter auf der A XY.
gefahren. Andererseits hat der Senat aufgrund der Einvernahme der Zeugin Bu. keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gespräch
noch wesentlich länger gedauert hätte. Das Gespräch hatte nach Angaben der Zeugin Bu. nichts Wichtiges zum Gegenstand. Man
habe ihrer Erinnerung nach u.a. darüber gesprochen, wann man sich wieder einmal treffen könnte. Bis zum Zeitpunkt des Unfalls
habe das Gespräch ca. 3 Minuten gedauert. Die Klägerin selbst konnte zu dem Inhalt des Gesprächs keine Angaben machen, was
anhand der medizinischen Befunde nachvollziehbar ist: Die Klägerin hat nach den Feststellungen der behandelnden Ärzte des
Klinikums K-Stadt (Durchgangsarztbericht vom 19.04.2012 bzw. Zwischenbericht vom 25.04.2012) infolge des Unfalls eine retrograde
Amnesie für den Unfallhergang erlitten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind nun aber auch ganz
kleine privaten Zwecken dienende Umwege, die nur zu einer unbedeutenden Verlängerung des Weges führen, für den Versicherungsschutz
unschädlich. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die private Besorgung im Bereich der Straße selbst, mithin "so im
Vorbeigehen" erledigt wird (vgl. BSG, Urteile vom 24.06.2003 - B 2 U 40/02 R und vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Der Senat geht aufgrund der Umstände des Privatgesprächs davon aus, dass das Gespräch, selbst wenn
die Klägerin einen Anhaltepunkt angefahren hätte, um es zu Ende zu führen, nicht den Umfang einer privaten Besorgung im Vorbeigehen
überschritten hätte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin - wie ausgeführt - beabsichtigte, den Chefarzt
der am Klinikum G-Stadt kurz nach 16:00 Uhr zu treffen. Nachdem der Unfall gegen 15:10 Uhr passierte und die weitere Fahrzeit
auf der von der Klägerin gewählten Route im Nachhinein geschätzt knapp über eine Stunde betragen hätte (Berechnungen mit Hilfe
von Falk-Routenplaner (1:06 h) bzw. ADAC Maps (1:07 h)), wäre zeitlich kein Raum für ein länger dauerndes Gespräch gewesen.
Nach alledem ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass der Unfall der Klägerin auf dem Betriebsweg geschehen ist. Zur
Zeit des Unfalls bestand ein innerer bzw. sachlicher Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit der Klägerin
als Außendienstmitarbeiterin (Area Sales Manager) der Firma J. und der aktuellen Verrichtung, Fahrt mit dem Geschäftswagen
zu einem weiteren Außendiensttermin am Klinikum G-Stadt. Diese Verrichtung hat wiederum zu einem Unfall geführt, der bei der
Klägerin Gesundheitsschäden verursacht hat. Die Voraussetzungen des §
8 Abs.
1 SGB VII sind somit gegeben; der Unfall der Klägerin vom 11.04.2012 stellt einen Arbeitsunfall dar. Daher war das Urteil des SG vom 26.11.2013 sowie der Bescheid vom 11.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2012 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 u. 2
SGG), sind nicht ersichtlich.