Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und einer Achillessehnenruptur als Gesundheitsschaden sowie
Entschädigung streitig.
Der 1968 geborene Kläger ist bei der Beklagten als selbstständiger Gastwirt versichert. Am 31.03.2004 wollte der Kläger nach
seinen Angaben in der nichtöffentlichen Sitzung vom 21.12.2010 zusammen mit seinem Kollegen einen Baumstamm, der als Tisch
verwendet werden sollte, nach vorne schieben, um Platz zu schaffen. Bei dem Schiebevorgang habe er sein linkes Bein als Standbein
nach vorne gestellt und das rechte Bein nach hinten. Dabei habe es einen richtigen Schlag gegeben, so als ob ein Ast zerbreche.
Anschließend wurde der Kläger im Krankenhaus M. stationär vom 31.03.2004 bis 03.04.2004 behandelt, wo zunächst ein Verdacht
auf eine Achillessehnenruptur diagnostiziert und im Rahmen einer Operation am 01.04.2004 die dann festgestellte Achillessehnenruptur
durch Achillessehnennaht und Plantaris longus-Sehnendurchflechtung operativ versorgt wurde. Mit streitgegenständlichem Bescheid
vom 13.12.2005 lehnte die Beklagte die Entschädigung des Unfalls als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, dass ein wesentlicher
Ursachenzusammenhang der Achillessehnenruptur mit dem Unfallereignis nicht gegeben sei, da der angeschuldigte Unfall nicht
geeignet gewesen sei, eine Achillessehnenruptur zu verursachen. Den hiergegen am 16.01.2006 eingelegten Widerspruch wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.03.2006 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) Klage erhoben. Im Auftrag des SG hat der Leiter der Orthopädischen Klinik D-Stadt-, Prof. Dr.D., am 10.07.2007 nach ambulanter Untersuchung des Klägers gemäß
§
106 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ein Gutachten erstattet und ist darin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Achillessehnenruptur wesentlich durch das Unfallereignis
verursacht worden und von einer dreimonatigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei.
Mit Urteil vom 23.10.2008 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2006 verurteilt,
eine Achillessehnenruptur als Arbeitsunfallfolge zu entschädigen und Verletztengeld bis 30.06.2004 entsprechend den gesetzlichen
Vorschriften zu gewähren. Das SG stütze seine Überzeugung insbesondere auf das schlüssige Gutachten des Prof. Dr.D., der den Unfallhergang zugrunde lege,
wie er im Rahmen der Untersuchung auf Befragung vom Kläger geschildert worden sei. Danach habe der Kläger versucht, einen
ca. 1,2 m breiten und 1,3 m hohen Baumstamm etwas anzuheben und zu verschieben, habe dabei den linken Fuß nach vorne gestellt
und sich mit dem rechten Fuß ruckartig auf dem hinteren Bein abgestoßen. Das vom Kläger durchgeführte plötzliche ruckartige
Abstoßen mit dem hinten stehenden rechten Fuß habe zu einer unvorhergesehenen und plötzlichen Anspannung der Achillessehne
mit Dorsalflexion im Sprunggelenk bei gestrecktem Kniegelenk geführt. Das ruckartige Abstoßen mit dem rechten Fuß sei damit
einem schnellen Antritt, der u.a. als relevanter Mechanismus für die Verursachung einer traumatischen Achillessehnenverletzung
gelte, im Sinne eines Abstoßens mit fußsohlenwärtiger Bewegung im oberen Sprunggelenk bei gleichzeitiger Streckung des Kniegelenks
vergleichbar. Die Auffassung des Dr.W. vom 10.12.2007, dass nur eine ungewollte Dehnung der Achillessehne bzw. eine ungewollte
und unkoordinierte Belastung geeignet sei, eine traumatische Achillessehnenruptur herbeizuführen, teile das SG nicht. Vielmehr genügten Mechanismen, die die Sehne unter Belastungsspitzen setzten, ohne dass sich die Zugspannung - koordiniert,
gesteuert und gebremst von der vorgeschalteten Muskulatur - systematisch aufbauen könne. Der insoweit als geeigneter Unfallhergang
beschriebene schnelle Antritt im Sinne eines Abstoßens mit fußsohlenwärtiger Bewegung im oberen Sprunggelenk bei gleichzeitiger
Streckung des Kniegelenks oder der insoweit beschriebene Auf- und Absprung bei fußrückenwärtiger Belastung des Fußes stelle
ebenso eine gewollte Belastung dar, die aber eben die Sehne unter eine Belastungsspitze setze. Insoweit sei auch nicht ersichtlich,
dass eine relevante Vorschädigung am rechten Unterschenkel beim Kläger vorgelegen habe, die von so herausragender Bedeutung
gewesen sei, dass sie den Unfallhergang als (Mit-)Ursache für den Eintritt der Achillessehnenruptur völlig zurückgedrängt
hätte.
Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 10.12.2008 eingegangene Berufung der Beklagten. Zur Berufungsbegründung
trägt die Beklagte insbesondere vor, dass Prof. Dr.D. es unterlasse, zu erklären, wieso eine "bekannte" Tätigkeit - das Verschieben
des Stammtisches - ein unerwartetes Ereignis im Sinne seiner Ausführungen sein solle. Vor allem verweise er darauf, dass keine
vorbestehenden Beschwerden bekannt gewesen seien. Dass das allein nicht ausreichend sei, um eine Kausalität für einen Arbeitsunfall
anzunehmen, ohne dass weitere Umstände, die dafür sprächen, vorhanden seien, entspreche der herrschenden Meinung der gängigen
Rechtsprechung.
Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr.D. am 28.08.2009 nach Aktenlage ergänzend Stellung genommen. Hierzu hat die Beklagte
mit Schriftsatz vom 18.01.2010 Stellung genommen.
Anschließend hat im Auftrag des Senats der Facharzt für Chirurgie, Sportmedizin Dr.E. nach ambulanter Untersuchung des Klägers
am 09.03.2010 gemäß §
106 SGG ein Gutachten erstattet und ist darin zur Beurteilung gelangt, dass das Ereignis lediglich eine unwesentliche, nicht gleichwertige
Teilursache darstelle und in seiner Bedeutung für den Schadenseintritt völlig zurücktrete. Auf Veranlassung des Senats hat
Dr.E. am 11.06.2010 nach Aktenlage ergänzend Stellung genommen.
Zur Berufungserwiderung trägt der Kläger insbesondere vor, dass sich Dr.E. in Widerspruch setze zu der unfallmedizinischen
Fachliteratur, insbesondere zu Schönberger/Mehrtens/Valentin, wonach bei einer entsprechenden Unfallmechanik auch eine gesunde
Achillessehne zerreißen könne. Wie das SG bereits ausgeführt habe, stelle das ruckartige Abstoßen mit dem rechten Fuß beim Anheben des Stehtisches einen dem schnellen
Antritt im Sinne eines Abstoßens mit fußsohlenwärtiger Bewegung im oberen Spruchgelenk bei gleichzeitiger Streckung des Kniegelenks
vergleichbaren und geeigneten Unfallmechanismus dar. Er habe auch plötzlich ein knallendes Geräusch gehört. Nach dem Durchgangsarztbericht
vom 16.09.2005 habe sich im klinischen Befund eine deutliche Delle im Achillessehnverlauf rechts gezeigt. Letzteres deute
auf einen frischen Riss der Achillessehne hin (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8.Aufl.,
S.493). In einem vergleichbaren Fall habe das Thüringer Landessozialgericht mit Urteil vom 07.05.2008 (Az. L 3 U 1062/06) selbst bei einer Achillessehnenruptur, die nur durch ein Anlaufen bei einem betrieblich veranlassten Fußballspiel verursacht
worden sei, einen Arbeitsunfall anerkannt. Auch werde Dr.E. insoweit widersprochen, als er auf S. 11 seines Gutachtens die
Vermutung aufstelle, dass ein derartiges Rücken schwerer Tische habe öfters durchgeführt werden müssen und damit als alltägliche
Belastung anzusehen sei. Schließlich habe das Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) in seinem Urteil vom 29.04.2008 (Az. L 3 U 51/06) selbst bei einem Anschieben eines schweren Servicewagens die hierdurch verursache Achillessehnenruptur als Arbeitsunfall
anerkannt und sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) berufen, wonach z.B. die beim Anheben
eines Steins erforderlichen Kräfte als von außen wirkend zu qualifizierend seien (BSG, Urteil vom 12.04.2005, Az. B 2 U 27/04 R). Dieser Vorgang sei eindeutig mit dem Stemmen eines Baumstammes vergleichbar. Auch im vorliegenden Falle liege die äußere
Einwirkung in der Kraft, die er dem schweren Tisch entgegengesetzt habe. Eine Vorschädigung sei bei ihm nicht nachgewiesen,
wobei darauf hinzuweisen sei, dass die objektive Beweislast bei der Beklagten liege (BayLSG, aaO.).
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 21.12.2010 haben der Kläger auf Nachfrage den Unfallhergang geschildert und die Beklagte
sich hierzu geäußert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.10.2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 13.12.2005 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2006 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.10.2008 zurückzuweisen.
Der Senat hat 1 Band Akten der Beklagten und 1 Band Akten des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig (§§
143,
144,
151 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Zu Unrecht hat das SG mit Urteil vom 23.10.2008 die Beklagte verurteilt, die Achillessehnenruptur des Klägers als Arbeitsunfallfolge zu entschädigen
und Verletztenrente bis 30.06.2004 entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Soweit die Beklagte durch das Urteil des SG verpflichtet worden ist, eine "Achillessehnenruptur als Arbeitsunfallfolge zu entschädigen und Verletztengeld" bis 30.06.2004
entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren handelt es sich um ein unzulässiges Grundurteil ohne einen hinsichtlich
der Versicherungsleistungen vollstreckbaren Inhalt, dem neben dem Ausspruch zur Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls
keine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.21009, B 2 U 29/07 R, BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 6/06 R mwN).
Zur Überzeugung des Senats ist das Ereignis vom 31.03.2004 nicht als Arbeitsunfall und die Achillessehnenruptur nicht als
Gesundheitsschaden anzuerkennen, denn die Achillessehnenruptur ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das Ereignis
vom 31.03.2004 im Sinne der Lehre von der wesentlichen Bedingung rechtlich wesentlich verursacht worden, sodass schon die
haftungsbegründende Kausalität nicht gegeben ist.
Gemäß §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII.
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der
versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten,
von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis
einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen
von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung
für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 04.09.2007, B 2 U 28/06 R, mwN).
Zwar geht der Senat davon aus, dass das Verschieben des Baumstammes bzw. der Versuch, den Baumstamm zu verschieben, der als
Holztisch dienen sollte, einen Unfall im Sinne des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII darstellt. Das Merkmal "Einwirkung von außen" dient der Abgrenzung eines äußeren Vorgangs von unfallrechtlich nicht geschützten
krankhaften Veränderungen im Inneren des menschlichen Körpers. Unter Umständen können jedoch auch körpereigene Bewegungen
als äußere Ereignisse angesehen werden. Insoweit hat das BSG in seiner Entscheidung vom 12.04.2005 (B 2 U 27/04) zu Recht dargelegt, dass z.B. die beim Anheben eines Steines erforderlichen Kräfte als von außen wirkend zu qualifizieren
sind. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist nämlich kein besonderes, ungewöhnliches
Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Das äußere Ereignis dient vielmehr der Abgrenzung
zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten
Tätigkeit auftreten (Vorschäden) sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. So hat das BayLSG die Kraft, die zum (An-)Schieben
eines schweren Service-Wagens (ca. 1.100 kg) erforderlich ist, als äußeres Ereignis im Sinne des Unfallbegriffs der gesetzlichen
Unfallversicherung bewertet (BayLSG, Urteil vom 29.04.2008, L 3 U 51/06, juris Rn 16). Auch im vorliegenden Fall ist bereits die Kraft, die zum Schieben eines schweren Holzstamms erforderlich ist
- auch wenn es insoweit nur beim Versuch geblieben ist - als äußeres Ereignis im Sinne des Unfallbegriffs der gesetzlichen
Unfallversicherung zu bewerten.
Einer Anerkennung des Ereignisses vom 31.03.2004 als Arbeitsunfall steht jedoch entgegen, dass die Achillessehnenruptur jedenfalls
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 31.03.2004 rechtlich wesentlich zurückzuführen ist. Zu dieser
Überzeugung gelangte der Senat aufgrund einer Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen medizinischen Stellungnahmen, insbesondere
aufgrund der im Wesentlichen schlüssigen Ausführungen des vom Senat gemäß §
106 SGG gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.E. in seinem Gutachten vom 09.03.2010 einschließlich ergänzender Stellungnahme vom
11.06.2010.
Voraussetzung für die Anerkennung wäre nämlich, dass die Achillessehnenruptur als Gesundheitserstschaden mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung durch
die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentlich, d.h. zumindest annähernd gleichwertig (mit-)verursacht sein muss. Hiernach
ist diejenige Bedingung ursächlich, die im Verhältnis zu anderen Bedingungen nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen
ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen,
sind sie nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs
annähernd gleichwertig sind (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R; BSG, SozR Nr 69 zu § 542 aF
RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589
RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III, Ges. Unfallvers., Stand Januar 2006, § 8 Rn 314).
Nur wenn einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung für den Schadenseintritt zukommt, so dass dieser
in Wahrheit die allein bedeutsame Ursache des Schadenseintritts bildet, ist dieser Umstand die alleinige Ursache im Rechtssinne.
Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang
sprechenden Gründe so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel
ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt hingegen nicht (vgl. BSGE SozR 41 zu §
128 SGG; BSG SozR zu § 542
RVO aF).
Entgegen der Auffassung des SG, das sich im Wesentlichen auf die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr.D. im Gutachten vom 10.07.2007 stützt, liegt
hier schon kein geeigneter Unfallmechanismus vor, eine Achillessehnenruptur zu verursachen.
Nach herrschender Lehrmeinung kann bei entsprechender Unfallmechanik grundsätzlich auch eine gesunde Achillessehne reißen
(vgl. Schönberger/Mehrtens/Va-lentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2003, Anm. 8.2.3.2, S 40 ff). Grundlage
des Traumas ist eine plötzliche Verlängerung der Muskel-Sehnen-Einheit mit gleichzeitiger Kontraktion des Muskels. Mechanismen,
die die Sehne unter Belastungsspitzen setzen, ohne dass sich die Zugspannung - koordiniert, gesteuert und gebremst von der
vorgeschalteten Muskulatur - systematisch aufbauen kann, sind nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (aaO.):
- Auf- und Absprung bei fußrückenwärtiger Belastung des Fußes.
- Sehr schneller Sprint und Anstoßen oder Aufsetzen des Fußes auf einer Matte.
- Sprung über eine Hürde mit folgendem Sturz und Aufkommen auf dem Rand einer Vertiefung.
- Plötzliches Ausrutschen beim Tragen von Lasten (plötzliches Überdehnen der Sehne und Zusammenziehen der Beinmuskulatur).
- Sturz nach vorne bei fixiertem Fersenbein sowie aus der Höhe unter fußrückenwärtiger Belastung des Fußes.
- Abrutschen bzw. Verfehlen einer Stufe oder Tritt in nicht erkennbare Vertiefung, so dass mehr oder weniger das gesamte Körpergewicht
auf der Sehne lastet.
- Direktes Trauma, z.B. Schlag auf die gespannte Sehne.
Hingegen sind Abläufe wie Schieben, Entgegenstemmen, Heben und Tragen, Sprung aus der Hocke oder Tritt in die Wade des Standbeins
oder auf eine Bordsteinkante willkürlich gesteuerte Belastungen der Sehne und damit Gelegenheitsanlässe.
Soweit teilweise der schnelle Antritt (im Sinne eines Abstoßes) mit fußsohlenwärtiger Belastung im oberen Sprunggelenk bei
gleichzeitiger Streckung des Kniegelenks (50-60 % aller Achillessehnenrupturen) als "typischer Unfallmechanismus" gesehen
wird, ist zu differenzieren:
Es handelt sich grundsätzlich nicht um eine unphysiologische Bewegung, da die Achillessehne hierfür gebaut und funktionell
vorgesehen ist; daher ist grundsätzlich der schnelle Antritt für eine eingetretene Zusammenhangstrennung unbeachtlich. Allerdings
ist im Einzelfall zu prüfen, ob nicht ungeplante Änderungen des Bewegungsablaufs (z.B. durch eine Bodenunebenheit) zu einer
zusätzlichen Belastung der Achillessehne geführt haben, die diese bei maximaler physiologischer Anspannung nicht mehr kompensieren
konnte (Thermann, Zwipp, Orthopädie 18 (1988) 321, 322).
Der Ereignisablauf steht zur vollen Überzeugung des Senats im Sinne der oben dargestellten wiederholten Schilderungen des
Klägers fest. Dieser vom Kläger mehrfach geschilderte Ereignisablauf (zuletzt in der nichtöffentlichen Sitzung vom 21.12.2010)
ist mit den in Schönberger/Mehrtens/Valentin dargestellten Unfallmechanismen nicht vergleichbar. Denn die Bewegung war - wovon
auch der gerichtliche Sachverständige Dr.E. ausgeht - kontrolliert und es lag ein Ereignisablauf, der nicht durch ein von
außen kommendes Ereignis gestört worden ist, vor. Eine unvorhergesehene und plötzliche Anspannung der Muskulatur war nicht
gegeben. Bei der Bewegung musste eine Vorspannung an der Sehne aufgebaut werden, wie sie für einen Bewegungsablauf typisch
ist. Diese Anspannung wurde aber durch nichts gestört. Es fehlen Hinweise auf das Vorhandensein äußerer Störfaktoren (z.B.
Kälte, Nässe, Hindernisse). Der hier vorliegende Abstoßvorgang war vielmehr eine gewollte Bewegung, die durchaus physiologisch
war. Damit hat der Kläger einen willentlich gesteuerten, zielgerichteten und physiologischen Bewegungsablauf durchgeführt,
in dessen Umfang es zu einer gewöhnlichen Beanspruchung des Muskel-Sehnen-Systems und nicht zu einer unphysiologischen Überlastung
gekommen ist.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger - wovon das SG ausgeht - mit dem rechten Fuß "ruckartig" auf dem hinteren Bein abgestoßen hat. Insoweit hat der Kläger in der nichtöffentlichen
Sitzung vom 21.12.2010 erklärt: "Man sagt halt 1, 2, 3 um gemeinsam Kraft zu entfalten. Es hat dann einen richtigen Schlag
gegeben, so wie wenn ein Ast zerbricht". Denn der Kläger hat nach dem von ihm geschilderten Ereignisablauf einen willentlich
gesteuerten, zielgerichteten und physiologischen Bewegungsablauf durchgeführt, in dessen Umfang es zu einer gewöhnlichen Beanspruchung
des Muskel-Sehnen-Systems und keiner unphysiologischen Überbelastung gekommen ist.
Ob der Kläger den Baumstamm erstmalig schieben wollte - was er in der nichtöffentlichen Sitzung vom 21.12.2010 erklärt hat
- oder er schon mehrfach versucht hat, den Baumstamm zu schieben - wovon Dr. E. ausgeht - kann letztlich dahingestellt bleiben.
Denn dem Kläger war jedenfalls das große Gewicht des Baumstamms bewusst, weshalb auch aufgrund des von ihm geschilderten Unfallablaufs
davon auszugehen ist, dass er eine Vorspannung an der Sehne aufgebaut und einen physiologischen Bewegungsablauf durchgeführt
hat.
Somit war auf der Grundlage der rechtlichen Vorgaben und der angeführten unfallmedizinischen Literatur der vom Kläger angegebene
Bewegungsablauf nicht geeignet, eine gesunde Achillessehne zu zerreißen. Wenn nun gleichwohl bei einer willkürlichen Beanspruchung
eine Sehne reißt, so ist die Zugfestigkeit der Sehne zwangsläufig unter das Kraftbildungsvermögen des Muskels gesunken. In
diesen Fällen ist nicht die äußerliche willkürliche Muskelanspannung wesentliche Ursache für den Riss der Sehne. Vielmehr
kann als Ursache für eine solche Herabsetzung der Zugfestigkeit der Sehne nur eine degenerative Veränderung verantwortlich
gemacht werden (s. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.03.2008, L 3 U 179/06, s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., S.389 ff).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass ein Vorschaden zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 31.03.2004 nicht
nachgewiesen ist. Die Zuckerkrankheit hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen (Glukose im Serum am 31.03.2004 mit 98
mg %). Es hat zwar ein Leberschaden vorgelegen, der auch zu einer Schädigung von Muskel- und Sehnengewebe führen kann. Dass
der Leberschaden tatsächlich zu einem Achillessehnen-Vorschaden geführt hat, ist jedoch nicht nachgewiesen. Entgegen der Auffassung
des Klägers begründet die Nichtfeststellbarkeit eines Vorschadens bzw. von konkurrierenden Ursachen aber nicht den rechtlich
wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis und der Achillessehnenruptur als (Erst-) Körperschaden (s. hierzu
BayLSG, Urteil vom 22.04.2009, L 18 U 301/06). Für eine solche Beweislastumkehr ist keine rechtliche Grundlage ersichtlich.
Den Ausführungen des vom SG gemäß §
106 SGG gehörten Gutachters Prof. Dr.D. vermochte der Senat hingegen nicht zu folgen. Insbesondere hat er einen geeigneten Geschehensablauf
nicht schlüssig dargelegt. Zu Recht hat die Beklagte in der Berufungsbegründung vom 29.01.2009 vorgetragen, dass Prof. Dr.D.
zwar eine besondere Konstellation beschreibt, die dazu führen kann, dass ein ansonsten ungeeigneter Geschehensablauf geeignet
ist, eine Kausalität zwischen dem Ereignis und dem Achillessehnenriss anzunehmen. Er unterlässt es jedoch, zu subsumieren,
ob entsprechende Gegebenheiten im vorliegenden Fall vorliegen. Insbesondere hat der Gutachter auch nicht erklärt, wieso das
Verschieben des Baumstammes ein unerwartetes Ereignis im Sinne seiner Ausführungen sein solle. Die Begründung seines Ergebnisses
mit dem Hinweis, dass vorbestehende Beschwerden nicht bekannt waren, ist unzulässig. Dass das allein nicht ausreichend ist,
um einen rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 31.03.2004 und der Achillessehnenruptur anzunehmen,
ohne dass weitere Umstände, die dafür sprechen, vorhanden sind, ist bereits dargelegt worden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der der Entscheidung des Thüringer LSG vom 07.05.2008 (L 3 U 1062/06) zugrunde liegende Unfallmechanismus (beim Anlaufen kam es zu einer urplötzlichen Schmerzerscheinung in der linken Wade)
mit dem dem vorliegenden Fall zugrundeliegenden nicht vergleichbar. Ebenso wenig vermag der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung
des 3.Senats des BayLSG vom 29.04.2008 (L 3 U 51/06) im vorliegenden Fall die Annahme eines geeigneten Unfallgeschehens zu rechtfertigen. Es kann dahinstehen, inwiefern es sich
bei dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt um eine "ruckartige Bewegung" gehandelt hat. Jedenfalls ist für die Beurteilung,
ob ein Unfallmechanismus für eine Achillessehnenruptur geeignet ist, maßgeblich, ob der Bewegungsablauf unphysiologisch und
somit geeignet war, eine gesunde Sehne zum Zerreißen zu bringen. Davon geht der Senat im vorliegenden Fall aus den bereits
dargelegten Gründen jedoch gerade nicht aus.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 23.10.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG.