Verwaltungsrechtsweg
Verweisung
Anspruch nach der Haager Landkriegsordnung
Ansprüche tatsächlicher oder vermeintlicher Kriegsgefangener gegen die Bundesrepublik
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat mit einem am 14.06.2017 beim Sozialgericht Landshut eingegangenen Schriftsatz einen Eilantrag auf
Zahlung von Unterhaltskosten nach Art. 7 der Haager Landkriegsordnung (HLKO) gestellt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass
die Bundesrepublik Deutschland nicht existiere und noch immer besetztes Gebiet sei, für das Besatzungsrecht gelte. Deutschland
bedeute laut Internationaler Definition das Deutsche Reich, wie es zum 31.12.1937 bestanden habe. Dies ergebe sich auch aus
Art.
116 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG). Gemäß Art.
7 HLKO, der ihrer Meinung nach Anwendung finde, habe die Regierung, in deren Gewalt sich die Kriegsgefangenen befinden, für
ihren Unterhalt zu sorgen. Sie sei offiziell Kriegsgegner der Regierung der BRD als Vertretung der Besatzungsmacht, die kein
Interesse daran habe, endlich einen Friedensvertrag mit der gesamtdeutschen Bevölkerung abzuschließen. Gemäß Art.
120 GG habe der Bund die durch die Besatzung entstehenden Aufwendungen zu tragen. Als Kriegsgefangene müsse sie behandelt werden
wie ein Soldat der Bundeswehr und habe Anspruch auf Unterhalt nach der Besoldungsgruppe A2, Stufe I, bei der es sich um die
niedrigste Besoldungsstufe der Bundeswehr handle. Dies seien derzeit 1.932,21 EUR die ihr zustehen würden. Der Antrag sei
als Eilantrag zu behandeln, da die Unproduktiven ihre Existenz sehr stark gefährdet hätten und sie vor finanziellen Belastungen
stehe, die sie nicht selbst verursacht habe.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 17.07.2017 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da bereits
der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§
51 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) nicht eröffnet sei. Das Begehren der Antragstellerin weise keinerlei Bezug zu dem durch §
51 SGG den Sozialgerichten zugewiesenen Aufgabenbereich auf. Da auch nicht erkennbar sei, gegen welchen Adressaten sich das Begehren
richte, sei auch die Verweisung auf einen anderen Rechtsweg nicht in Betracht gekommen.
Mit ihrer Beschwerde zum Landessozialgericht hat die Antragstellerin erneut auf einen vermeintlichen Anspruch nach Art. 7
HLKO verwiesen. Auf Frage des Gerichts, gegen wen sich der Antrag richte, hat sie mit Schriftsatz vom 28.08.2017 erklärt,
dass die Zahlung von der Antragsgegnerin geleistet werden müsste, da sie in deren Zuständigkeitsbereich geboren und in Unfreiheit
zu leben gezwungen sei.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 13.09.2017 zur Beschwerde Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin
bereits im Februar 2016 einen entsprechenden Antrag beim Landratsamt Landshut gestellt habe. Dieser sei mit Bescheid vom 15.02.2016
unter Hinweis auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.03.2014 (S 28 SO 683/13) abgelehnt worden, da
ein Anspruch danach nicht bestehe. Im Widerspruchsverfahren sei der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 04.05.2016 mitgeteilt
worden, dass der Bescheid vom 15.02.2016 nichtig sei, da weder beim Landratsamt noch eine Regierung eine Zuständigkeit für
die Gewährung von Unterhalt nach der HLKO gesehen werde. Daher werde über den Widerspruch auch nicht entschieden. Leistungen
nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) seien von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden.
Mit Schreiben vom 19.09.2017 sind die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg
angehört worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Verweisung steht nicht entgegen, dass das Sozialgericht selbst entschieden und nicht wie in §
17a Abs.
1 GVG vorgesehen, den Rechtsstreit selbst an das Verwaltungsgericht verwiesen hat. Zwar verbietet §
17a Abs.
5 GVG dem Gericht, das über das Rechtsmittel in der Hauptsache zu entscheiden hat, die Prüfung des Rechtswegs im Rechtsmittelverfahren.
Dies setzt aber voraus, dass das Gericht auch eine Entscheidung in der Sache getroffen hat (BGH, Beschluss vom 23.09.1992
- I ZB 3/92 -, BGHZ 119, 246-251). Hat das Sozialgericht wie vorliegend ein Rechtsmittel wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit als unzulässig abgewiesen
anstatt richtigerweise nach §
17a Abs.
2 Satz 1
GVG zu verfahren und zu verweisen, liegt keine bindende Entscheidung in der Hauptsache vor, sondern das Rechtsmittelgericht hat
seinerseits die Rechtswegverweisung vorzunehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eindeutig feststeht, dass und an welches
Gericht zu verweisen ist (BSG, Urteil vom 16.06.1999 - B 9 V 24/98 R -; Wolff-Dellen in Breitkreuz/ Fichte,
SGG, 2. Aufl. 2014, §
51, Rn. 12). Das ist vorliegend der Fall.
Es handelt sich bei dem geltend gemachten Anspruch nach Art. 7 HLKO um eine allgemeine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß §
40 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich
zugewiesen sind.
Zweifellos handelt es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, zumal die Antragstellerin
Ansprüche entsprechend der Besoldungsordnung der Bundeswehr geltend macht. Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche tatsächlicher
oder vermeintlicher Kriegsgefangener gegen die Bundesrepublik sind auch dann als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten i.S.d.
§
40 VwGO anzusehen und vor den Verwaltungsgerichten zu verhandeln, wenn das Rechtsverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Gewahrsamsstaat
rein völkerrechtlich zu sehen wäre (BGH, Urteil vom 09.03.1961 - III ZR 44/60 -, BGHZ 34, 349-355; Verwaltungsrechtsweg im Ergebnis bejaht auch vom VG Augsburg, Urteil vom 22.10.2008 - Au 4 K 08.1050 -, [...]). Verfassungsrechtlicher
Art i.S.d. §
40 Abs.
1 VwGO wäre eine Streitigkeit nur dann, wenn Verfassungsorgane oder vergleichbar am Verfassungsleben Beteiligte um Verfassungsrecht
streiten (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit), was vorliegend offensichtlich nicht der Fall ist.
Eine ausdrückliche Zuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit besteht nicht, insbesondere besteht nach §
51 SGG keine Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, dass
ein Bezug zu den in §
51 SGG genannten Aufgabenbereichen nicht besteht. Die Antragstellerin macht ausdrücklich keine sozialrechtlichen Ansprüche geltend.
Die Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg als Gericht erster Instanz ergibt sich aus den Regelungen
der §§
45,
52 VwGO, wobei dahingestellt bleiben kann, ob vorliegend die allgemeine Zuständigkeitsregelung in §
52 Nr. 3 oder die Sonderzuständigkeit in §
52 Nr. 4
VwGO zu beachten ist, da sich hieraus letztendlich keine andere Folgerung ergibt. Sowohl die Antragstellerin als auch die von
ihr benannte Antragsgegnerin haben ihren Sitz bzw. Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg.
Ob die Antragsgegnerin zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch befugt ist (Passivlegitimation) und ob der Anspruch
besteht, ist vom zuständigen Gericht zu entscheiden.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt wegen §
17b Abs.
2 GVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Die Beschwerde zum Bundessozialgericht wird vom Senat nicht zugelassen, da weder eine Rechtsfrage
mit grundsätzlicher Bedeutung vorliegt noch der Senat von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder des
Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (§
17a Abs.
4 GVG).