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LSG Bayern, Urteil vom 11.11.2015 - 2 P 14/13
Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Abschlusses eines Versorgungsvertrages nach dem SGB XI für die vollstationäre Versorgung in einem Pflegehaus Anforderungen an eine positive Prognose Festsetzung des Streitwerts im sozialgerichtlichen Verfahren
1. Über die explizit in § 72 Abs. 3 S. 1 SGB XI genannten Voraussetzungen hinaus setzt der Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags als allgemeines ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine positive Prognose voraus, dass zu erwarten ist, dass der Träger der Einrichtung seine Verpflichtungen sowohl gegenüber den Pflegebedürftigen als auch gegenüber den Kostenträgern erfüllen wird.
2. Die positive Prognose, dass der Träger der Einrichtung seine Verpflichtungen sowohl gegenüber den Pflegebedürftigen als auch gegenüber den Kostenträgern erfüllen wird, kann insbesondere dann fehlen, wenn begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung und Zuverlässigkeit des Einrichtungsträgers bestehen. Diese Anforderung ergibt sich bereits aus einer entsprechenden Interpretation des Bundesrechts, sodass es keiner Entscheidung bedarf, inwieweit Qualitätsanforderungen des Landesrechts, hier etwa Art. 3 des bayerischen Pflege und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG), im Rahmen der Entscheidung über den Abschluss eines Versorgungsvertrags eine Rolle spielen. Darin liegt keine Missachtung des § 72 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 SGB XI, der explizit regelt, dass ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung die im vorangehenden ersten Halbsatz genannten Voraussetzungen erfüllt. Denn diese Vorschrift will in erster Linie sicherstellen, dass es zu keiner Bedarfsprüfung seitens der Landesverbände der Pflegekassen kommt und die Pflegekassen zwischen mehreren geeigneten Pflegeeinrichtungen keine Auswahl nach ihrer Bedarfsplanung treffen. Nicht Zweck dieser Vorschrift ist es jedoch, auch ungeeigneten Pflegeeinrichtungen einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages zu geben, nur weil diese formal die Anforderungen des § 72 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 SGB XI erfüllen.
3. Bei einer Klage auf Zulassung zur Pflege durch Abschluss eines Versorgungsvertrages ist auf den in den ersten drei Jahren der Zulassung zu erwartenden Jahresgewinn abzustellen, wenn die Zulassung für mindestens drei Jahre streitig ist; ist der streitige Zeitraum geringer, ist der zu erwartende Gewinn in diesem Zeitraum maßgebend.
1. Über die explizit in § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI genannten Voraussetzungen hinaus setzt der Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags als allgemeines ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine positive Prognose voraus, dass zu erwarten ist, dass der Träger der Einrichtung seine Verpflichtungen sowohl gegenüber den Pflegebedürftigen als auch gegenüber den Kostenträgern erfüllen wird.
2. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass § 74 SGB XI bei der Verletzung dieser Pflichten den Landesverbänden der Pflegekassen das Recht zur Kündigung des Versorgungsvertrags gibt, und zwar je nach Schwere des Verstoßes zur ordentlichen Kündigung nach § 74 Abs. 1 oder zur fristlosen Kündigung nach § 74 Abs. 2 SGB XI.
3. Die positive Prognose, dass der Träger der Einrichtung seine Verpflichtungen sowohl gegenüber den Pflegebedürftigen als auch gegenüber den Kostenträgern erfüllen wird, kann insbesondere dann fehlen, wenn begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung und Zuverlässigkeit des Einrichtungsträgers bestehen.
4. Weder die rechtliche Situation noch die Interessenlage ist bei der Kündigung eines bestehenden Versorgungsvertrages mit der Situation beim Neuabschluss eines solchen Vertrages vergleichbar.
Normenkette:
GKG (2004) § 52 Abs. 1
,
GKG (2004) § 63 Abs. 2 S. 1
,
PfleWoqG Art. 3
,
SGB XI § 72 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 2 und Hs. 2
, ,
SGG § 197a Abs. 1 S. 1
,
StGB § 266a
Vorinstanzen: SG München 22.01.2013 S 29 P 104/11
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.01.2013 hinsichtlich seiner Ziffern I und II aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
IV.
Der Streitwert wird auf 68.000,00 Euro festgesetzt.

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