Anerkennung eines Meniskusrisses als Unfallfolge in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 18.01.1993 Verletztenrente zu gewähren
ist.
Der 1967 geborene Kläger rutschte nach seinen Angaben vom 01.09.2005 beim Arbeiten in der Spülküche auf feuchtem Boden weg
und stieß mit dem Knie gegen ein Stahlregal. Danach sei er rückwärts gefallen. Laut H-Arztbericht vom 23.07.1993 der Dres.
S. in A-Stadt hatte sich der Kläger eine Kontusion und Distorsion der rechten Kniescheibe mit deutlichem Kompressionsschmerz
vorwiegend über der Kniescheibenspitze rechts zugezogen. Am 23.02.1993 wurde eine Arthroskopie des rechten Kniegelenks durchgeführt.
Die Beklagte holte die Bescheinigung der Zeiten von Arbeitsunfähigkeit bei der AOK Bayern ein, des Weiteren Befundberichte
der behandelnden Ärzte sowie radiologische Befunde.
Im Auftrag der Beklagten erstellte der Chirurg Dr. G. am 11.11.2005 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Durch das Ereignis
vom 18.01.1993 sei es zu einer Kontusion des rechten Kniegelenkes im Bereich der Innenseite mit nachfolgender schmerzbedingter
Bewegungseinschränkung und Schwellneigung gekommen. Die Arthroskopie vom Februar 1993 habe keine wesentlichen Unfallfolgen
beschrieben, sondern gehe von einer schmerzbedingten Bewegungseinschränkung im Sinne einer Gonalgie aus. Eine Arthros-kopieuntersuchung
im August 1997 sei aufgrund degenerativer Veränderungen des Innenmeniskus im Sinne eines hypermobilen Innenmeniskus mit Chondromalacie
notwendig geworden und nicht aufgrund von Unfallfolgen. Auch die vorliegenden Kernspintomographiebefunde und die Befundberichte
der behandelnden Chirurgen/Orthopäden sprächen für eine degenerative Erkrankung. Die jetzt geklagten Beschwerden seien unfallun-abhängig.
Mit Bescheid vom 29.11.2005 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Versicherungsfalles vom 18.01.1993
ab. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Folgenlos verheilte Prellung des rechten Kniegelenkes innenseitig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.05.2006 Klage beim Sozialgericht München (SG). Zur Begründung nahm er Bezug auf ein ärztliches Attest des Dr. D. vom 01.02.2006, wonach die Art des Unfallereignisses
sowie der Heilungsverlauf für eine anfängliche Meniskusverletzung sprächen - insbesondere deshalb, weil der Kläger zuvor keine
Beschwerden des rechten Kniegelenks hatte.
Im Auftrag des SG erstellte Dr. G. am 05.02.2008 ein weiteres Gutachten. Durch den Unfall vom 18.01.1993 habe sich der Kläger ein Anpralltrauma
am rechten Kniegelenk vorder- und innenseitig zugezogen. Alle verfügbaren Untersuchungsbefunde zeigten keine traumatischen
Schäden, sondern ausschließlich degenerative Verschleißprozesse am rechten Kniegelenk bei bestehender X-Bein-Achse. Eine folgenlose
Ausheilung sei nach längstens drei Monaten anzunehmen. Das vom Kläger geschilderte Unfallgeschehen stelle keinen Drehsturz
mit fixiertem rechten Fuß dar. Der Befundbericht von Dr. C. vom März 1993 beschreibe lediglich eine Gonalgie, d.h. einen Knieschmerz
rechts ohne Spezifizierung. Auch die mehrfach durchgeführten Kernspintomographien zeigten keinen eindeutig posttraumatischen
Befund.
Mit Urteil vom 30.04.2009 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich auf das Gutachten des Dr. G ...
Hiergegen hat der Kläger am 01.10.2009 Berufung eingelegt. Es habe sich nicht um eine bloße Knieprellung gehandelt. Vielmehr
hätten innere Krafteinwirkungen durch die Gelenkbewegungen und eine äußere Krafteinwirkung durch das Aufschlagen auf die Metallkante
zusammengewirkt. Direkte mittelbare Krafteinwirkungen seien als Verletzungsmechanismen geeignet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.04.2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2006 insoweit aufzuheben, als dem Kläger eine Rente nach einer MdE in Höhe von 20 v.H.
ab 01.01.2001 auf unbestimmte Zeit zu gewähren ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht
München die Klage abgewiesen. Da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist, wird gemäß
§
153 Abs.2
SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Ergänzend ist auszuführen, dass der Senat ein weiteres Gutachten nicht für erforderlich gehalten hat. Das Gutachten des Dr.
G. sowie das Gutachten des Dr. G., das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, haben überzeugend dargelegt, dass die
vom Kläger geltend gemachten Beschwerden am rechten Kniegelenk nicht auf den Unfall von 1993 zurückgeführt werden können.
Dr. G. hat seine Meinung überzeugend begründet. Zum einen hat er darauf hingewiesen, dass in keiner der durchgeführten mehrfachen
Kernspintomographien ein eindeutig posttraumatischer Befund zu erkennen ist. Die immer wieder als fraglich traumatisch bedingt
beschriebene Ödembildung im außenseitigen Schienbeinkopfplateau entspricht seines Erachtens einer Überlastungsreaktion des
Knochens bei anlagebedingter X-förmiger Beinachse mit vermehrter Lastübertragung über die Kniegelenksaußenseite und damit
auch auf das außenseitige Schienbeinkopfplateau. Des Weiteren weist er darauf hin, dass der vom Kläger geschilderte Unfallmechanismus
nicht geeignet ist, eine traumatische Meniskusruptur herbeizuführen. Es handelt sich hierbei nicht um einen Drehsturz mit
fixiertem rechten Fuß. Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers eingewandt, dass Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, eine andere Auffassung hierzu vertreten.
Der dort auf S. 617 in der 8. Auflage beschriebene Unfallmechanismus ist jedoch nicht identisch mit dem vom Kläger erlittenen.
Bei direkter mittelbarer Krafteinwirkung beruht der Verletzungsmechanismus auf der indirekten Wirkung, der das gestreckte
oder mehr oder weniger gebeugte Kniegelenk auf der entgegengesetzten Gelenksseite durch die von außen auftretende Kraft ausgesetzt
wird. Verletzt wird dabei so gut wie nie der Außenmeniskus: Wegen besserer Ausweichmöglichkeit infolge geringerer Fixierung
und weil die Innenseite des Knies durch das andere Bein gegen hier von außerhalb auftretende Kraft geschützt ist. Die Kraft
kann durch schwere Gegenstände auf das leicht gebeugte Kniegelenk oder das gewaltsame seitliche Abbiegen des Knies im X-Sinne
bei fixiertem Unterschenkel und Fuß (Verschüttungen im Unter-Tage-Bergbau, umstürzende oder herabfallende Lasten) gegeben
sein. Eine direkte Einwirkung auf das Kniegelenk gefährdet die Menisken deutlich nachrangig gegenüber anderen Kniegelenksstrukturen.
Voraussetzung für ein unfallweises Entstehen sind daher Verletzungszeichen an Strukturen, die nicht bevorzugt degenerativen
Veränderungen unterliegen (Knochen-, Kapsel-Bandstruk-turen). Beim Kläger handelt es sich aber gerade um einen isolierten
Meniskusschaden.
Allen Verletzungsmechanismen, die zu einer isolierten Zerreißung eines Meniskus führen, ist die Verwindung des gebeugten Kniegelenks
gemeinsam (Verwindungstrauma, Gehsturz). Für den Meniskusriss sind ursächlich: eine passive Rotation des gebeugten Kniegelenks
oder plötzliche passive Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels.
Ein solcher Verletzungsmechanismus ist beim Kläger nicht beschrieben. Er hat sich am Kniegelenk angestoßen. Dies reicht nach
herrschender wissenschaftlicher Lehrmeinung gerade nicht aus, um einen isolierten Meniskusriss hervorzurufen. Dieser Unfallmechanismus
ist nicht vergleichbar mit dem Herabfallen schwerer Gegenstände auf das leicht gebeugte Kniegelenk oder das gewaltsame seitliche
Abbiegen des Knies im X-Sinne bei fixiertem Unterschenkel und Fuß.
Das SG hat deshalb zu Recht die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§
193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.2 Nrn.1 und 2
SGG liegen nicht vor.