Anerkennung einer Lyme Borreliose als Berufskrankheit gemäß BKV Anl. 1 Nr. 3102 in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand
Am 02.01.2007 erlangte die Beklagte durch einen H-Arzt-Bericht der Dres. B. Kenntnis vom Verdacht auf eine Borreliose infolge
von Zeckenstichen, die die Klägerin bei Waldarbeiten als Landwirtin im Juni und September 2006 erlitten hatte. Die Klägerin
beklagt vielfältige Beschwerden mit Schmerzen im Nacken, im Bereich des Halses und der Arme, Gleichgewichtsstörungen, Schwindelanfällen,
Kraftlosigkeit und Lähmungen der Arme und Beine, Sehstörungen, Schwächegefühl und Müdigkeit.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Chefarztes der Klinik für Neurologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in D-Stadt,
Dr. K., vom 14.11.2007 ein, der die Diagnose einer Borreliose ablehnte. Die Klägerin beschreibe diffuse Beschwerden, die praktisch
jeden Körperteil beträfen. Eine genaue Krankheitsgeschichte sei nicht zu ermitteln. Die Klägerin könne weder angeben, wie
lange die Schmerzen schon bestünden noch wie sie sich entwickelt hätten. Kontrastierend hierzu lasse sich in der klinischen
Untersuchung kaum ein objektivierbarer auffälliger Befund erkennen. Die von den behandelnden Ärzten mehrfach aufgeführte Diagnose
Neuroborreliose beruhe durchweg auf Spekulation, die hierzu vorgelegten Arztberichte enthielten durchgehend keine Feststellungen,
auf die eine solche Diagnose gestützt werden könnte.
Die Diagnose einer Lyme-Borreliose sei bei negativer Borreliose-Serologie nicht möglich. Die Borreliose-Serologie sei bei
der Klägerin immer negativ gewesen. In einzelnen Befunden sei jedoch ein positives Suchtestergebnis angegeben gewesen, dieser
Befund habe sich im Immo-Blot jedoch nicht bestätigen lassen, so dass auch die Labore jeweils korrekt angegeben hätten, Antikörper
gegen Borrelien seien nicht detektierbar.
Das im August 2006 von Dr. B. nach einem Zeckenstich beschriebene Erythema migrans könnte bei kreisrunder Rötung von 3-5 cm
Durchmesser auch eine bloße bakterielle Superinfektion des Zeckenstichs gewesen sein. Jedenfalls sei durch die negative Borreliose-Serologie
bewiesen, dass die damalige Borrelien-Infektion - unterstellt, dass es überhaupt zu einer solchen gekommen sei - aufgrund
der Behandlung mit Doxyclin im frühesten Stadium vollständig ausgeheilt sei. Am ehesten liege eine Somatisierungsstörung vor.
Im Borreliose-Zentrum A. sei die Diagnose einer chronischen Verlaufsform der Borreliose im Stadium III trotz selbst erhobener
negativer Serologie unter offensichtlicher Missachtung der Qualitätsstandards gestellt worden und eine mehrwöchige Hochdosisbehandlung
mit Ceftriaxon eingeleitet worden. Hier sei offensichtlich die Gutgläubigkeit der Patientin aus wirtschaftlichen Interessen
heraus ausgenutzt worden. Die Diagnose einer Lyme-Borreliose im Stadium III sei vom Borreliose-Zentrum A. auf einen Lymphozytentransformationstest
(LTT) gestützt worden, der jedoch nicht ausreichend validiert sei und damit gegenwärtig für die Diagnostik der Borreliose
nicht geeignet angesehen werde.
Der gewerbeärztliche Dienst der Regierung der Oberpfalz, Dr. P. H., stimmte dem Gutachten von Dr. K. mit Vermerk vom 09.01.2008
zu.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.01.2008 den Entschädigungsanspruch der Klägerin aus Anlass ihrer Erkrankung
ab. In den Gründen führte sie aus, dass keine BK 3102 vorliege.
Der gegen diese Entscheidung am 25.02.2008 erhobene Widerspruch, zu dessen Begründung im Wesentlichen vorgetragen wurde, dass
der klinische Befund eindeutig dem Bild einer chronischen Borreliose im Stadium III entspreche und sowohl positive IgG- als
auch IgM-Antikörpertiter gefunden worden seien, wurde aufgrund einer Stellungnahme des Dr. S. vom 23.05.2008 mit Widerspruchsbescheid
vom 11.06.2008 als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat sich die am 08.07.2008 beim Sozialgericht (SG) Regensburg erhobene Klage gerichtet.
Das SG hat - nachdem es zunächst den Parteien mitgeteilt hatte, dass die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen nicht beabsichtigt
sei - auf Antrag der Klägerin den G. W., Arzt mit Praxis für Allgemein- und Komplementärmedizin in B-Stadt, zum Sachverständigen
ernannt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 10.11.2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass angesichts der glaubhaften Zeckenstich-Anamnese
die von mehreren Ärzten als Neuroborreliose bezeichnete Symptomatik der Klägerin als Zoonose und damit als Berufskrankheit
zu beurteilen sei, obwohl nach den Unterlagen Antikörpernachweise "nicht durchgehend in jeder Untersuchung" gelungen seien.
Die Klägerin leide an multiplen Gelenkbeschwerden, Arthritiden (Gelenkentzündungen) wechselnder Lokalisationen, chronischen
Myalgien und rezidivierenden neuralgiformen Schmerzen, Gangstörungen und psychischer Gereiztheit mit rezidivierenden depressiven
Verstimmungsphasen. Die Klägerin sei ab April 2007 als "voll erwerbsunfähig einzustufen". Nach Erhalt dieses Gutachtens legte
die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. S. vom 13.01.2010 vor, der das Gutachten vom 10.11.2009 "komplett" ablehnte, weil
der Sachverständige erstens nicht kompetent sei und zweitens als serologischer Nachweis wieder nur ein Lymphozytentransformationstest
angeführt würde, der aber nach den Leitlinien nicht anerkannt sei.
Das SG hat die Internistin Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung der Klägerin beauftragt. Diese
kam in ihrem Gutachten vom 30.08.2010 zu dem Ergebnis, dass bisher bei der Klägerin keine Borreliose gesichert worden sei.
Unklar und widersprüchlich seien die von der Klägerin bei den verschiedensten Ärzten vorgetragenen Angaben zu den Zeitpunkten
der von ihr erlittenen Zeckenstiche. Kein einziger Arzt habe jemals selbst eine Zecke entfernt oder ein Erythema migrans festgestellt.
Letztlich fehle es am erforderlichen Antikörpernachweis im Blut oder Serum. Dabei werde zunächst ein sensitiver Suchtest -
normalerweise ELISA - durchgeführt, der jedoch nur ein grobes Ergebnis liefere, das in einem zweiten Schritt mittels Immunoblot
als Bestätigungstest überprüft werde. Im Spätstadium der Lyme-Borreliose seien die IgG-Antikörper stets erhöht, während die
IgM-Antikörper nicht erhöht oder negativ sein könnten. Es liege aber kein einziger positiver Nachweis der IgG- oder IgM-Antikörper
vor. Der Lymphozytentransformationstest (LTT) sei nach den Leitlinien für die Diagnostik einer Borreliose nicht geeignet.
Die Klägerin habe ihr noch neuere Befunde ihrer Neurologin Dr. H. vorgelegt, die neben den schulmedizinisch anerkannten Untersuchungsmethoden
weitere alternative laborchemische Untersuchungen veranlasst hatte, darunter eine dunkelfeldmikroskopische Untersuchung des
Blutes, die wiederum keine IgG- oder IgM-Antikörper habe nachweisen können, und einen LTT mit unklarem Ergebnis. Frau Dr.
H. habe gegenüber der Sachverständigen in einem Telefonat vom 22.07.2010 eingeräumt, dass es weder mit den anerkannten schulmedizinischen
noch mit den alternativen Untersuchungsmethoden gelungen sei, eine Borreliose zu sichern.
Mit Schreiben vom 08.10.2010 hat die Klägerin Berichte der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin
Dr. B. und Laborbefunde vorgelegt und ausgeführt, dass sich daraus eindeutig die Diagnose einer Borreliose ergebe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 28.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11.06.2008 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur
BKV vorliegt und eine entsprechende Entschädigung zu leisten ist.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 02.11.2010 die Klage abgewiesen. Dabei komme dem Antrag festzustellen, dass "eine entsprechende
Entschädigung zu leisten sei", keine eigenständige Bedeutung zu. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Angaben der
Klägerin über den Zeitpunkt der Zeckenstiche seien widersprüchlich, im Übrigen habe keiner der behandelnden Ärzte jemals selbst
eine Zecke entfernt oder ein Erythema migrans beobachtet. Das schädigende Ereignis sei deshalb nicht eindeutig nachgewiesen.
Im Übrigen lasse sich ein ursächlicher Zusammenhang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen. Im Labor hätten
sich keine IgM- oder IgG-Antikörper gegen Borrelien nachweisen lassen. Positiv sei lediglich der Lymphozytentransformationstest
ausgefallen, der aber nach den Leitlinien nicht für die Diagnose ausreiche. Schließlich sei die Klägerin bereits im Jahr 1990,
also 16 Jahre vor dem ersten gemeldeten Zeckenstich, wegen ähnlicher Beschwerden im Krankenhaus P. behandelt worden.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid, der ihr am 13.01.2011 zugestellt worden ist, am 08.02.2011 Berufung eingelegt.
Zur Begründung ihrer Berufung hat sie vorgebracht, die Sachverständige Dr. C. und das SG hätten zu Unrecht angenommen, dass kein Arzt jemals eine Zecke entfernt und ein Erythema migrans festgestellt habe. Vielmehr
habe Dr. B. laut Befundbericht vom 03.04.2007 selbst mehrere Zecken entfernt und am 26.08.2006 auch ein Erythema migrans festgestellt
und dokumentiert. Die Behandlung im Krankenhaus P. im Jahr 1990 könne wegen des langen Zeitablaufs nicht mehr mit den heutigen
Beschwerden in Verbindung gebracht werden. Die Borreliose habe durch "hoch spezifische IgG-Banden" von Dr. H. laut deren Arztbrief
vom 27.09.2010 nachgewiesen werden können. Keinesfalls verlange die BK 3102 den Nachweis der Verursachung durch einen bestimmten
Zeckenbiss. Entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin typischerweise durch ihre Berufsausübung einer erheblichen Exposition
und Gefahr durch Zeckenbisse ausgesetzt war.
Die Sachverständige Dr. C. hat mit ergänzender Stellungnahme vom 18.08.2011 nach Sichtung der inzwischen eingegangenen Befunde
ihre Meinung bekräftigt, dass eine BK 3102 nicht vorliege. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, dass die gleichen Beschwerden,
an denen die Klägerin jetzt leide, bereits im Jahr 1990 dokumentiert gewesen seien, also lange Zeit vor den geltend gemachten
Zeckenbissen. Zum Vorwurf, sie habe zu Unrecht behauptet, kein Arzt habe jemals selbst eine Zecke entfernt oder ein Erythema
migrans beobachtet, hat die Sachverständige eingeräumt, dass zutreffe, dass Dr. B. in seinem Befund vom 03.04.2007 berichtet
habe, dass sich die Klägerin am 26.08.2006 erstmals bei ihm wegen eines Zeckenbisses vom selben Tage vorgestellt und dass
er einwandfrei einen Zeckenbiss in der Nabelgegend festgestellt habe, jedoch stehe dieser Befundbericht im Gegensatz zu seinem
H-Arzt-Bericht vom 28.12.2006, in dem er ausführte, dass die Klägerin sich bei ihm wegen eines Zeckenbisses bei Waldarbeiten
"im Juni und September" vorgestellt habe. Die Klägerin selbst habe in ihrer eigenen Unfallanzeige vom 06.03.2007 Zeckenbisse
vom 28.02. und 09.06.2006, nicht aber vom 26.08.2006, erwähnt.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2013 hat die Klägerin erstmals den Laborbericht der Dres. S. und D. vom 01.09.2009
vorgelegt, in der ein positiver Lyme-IgM-Wert im Immunoblot ausgewiesen ist, bei negativem Lyme-IgM-Elisa.
Mit Schriftsatz vom 28.05.2013 hat die Klägerin sämtliche bei ihr in der Vergangenheit gemessenen Laborergebnisse in Kopie
eingereicht. Darin fand sich der Arztbrief der und Rheumatologin Dr. D. vom 13.11.2006, in dem erwähnt wurde, dass am 25.10.2006
im Immunoblot für den Lyme-IgG grenzwertig und für den IgM positive Laborwerte festgestellt worden seien. Auf Nachfrage des
Gerichts hat Dr. D. hierzu mit Schreiben vom 28.07.2013 die exakten Laborwerte vom 25.10.2006 mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 25.06.2013 hat die Klägerin weitere Laborbefunde übergeben. Darunter fand sich im Immunoblot der Dres. N.
und S. vom 27.05.2013 ein positiver Borrelien-IgG-Nachweis bei negativem Borrelien-IgM.
Mit Schreiben vom 06.08.2013 hat das LSG die Sachverständige Dr. C. um ergänzende Stellungnahme unter Berücksichtigung der
inzwischen vorgelegten Laborwerte und insbesondere der teilweise positiven serologischen Befunde vom 25.10.2006, vom 01.09.2009
und vom 27.05.2013 gebeten.
Die Sachverständige Dr. C. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2013 ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung
der neu vorgelegten Befunde eine Borreliose-Erkrankung als Berufskrankheit nicht nachweisbar sei. Frau Dr. D. habe aufgrund
der positiven Borreliose-Serologie vom 25.10.2006 zwar eine beginnende Borreliose nicht ausgeschlossen, zur Kontrolluntersuchung
habe sich die Klägerin jedoch nicht vorgestellt, wie aus dem Befund von Frau Dr. D. vom 16.04.2007 hervorgehe. Unter Berücksichtigung
der Laborbefunde vom 01.08.2006, vom 06.09.2006 und vom 17.12.2006 könne aufgrund des Laborbefundes vom 25.10.2006 eine Borreliose-Erkrankung
nicht gesichert werden, denn ein Nachweis borrelienspezifischer Antikörper sei bei diesen Tests nicht gelungen.
Zum Laborbefund vom 01.09.2009 hat die Sachverständige angemerkt, dass in Übereinstimmung mit dem Labor festzustellen sei,
dass es sich sowohl um einen Befund nach einem kürzlichen Zeckenstich oder aber um einen Residualbefund handeln könne, wobei
schon zum Labor ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass bei klinischen Bildern entsprechend Stadium 3 eine Borrelien-Ätiologie
kaum anzunehmen sei. Auch ein Befund nach Therapie sei in Betracht gezogen worden. Aus dem Befundbericht des Dr. D. vom 27.08.2009
gehe hervor, dass die Klägerin in der Borreliose-Klinik in A. über 14 Wochen lang einer antibiotischen Therapie unterzogen
worden sei. Er selbst habe abgesehen von einer Schwellung des rechten Kniegelenks als Folge einer Arthrose keine entzündlichen
Veränderungen im Bereich der Gelenke festgestellt. Auch seien keine Symptome einer Neuroborreliose diagnostiziert worden.
Bei den gutachterlichen Untersuchungen am 19.05.2010 sowie im Rahmen der Untersuchung durch Frau H. am 18.05.2010 seien serologisch
weder die IgG- noch IgM-Borrelien-Antikörper nachweisbar gewesen.
Bezüglich der Laborwerte vom 23.05.2013 hat die Sachverständige kritisiert, dass darin hinsichtlich des Nachweises von IgG-
und IgM-Antikörpern gegenüber Borrelien ungewöhnlicherweise kein Befund dokumentiert sei. Dieser Befund stehe im Widerspruch
zu den Befunderhebungen im Jahr 2010 und auch zum Laborbefund vom 16.12.2011, in dem zwar IgG- und IgM-Antikörper nachweisbar
waren, jedoch der IgG- und IgM-Blot negativ war, so dass eine Borrelieninfektion zu jenem Zeitpunkt ausgeschlossen worden
war. Aufgrund des Laborbefundes vom 23.05.2013 wäre zum einen eine Kontrolluntersuchung erforderlich gewesen, um die Notwendigkeit
einer Antibiotikatherapie festzustellen. Zum anderen sei aufgrund der zuvor erhobenen negativen Laborbefunde davon auszugehen,
dass eine etwaige Infektion nach dem Dezember 2011, also im Jahr 2012 oder 2013, aufgetreten wäre. Ein Zeckenstich in diesem
Zeitraum wäre jedoch mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Landwirtin nicht mehr in ursächlichen Zusammenhang gestanden,
da die Klägerin seit dem 10.04.2007 arbeitsunfähig ist und ihren Beruf als Landwirtin nicht mehr ausübt.
Nach Ansicht der Sachverständigen hat die Klägerin möglicherweise im Jahr 2006 in Folge eines Zeckenstichs ein Erythema migrans
durchgemacht, welches jedoch im frühen Stadium durch eine Antibiotika-Behandlung effizient behandelt worden und daher folgenlos
ausgeheilt sei, was sich in den serologischen Befunden widerspiegele. Den zahlreichen Befunden sei zu keinem Zeitpunkt die
Diagnose einer Neuroborreliose oder Lyme-Arthritis zu entnehmen. Entzündliche Veränderungen im Bereich der Gelenke seien zu
keinem Zeitpunkt nachgewiesen worden. Lediglich das linke Kniegelenk sei wiederholt geschwollen gewesen bei Nachweis einer
Ergussbildung, was jedoch auf degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk zurückzuführen sei. Auch chronische Hautveränderungen
seien nicht nachgewiesen worden. Im Vordergrund der Diskussion habe eine Neuroborreliose in der Ausprägung einer Enzephalitis,
also einer Entzündung des Gehirns, gestanden. Eine Enzephalitis stelle ein Krankheitsbild dar, das deutlich schwerer sei als
die von der Klägerin beschriebenen vegetativen Störungen. Auch eine periphere Nervenschädigung sei seit 1990 zu keinem Zeitpunkt
nachgewiesen worden.
Die Klägerin hat auf die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen lediglich mitgeteilt, dass sie erhebliche Zweifel an
der Neutralität der Sachverständigen Dr. C. hege. Sie beantrage die Einholung eines Gutachtens gemäß §
109 SGG und benenne als Sachverständigen K. M. aus K ... Dieser sei Facharzt für Dermatologie, jedoch auch ein Experte für Umweltmedizin
und werde insbesondere aufgrund seiner Spezialkenntnisse auf diesem Gebiet benannt.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 02.11.2010 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten
vom 28.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008 festzustellen, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit
nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur
BKV vorliegt.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§
105 Abs.
2 Satz 1,
143, 151
Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung bedarf gemäß §
144 SGG keiner Zulassung.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klage auf Feststellung einer Berufskrankheit durch das
Gericht gemäß §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG statthaft. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das Vorliegen der Berufskrankheit Nr. 3102 der Anlage 1 zur
BKV lässt sich trotz Ausschöpfung der Amtsermittlungspflicht nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen.
Gemäß §
9 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten
bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Gemäß §
1 i. V. m. Nr. 3102 der Anlage 1
BKV sind Berufskrankheiten von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten. Als solche kommt im Fall der Klägerin die Neuroborreliose
in Betracht, die jedoch nicht mit Sicherheit nachweisbar ist.
Für die Diagnose einer Borreliose fehlt es am erforderlichen serologischen Nachweis von IgM- oder IgG-Antikörpern im Blut.
Die diesbezüglichen Ausführungen in dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten von Dr. K. und in den Gutachten der
Sachverständigen Dr. C. sind schlüssig. Beide Gutachter haben überzeugend dargelegt, dass ein Antikörper-Nachweis im ELISA-Test
nur einen groben Hinweis gibt und allein maßgebend der Nachweis mittels Immunoblot ist, der jedoch bei keinem der behandelnden
Ärzte zu irgendeinem Zeitpunkt gelang. Der Lymphozytentransformationstest (LTT) allein genügt für den Nachweis nicht. Nach
den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist der LTT zur Labordiagnostik der Lyme-Borreliose völlig ausgeschlossen.
Die Leitlinien der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e. V. sehen unter Nr. 2.5.4 zwar bestimmte Indikationen für den Einsatz
des LTT vor, führen jedoch ausdrücklich aus: "Ein positives Ergebnis des LTT-Borrelien ist verdächtig, nicht aber beweisend
für eine aktive Borrelien-Infektion." Damit kann über den LTT nicht der erforderliche Vollbeweis für den Nachweis einer von
Tieren auf Menschen übertragbaren Krankheit erbracht werden.
Bis zur mündlichen Verhandlung am 15.05.2013 hatte die Klägerin keinen einzigen serologischen Nachweis für Borrelien-Antikörper
mittels Immunoblot vorgelegt, vielmehr bezogen sich alle positiven Ergebnisse nur auf den ungenauen ELISA-Test oder auf den
in den Leitlinien ebenfalls nicht anerkannten LTT. Auch die in der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2013 und mit den nachfolgenden
Schriftsätzen vorgelegten ärztlichen Nachweise haben keine Laborbefunde erbracht, die einen ausreichenden serologischen Nachweis
einer Lyme-Borreliose erbracht hätten. Was den positiven Immunoblot vom 25.10.2006 betrifft, hat die Sachverständige Dr. C.
in ihrer Stellungnahme vom 18.10.2013 ausgeführt, dass dieses Ergebnis zwar auf eine akut durchgemachte Borrelieninfektion
zurückzuführen sein könnte, dass diese jedoch durch die damalige Antibiotikatherapie vollständig ausgeheilt ist, weshalb durch
spätere Untersuchungen - insbesondere vom 17.12.2006 - der einmalige positive Befund vom 25.10.2006 nicht mehr bestätigt werden
konnte. Auch der positive Laborbefund vom 01.09.2009 steht im Gegensatz zu vorangehenden und nachfolgenden negativen Befunden.
Das Labor selbst hat in seinem Befund ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei klinischen Bildern entsprechend dem Stadium
3 eine Borrelien-Ätiologie kaum anzunehmen ist und dass der Befund auch im Zusammenhang mit einer früheren Borreliose-Therapie
in Zusammenhang stehen könnte, die bei der Klägerin auch tatsächlich vorgenommen worden war.
Ein serologischer Nachweis könnte erstmals aufgrund des Laborbefundes vom 23.05.2013 vorliegen. Wie die Sachverständige Dr.
C. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2013 ausgeführt hat, müsste sich dieser positive Nachweis - wenn er sich durch
Kontrolluntersuchungen bestätigen würde - auf eine Neu-Infektion zurückführen lassen, die nach dem letzten negativen Laborbefund
vom Dezember 2011 - also im Jahr 2012 oder im Jahr 2013 - stattfinden musste. Damit konnte diese Neu-Infektion nicht mehr
im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Landwirtin stehen, die am 10.04.2007 durch Arbeitsunfähigkeit
beendet worden war. Die Klägerin hat diesen Ausführungen der Sachverständigen - insbesondere was den Zeitpunkt der Aufgabe
ihrer Berufstätigkeit betrifft - nicht widersprochen, obwohl das Gericht mit Schreiben vom 05.11.2013 unter Hinweis auf die
Rechtsfolgen des §
106a Abs.
3 SGG eine Frist bis zum 20.12.2013 gesetzt hat, um eventuelle Einwände gegen das Gutachten vorzubringen. Der Senat konnte deshalb
mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass diese Ausführungen zutreffen.
Im Übrigen fehlt es für den Nachweis einer Lyme-Borreliose auch an der erforderlichen klinischen Symptomatik, wie die Sachverständige
Dr. C. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2013 ausgeführt hat. Insbesondere waren bei der Klägerin keine akuten
oder chronischen Gelenkentzündungen nachweisbar - abgesehen von einer arthrotisch bedingten Schwellung des Kniegelenks. Auch
waren chronische Hautveränderungen, eine chronische Herzschädigung oder eine Nerven- oder Hirnschädigung nicht nachweisbar.
Die Sachverständige Dr. C. hat weiter ausgeführt, dass im Vordergrund der Diskussion eine Neuroborreliose in der Ausprägung
einer Enzephalitis, also einer Entzündung des Gehirns, gestanden hat. Eine Enzephalitis stellt jedoch ein Krankheitsbild dar,
das deutlich schwerer ist als die von der Klägerin beschriebenen vegetativen Störungen. Auch eine periphere Nervenschädigung
ist nach Feststellung der Sachverständigen seit 1990 zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen worden.
Der Senat hat davon abgesehen, entsprechend dem Antrag der Klägerin vom 20.12.2013 den Arzt K. M. aus K. nach §
109 SGG gutachtlich zu hören. Der Antrag ist gemäß §
109 Abs.
2 SGG abzulehnen, weil durch seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien
Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Der Klägerin ist erstmals mit Schreiben
vom 18.10.2011 mitgeteilt worden, dass ein weiteres Gutachten von Amts wegen nicht mehr eingeholt werden würde. Die Klägerin
hat mit Schreiben vom 31.10.2011 selbst eingeräumt, dass sie in der ersten Instanz ihr Antragsrecht nach §
109 SGG bereits verbraucht habe. Sie schlug deshalb vor, das Gericht möge von Amts wegen ein Gutachten des Dr. N. vom Borreliose-Zentrum
A. einholen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre die Stellung eines Antrags nach §
109 SGG, wenn er für eine andere Fachrichtung begehrt worden wäre, angezeigt gewesen. Mit Schreiben vom 12.11.2012 hat das Gericht
der Klägerin - nachdem inzwischen der Berichterstatter gewechselt hatte - mitgeteilt, dass er das Schreiben der Klägerin vom
31.10.2011 nicht als Antrag nach §
109 SGG interpretiere. Weitere Ermittlungen seien von Amts wegen nicht vorgesehen, die Berufung habe voraussichtlich keine Aussicht
auf Erfolg. Selbst auf diesen Hinweis hin hat die Klägerin mit Schreiben vom 30.11.2012 keinen Antrag nach §
109 SGG gestellt, sondern erneut beantragt, Dr. N. im Rahmen der Ermittlungen von Amts wegen nach §
106 SGG als Gutachter zu hören. Hier hätte die Klägerin erneut spätestens einen Antrag nach §
109 SGG stellen müssen. Die Klägerin kann die Fristen zur Stellung eines Antrags nach §
109 SGG nicht dadurch umgehen, dass sie wiederholt Ermittlungen nach §
106 SGG beantragt, insbesondere wenn - was spätestens mit dem gerichtlichen Schreiben vom 12.11.2012 der Fall war - diese Ermittlungen
vom Gericht bereits konkret abgelehnt worden sind. Es kann offen bleiben, ob dann etwas anderes gilt, wenn die zwischenzeitliche
prozessuale Entwicklung neue Gesichtspunkte hervorbringt, die die Erstellung eines völlig neuen Sachverständigengutachtens
auf Antrag des Klägers rechtfertigen (siehe dazu Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer,
SGG, 10. A. 2012, §
109 Rdnr. 10b). Die gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen Dr. C. vom 18.10.2013 lässt jedenfalls derartige neue Gesichtspunkte
nicht erkennen. Es ist weder vorgebracht noch in sonstiger Weise ersichtlich, inwieweit diese Stellungnahme neue Gesichtspunkte
hervorgebracht hat, die die Klägerin bislang noch nicht kannte und die es plausibel machen würden, dass die Klägerin die Einholung
eines Gutachtens auf dermatologischem beziehungsweise umweltmedizinischem Gebiet nicht innerhalb der mehrfach während des
Verfahrens in der Vergangenheit gestellten Fristen, sondern erst nach Einholung dieser Stellungnahme beantragt hat.
Zwar wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin diese Stellungnahme mit gerichtlichem Schreiben vom 05.11.2013 unter Fristsetzung
bis 20.12.2013, eventuelle Einwände gegen das Gutachten vorzubringen, zugeleitet, so dass der Antrag nach §
109 SGG noch innerhalb dieser Frist gestellt wurde. Jedoch bezog sich diese Frist einerseits auf das Vorbringen von Einwänden, andererseits
ausdrücklich auf Erklärungen und Beweismitteln in Bezug auf §
106 a Abs.
3 SGG - und nicht auf §
109 SGG. In Anbetracht der Prozessgeschichte, insbesondere auch im Hinblick auf die notwendige Vertagung in der Sitzung vom 15.05.
2013 wegen erst in dieser mündlichen Verhandlung vorgelegter Laborbefunde und dem Verweis des Vorsitzenden auf §
106 a SGG, wollte der Senat mit dem gerichtlichen Schreiben vom 05.11.2013 erkennbar keine neue Frist zur Stellung eines Antrags nach
§
109 SGG eröffnen. Im Übrigen wurde die Problematik in der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2014 erörtert; die anwaltlich vertretene
Klägerin stellte dort keinen Antrag nach §
109 SGG zu Protokoll.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung
des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).