Tatbestand:
Streitig sind die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten am 6.4.2005 sowie des Endabrechnungsbescheides des Beklagten
vom 19.5.2006, mit denen der Beklagte von der Klägerin Umlagen zur finanziellen Hilfe von notleidenden Betriebskrankenkassen
forderte.
Der Beklagte ist der Bundesverband der Betriebskrankenkassen.
Die Klägerin ist eine Betriebskrankenkasse mit Sitz in Dachau und Mitglied des BKK-Landesverbandes Bayern. Zum 1.10.2003 betrug
der allgemeine Beitragssatz der Klägerin 13,4 Prozent, zum 1.1.2004 wurde der Beitragssatz auf 12,9 Prozent abgesenkt und
blieb auch 2005 in dieser Höhe bestehen.
Der Vorstand des BKK Bundesverbandes hat aufgrund Satzung finanzielle Hilfen nach §
265 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) zu Gunsten der nachstehend genannten Betriebskrankenkassen gewährt:
- BKK für Heilberufe (Antragstellung vom 31.1.2004; Beschluss in der Vorstandssitzung am 30. 07. 2004, ergänzt in der Vorstandssitzung
am 21.10.2004),
- beneVita BKK (Antragstellung vom 6.2.2004; Beschluss in der Vorstandssitzung am 2./3.11.2004),
- BKK Bauknecht (Antragstellung vom 9.2.2004; Beschluss in der Vorstandssitzung am 2/3.11.2004),
- Bavaria BKK (Antragstellung vom 10.3.2004; Beschluss in der Vorstandssitzung vom 7.9.2004).
Das Verfahren bestimmt sich nach der Ausgleichsordnung 2004 in der Fassung vom Januar 2004, veröffentlicht in "Die BKK", Ausgabe
März 2004, S. 130 ff. Darin werden die Voraussetzungen für die Gewährung finanzieller Hilfen an einzelne BKK (§ 1), Art und
Umfang der Hilfen (§ 2) und ihre Finanzierung (§ 3) geregelt.
Über die finanzielle Hilfe entscheidet nach § 1 Abs 3 der Ausgleichsordnung 2004 der Vorstand des Beklagten; er bestimmt auch
die erforderlichen Auflagen und Maßnahmen. Art und Umfang der finanziellen Hilfen sind in § 2 der Ausgleichsordnung 2004 festgelegt.
Nach dessen Abs 1 ist die Hilfe im Einzelfall unter Vermeidung einer finanziellen Überforderung der an der Finanzierung beteiligten
BKK maximal auf die finanzielle Hilfe beschränkt, die zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der antragstellenden BKK
unter Einschluss der gesetzlichen Schuldentilgung erforderlich ist. Nach § 2 Abs 2 der Ausgleichsordnung 2004 legt der Vorstand
der Beklagten im Einvernehmen mit den der Finanzierung zustimmenden Landesverbänden Art und Umfang der finanziellen Hilfen
im Einzelfall fest. Die Hilfe empfangende BKK muss sich in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag verpflichten, die Hilfe im
Falle ihrer Auflösung oder Schließung zurückzuzahlen; weitere Nebenbestimmungen sind zulässig.
§ 3 Ausgleichsordnung 2004 bestimmt im Einzelnen:
§ 3 Finanzierung
(1) BKK haben nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit differenzierte Umlagen zur Finanzierung der nach § 2 bewilligten
finanziellen Hilfen zu zahlen.
Die Umlageverpflichtung für die einzelne BKK ist das Produkt aus ihren beitragspflichtigen Einnahmen nach §
267 Abs
1 Nr.
2 SGB V und einem kassenindividuell ermittelten Hebesatz. Der Hebesatz berechnet sich für die einzelne BKK nach Maßgabe folgender
Belastungsstufen:
1. BKK mit allgemeinem Beitragssatz nach §
241 SGB V unterhalb der um 0,3 erhöhten Summe der Ausgleichsbedarfssätze gemäß §
266 Abs.
3 und §
269 Abs.
1 SGB V (ABS) werden mit der Differenz zwischen ihrem allgemeinen Beitragssatz und dem um 0,3 erhöhten ABS belastet (Hebesatz). Übersteigt
die Summe der so ermittelten Umlageverpflichtungen den Finanzierungsbedarf, werden die Umlageverpflichtungen durch Multiplikation
mit einer entsprechenden einheitlichen Quote bis zur Höhe des Finanzierungsbedarfs vermindert.
2. Sofern die nach Nr. 1 ermittelten Umlageverpflichtungen nicht ausreichen, um den Finanzierungsbedarf zu decken, ist der
darüber hinausgehende Finanzierungsbedarf von allen BKK zu tragen, wobei der Hebesatz so berechnet wird, dass die Belastung
der einzelnen BKK je nach allgemeinem Beitragssatz vom um 0,3 erhöhten ABS bis zur Belastungsgrenze nach Nr. 3 linear abnimmt.
3. Nicht an der Finanzierung beteiligt werden BKK, deren allgemeiner Beitragssatz 7,5 v. H. über dem durchschnittlichen allgemeinen
Beitragssatz aller BKK (Belastungsgrenze) liegt.
4. BKK, die für das gesamte Geschäftsjahr, in dem die finanziellen Hilfen beantragt werden, keine Satzungsregelung nach §
173 Abs.
2 Nr.
4 SGB V haben, werden an der Finanzierung nach den Regeln Nr. 1 bis 5 nach einer Quote mit 20 v. H. beteiligt.
5. Die BKK desjenigen Landesverbandes, dessen Mitglied die antragstellende BKK ist, werden an der Finanzierung nach den Regeln
Nr. 1 bis 4 mit einer Quote von 125 v. H. beteiligt. Es gilt die Zugehörigkeit zu einem Landesverband zum 1. Januar des Geschäftsjahres
in dem die finanziellen Hilfen beantragt werden.
6. Die BKK, für die finanzielle Hilfe gewährt wird, ist nicht an der Finanzierung beteiligt.
7. Die Ermittlung der Höhe der Umlage für die einzelne BKK erfolgt getrennt für jede nach § 2 dieser Ausgleichsordnung bewilligte
finanzielle Hilfe. Wird in einem Geschäftsjahr mehr als eine finanzielle Hilfe bewilligt, wird die Höhe der Summe der Teilbeträge
für die Umlage der einzelnen BKK, die sich bei Zugrundelegung des Hebesatzes nach Nr. 1 ergeben, begrenzt auf den Betrag,
der sich - auf das gesamte Geschäftsjahr gerechnet - bei einmaliger Zugrundelegung des Hebesatzes nach Nr. 1 ergibt.
(2) Die Umlage wird nur von Mitgliedskassen der Landesverbände getragen, die der Hilfegewährung zugestimmt haben.
(3) Kosten, die insbesondere für die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und Finanzstatusprüfung nach § 1 Abs. 2 sowie für die
Tätigkeit des Beirates nach § 1 Abs. 4 entstehen, werden vom Antragsteller nach Rechnungslegung des Bundesverbandes getragen.
(4) Der Bundesverband kann Vorauszahlungen auf die Umlage anfordern.
(5) Der Bundesverband kann zum Zweck der Durchführung der Finanzierung Auskunft und Nachweise von den BKK verlangen.
(6) Das Nähere zu den Datengrundlagen, zu Datenlieferung, zur Berechnung der Umlagepflicht, zur Vorauszahlung und Endabrechnung
der einzelnen BKK ist in der Anlage, die Bestandteil dieser Ausgleichsordnung ist, geregelt.
(7) Der auf die einzelnen BKK entfallene Anteil an der Umlage oder der Vorauszahlung auf die Umlage ist innerhalb von 30 Tagen
nach Zustellung des Bescheides an den Bundesverband zu überweisen. Die Zahlung gilt mit der belastenden Wertstellung und Ausführung
vor Bankannahmeschluss am jeweiligen Fälligkeitstag als erfüllt.
(8) Der BKK Bundesverband kann die als Darlehen gewährten Mittel für die Hilfegewährung durch Aufnahme eines Darlehens aufbringen,
wenn hierdurch Darlehen der die Hilfe empfangenden BKK übernommen, umgeschuldet und abgesichert werden sollen, die diese bis
zum 31. Dezember 2003 aufgenommen hat. Das Darlehen muss der Vermeidung kurzfristiger Überforderung der andernfalls die Hilfe
finanzierenden BKK dienen. Die Darlehenszinsen sind von der Hilfe empfangenden BKK zu tragen. Dies ist im Hilfebescheid und
Sanierungsvertrag festzulegen. Zu dem in Satz 2 genannten Zweck kann der Bundesverband Mittel für die Hilfegewährung auch
aus deinem hierzu abgeschlossenen Rückversicherungsvertrag aufbringen.
Mit Schreiben vom 17.11.2004 forderte der Beklagte die Klägerin auf, die zur Umlagenberechnung erforderlichen Daten, die zur
Berechnung der auf die einzelnen Betriebskrankenkassen entfallenden Finanzierungsanteile erforderlich sind, mitzuteilen. Diese
bildeten die Grundlage für die Berechnung der vorläufigen Ausgleichsverpflichtung. Die Abrechnung erfolge voraussichtlich
im Herbst 2005 im Anschluss an den Risikostrukturausgleich.
Die Klägerin übermittelte mit Schreiben vom 29.11.2004 die angeforderten Daten. Mit Schreiben vom 23.12.2004 erfolgte durch
den Beklagten die Anhörung zum Umfang der Hilfegewährung für die einzelnen Betriebskrankenkassen und zur Datengrundlage für
die Vorauszahlung. Mit Telefax vom 22.12.2004 wurde die vorläufige Information über die Summe der voraussichtlichen Zahlungen
(für das Geschäftsjahr 2004 insgesamt geschätzt: 151.585 EUR) bekanntgegeben. Mit Schreiben vom 13.1.2005 wies die Klägerin
darauf hin, dass sie bereits im Dezember 2004 durch - hier nicht streitgegenständliche - Haftungsbescheide vom BKK Landesverband
Bayern in Anspruch genommen worden sei. Sie halte die zweimalige Anwendung der "Abschöpfungsregelung" für rechtlich unzulässig.
Mit streitgegenständlichem Vorauszahlungsbescheid vom 6.4.2005 wurde die Klägerin im Rahmen der finanziellen Hilfen in besonderen
Notlagen in dem Hilfeverfahren für die BKK für Heilberufe in Höhe eines Sonderbeitrags von 123.188,00 EUR herangezogen für
das Jahr 2004. Die Summe errechnete sich aus den beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin und einem kassenindividuell und
mathematisch ermittelten Hebesatz.
Mit Vorauszahlungsbescheid des Beklagten vom 11.4.2005 erfolgte die Heranziehung der Klägerin in dem Hilfeverfahren für die
Bavaria BKK in Höhe von 8.534 EUR.
Die Klägerin hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage
gegen den Vorauszahlungsbescheid des Beklagten vom 6.4.2005 beantragt. Sie hat ausgeführt, die Umlageverpflichtung für die
einzelnen Betriebskrankenkassen sei das Produkt aus ihren beitragspflichtigen Einnahmen und einem kassenindividuell ermittelten
Hebesatz. Nur für den Fall, dass die von den einzelnen Betriebskrankenkassen zu tragende Umlage nicht ausreiche, um einen
Finanzierungsbedarf zu sichern, seien die übrigen Betriebskrankenkassen, die einen höheren allgemeinen Beitragssatz haben,
an der Umlageverpflichtung zu beteiligen. Durch das Finanzierungssystem des Beklagten im Jahr der Inanspruchnahme werde eine
weitgehende Vereinheitlichung der Beitragssätze erreicht, die so vom Gesetzgeber nicht vorgesehen war.
Im Zeitraum vom 1.11.2003 bis 31.10. 2004 habe der durchschnittliche Beitragssatz 12,94853278 Prozent betragen. Die Konsequenz
der Ausgleichsordnung 2004 sei die Nivellierung der Beitragswettbewerbsvorteile.
Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass der Umlagebescheid auf der von der Aufsichtsbehörde, dem Bundesministerium für Gesundheit
und soziale Sicherheit genehmigten Satzung beruhe und rechtmäßig sei.
Das Sozialgericht München hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
Im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht München hat die Klägerin beantragt, den Vorauszahlungsbescheid in dem
Hilfeverfahren für die BKK für Heilberufe aufzuheben, soweit darin eine Umlageforderung von mehr als 5.556,57 EUR festgesetzt
wurde. Gegenstand der Klage sei nicht die Hilfegewährung für die BKK für Heilberufe oder eine andere BKK als solche, sondern
lediglich der Modus der Finanzierung der Umlageforderung in Form des Hebesatzes 1 der Ausgleichsordnung 2004. Der Hebesatz
1 in § 3 Abs. 1 S.1 der Ausgleichsordnung verfolge den Zweck, die Beitragssätze der Kassen anzugleichen, losgelöst von einem
konkreten zu finanzierenden Hilfefall. Diese steuernde Einflussnahme auf die Beitragssätze stehe dem Beklagten jedoch nicht
zu. Eine mehrfache Inanspruchnahme sei daher auch nicht verhältnismäßig.
Zusätzlich hat die Klägerin Klage erhoben gegen den Endabrechnungsbescheid des Beklagten vom 19.5.2006 in dem Hilfeverfahren
für die BKK für Heilberufe für das Geschäftsjahr 2004, soweit darin eine Umlageforderung von mehr als 9.579,43 EUR festgesetzt
ist.
Es gehe nicht um eine Verringerung der Gesamtlast, sondern um eine recht- und verhältnismäßige Verteilung der Umlagelasten
auf Seiten der finanzierenden Kassen. Der Hebesatz 1 in § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Ausgleichsordnung 2004 bedeute, dass er alle
Kassen, sie sich unter einer vom Beklagten gesetzten Schwelle befinden, dazu nötige, ihre Beitragssätze auf diese Schwelle
anzuheben.
Das Sozialgericht München hat der Klage mit Urteil vom 8.Oktober 2008 antragsgemäß stattgegeben und den Vorauszahlungsbescheid
aufgehoben, soweit er eine Umlageforderung von mehr als 5.556,57 EUR festgesetzt hat sowie den Endabrechnungsbescheid vom
19. Mai 2006 aufgehoben, soweit eine Umlageforderung von mehr als 9.579,43 EUR festgesetzt wurde. Das Sozialgericht hat seine
Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Hebesatz 1 in § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Ausgleichsordnung 2004 rechtswidrig
sei, denn er nötige alle Kassen, die sich unter der Schwelle von 13,1 Beitragssatzpunkten befinden, ihre Beitragssätze auf
diese Schwelle anzuheben. Dies sei eine den Beitragssatz und damit den Wettbewerb steuernde Einflussnahme und daher von der
Regelung von §
265 a SGB V nicht umfasst.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
Der Beklagte vertritt insbesondere die Auffassung, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kein allgemein gültiges
Wettbewerbsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung, das losgelöst von einer konkreten sozialgesetzlich geregelten
Aufgabe in die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen als öffentlich-rechtliche Träger mittelbarer Staatsverwaltung
rechtsgestaltend eingreifen und das durch eine Ausgleichung von Beitragssätzen verletzt sein könnte.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, es gebe keinen logischen Denkansatz, dass die Krankenkasse mit dem niedrigsten Beitrag auch zugleich
die leistungsstärkste sei. Dies sei schon deshalb zu bezweifeln, da Kassen mitunter durch auffallend niedrige Beiträge versucht
hätten, neue Kunden zu gewinnen. Sie ist der Ansicht, dass der Hebesatz 1 rechtswidrig sei, da er die Absicht verfolge, die
Kassen zu zwingen, ihre Beitragssätze zu erhöhen. Zur Veranschaulichung ihrer Auffassung hat die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vom 27.09.2011 eine "Modelldarstellung zur Finanzierung der finanziellen Hilfen" übergeben, in der die Auswirkungen
der streitgegenständlichen Umlage auf die Beitragssätze grafisch dargestellt sind.
Die Erzwingung einer Beitragssatzerhöhung sei nicht mehr vom Regelungszweck des §
265 a SGB V erfasst. Der Hebesatz 1 sei auch verfassungswidrig, da der Beklagte mit dieser Satzungsregelung gegen Verfassungsgebote verstoßen
habe. So verstoße die Regelung des Beklagten gegen das Konsistenzgebot, da sie nicht in sich geschlossen und stimmig sei.
Ebenso entspreche die Regelung nicht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, da sie nicht geeignet, nicht erforderlich und nicht
das mildeste Mittel sei. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen die den Kassen garantierte Finanz- und Selbstverwaltungshoheit
vor.
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Verfahrens auf einstweiligen
Rechtsschutz. Darauf sowie auf die Akten beider Rechtszüge wird Zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz,
SGG), sie ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6.4.2005 sowie der Endabrechnungsbescheid des Beklagten vom 19.5.2006
sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts München vom 8.Oktober 2008, welches diese
Bescheide antragsgemäß aufgehoben hatte, wird deshalb aufgehoben und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Streitgegenstand sind der Bescheid des Beklagten vom 06.04.2005 sowie der Endabrechnungsbescheid vom 19.05.2006. Diese sind
rechtmäßig ergangen. Die Beklagte war berechtigt, von der Klägerin auf der Grundlage des Hebesatzes 1 der Ausgleichsordnung
2004 die geltend gemachten Umlagen für die benannten notleidende Kassen zu fordern. Die Umlagebescheide sind auf Grund formell
und materiell rechtmäßiger Rechtsgrundlage, nämlich der Ausgleichsordnung 2004, ergangen.
1. Wie das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 16.11.2010 - L 11 KR 448/10 in einem gleichgelagerten Verfahren zutreffend festgestellt und ausgeführt hat, ist die Ausgleichsordnung von der Satzungsermächtigung
in §
265a Abs.1 S. 1
SGB V gedeckt.
Die Satzungen der Spitzenverbände, zu denen auch die Beklagte zählt, durften gemäß §
265 a Abs.
1 SGB V (in der hier anzuwendenden vom 28. März 1998 bis 26. Oktober 2006 geltenden Fassung - a.F. gem. Artikel 1 Nr. 3 des GKV Finanzstärkungsgesetzes
vom 24. März 1998 - BGBl I S. 526) mit Wirkung für ihre Mitglieder und deren Mitgliedskassen Bestimmungen über finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen einer
Krankenkasse ihrer Kassenart oder zu Erhaltung deren Wettbewerbsfähigkeit vorsehen. Die Voraussetzungen, der Umfang sowie
die Finanzierung und Durchführung der finanziellen Hilfen waren in Satzungen zu regeln. Die Satzungsbestimmungen bedurften
der Mehrheit der nach den Versichertenzahlen der Mitglieder der Landesverbände gewichteten Stimmen. Der Finanzausgleich konnte
befristet und mit Auflagen verbunden werden, die der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit dienen. Der
Vorstand des Spitzenverbandes entschied über die Hilfe auf Antrag des Vorstands der Krankenkasse (§
265 a Abs.
2 SGB V a.F.). Die Entscheidung über die Hilfe bedurfte der Zustimmung der beteiligten Landesverbände. Krankenkassen, deren Landesverbände
der Hilfen nicht zustimmten, nahmen am Ausgleichsverfahren nicht teil.
Der Beklagte durfte nach §
3 Ausgleichsordnung 2004, die auf der Ermächtigungsgrundlage §
265 a Abs.
1 SGB V a.F. ergangen war, die Umlageverpflichtung gegenüber der Klägerin durch Bescheid bestimmen. Die Umlage wird erhoben, um von
dem Beklagten anderen BKKen verbindlich zugesagte und ausgezahlte Unterstützungen zu finanzieren, über die allein der Beklagte
mit Zustimmung der BKK-Landesverbände zu entscheiden hat, wie §
265 a Abs.
2 SGB V a.F. regelt. Rechtsgrundlage ist insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Satzung des Beklagten. Die Beklagte
war berechtigt, die Umlageverpflichtung durch Verwaltungsakt festzulegen, welchen die Klägerin gerichtlich überprüfen lassen
kann (ohne dass insoweit der Umfang der gerichtlichen Nachprüfung bestimmt wäre, vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2002 - B 1 KR 10/01 R.
2. § 3 Ausgleichsordnung 2004 ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar und daher wirksam (vgl. LSG Ba-Wü, aaO.). Maßstab
ist insoweit der allgemeine Gleichheitssatz Art.
3 Abs.
1 GG. Aus diesem ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber,
die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG, Beschluss
vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01). Weil die Klägerin eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist, findet als Prüfungsmaßstab das Willkürverbot Anwendung.
Dies erlangt auch Geltung gegenüber Krankenkassen, soweit diese nicht grundrechtsfähig sind (BVerfG aaO.).
a) Eine sachwidrige oder gar willkürliche Ungleichbehandlung der Klägerin als ausgleichspflichtige BKK gegenüber anderen,
nicht ausgleichspflichtigen BKKen ist nicht ersichtlich.
b) Der kassenübergreifende Solidarausgleich ist mit dem
Grundgesetz vereinbar und bestimmt sich in seinen Einzelheiten nach der Ausgleichsordnung, letztlich nach der finanziellen Leistungsfähigkeit
einer BKK. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beitragssatz für deren Leistungsfähigkeit ein geeignetes Kriterium.
Der Senat ist nach dem Vorbringen der Beteiligten sowie nach den beigezogenen Dokumentationen überzeugt, dass die Klägerin
den gesetzlichen Bestimmungen folgend ihre Beiträge so kalkuliert hat, wie es ihre wirtschaftliche Lage zulässt und erfordert.
Ausgehend von diesen Vorgaben durfte die Beklagte bei der niedrigen Beitragshöhe der Klägerin darauf schließen, dass sie sich
in einer guten wirtschaftlichen Gesamtsituation befindet. Denn andernfalls hätte die Klägerin für höhere Einnahmen sorgen
und dafür ihren Beitragssatz erhöhen müssen. Konsequenterweise durfte die Beklagte aus vergleichsweise höheren Beitragssätzen
folgern, dass die entsprechenden Kassen einen erhöhten Finanzbedarf hatten und damit weniger leistungsfähig waren. Wären Kassen
mit höherem Beitragssatz auch noch zur Umlage für notleidende Kassen herangezogen worden, wären diese veranlasst gewesen,
ihre Beiträge noch weiter zu erhöhen. Das hätte mit Sicherheit deren Mitglieder zur Abwanderung in andere Kassen veranlasst
mit der Folge, dass auch in einer solchen Kasse wirtschaftliche Notlagen eingetreten wären, für die wiederum Ausgleichsbedarf
bestanden hätte. Es wäre somit bei dieser Vorgehensweise eine Art "Teufelskreis" entstanden. Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit
einer Kasse war es daher ein sachgerechtes Kriterium, die Beitragssatzhöhe zu verwenden.
Dass die Beitragssatzhöhe zur Leistungsfähigkeit einer Kasse in sachlicher Relation steht, wird zusätzlich dadurch gestützt,
dass der Gesetzgeber selbst in der Folgebestimmung zu §
265 a SGB V eigens die Berücksichtigung der Beitragssatzhöhe in die Satzungsermächtigung aufgenommen hat (Gesetz vom 22.12.2006, BGBl
I 2006 S. 3439 ff.):
"(3) Die Satzungsregelungen nach Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b sind bis zum 31. Januar 2007 zu beschließen und müssen sicherstellen,
dass der Umfang der Hilfeleistungen ausreicht, um bei den Krankenkassen der Kassenart den Abbau der Verschuldung nach § 222
bis zum 31. Dezember 2007 zu gewährleisten. Die Satzung hat zu bestimmen, in welchem Umfang die Antrag stellende Krankenkasse
zu diesem Zweck ihren allgemeinen Beitragssatz anheben muss. Bei der Aufteilung der Hilfen nach Satz 1 ist die unterschiedliche
Leistungsfähigkeit der Krankenkassen der Kassenart, insbesondere der allgemeine Beitragssatz im Verhältnis zum durchschnittlichen
Beitragssatzniveau der Kassenart und die Höhe der Finanzreserven, angemessen zu berücksichtigen."
3. Es ist nicht erkennbar, dass die Ausgleichsordnung 2004 formell rechtswidrig zu Stande gekommen wäre.
4. Der vorgenommene Finanzausgleich im Wege der Umlage war auch verhältnismäßig und nicht willkürlich. Es widerspräche vielmehr
dem Gleichheitssatz, wenn untereinander ausgleichsverpflichtete Krankenkassen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
zur Umlage herangezogen würden (LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 26. Oktober 2005, L 5 B 194/05 KR ER).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der Klägerin vorgetragenen und grafisch dargestellten relativen stärkeren Belastung,
die daraus resultiert, dass sie wegen des besonders niedrigen Beitragssatzes von 12,9 Prozent einer stärkeren Ausgleichsbelastung
unterzogen wurde als andere Kassen, die einen Beitragssatz von mehr als 13,1 Prozent aufgewiesen hatten. Denn auch insoweit
deckt das sachliche Kriterium der höheren Leistungsfähigkeit die höhere Ausgleichslast.
5. Weil sich die Beklagte in der Ausgleichsordnung eines sachlichen Maßstabes zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit bedient
hat, bleiben im hier zu entscheidenden Falle Einwände ohne Erfolg, dass andere Maßstäbe für die Bemessung der Ausgleichspflicht
vorhanden, geeignet sowie besser geeignet gewesen wären. Die gerichtliche Prüfung der Umlageverpflichtung und der ihr zu Grunde
liegenden Regelungen umfasst eine Rechtmäßigkeitskontrolle, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle dahingehend, dass die
Zwecke der erlassenen Satzung - hier der Ausgleichsordnung 2004 - auf anderem Wege ebenso oder besser hätten erreicht werden
können. Dies widerspräche dem Charakter des §
265 a SGB V als Ermächtigung zur autonomen Satzungsregelung.
6. Dem Einwand der Klägerin, die Entscheidung der Beklagten führe dazu, dass gegen den gesetzlich normierten Grundsatz des
Wettbewerbs der Krankenkassen untereinander durch sachlich nicht gerechtfertigte Gleichmacherei verstoßen würde, ist ebenfalls
nicht zu folgen. Aus §
265 a SGB V folgt, dass der Gesetzgeber dem Erhalt und der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Krankenkassen einen höheren Wert zugemessen
hat als dem ungehinderten oder ungeregeltem Wettbewerb. Insoweit bestand eine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; ein Verstoß
gegen das rechtsstaatliche Willkürverbot ist ebenso wenig zu erkennen wie eine widersprüchliche Regelung (LSG Ba-Wü, aaO.
Rz 75). Das Wettbewerbsprinzip in der GKV ist nämlich in vielfacher Weise eingeschränkt. Zu den Schranken zählen insbesondere
das Solidarprinzip, das (überwiegend) einheitliche Leistungsrecht sowie die Funktionsfähigkeit und Stabilität der GKV (BVerfG,
Beschluss vom 9. Juni 2004 - 2 BvR 1248/03). Die Funktion einer in Not geratenen Krankenkasse kann letztlich nur aufrechterhalten werden, wenn sie finanziell unterstützt
wird. Insoweit ist §
265a SGB V eine sachlich begründete Ausprägung des Solidargedankens. Die gesetzlichen Krankenkassen befinden sich nach dem Regelungssystem
des gesamten Sozialgesetzbuches, insbesondere des
SGB V gerade nicht in einer Stellung als Wettbewerber in einem ungeregelten Markt (BSG, Urteil vom 24.09.2008 - B 12 KR 10/07 R m.w.N.).
7. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe neben der Hilfegewährung für notleidende Kassen auch den Zweck verfolgt,
die Beitragssätze aller Betriebskrankenkassen mit einem allgemeinen Beitragssatz unterhalb von rund 13,1 Prozent gezielt zu
beeinflussen, erscheint dieses insbesondere im Falle der Klägerin weder substantiiert noch anhand von Anhaltspunkten nachvollziehbar.
Der allgemeine Beitragssatz der Klägerin betrug am 1.10.2003 13,4 Prozent. Die Klägerin konnte im Jahr 2004 ihren Beitragssatz
auf 12,9 Prozent absenken und diesen Beitragssatz auch im Jahr 2005 beibehalten. Offensichtlich war die Erhebung der streitgegenständlichen
Umlage nicht geeignet, den allgemeinen Beitragssatz der Klägerin zu erhöhen. Dies zeigt, dass die Forderung der Umlage nach
dem Hebesatz 1 nicht zwangsläufig zu einer Hebung des Beitragssatzes geführt hat. Ein unzulässiger Eingriff in den Beitragswettbewerb
ist schon deshalb nicht ersichtlich.
Weil die streitgegenständlichen Umlageforderungen auch rechnerisch zutreffend festgelegt wurden, sind sie auch der Höhe nach
nicht zu beanstanden. Auf die Berufung des Beklagten ist daher das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage vollumfänglich
abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197 a Abs.
1 S. 1 Halbsatz 1
SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 S. 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG. Maßgeblich ist die Höhe der endgültig festgesetzten Ausgleichszahlungen für das Jahr 2004.
Die Revision wird zugelassen, §
160 Abs
2 SGG.