Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse für vorstationäre Behandlungen bei Überschreiten der 5-Tagefrist
Tatbestand:
Streitig ist die Vergütung vorstationärer Leistungen eines Krankenhauses im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung.
1. Die Klägerin ist Trägerin des in unselbstständiger Rechtsform als Eigenbetrieb geführten Klinikums A-Stadt, welches als
Plankrankenhaus in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern aufgenommen ist.
Am 15.06.2005 nahm die Klägerin das gesetzlich krankenversicherte Mitglied der Beklagten K. S., welches 1974 geboren ist,
zur Durchführung einer Cholecystektomie stationär auf. Nach Diagnose eines Gallensteines per Sonographie in der Chirurgischen
Abteilung der Klägerin wollte K. S. vor einem Eingriff die Betreuung ihrer minderjährigen Kinder wegen der Berufstätigkeit
ihres Ehemannes zunächst in der Familie abklären; die laparaskopische Operation wurde sodann erst am 22.06.2005 stationär
durchgeführt. Dafür stellte die Klägerin der Beklagten mit Rechnung vom 25.07.2005 eine Fallpauschale iHv 2.992,68 EUR in
Rechnung, welche die Beklagte vollumfänglich beglich. Nicht erstattet wurde die Forderung der Klägerin vom 18.07.2005 über
100,72 EUR für die am 15.06.2005 erbrachten Leistungen, Behandlung, welche die Klägerin als vorstationäre Behandlung berechnete.
Das ebenfalls bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Mitglied Frau E. T., geboren 1943, wurde gemäß ärztlicher Verordnung
vom 29.09.2005 noch am gleichen Tage zur Operationsvorbereitung einer Gallensteinentfernung von der Klägerin stationär aufgenommen.
Weil aber E. T. wegen Schmerzbehandlung trotz eines ca. 1 cm großen Gallenblasensteines beschwerdefrei war, erfolgte der Eingriff
erst ab dem 13.10.2005. Für die entsprechende Behandlung berechnet die Klägerin der Beklagten unter dem 25.10.2005 entsprechend
der Fallpauschale 2.229,45 EUR. Diesen Betrag hat die Beklagte ausgeglichen. Nicht übernommen hat die Beklagte die Rechnung
vom 11.10.2005 über 100,72 EUR für die von der Beklagten als vorstationäre Behandlung bezeichneten Leistungen vom 29.09.2005.
Das bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Mitglied R. H., geboren 1927, wurde auf Grund ärztlicher Verordnung am
25.01.2006 stationär aufgenommen, um operativ eine bösartige Neubildung im Darmbereich zu entfernen. Weil R. H. aus medizinisch-internistischen
Gründen aber das Blut verdünnende Mittel ASS zu sich nahm, wurde die Operation erst in der Zeit vom 31.01. bis 10.02.2006
(einschließlich Nachbehandlung) durchgeführt. Insoweit beglich die Beklagte die Fallpauschale iHv 7.037,80 EUR (Rechnung vom
21.02.2006) vollständig. Sie verweigerte jedoch die 'Zahlung der unter dem 08.02.2006 als vorstationäre Behandlung iHv 100,72
EUR in Rechnung gestellte Leistung für den 25.01.2006.
2. Nachdem sich die Beklagte geweigert hatte, in diesen drei Fällen die vorstationären Behandlungen zu übernehmen, hat die
Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und Zahlung in Höhe von 302,16 EUR zuzüglich Zinsen beantragt. Sie hat nach
Schilderung des Sachverhalts ausgeführt, dass unstreitig in allen drei Fällen notwendige vorbereitende Maßnahmen vor einer
stationären Behandlung durchgeführt worden seien. Die gesetzliche Frist, wonach vorstationäre Leistungen nur innerhalb von
fünf Tagen vor der stationären Behandlung zulässig seien, habe die Klägerin nicht einhalten können aus von ihr nicht zu vertretenden
Gründen. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass Patienten wegen familiärer Besonderheiten, wegen Schmerzfreiheit sowie
wegen operationskontraindizierter Medikation erst einige Tage nach Ablauf der fünftägigen Frist hätten stationär behandelt
werden können.
Demgegenüber hat sich die Beklagte darauf berufen, dass die gesetzliche Regelung per Definitionen vorstationäre Behandlungen
nur dann zulasse, wenn diese innerhalb einer fünftägigen Frist erfolgten. Selbst wenn die Frist nicht maßgeblich sei, könne
eine zusätzliche Vergütung nicht erfolgen, weil nämlich die Klägerin bereits die komplette Behandlungspauschale in allen drei
Fällen erhalten habe.
Mit Urteil vom 14.12.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, in allen drei Fällen
sei die vorangegangene Behandlung mit der Vergütung der nachfolgenden vollstationären Behandlung abgegolten. Die entsprechenden
Fallpauschalen hätten die Krankenhausleistungen gesamt vergütet. Eine zusätzliche Vergütung sei weder vorgesehen, noch sei
die gesetzlich definierte Fünftagesfrist für vorstationäre Behandlungen eingehalten.
3. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und auf den Mustercharakter des vorliegenden Verfahrens hingewiesen. Folgte
man der Auffassung der Beklagten, würden unstreitig erbrachte Krankenhausbehandlungen eigener Art nicht mehr vergütet. Der
Klägerin dürfe nicht angelastet werden, dass sie aus sachlichen, außerhalb ihrer Verantwortung liegenden Gründen die jeweilige
stationäre Aufnahme über den Fünftageszeitraum hinaus habe aufschieben müssen. Zusätzlich hat sich die Klägerin darauf berufen,
dass die Beklagte als in die Pflegesatzverhandlungen einbezogene Partei entsprechend der Verhandlungen vom 02.10.2003 (Bezug:
Bl. 71 - 74 Berufungsakte) zur Pflegesatzvereinbarung vom 13.11.2003 (Bezugnahme: Bl 64 - 70 Berufungsakte), die so auch in
den Folgejahren gelte, ebenfalls davon ausgegangen sei, dass nur durch eine Vergütung für Leistungen wie vorliegend eine korrekte
Abrechnung möglich sei.
Die Beklagte hat erwidert, bereits nach alter Rechtslage sei zwischen vorstationärer, stationärer und nachstationärer Behandlung
zu unterscheiden gewesen. Die Fünftagesfrist habe bereits früher Anwendung gefunden, sodass es an einer Rechtsgrundlage für
die streitgegenständlichen Forderungen fehle. Hierauf erwidernd hat die Klägerin betont, dass mit Umstellung des Abrechnungssystems
auf Fallpauschalen mit Einführung des Krankenhausentgeltgesetzes für die Zeit ab 01.01.2003 bestimmt worden sei, dass die
entsprechenden Leistungen des Krankenhauses pflegesatzmäßig Berücksichtigung zu finden hätten, weil die vor- und nachstationäre
Behandlung infolge des Fallpauschalensystems nicht mehr habe abgerechnet werden können. Damit sei klar, dass anderweitige
vorstationäre Behandlungen - wie vorliegend - noch nach Meinung der Pflegesatzparteien abrechenbar gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 14.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 302,16 EUR nebst 4 % Zinsen über
den Basiszinssatz der EZB seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die dreiseitigen Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf
die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist wegen Zulassung durch das Sozialgericht zulässig und statthaft, aber unbegründet.
1. Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Vergütungsanspruches für die 2005 und 2006 erbrachten Krankenhausleistungen
gegenüber den bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten K. S., E. T. und R. H. ist der mit deren jeweiliger stationärer
Aufnahme gemäß §
109 Abs.
4 Satz 2, §
115 a Abs.
1 Nr.
1 SGB V entstandene Vergütungsanspruch, der sich in seinen Einzelheiten aus §§
8,
11 KHEntG, § 17 BPflO iVm mit der für die jeweiligen Zeiträume geltenden Pflegesatzvereinbarung ergibt; ein Vertrag gem. §
112 Abs
1 SGB V bestand in Bayern im strittigen Zeitraum nicht. Insoweit enthält die gemeinsame Empfehlung über die Vergütung für vor- und
nachstationäre Behandlung vom 30.12.1996 keine eigenständige Rechtsgrundlage für einen Vergütungsanspruch.
2. In Anwendung dieser Normen ist zunächst festzustellen, dass sowohl in den Fällen der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten
K. S., E. T. und R. H. zwischen der Leistung, die die Klägerin als vorstationäre bezeichnet hat, und der nachfolgenden vollstationären
Behandlung, welche nicht Streitgegenstand ist, eine Frist von mehr als fünf Tagen verstrichen war. K. S. wurde zunächst am
15.06.2005 mit dem Ziel der stationären Behandlung aufgenommen, nach der Entlassung am gleichen Tage vollstationär jedoch
erst ab dem 22.06.2005 behandelt. In gleicher Weise war E. T. am 29.09.2005 mit dem Ziel der stationären Behandlung aufgenommen
worden, vollstationär jedoch erst ab dem 11.10.2005 behandelt. R. H. war zunächst am 25.01.2006 aufgenommen, jedoch stationär
erst ab dem 31.01.2006 behandelt worden.
Damit sind die streitigen Leistungen der Klägerin in allen drei Fällen nicht als vorstationäre Behandlung im Sinne des §
115 a Abs.
1 Satz 1
SGB V zu klassifizieren. Vorstationäre (und nachstationäre) Behandlung nach §
115a SGB V ist gem. §
39 Abs
1 Satz 1
SGB V Teil der Krankenhausbehandlung. Da bei der vor- und nachstationären Behandlung nur medizinische Leistungen des Krankenhauses
erbracht werden, nicht aber Unterkunft und Verpflegung (§
115a Abs
1 Halbs 1
SGB V), handelt es sich der Sache nach zwar um eine Sonderform der ambulanten Versorgung der Versicherten, die nur bei vertragsärztlicher
Verordnung von Krankenhausbehandlung - wie vorliegend erfolgt - erbracht werden darf und im Vorfeld bzw im Nachgang zu einer
vollstationären Krankenhausbehandlung stattfinden muss (§
115a Abs
1 Halbs 2
SGB V). Insoweit geht bei es bei der vor- und nachstationären Behandlung um eine "Leistungserbringung eigener Art" als "Annex"
zur vollstationären Versorgung im Krankenhaus und somit um "stationäre" Behandlung im weiteren Sinne, die von der vollstationären,
der teilstationären und der ambulanten (§
115b SGB V) Krankenhausbehandlung zu trennen ist und dementsprechend in §
115a Abs
3 SGB V auch über eine eigenständige Vergütungsregelung verfügt (BSG Urteil vom 10.03.2010 - B 3 KR 15/08 R mwN).
Die vorstationäre Behandlung ist nach der erforderlichen gesetzlicher Definition auf längstens drei Behandlungstage innerhalb
von fünf Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt (§
115 a Abs.
2 Satz 1
SGB V). Diese Frist war in keinem der hier strittigen drei Fälle eingehalten. Damit kann die Klägerin keine Vergütung für vorstationäre
Leistungen wie in Rechnung gestellt verlangen.
Es ist auch nicht möglich, entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Frist für vorstationäre Behandlungen im Wege der
Auslegung zu erweitern (aA SG Berlin Urteil vom 05.04.2011 - S 76 KR 833/10). Dies widerspräche den Intentionen des Gesetzgebers, welcher im Interesse einer klaren und eindeutig handhabbaren Regelung
eine unmissverständliche Abgrenzungsfrist bestimmt hat. Diese besteht unabhängig davon, aus welchen Gründen die Frist nicht
hatte eingehalten werden können. Der Gesetzgeber hat sich insoweit aus sachlichen Gründen entschieden, eine Beweis- und Ermittlungsschwierigkeiten
in Bezug auf medizinische Sachverhalte vermeidende Regelung einzuführen.
3. Zudem hatte die Beklagte in allen drei streitigen Fällen die für die Behandlung der K. S., E. T. und R. H. abrechenbaren
Krankenhausleistungen vollumfänglich vergütet. In der Folge tritt die Sperre einer weiteren Vergütung gemäß § 8 Abs. 2 Satz
3 Ziff. 3 KHEntgG ein, wonach "eine vorstationäre Behandlung ... neben der Fallpauschale nicht gesondert berechenbar" ist.
Nach den zutreffenden Darlegungen des Sozialgerichts, auf die Bezug genommen wird gem. §
153 Abs.
2 SGG, ergibt sich auch nichts Anderes aus der "Gemeinsamen Empfehlung über die Vergütung für vor- und nachstationäre Behandlung
nach §
115 a Abs.
3 SGB V" vom 30.12.1996, auf die sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Bundesverband der Beklagten (u.a.) verständigt
hatten. Denn dort ist in § 4 ein dem § 8 Abs. 2 Satz 3 Ziff. 3 KHEntgG im Ergebnis entsprechender Vergütungsausschluss bestimmt.
4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben in Auswertung der Pflegesatzverhandlungen
und -vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beklagten.
Grundsätzlich ist anerkannt, dass in dem Dauerverhältnis zwischen der Beklagten als gesetzlicher Krankenkasse einerseits und
der Klägerin als Plankrankenhaus gemäß §
108 Nr. 1
SGB V als Erbringer von stationären Leistungen, auf welche die Versicherten der Beklagten Anspruch haben, andererseits besondere
gegenseitige Rücksichtnahmepflichten bestehen (vgl. auch §
2 Abs.
4 SGB V). So hat das BSG bei Abrechnungsstreitigkeiten u. a. eine unzulässige Rechtsausübung u.a. auf die Grundsätze von Treue und
Glauben analog §
242 BGB begründet (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R, RdNr 13; Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/08 KR, Rdn. 15, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 10/08 R, RdNr 22 - jeweils zitiert nach juris m. w. N.). Zudem waren die Klägerin und die Beklagte Parteien der Pflegesatzvereinbarung
vom 13.11.2003, wie die Unterschriften unter dieser belegen, so dass aus dieser vertraglichen Bindung weitere gegenseitige
Pflichten und Rechte resultieren wie das der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Zwar war in den der Pflegesatzvereinbarung vom 13.11.2003 vorangegangenen Verhandlungen ausdrücklich auch die Frage der Vergütung
für vorstationäre Behandlungen zum Gegenstand der Einigungsgespräche geworden. Insoweit ergibt sich aus der Niederschrift
der Pflegesatzverhandlung vom 02.10.2003, ausgefertigt am 07.10.2003 S. 2 oben (Bl. 72 Berufungsakte), dass die Beteiligten
Folgendes festgehalten haben: "Die Forderung von 75.000,00 EUR für die vor- und nachstationäre Behandlung wird von den Kostenträgern
akzeptiert." Damit ist nachgewiesen, dass auch die Beklagte als Pflegesatzverhandlungspartei und Pflegesatzvereinbarungspartei
davon ausgegangen war, dass vorstationäre Behandlungen zu vergüten sind. Dies scheint den vorangegangenen Ausführungen dieser
Entscheidung zu widersprechen. Jedoch kann aus den Verhandlungsbesprechungen kein Zahlungsanspruch für die Klägerin hergeleitet
werden. Denn den Pflegesatzparteien wäre es nicht gestattet, Vergütungssysteme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
zu bestimmen, die der unmissverständlichen zeitlichen Normierung in §
115 a Abs.
2 Satz 1
SGB V nicht entsprechen. Zudem ist nicht erkennbar, dass sich die Niederschrift gerade auf Fälle bezieht, die der gesetzliche Definition
der vorstationären Behandlung wegen Fristüberschreitung zuwider laufen; dass diese vergütet werden sollten ist somit aus der
Pflegesatzverhandlung nicht herleitbar.
Doch selbst falls in den Pflegesatzverhandlungen eine Vergütung vorstationärer Leistungen der hier strittigen Art abgesprochen
worden wäre bliebe dies für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin ohne rechtliche Auswirkung. Denn in der genehmigten
Pflegesatzvereinbarung vom 13.11.2003 selbst, die beide Beteiligte unterzeichnet haben, ist - im Gegensatz zu den teilweise
hochdifferenzierten Vergütungsbestimmungen im Übrigen - kein Anhaltspunkt für eine Regelung feststellbar, dass außerhalb der
gesetzlichen Fristen des §
115 a Abs.
2 Satz 1
SGB V erbrachte vorstationäre Leistungen vergütet werden sollten.
5. Damit ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die hier streitigen Leistungen
begründbar. Die Berufung der Klägerin bleibt somit vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3 GKG.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gemäß §
160 Abs.
2 SGG zugelassen.