Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren; Anordnungsanspruch bei fehlendem sicherungsfähigen Recht
Gründe:
I. Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob dem Antragsteller - Ast - einstweiliger Rechtsschutz im Zusammenhang
mit den Verpflichtungen der Antragsgegnerin -Ag - aus einem gerichtlichen Vergleich zu gewähren ist. In der Sache geht es
um Hilfe für den Ast bei der Beschaffung einer Ersatzwohnung.
Der im Jahre 1942 geborene Antragsteller bewohnt seine derzeitige Wohnung seit März 2000. Er bezog ab 2005 Arbeitslosengeld
II von der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung A-Stadt GmbH - ARGE - und seit 2007 Grundsicherung im Alter nach § 41 Sozialgesetzbuch
- SGB - XII von der Ag. Daneben bezieht er Altersruhegeld von der Architektenversorgung zuletzt in Höhe von ca. 270,00 EUR
monatlich. Aufgrund von Differenzen zwischen dem Ast und seinem Vermieter wegen angeblicher Mängel und sich daran anschließender
Mietminderungen liefen Mietschulden auf, die der damalige Leistungsträger, die ARGE, ohne Minderung übernahm, um dadurch die
damals drohende Obdachlosigkeit des Ast abzuwenden. Da erneut Mietschulden aufgelaufen waren, kündigte der Vermieter am 02.04.2008
den Mietvertrag zum 31.10.2008. Während des derzeit laufenden neuen Räumungsverfahrens stellte der Ast bereits zum 09.07.2008
einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, der mit Beschluss vom 11.08.2008 abgelehnt wurde. Im Beschwerdeverfahren
vor dem Bayer. Landessozialgericht - LSG - schlossen die Beteiligten am 28.10.2008 einen Vergleich, in dem sich die Ag verpflichtete,
die Schreiben des Ast vom 02.10.2008 und 22.10.2008 zu bearbeiten und dem Ast nach ihren Möglichkeiten bei der Suche einer
Ersatzwohnung zu unterstützen, insbesondere eine angemessene Wohnung über das Wohnungsamt zu finden.
Am 21.11.2008 hat der Ast erneut einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München - SG - begehrt und ausgeführt, die Ag komme ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 28.10.2008 nicht ausreichend nach.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 15.12.2008 abgelehnt und ausgeführt, die Ag sei ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich nachgekommen.
Es handele sich um ein neues Eilverfahren, in dem es um die Frage gehe, ob die Ag ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verletzt
habe. Der Ast habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Auch der Anordnungsgrund bleibe zweifelhaft. Die Ag sei ihrer
Verpflichtung aus dem Vergleich voll umfänglich nachgekommen. Sie habe mit Schreiben vom 10.11.2008 die Schreiben des Ast
vom 02.10. und 22.10.2008 beantwortet. Sie habe angekündigt, dass der Ast auch in Zukunft eine erneute Postübernahmebescheinigung
erhalte und mitgeteilt, dass sich die Ag direkt mit dem Amt für Wohnen und Migration wegen des Antrags auf eine öffentliche
Wohnung in Verbindung gesetzt habe. Hierbei habe sich herausgestellt, dass der Ast selbst Unterlagen nicht eingereicht habe.
Schon dem Wortlaut nach gehe die Verpflichtung der Ag aus dem Vergleich vom 28.10.2008 nicht so weit, dass diese auch (die
vom Ast verlangten) Äußerungen über das Handeln der ARGE tätigen müsse, damit der Ast seine zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten
für sich entscheiden könne. Dem - im Räumungsverfahren nach eigenen Angaben anwaltlich vertretenen - Ast bleibe es unbenommen,
im Verfahren vor dem Amtsgericht zielführende Beweisanträge zu stellen. Zivilrechtliche Fragestellungen, die die Mietminderung
beträfen, könnten nicht vor dem Sozialgericht geklärt werden. Der Vergleich könne nicht so verstanden werden, dass die Ag
verpflichtet worden sei, Schreiben des Ast in der vom Ast begehrten Weise zu beantworten. Auch die Eilbedürftigkeit sei zweifelhaft.
Der Ast wisse bereits seit mehreren Monaten, dass gegen ihn ein weiteres Räumungsverfahren laufe. Trotz der Zusicherungen
der Ag habe der Ast keine hinreichenden eigenen Bemühungen zur Anmietung einer Ersatzwohnung auf dem freien Markt glaubhaft
gemacht. Der allgemeine Hinweis, dass die Anmietung einer Wohnung für Leistungsempfänger auf dem freien Markt schwierig sei,
überzeuge das Gericht nicht davon, dass der Ast sich selbst um die Anmietung bemüht habe. Die Ag sei auf eine Unterbringung
des Ast vorbereitet.
Dagegen hat der Ast Beschwerde zum LSG eingelegt und zuletzt mit Schreiben vom 05.03.2009 ausgeführt, die Ag habe ihre Verpflichtungen
aus dem Vergleich nicht erfüllt. Sie habe lediglich dem Vermieter einen Vorschlag unterbreitet, obwohl dieser bereits erklärt
gehabt habe, den Ast nicht berücksichtigen zu wollen. Andere Gesellschaften, die über freie Wohnungen verfügten, seien nicht
einbezogen worden. Zur Verpflichtung der Ag gehöre auch das Bearbeiten der Schreiben vom 02.10. und 22.10.2008. Obwohl die
Aktenlage zeige, dass das Angefragte eine eindeutige Stellungnahme erfordere, belasse es die Ag bei unsachgemäßen Erklärungen.
Das Bearbeiten der Schreiben könne nicht zu völlig grundlosen Rückforderungen und einer Betriebsanzeige führen.
Die Ag hat ausgeführt, aufgrund der Dringlichkeitsstufe eins sei der Ast für eine Wohnung mit Direktbelegungsrecht vorgeschlagen
worden. Daraufhin habe der Vermieter dieser Wohnung, die G., erklärt, dass der Antragsteller bei der G. keine Wohnung mehr
erhalten werde. Da bei über 90% der öffentlich geförderten Wohnungen die G. Vermieter sei, bestünden durch diesen Sachverhalt
nur äußerst geringe Aussichten, dem Ast überhaupt einen Vermittlungsvorschlag unterbreiten zu können. Der Vorwurf der Untätigkeit
werde deshalb mit Nachdruck zurückgewiesen. Richtig sei, dass das Amt für Boden und Migration bisher keine Wohnung habe anbieten
können, bei der nicht die G. Vermieter sei, da eine solche nicht für eine Vermittlung zur Verfügung gestanden habe. Sofern
der Ast im Räumungsklageverfahren nicht obsiege, sehe die Ag kaum Chancen, eine Unterbringung in einer Unterkunft abzuwenden.
Dieser Sachstand sei die Folge des Verhaltens des Ast selbst.
Der Ast beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.12.2008 aufzuheben und die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
ihren Verpflichtungen aus dem 28.10.2008 vor dem Bayer. Landessozialgericht geschlossenen Vergleich nachzukommen.
Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das SG den Eilantrag des Antragstellers auf Erlass der hier statthaften Regelungsanordnung gemäß §
86b Abs.2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz -
SGG - abgelehnt. Denn die Voraussetzungen für den Er- lass der beantragten Eilentscheidung liegen nicht vor.
Gemäß §
86 b Abs.2 Satz 2
SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Zusammenspiel mit §
86b Abs.2 Satz 4
SGG und §
920 Abs.2
Zivilprozessordnung -
ZPO - ergibt sich, dass der Erfolg eines Eilantrags in Vornahmesachen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes
voraussetzt. Ein Anordnungsanspruch in diesem Sinne ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller
(mit durch Glaubhaftmachung oder Amtsermittlung herbeigeführter) überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Anordnungsgrund
ist gegeben, wenn im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche
hinausgehende Rechtsverletzung droht (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, Rn.293, 300, jeweils
mit weiteren Nachweisen).
Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Zur vollen Überzeugung des Senats steht aufgrund des Akteninhalts
fest, dass der vom Ast behauptete Anspruch aus dem Vergleich vom 28.10.2008 nicht mehr besteht. Ein durch einstweilige Anordnung
sicherungsfähiges Recht des Antragstellers ist damit nicht gegeben. Daher geht der vorliegende Eilantrag ins Leere.
Aus der aus Art.
19 IV
GG abgeleiteten Sicherungsfunktion ergibt sich von Verfassungs wegen zwingend das Gebot, die Rechtsfragen der Hauptsache im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu prüfen und der Entscheidung (neben anderen Belangen) zugrunde zu legen. Für
die Vornahmesachen des sozialgerichtlichen Eilverfahrens wie der vorliegenden folgt dies aus §
86 b Abs.2
SGG, wo der Hauptsacheanspruch tatbestandlich verankert ist (vgl. §
86 b Abs.2 S.2
SGG "streitiges Rechtsverhältnis" und dazu Krodel, aaO., Rn.255, 291 ff.; zur entsprechenden Poblematik im verfassungsgerichtlichen
Eilrechtsschutz BVerfG vom 20.07.2004, 2 BvR 1001/04; BVerfGE 7, 367, 371; 68, 233, 235; 71, 158, 161; 79, 379, 383).
Ein solches zu sicherndes Recht ist im Hinblick auf das Verhalten der Agin nach Abschluss des Vergleichs vor dem LSG hier
nicht (mehr) gegeben.
Der Eilantrag des Antragstellers richtet sich auf die Sicherung von Ansprüchen aus einem gerichtlichen Vergleich; zu sichernder
Hauptsacheanspruch ist also vorliegend nicht die (wenn auch letztlich angestrebte) Sozialleistung der Grundsicherung, insbesondere
durch Gewährung von Unterkunftsleistungen, sondern lediglich der geltend gemachte Anspruch auf die im Vergleich genannten
Maßnahmen der Ag.
Soweit sich die Antragsgegnerin in dem Vergleich verpflichtete, die Schreiben des Ast vom 02.10.2008 und 22.10.2008 zu bearbeiten,
ist der Eilantrag deshalb unbegründet, weil diese Verpflichtung von der Antragsgegnerin erfüllt wurde. Wie das SG zu Recht festgestellt hat, hat die Antragsgegnerin die Schreiben des Antragstellers vom 02.10.2008 und 22.10.2008 mit Schreiben
vom 10.11.2008 beantwortet und dem Antragsteller mitgeteilt, dass dieser auch in Zukunft eine erneute Kostenübernahmebescheinigung
erhalte.
Auch was die Verpflichtung der Ag betrifft, den Ast nach ihren Möglichkeiten bei der Suche einer Ersatzwohnung zu unterstützen,
insbesondere eine angemessene Ersatzwohnung über das Wohnungsamt zu finden, hat die Antragsgegnerin ihre Verpflichtungen aus
dem geschlossenen Vergleich erfüllt. Sie hat sich direkt mit dem Amt für Wohnen und Migration wegen des Antrags auf eine öffentliche
Wohnung in Verbindung gesetzt und dann mit Schreiben vom 21.11.2008 nochmals die Situation erläutert sowie darauf hingewiesen,
dass sich der Antragsteller auch an ein Maklerbüro wenden könne. Die Ag ist damit ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich
nachgekommen. Darüber hinaus hat sie angekündigt, dass der Ast auch in Zukunft eine erneute Postübernahmebescheinigung erhalte
und mitgeteilt, dass sich die Ag direkt mit dem Amt für Wohnen und Migration wegen des Antrags auf eine öffentliche Wohnung
in Verbindung gesetzt habe.
Auch bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich kein anderes Ergebnis. Danach hängt die
Maßstabsbildung in Eilverfahren der Fachgerichte vom Rechtsschutzziel ab (vgl. z.B. für den Bereich der Existenzsicherung
Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Juris Rn.25; zu Leistungen nach dem
SGB V Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06). Auch die entsprechenden, für den Ast günstigeren Grundsätze zugrundelegend muss dem Eilantrag des Ast der Erfolg versagt
bleiben. Denn auch danach setzt Eilrechtsschutz voraus, dass das Bestehen eines sicherungsfähigen Rechts zumindest möglich
ist (St. Rspr.; vgl. BVerfG vom 20.07.2004, 2 BvR 1001/04; BVerfGE 7, 367, 371; 68, 233, 235; 71, 158, 161; 79, 379, 383). Das ist aus den oben genannten Gründen hier nicht der Fall.
Im Übrigen droht dem Ast keine Obdachlosigkeit, wie sich aus den Schreiben der Ag im Beschwerdeverfahren ergibt. Ferner weist
der Senat aufgrund der Aktenlage den Ast ausdrücklich auf seine Mitwirkungsobliegenheiten hin. Des weiteren steht es dem Ast
frei, die Übernahme der Kosten für eine konkrete Unterkunft bei der Ag zu beantragen und im Falle einer Ablehnung diesbezüglichen
einstweiligen Rechtsschutz unter Benennung eines konkreten Anordnungsanspruchs zu beantragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen.
Nach §
73a Abs.1
SGG (i.V.m. §
114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der
Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich
erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist
Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig,
Komm. zum
SGG, 9. Aufl. 2008, Rn.7d zu §
73 a). Hinreichende Erfolgsaussichten lagen zu diesem Zeitpunkt bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht vor.
Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige Prüfung. Dabei ist der
verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art.3 Abs.1, 20 Abs.3, 19 Abs.4
Grundgesetz) zu beachten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund
der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher
Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Leitherer, aaO., Rn.7, 7a zu § 73a). Deshalb dürfen keine allzu
überspannten Anforderungen gestellt werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000,1936). Dabei ist, wie sich aus dem auf die Rechtsverfolgung abstellenden Wortlaut und dem Normzweck der §§
114 Satz 1,
119 Satz 2
ZPO ergibt, entscheidend auf den voraussichtlichen Erfolg in der Sache selbst und nicht auf einen davon losgelösten Erfolg des
Rechtsmittels zu sehen. Prozesskostenhilfe ist deshalb auch nicht zu bewilligen, wenn das Ergebnis sich im Beschwerdeverfahren
voraussichtlich nicht ändern wird (vgl. zur Prozesskostenhilfe in der Berufungsinstanz BGH, Beschluss vom 28.09.1993 - Az.:
III ZA 3/93 - ZIP 1993, 1729). Denn der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten weitgehend gleichen Zugang zu Gericht wie dem Bemittelten zu gewähren,
gebietet lediglich, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei
auch das Kostenrisiko mitberücksichtigt (BVerfGE 81, 347, 356 ff. = NJW 1991, 413 f; BVerfG FamRZ 1993, 664, 665).
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet unter Zugrundelegung dieser Grundsätze vorliegend - wie sich aus den Ausführungen
zur Begründetheit der Beschwerde ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Da die Beschwerde erfolglos bleibt, waren dem Ast außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, §
193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.