Berechnung eines Anspruchs auf Elterngeld
Berücksichtigung eines Mehrarbeitszuschlags
Abgrenzung von laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen
Reguläre Zahlungsintervalle
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft das Begehren des Klägers, höheres Elterngeld zu erhalten.
Der 1983 geborene Kläger ist Vater des am 17.03.2015 geborenen Kindes L. A.. Während des streitgegenständlichen Zeitraums
war er mit der Mutter des Kindes verheiratet und lebte mit dieser sowie mit L. in einem Haushalt zusammen. Ein weiteres Kind
gab es vor und während des Elterngeld-Bezugszeitraums im Haushalt der Familie A. nicht.
Vor L.s Geburt und vor Beginn des Elterngeld-Bezugszeitraums arbeitete der Kläger als abhängig beschäftigter Groß- und Einzelhandelskaufmann
bei der E. GmbH; es handelte sich um eine Vollzeitbeschäftigung. Im Arbeitsvertrag war der Arbeitsbereich mit "Logistikzentrum
L-Stadt" angegeben. Gemäß diesem Vertrag wurde der Kläger ab 01.09.2013 als Assistenz Betriebsleitung weiterbeschäftigt. Das
monatliche Arbeitsentgelt legte man auf 3.072,49 EUR fest, wovon 461,49 EUR auf eine Besitzstandszulage fielen. Weiterhin
vereinbarte man, dass der Kläger verpflichtet sei, zumutbare Mehrarbeit sowie Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
im zulässigen Rahmen zu leisten. Ansprüche aus der Leistung von Mehrarbeit bestünden nur, wenn die Mehrarbeit vom zuständigen
Vorgesetzten angeordnet oder nachträglich genehmigt worden sei. Anderes Erwerbseinkommen als aus dieser abhängigen Beschäftigung
hatte der Kläger im Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 nicht.
Am 07.04.2015 beantragte der Kläger Elterngeld für die Betreuung und Erziehung von L.. Der Antrag des Klägers bezog sich auf
deren Lebensmonate drei bis vierzehn. Dieser gab an, er werde während des Bezugszeitraums nicht erwerbstätig sein, was er
letztlich auch realisierte.
Im Zuge der Antragstellung legte der Kläger Arbeitsentgeltbescheinigungen für die Monate März 2014 bis Februar 2015 vor. Das
tarifliche Grundgehalt war darin im März 2014 auf 3.072,49 EUR beziffert, in den restlichen Monaten stets auf 3.137 EUR. Die
Zahl der monatlichen Arbeitsstunden war auf allen Bescheinigungen mit 167 benannt. Alle vorgelegten Entgeltabrechnungen wiesen
neben dem Grundgehalt diverse Zuschläge aus. Sehr häufig tauchte ein "Zuschlag Mehrarbeit" auf, dessen generelle Höhe mit
"25,0" angeben wurde; einzig in der Abrechnung für August 2014 fehlte diese Lohnposition. Ab der Abrechnung für September
2014 erschien durchgehend bis Februar 2015 eine Position "Mehrarbeit EZ/h", der erhebliche Beträge zugeordnet waren. Für September
und Oktober 2014 waren diesbezüglich in den Entgeltbescheinigungen jeweils 200 Stunden und ein Betrag von jeweils 3.756,00
EUR festgehalten, für die restlichen Monate jeweils 60 Stunden und jeweils 1.126,80 EUR.
Mit Bescheid vom 07.05.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Elterngeld antragsgemäß für die Lebensmonate drei bis vierzehn
(17.05.2015 bis 16.05.2016); der Bescheid erging unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Den Elterngeldbetrag gab der Beklagte
mit monatlich 1.282,37 EUR an. Als Bemessungszeitraum zog er die Phase März 2014 bis Februar 2015 heran. Laut der Anlage zum
Bewilligungsbescheid legte der Beklagte folgende monatlichen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zugrunde:
- März 2014
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3.285,76 EUR
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- April 2014
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3.576,34 EUR
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- Mai 2014
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3.517,40 EUR
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- Juni 2014
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3.461,10 EUR
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- Juli 2014
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3.504,23 EUR
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- August 2014
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3.277,42 EUR
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- September 2014
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3.479,71 EUR
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- Oktober 2014
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3.370,15 EUR
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- November 2014
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3.363,15 EUR
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- Dezember 2014
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3.337,84 EUR
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- Januar 2015
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2.428,29 EUR
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- Februar 2015
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4.651,77 EUR.
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Zur Ermittlung dieser Beträge übernahm der Beklagte ausnahmslos die in sämtlichen Entgeltabrechnungen enthaltenen Komponenten
"Tarifgehalt" und "Arbeitgeberanteil vermögenswirksame Leistungen". Ebenso berücksichtigte er stets den "Zuschlag Mehrarbeit
25,0" sowie Sonntagszuschläge und Nachtzuschläge, aber auch "Sachbezug Essengeld". In den vorgelegten Entgeltbescheinigungen
hatte die Arbeitgeberin des Klägers auf sämtlichen Entgeltabrechnungen steuerfreie Bezüge nach §
3b des
Einkommensteuergesetzes wieder abgezogen. Auch das vollzog der Beklagte uneingeschränkt nach. Folgende in den Entgeltabrechnungen genannten Beträge
übernahm der Beklagte dagegen nicht:
- März 2014 Urlaubsgeld
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173,80 EUR
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- April 2014 Sonderzahlung 120 EUR, Weihnachtsgeld
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1.280,20 EUR
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- Mai 2014 -
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- Juni 2014 Urlaubsgeld
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521,40 EUR
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- Juli 2014 -
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- August 2014 -
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- September 2014 Mehrarbeit EZ/h 200 Stunden
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3.756,00 EUR
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- Oktober 2014 Mehrarbeit EZ/h 200 Stunden
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3.756,00 EUR
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- November 2014 Weihnachtsgeld 1.568,50 EUR, Mehrarbeit EZ/h 60 Stunden
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1.126,80 EUR
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- Dezember 2014 Mehrarbeit EZ/h 60 Stunden,
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1.126,80 EUR
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- Januar 2015 Mehrarbeit EZ/h 60 Stunden,
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1.126,80 EUR
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- Februar 2015 Mehrarbeit EZ/h 60 Stunden,
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1.126,80 EUR.
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Am 08.06.2015 legte der Kläger gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch ein. Zur Begründung schrieb er, eine Vergütung für
Überstunden/Mehrarbeit zähle zum laufenden Arbeitslohn. Er wies auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in der Sache B 10 EG 20/11 R hin. Danach, so der Kläger, lägen keine sonstigen Bezüge vor, wenn es sich um mindestens zwei zusammenhängende Zahlungen
innerhalb eines Bemessungszeitraums handle, die nicht anlassgebunden, sondern zeitraumgebunden seien und eine hinreichende
Beziehung zur tatsächlich geleisteten Arbeit hätten. Die Beträge für Mehrarbeit seien von September bis Februar durchgehend,
also sechsmal in Folge und damit nicht als Einmalzahlung gezahlt worden. Außerdem seien die Mehrarbeitsvergütungen aus seiner
Tätigkeit heraus entstanden und daher nicht einem Weihnachts- oder Urlaubsgeld vergleichbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Denn, so der Beklagte, seit
01.01.2015 habe sich die Rechtslage geändert. Nicht berücksichtigt würden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach
den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Die BSG-Urteile vom 26.03.2014 könnten keine Berücksichtigung finden, weil das neue Recht zum 01.01.2015 ohne Übergangsregelung in
Kraft getreten und daher bei allen Entscheidungen nach dem 31.12.2014 zu berücksichtigen sei. Daher könne nur das laufende
steuerpflichtige Bruttoeinkommen in die Bemessung des Elterngelds einfließen. Die streitigen Mehrarbeitsvergütungen "Mehrarbeit
EZ/h" habe die Arbeitgeberin jedoch im Lohnsteuerabzugsverfahren als Einmalzahlungen behandelt, weswegen diese nicht berücksichtigt
werden könnten. Der Beklagte verwies auf die Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung zu Gunsten der Arbeitsentgeltbescheinigungen.
Am 20.08.2015 hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. In der Begründung hat er sich im Wesentlichen darauf
gestützt, bei Zahlungen, die wie bei ihm über sechs Monate hinweg erfolgten, könne nicht von einer Einmalzahlung gesprochen
werden. Er hat wiederum auf die schon im Widerspruchsverfahren genannte BSG-Entscheidung in der Sache B 10 EG 20/11 R verwiesen.
Mit Urteil vom 18.11.2015 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, dem Kläger Elterngeld unter Berücksichtigung der
in den Gehaltsbescheinigungen als "Mehrarbeit EZ" ausgewiesenen Entgeltbestandteile zu gewähren. Es hat dies damit begründet,
die mit "Mehrarbeit EZ" gekennzeichneten Entgeltbestandteile seien bei der Elterngeldbemessung zu berücksichtigen. Dabei komme
es nicht darauf an, wie der Arbeitgeber dieses Einkommen in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen verbucht habe. Es handle sich
um laufenden Arbeitslohn im Sinn von R 39b.2 Abs. 1 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR), auch wenn die Beträge fehlerhaft als Einmalzahlungen bezeichnet worden seien. Denn die Mehrarbeitsvergütungen seien über
einen Zeitraum von einem halben Jahr monatlich gezahlt worden, so dass sie regelmäßig und fortlaufend dem Kläger zugeflossen
seien. Den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers käme lediglich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit
zu. Diese Vermutung sei widerlegbar. Eine nachweislich falsche Bescheinigung sei nicht verbindlich. Daran würden auch Aspekte
der Verwaltungsökonomie nichts ändern.
Am 01.12.2015 hat der Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er hat es für maßgeblich erachtet, dass die Arbeitgeberin
des Klägers die Vergütungen für Mehrarbeit in den Monaten September 2014 bis Februar 2015 im Gegensatz zum monatlichen Zuschlag
für Mehrarbeit als sonstige Bezüge behandelt habe. Das Urteil des Sozialgerichts laufe dem gesetzgeberischen Ziel zuwider,
einen Gleichlauf von lohnsteuerrechtlichen Vorgaben und elterngeldrechtlichen Bemessungsgrundlagen zu erreichen. Entgegen
der Ansicht des Sozialgerichts seien die Lohn- und Gehaltsmitteilungen im vorliegenden Fall gerade nicht nachweislich fehlerhaft.
Die Befassung mit zum Teil sehr schwierigen steuerrechtlichen Fragestellungen dürfe der Verwaltung nicht abverlangt werden.
Nur so könne erreicht werden, dass das Elterngeld beschleunigt berechnet und ausgezahlt werde. Die Betroffenen könnten sich
nicht "die Rosinen herauspicken": auf der einen Seite Abzug einer geringeren Steuer, auf der anderen Seite höheres elterngeldrechtliches
Bemessungseinkommen. Im vorliegenden Fall sei es unmöglich, bei einem Gleitzeitkonto herauszufiltern, aus welchen Zeiträumen
Anteile des Gesamtguthabens stammten. Eine finanzielle Abgeltung der auf einem Gleitzeitkonto angesammelten Überstunden sei
kein laufender Lohn, sondern eine Einmalzahlung; insoweit hat der Beklagte auf ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts
vom 22.04.2016 - L 5 EG 7/14 hingewiesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Dass die ausbezahlten Mehrarbeitsstunden aus einer von ihm gezielt
zur Erhöhung des Elterngelds konstruierten Liquidierung eines ganz normalen Gleitzeitkontos stammen, hält er für irrelevant.
Er bringt kein Verständnis für die Ansicht des Senats auf, dass die vor Beginn des Bemessungszeitraums erarbeiteten Mehrarbeitsstunden
auf jeden Fall ausgeklammert bleiben müssten. Überhaupt vermag er nicht nachzuvollziehen, warum er vor dem Sozialgericht vollständig
Recht bekommen hat, der Senat dann aber den ihm zuerkannten Anspruch sukzessive immer weiter bis letztlich zur vollständigen
Klageabweisung "gemindert" hat. In seinem Betrieb sei es gang und gäbe, sich ein Plus auf dem Gleitzeitkonto auszahlen zu
lassen.
Der Senat hat eine Stellungnahme der Arbeitgeberin des Klägers zu der Frage eingeholt, wann die Mehrarbeitsstunden entstanden
seien. Unter dem Datum 16.05.2017 hat die E. GmbH eine Auflistung eingereicht, aus der sich ergibt, dass die Mehrarbeit im
März 2013 begann. Zum Zeitpunkt 28.02.2014 waren 326 Stunden und 56 Minuten an Mehrarbeit aufgelaufen. Die Höchstzahl an nicht
kompensierten Mehrarbeitsstunden betrug Ende August 2014 679 Stunden und 13 Minuten. Danach begann der Abbau der Mehrarbeitsstunden.
Bis zum Ende des Bemessungszeitraums am 28.02.2015 war der Bestand an Überstunden auf 259 Stunden und 13 Minuten gesunken.
Während der Phase der finanziellen Kompensation von September 2014 bis Februar 2015 wurden 420 Überstunden abgebaut.
Am 23.11.2017 hat eine erste mündliche Verhandlung stattgefunden. Im Rahmen dessen ist folgende Aussage des Klägers protokolliert:
"Dass ich mir die Mehrarbeit habe auszahlen lassen, beruht auf einer Beratung durch den Sozialdienst vom Krankenhaus. Ansonsten
hätte ich das nicht gemacht. Denn die steuerlichen Abzüge sind derart hoch, dass für mich Freizeitausgleich günstiger gewesen
wäre.
Ich habe mich erst unmittelbar vor September 2014 dazu entschlossen, mir die Mehrarbeit auszahlen zu lassen.
Wir haben gleitende Arbeitszeit. Das Arbeitszeitplus hat sich allein aus dem Saldo des Arbeitszeitkontos ergeben. Mein Arbeitgeber
hat keine Überstunden oder Mehrarbeit angeordnet oder anerkannt."
Danach hat der Senat vom für die E. GmbH arbeitenden Syndikusanwalt D. G. in Erfahrung gebracht, für den Betrieb L-Stadt sei
keine Gleitzeitregelung schriftlich fixiert. In der Tat, so Herr G., sei es bei einem Gleitzeitkonto die Regel, dass ein Überschuss
durch Wenigerarbeit und nicht auf finanziellem Weg ausgeglichen werde. Die telefonisch erteilten Auskünfte des Herrn Groß
hat der Senat den Parteien schriftlich zur Kenntnis gebracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Die Akten haben vorgelegen, sind als Streitstoff in das Verfahren eingeführt worden und Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Beklagte hat mit seiner Berufung Erfolg. Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht
entsprochen. Höhere Leistungen, als sie der Beklagte im Bescheid vom 07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
20.07.2015 bewilligte, stehen dem Kläger nicht zu.
Gegenstand der Anfechtungsklage - insgesamt liegt eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage vor - ist der Bewilligungsbescheid
vom 07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2015. Da die Bewilligung endgültig und nicht nur vorläufig
ausgesprochen worden war, kam es nicht zum Erlass eines Zweitbescheids. Von dem Vorbehalt des Widerrufs hat der Beklagte keinen
Gebrauch gemacht. Bei dem hier vorliegenden Höhenstreit ist der Streitgegenstand grundsätzlich nicht auf ein einzelnes Berechnungselement
beschränkt. Vielmehr prüft der Senat innerhalb der Grenzen des klägerischen Antrags unter allen tatsächlichen und rechtlichen
Facetten, ob dem Kläger höhere Leistungen zustehen. Andererseits berücksichtigt der Senat auch solche Aspekte, die das vom
Kläger begehrte Optimum auf anderem Weg wieder reduzieren.
Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs dem Grunde nach liegen unzweifelhaft vor. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 BEEG in der seit 01.01.2015 geltenden Fassung; die Maßgeblichkeit dieser Fassung folgt aus § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG in Verbindung mit dem Umstand, dass L. nach dem 31.12.2014 geboren worden ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer
1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Alle diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger. Er hatte während des gesamten Bezugszeitraums seinen Wohnsitz und gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland, lebte mit L. in einem Haushalt, betreute und erzog sie selbst und übte entsprechend seiner Ankündigung
im Elterngeldantrag während des Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Ein ordnungsgemäßer Antrag lag vor. Der Ausschlusstatbestand
des § 1 Abs. 8 BEEG ist nicht erfüllt, weil das zu versteuernde Einkommen beider Elternteile zusammen im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum
vor der Geburt deutlich unter 500.000 EUR blieb.
Entgegen der Ansicht des Klägers und des Sozialgerichts hat der Beklagte auch die Höhe des Elterngelds zutreffend festgesetzt.
Für die Bestimmung der Höhe des Elterngelds ist im Wesentlichen das bis zum 31.12.2014 geltende Recht (im Folgenden: aF) heranzuziehen.
Dies folgt aus § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG. Allein § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG muss ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts, also ab 01.01.2015, in seiner neuen Fassung auf den bereits laufenden
Leistungsfall angewandt werden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG).
Die Basisnorm für die Bemessung des Elterngelds ist § 2 Abs. 1 und 2 BEEG aF. Soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung, lauten diese Regelungen wie folgt:
"(1) 1Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. 2Es wird
bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen
aus Erwerbstätigkeit hat. 3Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die
Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus
2 ...,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b
... hat.
(2) ... 2In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200 Euro war, sinkt der Prozentsatz
von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1.200 Euro überschreitet, auf bis
zu 65 Prozent."
Eine zeitliche Spezifizierung des Normteils "vor der Geburt des Kindes" erfolgt in § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG aF. Danach sind für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt die zwölf Kalendermonate
vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich. Im Fall des Klägers, der nur Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit
bezog, handelt es sich grundsätzlich um die zwölf Kalendermonate vor März 2015. Ein Tatbestand des § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG aF, der zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums geführt hätte, liegt nicht vor. Der Beklagte hat also mit den Monaten
März 2014 bis Februar 2015 den zutreffenden Bemessungszeitraum herangezogen.
Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit des Klägers im Bemessungszeitraum hat der Beklagte zutreffend taxiert; insbesondere hat
er die Vorschrift des § 2c Abs. 1, 2 BEEG aF korrekt angewandt. Diese Bestimmung lautet:
(1) 1Der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld
oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach
den §§ 2e und 2f, ergibt das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. 2Nicht berücksichtigt werden Einnahmen,
die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden. ...
(2) Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen
des Arbeitgebers.
Allerdings gilt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG von dieser alten Fassung nicht auch § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG. Diese Norm findet auf den vorliegenden Fall vielmehr in der Fassung ab 01.01.2015 Anwendung, wonach Einnahmen nicht berücksichtigt
werden dürfen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge zu behandeln sind. Mit dieser Neuregelung geht eine grundlegend
veränderte BSG-Rechtsprechung einher.
Das BSG hat die Kriterien für die Qualifizierung von Zuflüssen als sonstige Bezüge im Sinn von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in zwei Urteilen vom 14.12.2017 (B 10 EG 4/17 R und B 10 EG 7/17 R) neu definiert, und zwar in einer Weise, die von der bis dahin geltenden BSG-Rechtsprechung massiv abweicht. Untrennbar verknüpft und begründet hat das BSG seine neue Linie mit der ab 01.01.2015 geänderten Fassung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG (vgl. nur Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R, Rn. 25 a.E.: "Unter der neuen Gesetzesfassung ..."), was die bisherige Rechtsprechung nicht als von Anfang an falsch, sondern
quasi durch nachträglichen Eintritt veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen hinfällig erscheinen lässt.
Kernelement der neuen Rechtsprechung ist eine abstrakte definitorische Abgrenzung der Begriffe laufender Arbeitslohn und sonstige
Bezüge. Dabei vermeidet das BSG anders als bisher jeglichen elterngeldrechtlichen Einschlag. Vielmehr nimmt es eine Auslegung allein auf der einkommensteuerrechtlichen
Ebene vor; es interpretiert die Begriffe in ihrem Kontext in §
38a EStG. Das entscheidende Abgrenzungskriterium sieht das BSG in der Eigenschaft "fortlaufend" (vgl. nur Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R, Rn. 27). Den fortlaufenden Charakter einer Zahlung bejaht das BSG im Wesentlichen nur dann, wenn diese im regulären, dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegenden Zahlungsturnus - zumeist also
monatlich - erfolgt; allenfalls unwesentliche Abweichungen von den regulären Zahlungsintervallen sollen unschädlich sein (vgl.
Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R, Rn. 31). Neben dem regulären Zahlungsturnus kann es keinen zweiten mit größeren Intervallen geben, der ebenfalls die Eigenschaft
"fortlaufend" vermitteln könnte (vgl. Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R, Rn. 32).
Da im Fall des Klägers § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung Anwendung findet, ist die alte Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "sonstige Bezüge", auf die sich auch der Kläger gestützt hat, obsolet. Angesichts dessen
orientiert sich der Senat bei der Rechtsfindung, ob es sich bei den fraglichen Bezügen um laufenden Arbeitslohn oder sonstige
Bezüge handelt, an den BSG-Urteilen vom 14.12.2017. Stellte man allein auf das Kriterium der zeitlichen Auszahlungsintervalle ab, erschiene es nicht
einmal abwegig, hier laufenden Arbeitslohn anzunehmen. Denn die Vergütung "Mehrarbeit EZ/h" wurde tatsächlich monatlich, nämlich
in sechs aufeinanderfolgenden Monaten (September 2014 bis einschließlich Februar 2015), ausbezahlt; darauf hat der Kläger
auch immer wieder hingewiesen.
Das allein macht die Zahlungen "Mehrarbeit EZ/h" jedoch noch nicht zu laufendem Arbeitslohn. Vielmehr hat das BSG die materiell-rechtliche Abgrenzung unter Berufung auf eine Kommentierung von Stache in Bordewin/Brandt, Kommentar zum
Einkommensteuergesetz (§
38a Rn. 33, Stand der Einzelkommentierung August 2017), dahin formuliert, einen sonstigen Bezug stellten Zahlungen dar, die entweder
nicht für bestimmte, aufeinanderfolgende Zeiträume erfolgten oder solche, die den üblichen Lohnzahlungszeitraum erheblich
überschreiten würden (Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R, Rn. 31). Neben dem formalen Abstellen auf den Auszahlungsturnus - dieser Gesichtspunkt war in den beiden BSG-Urteilen Ausschlag gebend - existiert für das Vorliegen von laufendem Arbeitslohn also ein kumulatives Erfordernis einer
spezifischen Zweckbestimmung der Zahlungen. Die neue BSG-Rechtsprechung verneint unter Rekurs auf die o.g. Kommentierung von Stache laufenden Arbeitslohn nämlich auch dann, wenn
ein Bezug nicht für bestimmte aufeinanderfolgende Zeiträume gezahlt wird - die Präposition "für" steht hier sicher nicht zufällig.
Nicht nur die Zahlung selbst muss sich als fortlaufend darstellen, vielmehr auch der Zahlungszweck.
An Letzterem fehlt es bei den hier streitigen Vergütungen "Mehrarbeit EZ/h". Werden in Konformität mit den arbeitsvertraglichen
Regeln in einem konkreten Monat erarbeitete Überstunden beispielsweise im Folgemonat ausbezahlt, hat man es mit "geborenem"
laufenden Arbeitslohn zu tun, der dem regulären Arbeitsentgelt nur eine schwankende Höhe verleiht. Dabei kann kein Zweifel
bestehen, dass es sich um "regelmäßige und fortlaufende" Bezüge handelt, auch wenn Mehrarbeit nicht allmonatlich anfallen
mag. Auch der für das Arbeitsverhältnis des Klägers geltende Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Bayern (im Folgenden:
Manteltarifvertrag) sieht in § 9 Nr. 1 grundsätzlich die finanzielle Abgeltung von Mehrarbeit vor.
Die Situation im vorliegenden Fall stellt sich jedoch grundlegend anders dar. Eine Mehrarbeit im Sinn von § 9 des Manteltarifvertrags
liegt hier nicht vor. Für das Arbeitsverhältnis des Klägers bestand vielmehr eine Gleitzeitregelung. Während Überstunden -
oder "Mehrarbeit" im Sinn von § 9 des Manteltarifvertrags - das vertraglich definierte Arbeitsquantum überschreiten, hält
sich die im Rahmen des Gleitzeitmodells erbrachte Arbeitsleistung gerade innerhalb des vertraglich Vereinbartem. Das arbeitsvertraglich
vereinbarte Arbeitsquantum wandelt sich im Rahmen eines Gleitzeitmodells zu einer abstrakteren und mittelbareren Größe als
bei herkömmlicher Arbeitszeitgestaltung.
Die Besonderheiten des Gleitzeitmodells stehen einer Kategorisierung der Vergütungen "Mehrarbeit EZ/h" als laufenden Arbeitslohn
entgegen. Arbeitszeit, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet wurde, ging im Arbeitsverhältnis des Klägers
automatisch - also ohne spezielle Anordnung eines Vorgesetzten - in ein Zeitkonto ein. Das Gleitzeitmodell zeichnet sich allgemein
dadurch aus, dass "Mehrarbeit" an einzelnen Tagen durch Wenigerarbeit an anderen bei grundsätzlicher Dispositionsfreiheit
des Arbeitnehmers ausgeglichen wird. Das Modell ist geradezu auf zeitlichen Ausgleich angelegt, ein finanzieller Ausgleich
ist ihm fremd. Angesichts dessen hat der Kläger hier eine (die regelmäßige Einkommenssituation verzerrende) Sonderbehandlung
erwirkt, die einem Gleitzeitmodell an sich zuwiderläuft. Der zusätzliche, "erschwerende" Umstand, dass der Kläger die Auszahlung
mit dem einzigen Motiv erwirkt hat, die Elterngeldleistung in die Höhe zu treiben, und sich damit gewissermaßen in den Verdacht
des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gebracht hat, soll an dieser Stelle gar nicht thematisiert werden. Auch von Seiten seiner
Arbeitgeberin ist bestätigt worden, dass bei einem Zeitkonto die finanzielle Abgeltung wesensfremd und damit die Ausnahme
ist. Daran würde auch nichts ändern, wenn die E. GmbH, wie es der Kläger andeutet, bei der Zulassung solcher Ausnahmen besonders
großzügig verfahren sollte. Allein schon der Ausnahmecharakter der finanziellen Abgeltung verbietet es, die Zahlungen "Mehrarbeit
EZ/h" die Attribute "regelmäßig und fortlaufend" zuzubilligen. Die finanzielle Abgeltung des Zeitguthabens ist in keiner Weise
auf Wiederholung angelegt, ihr fehlt jede Stetigkeit; sie ist Ausnahme und bleibt Ausnahme.
Hinzu kommt, dass die Zahlungen nicht bestimmten Zeiträumen geschweige denn konkreter Arbeit zugeordnet werden können, so
dass eine Zahlung "für fortlaufende Zeiträume" nicht festgestellt werden kann. Durch die Einstellung in das Gleitzeitkonto
verliert nämlich die tagtäglich geleistete Arbeit in quantitativer Hinsicht ihre Identität und geht in dem Zeitkonto auf.
Was bleibt, ist ein täglicher Saldo. So betraf denn auch die finanzielle Abgeltung im vorliegenden Fall allein einen bestimmten
(Überschuss-) Saldo zu einem Stichzeitpunkt. Von einer Zeitraumbezogenheit der Zahlung oder einer Zuordenbarkeit zu bestimmter
geleisteter Arbeit kann keine Rede sein.
Die vom Sozialgericht vertretene strikte Bindung des Elterngeldrechts an die Vorgaben in den LStR erscheint nach den BSG-Urteilen vom 14.12.2017 nicht mehr haltbar. Dort hat das BSG in Einklang mit seiner früheren Rechtsprechung verdeutlicht, dass die LStR weder die Elterngeldbehörden noch die Sozialgerichte binden. Aber noch verstärkend hat es darauf hingewiesen, im Hinblick
auf die LStR stelle sich kein verfassungsrechtliches Problem der dynamischen Verweisung (vgl. Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R, Rn. 27 a.E.); zu diesem Ergebnis kann das BSG nur dann kommen, wenn es den LStR tatsächlich jegliche Bindungswirkung abspricht. Vor allem gilt es hervorzuheben, dass das BSG eine "materiell-rechtliche" Abgrenzung der sonstigen Bezüge und des laufenden Arbeitslohns gefunden hat, die den LStR sogar partiell widerspricht; so wären nach R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 10 LStR in zweimonatlichen Intervallen gezahlte Provisionen beispielsweise dem laufenden Arbeitslohn zuzurechnen, nach der neuen
BSG-Rechtsprechung aber den sonstigen Bezügen, sofern die Grundvergütung nur monatlich ausbezahlt wird. Dass das BSG an anderer Stelle sein im konkreten Fall gefundenes Ergebnis dann doch mit den LStR abgeglichen hat (Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R, Rn. 33), mag inkonsequent sein, ändert aber nichts am Fehlen einer Regelungswirkung der LStR für das Elterngeldrecht.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Kläger nach der neuen BSG-Rechtsprechung nicht nur daran scheitert, dass die Vergütungen "Mehrarbeit EZ/h" materiell-rechtlich nicht dem laufenden
Arbeitslohn zuzuordnen sind. Er muss auch deswegen ohne Erfolg bleiben, weil dem BSG zufolge die bestandskräftige Lohnsteueranmeldung für die Frage, ob im Sinn von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG sonstige Bezüge vorliegen, Tatbestandswirkung entfaltet. Das heißt: Der Kläger hätte gegen die Behandlung der Vergütungen
"Mehrarbeit EZ/h" durch seine Arbeitgeberin als sonstige Bezüge steuerrechtlich vorgehen müssen. Dass er das 2014/2015 unterlassen
hat, muss er sich jetzt im Elterngeldrecht entgegenhalten lassen. Wegen der Einzelheiten dazu verweist der Senat auf Rn. 33
ff. des BSG-Urteils vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R. Der Senat vermag sich zwar insoweit nicht dem BSG anzuschließen. Gleichwohl ist Fakt, dass die neue BSG-Rechtsprechung das Unterfangen des Klägers in mehrfacher Hinsicht aussichtslos erscheinen lässt.
Dennoch ist der Kläger nicht allein "Opfer" einer plötzlichen und gravierenden Wende in der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Auch nach der vor dem 14.12.2017 vorhanden BSG-Rechtsprechung, welche die Prägung der wirtschaftlichen Verhältnisse als Kriterium für die Berücksichtigung von Einnahmen
in den Mittelpunkt gerückt hatte, hätte der Kläger nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keine Chance gehabt. Denn
die hier getätigte Auszahlung der Vergütungen "Mehrarbeit EZ/h" stellt einen bewussten Versuch dar, die Bemessungsgrundlage
für das Elterngeld abweichend von den Normalverhältnissen künstlich zu erhöhen. Dass die einmalige, spontane, zweckgerichtete
und nach den rechtlichen Gegebenheiten völlig unübliche Auszahlung eines Gleitzeitsaldos keine prägenden Einkünfte generieren
kann, deren Berücksichtigung elterngeldrechtlich gerechtfertigt wäre, liegt auf der Hand.
Auch im Übrigen sind Fehler des Beklagten nicht zu erkennen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.