Versorgung mit Hörgeräten
Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten
Ablehnung eines Naturalleistungsanspruchs
Selbst beschaffte Leistung
Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Versorgung der Klägerin mit Hörgeräten.
Die Klägerin ist 1957 geboren. Sie leidet an einer mittel- bis hochgradigen degenerativen Innenohrschwerhörigkeit beidseits.
Die Klägerin ist bei der Beklagten renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert und seit 2008 als Pflegehelferin
beschäftigt.
Mit der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe des HNO-Facharztes Dr. A vom 14. Dezember 2009, auf der als Kostenträger
die Beigeladene eingetragen war, wandte sich die Klägerin zwecks Folgeversorgung mit Hörgeräten an die Firma Hörgeräte Akustik
F & (nachfolgend: Hörgeräteakustiker). Der Hörgeräteakustiker fertigte am 17. Februar 2011 eine Versorgungsanzeige über die
beidohrige Folgeversorgung der Klägerin mit Hörgeräten an, nachdem bei ihr zuvor sechs Hörgerätetypen, davon zwei zuzahlungsfreie,
auch an ihrem Arbeitsplatz getestet worden waren. Ausweislich der nachfolgenden Hörgeräte-Anpassung (vgl Anpassbericht vom
8. März 2011, auf den verwiesen wird) wurde der gegenständliche Hörgerätetyp Acto Mini Ex HdO des Fabrikats Oticon beidseitig
ausgewählt.
Die HNO-Fachärztin Frau S bescheinigte am 14. März 2011 auf dem Verordnungsvordruck die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen
Hörhilfe, und die Klägerin bestätigte gegenüber dem Hörgeräteakustiker am 24. März 2011 den Erhalt der Geräte. Unter demselben
Datum erklärte sie, sich für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden und kein eigenanteilsfreies Versorgungsangebot gewünscht
zu haben. Ferner sei sie mit einer von ihr zu leistenden höheren Vergütung bei einem Hörsystem mit privatem Eigenanteil sowie
Reparaturmehrkosten einverstanden. Der Hörgeräteakustiker stellte der Klägerin am 13. April 2011 Kosten in Höhe von 2.025
€ (Zwischensumme 3.217,80 € abzüglich Kassenleistung iHv 1.192,80 €) in Rechnung, die die Klägerin am 26. bzw. 29. April 2011
teils in bar, teils bargeldlos mittels EC bzw. anteilig im Wege eines vom Hörgeräteakustiker vermittelten Darlehens (Finanzkaufvertrag
der V Bank über 1.200 €) beglich.
Die Klägerin beantragte am 14. April 2011 bei der Beklagten auf dem hierfür vorgesehenen Formular Teilhabeleistungen in Form
eines Zuschusses für hochwertige Hörgeräte, da sie ihre Tätigkeit ohne solche nicht ausüben könne.
Mit einem nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 20. April 2011 übernahm die Beigeladene gegenüber
der Klägerin für die Hörgeräteversorgung Kosten in Höhe einer Pauschale von 1.192,80 € und wies zugleich darauf hin, dass
die Klägerin für den Fall, dass sie eine Versorgung mit privatem Eigenanteil wählen sollte, die Mehrkosten für das Hörsystem,
die Ohranpassstücke sowie für Reparatur- und Wartungsleistungen selbst zu tragen hätte.
Mit Bescheid vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag
der Klägerin mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in
Form der Gewährung der über dem Festbetrag der Krankenkassen liegenden Kosten für die Anschaffung einer Hörhilfe lägen mangels
ausschließlich berufsbedingten Bedarfs für eine Hörhilfe nicht vor. Besondere berufsspezifische Anforderungen an das Hörvermögen
wären nicht gegeben.
Im sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin (SG) eine Stellungnahme des Hörgeräteakustikers (Eingang am 27. September 2012) und einen Befundbericht der Ärztin Frau S-T vom
10. Januar 2013 eingeholt. Hierauf wird jeweils verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. April 2014 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe weder gegen die Beklagte
noch gegen die Beigeladene einen Erstattungsanspruch in Höhe von 2.025 €, weil die Selbstbeschaffung der Hörgeräte nicht kausal
auf eine Ablehnung der Leistungserbringung durch den Leistungsträger zurückzuführen sei. Die Klägerin sei spätestens mit Erstellung
der Eigenanteilsrechnung vom 13. April 2011 verpflichtet gewesen, den über den Festbetrag hinausgehenden Rechnungsbetrag von
2.025 € an den Hörgeräteakustiker zu bezahlen und das Hörgerät abzunehmen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte sie sich endgültig
für das gegenständliche Gerät entschieden und mit dem Hörgeräteakustiker einen diesbezüglichen Kaufvertrag geschlossen, der
durch die Eigenanteilsrechnung schriftlich fixiert worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass es sich lediglich um einen unverbindlichen
Kostenvoranschlag gehandelt hätte, beständen nicht. Die Beklagte hätte den Antrag erst nach der Selbstbeschaffung, nämlich
am 29. November 2011, abgelehnt; die Beigeladene hätte ihre Leistungsbewilligung am 20. April 2011 auf den Festbetrag beschränkt,
worin zugleich die Ablehnung einer weitergehenden Kostenübernahme zu sehen sei. Nichts anderes folge daraus, dass die Eigenanteilsrechnung
des Hörgeräteakustikers bereits den Kassenanteil von 1.192,80 € ausgewiesen hätte. Denn es fehle gleichwohl an dem erforderlichen
Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenlast der Klägerin. Im Übrigen lägen die renten- und krankenversicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für die begehrte Rehabilitationsleistung nicht vor. Denn es beständen keine konkreten Anhaltspunkte dafür,
dass die von ihr beschafften Hörgeräte in der konkreten Arbeitsumgebung signifikant besser geeignet wären als die getesteten
zuzahlungsfreien Geräte.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe erst nach der Festbetragsbewilligung durch die Beigeladene am 20.
April 2011 und nicht schon am 13. April 2011 eine Kaufentscheidung getroffen. Sie hätte zwar am 24. März 2011 die Geräte ausgewählt;
ein Kaufvertrag sei bis zur Bewilligung des Festbetrages aber nicht geschlossen worden. Es wäre ihr mit den zuzahlungsfreien
Geräten nicht möglich gewesen, ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Es sei ihr nicht um Bequemlichkeit oder bloßen Komfort gegangen
und es könne ihr nicht angelastet werden, dass der subjektive Gebrauchsvorteil nicht hätte objektiviert werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2014 und den Bescheid der Beigeladenen vom 20. April 2011 zu ändern und
die Beigeladene zu verurteilen, ihr für die beidseitige Versorgung mit den Hörgeräten Oticon Acto Mini Ex HdO weitere Kosten
in Höhe von 2.025 € zu erstatten,
hilfsweise, die Einholung eines hals-nasen-ohrenärztlichen Sachverständigengutachtens sowie eines Sachverständigengutachtens
eines Hörgeräteakustikers.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2015 den Bescheid vom
29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 aufgehoben hat.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine Kostenerstattungspflicht ihrerseits komme nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 5/12 R - nicht in Betracht.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich,
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (vgl §
36 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -
SGB V) übersteigenden Kosten der von ihr beschafften Hörgeräte, und zwar nur noch gegen die Beigeladene, nachdem die Beklagte den
mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 aufgehoben
und die Klägerin die Berufung insoweit sinngemäß zurückgenommen hat (vgl §§
156 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) hat. §
75 Abs.
5 SGG eröffnet insofern die Befugnis, anstelle des ursprünglich verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers - hier der beklagten
Rentenversicherung - nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen.
Der maßgebende Bescheid der Beigeladenen vom 20. April 2011 hinsichtlich der sinngemäßen Ablehnung der den Festbetrag übersteigenden
Kosten ist auch nicht in Bestandskraft erwachsen - dies würde eine Verurteilung von vornherein ausschließen -, weil er erst
nach Stellung des Teilhabeantrags der Klägerin gegenüber der Beklagten am 14. April 2011 erging, mithin Gegenstand des einheitlichen
Verwaltungsverfahrens gemäß §
86 SGG geworden ist (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 5/12 R - jurisRn 12, 59 mwN).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung für die selbst in Höhe von 2.025 € finanzierte
beidseitige Versorgung mit Hörgeräten macht die Klägerin zwar zu Recht mit der statthaften kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs-
und Leistungsklage (§
54 SGG) geltend. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag (§
36 SGB V) nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung.
Als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch kommen einerseits §
13 Abs.
3 SGB V und andererseits §
15 Abs.
1 Satz 4 iVm Satz 3 Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) in Betracht. Die für einen Erstattungsanspruch der Klägerin erforderlichen Voraussetzungen sind indes weder nach der einen
noch nach der anderen Rechtsgrundlage gegeben, wie vom SG zutreffend ausgeführt worden ist.
Nach §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V hat die Krankenkasse dann, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte
Leistung Kosten entstanden sind, diese in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch
reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst
beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu
erbringen haben (stRsprvgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - jurisRn 12; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - jurisRn 10 jeweils mwN). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs
rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang
zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung
eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R - jurisRn 25).
Der erforderliche Ursachenzusammenhang ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gegeben, wenn die Kostenbelastung des Versicherten wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruht (vgl BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - aaO.Rn 11). Dies ist hier nicht der Fall. Zwar ist eine Hilfsmittelleistung nicht schon mit deren Auswahl selbst verschafft.
Denn eine solche ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen
der Vorfestlegung als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 aaO.Rn 44). Wie vom SG ausgeführt, hat sich die Klägerin aber iS eines unbedingten Verpflichtungsgeschäfts (vgl BSG, aaO.Rn 44 mwN) dem Hörgeräteakustiker gegenüber bereits am 24. März 2011 dahingehend gebunden, dass sie sich unabhängig
von einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegenden Entscheidung der Beigeladenen für das gegenständliche Hörgerätesystem
unter Inkaufnahme eines Eigenanteils entschieden hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Probephase nach Durchführung der Anpassmessungen
am 8. März 2011 abgeschlossen, und die Klägerin war eine endgültige rechtliche Verpflichtung dem Hörgeräteakustiker gegenüber
eingegangen, der auch im Falle der Ablehnung des über den Festbetragspauschalen liegenden Leistungsbegehrens durch die Beigeladene
die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels von der Klägerin verlangen konnte. Anders sind ihre Erklärungen vom 24. März 2011,
wonach sie eine Hörgeräteversorgung mit Eigenanteil ausgewählt hätte und die Hörgeräte ihr zugleich nach entsprechender Anpassung
endgültig ausgehändigt worden waren, nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht auszulegen. Darauf, ob der Hörgeräteakustiker
im Kulanzwege das Geschäft rückabgewickelt hätte - was tatsächlich trotz Ablehnung von den Festbetrag übersteigenden Kosten
durch die Beigeladene nicht der Fall war - oder der Kaufpreis in Höhe des Eigenanteils seitens des Hörgeräteakustikers zunächst
gestundet worden war, wie sich daraus ergibt, dass dieser die Rechnung für die Klägerin erst am 13. April 2011 fertig gestellt
und sich sodann offensichtlich mit einer Bezahlung - teilweise in bar, teilweise bargeldlos per EC und im Übrigen im Wege
der Darlehensfinanzierung - am 26. April 2011 bzw. 29. April 2011 einverstanden erklärt hatte, kommt es nicht an. Hiermit
wurde der bereits geschlossene Kaufvertrag allein in finanzieller Hinsicht entsprechend der Abreden der Vertragsparteien erfüllt.
Dafür, dass die bindenden Erklärungen erst zu jenem Zeitpunkt abgegeben worden wären, wie die Klägerin geltend macht, obgleich
ihr die Hörgeräte schon am 24. März 2011 endgültig ausgehändigt worden waren, bestehen dagegen keine Anhaltspunkte, insbesondere
nicht für einen Kauf auf Probe iS des §
454 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB). Denn die Probephase war am 24. März 2011, wie ausgeführt, ausweislich der Hörgeräteanpassung vom 8. März 2011 abgeschlossen.
Hiergegen spricht im Übrigen, dass die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eingeräumt hat, sie sei sich im Zeitpunkt ihrer Kaufentscheidung bewusst gewesen, dass sie möglicherweise die über den Festbetrag
hinausgehenden Kosten würde selbst tragen müssen. Dies kann sich aber allein auf ihre dem Hörgeräteakustiker gegenüber abgegebenen
Erklärungen vom 24. März 2011 bezogen haben, die die für den Abschluss eines Kaufvertrages wesentlichen Erklärungen zum Gegenstand
hatten. Entsprechende Erklärungen folgen auch nicht aus dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages iSv §
492 BGB am 26. April 2011, den die Klägerin in Anspruch genommen hatte, um den Kaufpreis für die Hörgeräte in voller Höhe aufbringen
zu können. Soweit ihr aufgrund dessen ein Widerrufsrecht (vgl. §
495 BGB) zustand, mit der Folge, dass sie im Falle eines - von ihr tatsächlich nicht ausgeübten - Widerrufs auch an den Kaufvertrag
nicht mehr gebunden gewesen wäre (vgl. §
355 Abs.
1 Satz 1
BGB), folgt hieraus nichts Abweichendes. Denn erst die Ausübung des Widerrufsrechts wandelt den Vertrag ex nunc in ein Abwicklungsverhältnis
um (vgl. §
357 BGB), während die widerrufliche Erklärung des Verbrauchers in Bezug auf den Darlehensvertrag sowie der zugrunde liegende Vertrag
mit der Folge eines unbedingten Erfüllungsanspruchs gültig sind (vgl. Grüneberg in Palandt,
BGB, 69. Auflage 2010, §
355 Rn 4). Soweit die Klägerin schließlich gemeint haben sollte, sie hätte die Hörgeräte mangels Bezahlung am 24. März 2011 noch
gar nicht gekauft, handelte es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum (vgl. §
119 BGB). Im Übrigen hatte sich die Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung der Beigeladen am 20. April 2011
bereits auf die gegenständlichen Hörgeräte vorzeitig festgelegt (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 - jurisRn 44), so dass hierdurch die Selbstbeschaffung nicht mehr kausal beeinflusst werden konnte.
Eine frühere Leistungsablehnung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Hörgeräteakustiker auf der Eigenanteilsrechnung vom
13. April 2011 bereits eigenmächtig die pauschale Kassenleistung in Höhe von 1.192,80 € ausgewiesen hatte. Dahinstehen kann
insoweit, ob vorliegend die Beigeladene bereits vor der Selbstbeschaffung mit dem Leistungsbegehren der Klägerin befasst war,
ob sie die theoretische Möglichkeit gehabt hätte, den einheitlichen Leistungsantrag vom 14. Dezember 2009 zu bescheiden oder
ob die vom BSG gerügte Externalisierung iS einer am "leanmanagement" orientierten Handhabung des gesamten Vorgangs der Leistungserbringung
zu Lasten der Versicherten die Gefahr der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges in sich birgt. Denn zwingende Gründe, etwa
unter Heranziehung des Rechtsgedankens des sogenannten Systemversagens (vgl hierzu etwa BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 44/12 R - jurisRn 17 ff; Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 14/14 R - juris jeweils mwN) oder des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, wonach die Verletzung von Pflichten, die dem Sozialleistungsträger
gegenüber den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegen, für Leistungsberechtigte einen sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch begründen kann (vgl ausführlich BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr 2, jurisRn 9 ff), vom Erfordernis einer nach den bundesrechtlichen Regelungen in §
13 Abs.
3 Satz 2 Fall 2
SGB V bzw. §
15 Abs.
1 Satz 4 Fall 2
SGB IX notwendigen, der Selbstbeschaffung kausal zugrunde liegenden rechtswidrigen Ablehnung durch den zuständigen Rehabilitationsträger
(vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO.Rn 43, 45) abzusehen ist, sind nicht gegeben. Insofern müsste offensichtlich oder zumindest
plausibel vorgetragen sein, dass das in Rede stehende Verfahren der Hörgeräteversorgung es der Klägerin unmöglich gemacht
hätte, vor der Selbstbeschaffung auf eine Entscheidung der Krankenkasse bzw. des Rehabilitationsträgers zu drängen. Dies ist
indes nicht der Fall. Schließlich kann insoweit offenbleiben, ob die Klägerin das Hörgerät nur unter der Bedingung kaufen
wollte, dass die Beigeladene auch den über dem Festbetrag liegenden Betrag bewilligen würde. Abgesehen davon, dass die nach
dem objektiven Empfängerhorizont vorzunehmende Auslegung der maßgebenden Erklärungen eine entsprechende Deutung nicht zulässt,
wäre in einem solchen Fall der mit dem Hörgeräteakustiker geschlossene Vertrag gar nicht wirksam geworden, so dass mangels
Selbstbeschaffung ein Erstattungsanspruch von vornherein nicht entstanden wäre.
Bei dieser Sachlage war der Senat weder auf den pauschalen Beweisantrag der Klägerin hin noch von Amts wegen zu weiteren Ermittlungen
angehalten (vgl. §
103 SGG). Denn angesichts der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges durch die Klägerin kann dahinstehen, ob die Beigeladene ihre
krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht aus §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt hat (§
12 Abs.
2 SGB V) oder ob sie nach Maßgabe von §§
9 Abs.
1 Satz 1,
15 Abs.
1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) iVm §§
26 bis
31 SGB IX als im Außenverhältnis zuständiger Leistungsträger zur Erstattung der Mehrkosten verpflichtet gewesen wäre. Nur vorsorglich
wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin weder geltend gemacht hat noch hierfür Anhaltspunkte bestehen, dass die Messungen
des Hörgeräteakustikers, wie sie sich aus dem Anpassbericht vom 8. März 2011 ergeben, unzutreffend wären. Objektivierte Vorteile
in Bezug auf die ausgewählten Geräte folgen aus diesem, wie die Klägerin eingeräumt hat, nicht, vielmehr hätten sich die von
ihr erlebten Gebrauchsvorteile der teureren Geräte nicht ausreichend messbar mit objektivierbaren Verfahren herausstellen
lassen. Bei dieser Sachlage würde sich die Einholung von Sachverständigengutachten - sei es durch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt
oder durch einen Hörgeräteakustiker - aber auch als eine Beweiserhebung "ins Blaue" hinein darstellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.