Gründe:
I. Streitig ist die Gewährung von Altersrente (AR) für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute für die Zeit ab 1. Juli
2006.
Der 1946 in B geborene Kläger legte in der ungarischen Sozialversicherung Versicherungszeiten für bergmännische Tätigkeiten
unter Tage vom 11. Juni 1964 bis 3. September 1982 und vom 1. Februar 1984 bis 26. März 1990 zurück (282 Monate), daneben
weitere Versicherungszeiten vom 19. Juni 1959 bis 31. Juli 1959, vom 15. Januar 1960 bis 10. Juni 1964 und vom 4. September
1982 bis 24. Januar 1984 (Auskünfte des ungarischen Sozialversicherungsträgers vom 21. September 2004 und 6. September 2006;
Versicherungsverlauf vom 17. August 2010). Im März 1990 übersiedelte der Kläger in das Beitrittsgebiet und legte rentenrechtliche
Zeiten in Deutschland vom 1. Januar 1991 bis 30. Juni 2009 zurück, allerdings nicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung.
Er bezieht seit 1. Juni 2003 eine bergmännische Rente vom ungarischen Träger und seit 1. Juli 2009 AR für langjährig Versicherte
von der Beklagten (Bescheid vom 7. Januar 2011).
Den im Juni 2006 gestellten AR-Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 2006 ab, darunter auch die Gewährung von
AR für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom
5. April 2007).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung von AR für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute für die Zeit ab 1. Juli 2006 gerichtete
Klage mit Urteil vom 17. August 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger
habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die streitige AR, da die Wartezeit von 25 Jahren nach §
40 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht erfüllt sei. Gleiches gelte für die in §
238 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 SGB VI aF geregelten Möglichkeiten der Wartezeiterfüllung. Der Kläger habe nur 282 Monate Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung
mit ständigen Arbeiten unter Tage. Im Übrigen scheide ein Anspruch auf die begehrte AR schon deshalb aus, weil der Kläger
in Deutschland keine Beitragszeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung zurückgelegt habe. Eine "Zusammenrechnung"
ungarischer und deutscher Zeiten komme insoweit nach zwischenstaatlichem Recht daher nicht in Betracht.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Er begehre nicht die Zusammenrechnung der in Deutschland
und Ungarn erworbenen Rentenanwartschaften, sondern die Anrechnung der in Ungarn unter Tage zurückgelegten Beitragszeiten
auf die Wartezeit für die hier erstrebte AR. Es sei dabei die Frage zu klären, ob in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Union (EU) zurückgelegte Beitragszeiten, die zu einer ausländischen Bergmannsrente berechtigen, auf die nach deutschem Recht
erforderliche Wartezeit anzurechnen seien, wenn in Deutschland eine eigene Rentenanwartschaft erworben worden sei, die ihrerseits
die Mindestversicherungszeit erfülle. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Bergmann die erforderlichen 300 Monate Beitragszeiten
nur in Ungarn oder z.B. 299 Monate in Ungarn und einen Monat in Deutschland zurückgelegt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.
Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 1. Juli 2006 Altersrente
für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II. Der Senat hat gemäß §
153 Abs.
4 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§
153 Abs.
4 Satz 2
SGG).
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf AR für langjährig unter
Tage beschäftigte Bergleute für die Zeit ab 1. Juli 2006 gemäß §
40 SGB VI aF iVm §
300 Abs.
2 SGB VI.
Anspruch auf die begehrte AR haben langjährig unter Tage beschäftigte Versicherte, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet und
die Wartezeit von 25 Jahren (300 Monaten) erfüllt haben (§
40 SGB VI aF, §
50 Abs.
3 Nr.
1 SGB VI). Auf die Wartezeit von 25 Jahren werden Kalendermonate mit Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten
unter Tage angerechnet (§
51 Abs.
2 SGB VI). Ständige Arbeiten unter Tage sind gemäß §
61 Abs.
1 SGB VI solche Arbeiten nach dem 31. Dezember 1967, die nach ihrer Natur ausschließlich unter Tage ausgeübt werden. Diesen Arbeiten
sind die Tätigkeiten iSv §
61 Abs.
2 SGB VI gleichgestellt. Für Zeiten vor dem 1. Januar 1968 gelten die in der Anlage 9 zum
SGB VI aufgeführten Hauerarbeiten als ständige Arbeiten unter Tage (vgl. Niesel in: KassKomm, 65. Erg.-Lfg. 1. April 2010, §
61 SGB VI Rn 3 mwN). Die Wartezeit von 25 Jahren ist auch erfüllt, wenn die in §
238 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
SGB VI aF geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Der Kläger erfüllt die nach innerstaatlichem deutschem Recht vorgesehene Wartezeit schon deshalb nicht, weil er in Deutschland
keine Beitragszeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung und in Ungarn nach der vorliegenden Meldung des ungarischen
Sozialversicherungsträgers lediglich 282 Monate Versicherungszeiten für bergmännische Tätigkeiten unter Tage zurückgelegt
hat. Die ungarischen Zeiten sind auch nicht nach Maßgabe von § 20 Abs. 3 Fremdrentengesetz (FRG) iVm §
134 SGB VI der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, weil der Kläger nicht zu dem Personenkreis des § 1 FRG gehört. Dass für den Kläger darüber hinaus weitere Versicherungszeiten in Ungarn und in Deutschland vorliegen, rechtfertigt
keine andere Beurteilung. Denn diese Zeiten sind auf die Wartezeit für die hier begehrte AR für langjährig unter Tage beschäftigte
Bergleute - auch nach zwischenstaatlichem Recht - nicht anrechenbar. Ein EU-Mitgliedstaat ist berechtigt, nicht nur eine Wartezeit
für die Eröffnung eines Anspruchs auf eine in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Rente vorzuschreiben, sondern
auch die Art der Versicherungszeiten festzulegen, die für diesen Zweck berücksichtigt werden, sofern die nach den Rechtsvorschriften
anderer Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten unter den gleichen Voraussetzungen berücksichtigt werden, als ob es sich um
nach den nationalen Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten handelte (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - C-306/03- Salgado Alonso - juris; Urteil vom 3. März 2011, - C-440/09 - Tomaszewska - juris).
Maßgebend sind vorliegend für die geltend gemachte Rentenbezugszeit bis 30. April 2010 die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des
Rates vom 14. Juni 1971 über Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien,
die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO 1408/71), sowie für die Zeit ab 1. Mai 2010 die Verordnung (EG) Nr. 883/2004
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (VO 883/2004) zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.
Letztere begründet nämlich keinen Anspruch für den Zeitraum vor dem Beginn ihrer Anwendung (Art. 87 VO 883/2004; In-Kraft-Treten
der VO am 1. Mai 2010), gilt aber vorbehaltlich dessen auch für "Ereignisse" vor dem Beginn der Anwendung der VO (vgl. Art.
87 Abs. 3 VO 883/2004). Gemäß der Regelung in Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VO 883/2004, die sich inhaltsgleich in Art. 45 Abs. 2
Satz 1 VO 1408/71 findet, berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften die Gewährung
bestimmter Leistungen davon abhängig machen, dass die Versicherungszeiten nur in einer bestimmten Beschäftigung oder einem
Beruf zurückgelegt wurden, für die ein Sondersystem für beschäftigte Personen gilt, die nach den Rechtsvorschriften eines
anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Zeiten nur dann, wenn sie in einem entsprechenden System oder, falls es ein solches
nicht gibt, in dem gleichen Beruf oder gegebenenfalls der gleichen Beschäftigung zurückgelegt wurden. Die deutsche knappschaftliche
Rentenversicherung zählt zu den von den genannten Vorschriften erfassten Sondersystemen (vgl. Beschluss Nr. 134 vom 1. Juli
1987 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, ABl C 64
vom 9. März 1988, S 4). Eine "Zusammenrechnung" mit den ungarischen bergmännischen Zeiten würde aber jedenfalls voraussetzen,
dass der Kläger in der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung zumindest einen Beitrag entrichtet hätte (vgl. Schuler
in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage 2010, Art. 51 Rn 3). Dies ist indes - was auch zwischen den Beteiligten nicht
streitig ist - nicht der Fall. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es daher auch nicht unerheblich, ob der Kläger die erforderlichen
300 Monate bergmännische Zeiten (nur) in Ungarn, oder ob er 299 Monate in Ungarn und einen Monat in Deutschland zurückgelegt
hat. Denn Art. 48 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (früher Art 42 des Vertrags über Gründung der Europäischen Gemeinschaft
vom 25. März 1957) sieht eine "Zusammenrechnung" aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten
Zeiten u.a. für den Erwerb des Leistungsanspruchs zu, nicht aber die Begründung eines innerstaatlichen Rechtsanspruchs nur
aufgrund der in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungszeiten. Es kann daher auch dahinstehen, ob der Kläger,
wie er unter Beweisantritt (schriftliche Zeugenerklärungen M K und E G vom 15. September 2010) vorgetragen hat, tatsächlich
ggf. weitere als die vom ungarischen Träger gemeldeten Versicherungszeiten mit Tätigkeiten unter Tage zurückgelegt hatte.
Da nicht mindestens ein deutscher knappschaftlicher Beitrag des Klägers vorliegt, werden die bergmännischen Zeiten in Ungarn
bei der Anspruchsprüfung und der Rentenberechnung wie allgemeine Versicherungszeiten behandelt (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 2
VO 883/2004; Art. 45 Abs. 2 Satz 2 VO 1408/71). Die Beklagte hat dem Kläger demgemäß mit Wirkung ab 1. Juli 2009 (Vollendung
des 63. Lebensjahres) AR für langjährig Versicherte nach den §§
36,
236 SGB VI zuerkannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.