Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Ergänzung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2008.
Der Kläger hatte am 19. März 2007 beim Sozialgericht Berlin eine in Klage erhoben und schriftsätzlich mit Klageschriftsatz
vom 19. März 2007 den Antrag angekündigt:
1. der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. Februar 2007 - Gz. - BG-nr. - W - wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Widerspruchsverfahren Gz.
W betreffend den Bescheid vom 16. Mai 2006 entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Es wird festgestellt, dass
die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Nachdem die damaligen Beteiligten vor dem Sozialgericht Köln am 28. Mai 2008 in einem anderen geführten Rechtsstreit einen
gerichtlichen Vergleich geschlossen hatten, der auch den mit dem Bescheid vom 16. Mai 2006 geregelten Bewilligungszeitraum
für die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - umfasste, hatte das Gericht mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass durch den vor dem Sozialgericht
Köln geschlossenen Vergleich das vorliegende Verfahren in der Hauptsache erledigt sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers
hatte daraufhin geltend gemacht, dass die Hauptsache nicht erledigt sei. Angefochten in dem vorliegenden Verfahren sei nicht
der Bescheid vom 16. Mai 2006, sondern isoliert der Widerspruchsbescheid sowie die darin verfügte negative Kostenlastentscheidung.
Der Widerspruchsbescheid sei rechtswidrig ergangen. Die Zurückweisung des Widerspruches gegen den Ausgangsbescheid hätte nicht
ergehen dürfen. Der Widerspruchsbescheid sei mithin auf die erhobene Klage aufzuheben. Auf die mündliche Verhandlung vom 13.
November 2008, zu der für den Kläger niemand erschienen war, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 13. November 2008 die Klage
ab. Mit dem Tatbestand des Urteils wird der Antrag des Klägers dahingehend sinngemäß wiedergegeben, das beantragte war,
"die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007
die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten".
Mit den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass die Klage wegen Erledigung der Hauptsache unzulässig gewesen sei. Eine
Erledigung sei deshalb eingetreten, weil sich die Beklagte mit dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Mai 2008 bereit erklärt
hätte, die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Verfahren und des Widerspruchsverfahrens, das auch zu dem streitgegenständlichen
Widerspruchsbescheid geführt hätte, zu übernehmen. Damit habe sich der Vergleich auch auf den Bescheid vom 15. Mai 2006 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 erstreckt, so dass eine Erledigung in der Hauptsache eingetreten
sei. Die Klage sei daher als unzulässig abzuweisen gewesen.
Nach Zustellung des Urteils am 24. November 2008 hat der Kläger vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember
2008 beantragt, das Urteil um eine Entscheidung zu dem Klageantrag Ziffer 1 der Klageschrift vom 19. März 2007 zu ergänzen.
Dieser Klageantrag sei in dem Urteil übergangen worden. Der Kläger habe vorsorglich in dem Verfahren klargestellt, dass nicht
der Bescheid vom 16. Mai 2006 angefochten sei, sondern isoliert der Widerspruchsbescheid. Der Verfügungssatz, Zurückweisung
des Widerspruchs, sei aus den ausführlich dargelegten Gründen auf die Klage hin aufzuheben gewesen. Da über diesen Anspruch
mit dem Urteil nicht entschieden worden sei, sei das Urteil gemäß §
140 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - zu ergänzen.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2011 die Klage abgewiesen und wie folgt zur Begründung u.a. ausgeführt:
"Der zulässige Antrag auf Urteilsergänzung ist unbegründet. Nach §
140 Abs.
1 Satz 1
SGG wird ein Urteil auf Antrag nachträglich ergänzt, wenn es einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch ganz oder teilweise
übergangen hat. Diese Voraussetzungen sind hier in zweifacher Hinsicht nicht gegeben. Zunächst setzt §
140 Abs.
1 Satz 1
SGG einen "erhobenen" Anspruch voraus. Dieser ist bei anwaltlich vertretenen Klägern regelmäßig dem in der mündlichen Verhandlung
gestellten Klageantrag zu entnehmen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
123 Rn. 3). Ergibt sich aus dem Tatbestand nicht, dass der betreffende Antrag gestellt ist, und schweigt diesbezüglich auch die
Sitzungsniederschrift, muss der Tatbestand berichtigt werden, bevor das Urteil ergänzt werden kann (Hess. LSG, MDR 1981, 1052; Keller, aaO., § 140 Rn. 2b). Der Sitzungsniederschrift ist kein Klageantrag zu entnehmen, da für den Kläger in der mündlichen
Verhandlung niemand anwesend war. Ausweislich des Urteils beantragte der Kläger (sinngemäß) einzig und allein, den Beklagten
unter Abänderung des Ausgangsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids zur Erstattung der Kosten des Vorverfahrens zu
verurteilen. Dem Antrag auf Ergänzung des Urteils muss schon deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil nicht ersichtlich ist,
dass ein über die Kostenentscheidung hinausgehender Anspruch auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007
erhoben worden ist. Aber selbst wenn ein Anspruch auf Aufhebung des gesamten Widerspruchsbescheides erhoben worden wäre, könnte
der Antrag auf Urteilsergänzung keinen Erfolg haben. §
140 Abs.
1 Satz 1
SGG erfordert eine eindeutige Entscheidungslücke (Keller, aaO., §
140 Rn. 2). Ob eine solche vorliegt ist nicht nur anhand des Tenors, sondern auch anhand der Entscheidungsgründe zu ermitteln
(Keller, aaO., §
140 Rn. 2; vgl. BSGE 6, 97, 98; Hdb
SGG-Udsching, 6. Aufl., VII Rn. 219). In den Entscheidungsgründen wird zu Anfang ausgeführt, dass die Klage wegen Erledigung
der Hauptsache unzulässig sei. Dies wird am Ende der Entscheidung damit begründet, dass ein vor dem SG Köln geschlossener
Vergleich, der u. a. auch den in Rede stehenden Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2007 erfasse, die Erledigung des Verfahrens
herbeigeführt hat. Danach steht außer Frage, dass im beanstandeten Urteil entschieden worden ist, dass ein Anspruch auf Aufhebung
des Widerspruchsbescheides nicht besteht, weil dieser bereits nach §
99 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Köln gewesen ist und durch den Abschluss eines Vergleiches seine Erledigung
gefunden hat".
Gegen den am 22. Dezember 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23. Januar 2012 (Montag) eingegangene Berufung,
mit der der Kläger unter Verweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2011 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2008 dahin
zu ergänzen, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14. Februar 2007 aufgehoben wird.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin zu dem Rechtsstreit S 175 AS 7006/07 verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht abgelehnt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2008 zu ergänzen.
Voraussetzung ist, dass das Gericht mit der zu ergänzenden Entscheidung einen geltend gemachten Anspruch übersehen hat. Eine
Urteilsergänzung ist dann, aber auch nur dann, zulässig, wenn das Gericht über den Rechtsstreit in vollem Umfang entscheiden
wollte, versehentlich aber nicht über alle Ansprüche entschieden hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
140, Rn. 2). Wie das Sozialgericht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend entschieden hat, ist Voraussetzung eine
eindeutige Entscheidungslücke, an der es mit dem Urteil vom 13. November 2008 fehlt. Das Sozialgericht hat mit der Entscheidung
vom 13. November 2008 nämlich die von dem Kläger erhobene Klage wegen Erledigung der Hauptsache als unzulässig erachtet und
sie aus diesem Grund insgesamt abgewiesen. Dies ergibt sich aus dem Tenor (Klageabweisung) und aus den zur Prüfung der Frage,
ob ein Anspruch übersehen worden ist, heranzuziehenden Entscheidungsgründen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung
ab und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts zurück (§
153 Abs.
2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst wenn man der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgte,
dass das Sozialgericht mit dem Urteil vom 13. November 2008 über den ausdrücklich gestellten Antrag, den Widerspruchsbescheid
vom 14. Februar 2007 (isoliert) aufzuheben, nicht entschieden hätte, für eine Urteilsergänzung nach §
140 SGG kein Raum wäre. Voraussetzung wäre nämlich, dass das Sozialgericht versehentlich nicht über einen geltend gemachten Klageanspruch
entschieden hätte. Das könnte hier nicht angenommen werden. Das Sozialgericht hatte nämlich bereits mit Hinweisschreiben vom
28. Juli 2008 ausgeführt, dass es den schriftlich angekündigten Klageantrag dahin auslege, dass in der Sache die Erstattung
der Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 16. Mai 2006 streitig sei. Weiter hat das Sozialgericht mit dem
Schreiben ausgeführt, dass die Beteiligten den streitigen Bescheid vom 15. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. Februar 2007 in einen vor dem Sozialgericht Köln geschlossenen Vergleich einbezogen hätten. Das Sozialgericht hat
ausweislich des im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Klageantrages eine entsprechende Auslegung des schriftlich angekündigten
Klageantrages vorgenommen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers meint, diese Auslegung des Klagebegehrens sei fehlerhaft
gewesen, ist dies nicht mit einem Ergänzungsantrag nach §
140 SGG angreifbar (Keller, aaO., Rn. 2c), sondern wäre mit einer Berufung gegen das Urteil vom 13. November 2008 angreifbar gewesen
(BSG v. 26.08.1994 - 13 RJ 9/94 -, juris, Rn. 32).
Letztlich konnte dies jedoch dahinstehen, weil mit dem Urteil vom 13. November 2008 jedenfalls auch die Aufhebung des Widerspruchsbescheides
vom 14. Februar 2007 abgelehnt worden ist.