Aufhebung eines Sanktionsbescheides
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Fehler beim prozessualen Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil
Gründe
Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2020. In der Hauptsache
begehrt der Kläger die Aufhebung eines Sanktionsbescheides vom 9. Februar 2018 mit einer Minderung des Arbeitslosengeldes
II um 30 % (110,40 €) für den Zeitraum März bis Mai 2018 wegen der Ablehnung einer Teilzeitmaßnahme.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Sanktionsbescheid sei rechtmäßig,
weil der Kläger sich ohne wichtigen Grund geweigert habe, die angebotene und zumutbare Maßnahme anzutreten. Das Sozialgericht
hat die Berufung gegen das Urteil nicht zugelassen.
Gegen das am 16. September 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Oktober 2020 Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung
erhoben, es liege ein Verfahrensmangel vor. Er habe in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag zur Ermittlung „der nachträglichen
und konspirativen Änderung des zeitlichen Umfangs der Maßnahme durch den Beklagten von Teilzeit in Vollzeit gestellt“, dem
das Gericht nicht nachgekommen sei.
Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig.
Nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistung
für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 S. 2
SGG). Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden (§
145 Abs.
1 Satz 1
SGG); diese ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder
zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen (§
145 Abs.
1 S. 2
SGG). Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss (§
145 Abs.
4 Satz 1
SGG).
Vorliegend ist die Berufung nach §
144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1
SGG nicht zulässig, weil ein Beschwerdewert von 750 € nicht überschritten wird und der Rechtsstreit keine wiederkehrenden oder
laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 S. 2
SGG). Im Streit ist ein Minderungsbetrag von insgesamt 331,20 € für für den Zeitraum von März bis Mai 2018 (drei Monate).
Damit ist die auch frist- und formgemäß erhobene Nichtzulassungsbeschwerde insgesamt statthaft.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach §
144 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung
beruhen kann.
Diese Voraussetzungen sind sämtlich nicht erfüllt.
Das Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (Divergenz), der Rechtssache kommt keine grundsätzliche
Bedeutung zu und es liegt auch kein Verfahrensfehler vor.
Eine Divergenz (§
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG) und eine grundsätzliche Bedeutung (§
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG) werden vom Kläger nicht einmal behauptet und sind für den Senat auch nicht ersichtlich.
Auch ein behaupteter Verfahrensmangel im Sinne von §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG liegt nicht vor; insbesondere wurde ein Beweisantrag des Klägers nicht unrechtmäßig übergangen.
Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht
sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil
(Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
144 Rn. 31 ff. mit weiteren Nachweisen). Die angefochtene Entscheidung muss auf dem Verfahrensmangel beruhen können und ausdrücklich
gerügt werden (Leitherer, a.a.O., §
144 Rn. 35 f. mit weiteren Nachweisen). Eine Verletzung kann gemäß §
202 SGG i.V.m. §
295 ZPO nicht gerügt werden, wenn der Beteiligte auf die Befolgung der verletzten Vorschrift verzichtet hat oder wenn er die Verletzung
nicht bei der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt hat (Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 33a mit weiteren Nachweisen).
Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, dass überhaupt ein wirksamer Beweisantrag des Klägers gestellt worden ist. Der Kläger
weist in seiner Beschwerde insoweit selbst zutreffend darauf hin, dass ein solcher Beweisantrag dem Sitzungsprotokoll vom
28. August 2020 nicht zu entnehmen ist. Diesem Sitzungsprotokoll kommt als öffentlicher Urkunde grundsätzlich nach §
418 ZPO der volle Beweiswert der darin bezeugten Tatsachen zu. Weiter hat der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht einmal hinreichend
vorgetragen, welchen konkreten Beweisantrag er gestellt haben will, der übergangen worden sein soll. So ist beispielsweise
ein ordnungsgemäßer Beweisantrag nicht ein ohne hinreichende tatsächliche Grundlage gestellter sogenannte Ausforschungs- oder
Beweisermittlungsantrag (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 18a., mit weiteren Nachweisen). Außerdem hat der Kläger ausweislich
des Sitzungsprotokolls schließlich seinen Klageantrag gestellt und damit um eine Entscheidung des Sozialgerichts ersucht,
obwohl seinem vermeintlichen Beweisantrag nicht nachgekommen worden ist. Und schließlich ist die Entscheidungserheblichkeit
des vermeintlich übergangenen Beweisantrages nicht ersichtlich. Klagegegenstand ist nach §
95 SGG der Sanktionsbescheid vom 9. Februar 2018, der seinerseits ausdrücklich auf eine Zuweisung der Maßnahme in Teilzeit abstellt.
Eine solche Zuweisung in Teilzeit enthielt auch ausdrücklich das Angebot vom 23. November 2017 und darauf hat zudem der Kläger
in seiner Anlage zum Anhörungsschreiben vom 30. Dezember 2017 hingewiesen und Bezug genommen. Zu keinem Zeitpunkt war folglich
eine Vollzeitmaßnahme im Streit, sodass die vom Kläger behauptete nachträgliche Änderung des zeitlichen Umfanges von Teilzeit
in Vollzeit weder nachvollziehbar noch entscheidungserheblich wäre.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).
Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2020 rechtskräftig (§
145 Abs.
4 Satz 4
SGG).