Anspruch auf Prozesskostenhilfe, hinreichende Erfolgsaussicht, Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH).
Nach §
73 a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §§
114 ff.
Zivilprozessordnung (
ZPO) ist auf Antrag PKH zu gewähren, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die
Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Bejahung der Erfolgsaussicht ist keine Erfolgsgewissheit
erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt
werden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Standpunkt des Antragstellers auf Grund dessen Angaben
und der von ihm vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder doch vertretbar hält; hinsichtlich der Tatsachen muss es mindestens
von der Möglichkeit des Beweises überzeugt sein. Die Erfolgsaussicht ist in der Regel immer gegeben, wenn das Gericht die
Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen für notwendig hält (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, §
73 a Rnr. 7 ff. m. w. N.). Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgaussicht der Zeitpunkt der Entscheidungsreife
des Antrages. Zeitpunkt der Entscheidungs- bzw. Bewilligungsreife ist der Zeitpunkt, zu dem das Gericht bei einem ordnungsgemäßen
Geschäftsgang über den Antrag hätte entscheiden müssen (Meyer-Ladewig u. a., aaO., Rnr. 13 d).
Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH waren bereits am 19. Juni 2007, dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife des zugleich
mit der Beschwerde gegen den ersten ablehnenden Beschluss des SG vom 16. November 2006 gestellten zweiten Antrags auf PKH (klägerischer Schriftsatz vom 20. Dezember 2006), erfüllt. Zu diesem
Zeitpunkt hatte der Kläger dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. Insbesondere
lagen die für die Bedürftigkeitsprüfung erforderlichen Unterlagen vollständig dem Gericht vor. Denn dem klägerischen Schriftsatz
vom 18. Juni 2007, bei dem SG eingegangen am 19. Juni 2007, war der vollständige Bescheid vom 07. Juni 2007 über die Bewilligung von Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Mai bis zum 31. Oktober 2007 beigefügt. In der Gerichtsakte
befanden sich bereits die vom Kläger ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse vom 16. Juli 2006, eine Kopie des Wohnungsmietvertrages, ein Auszug betreffend das Forderungskonto der Sparkasse
E-E des Klägers vom 22. Mai 2006 (Forderung aus Allzweck-Kredit i. H. v. EUR, noch offen: EUR), sowie die Kündigungserklärung
des Autohauses P vom 08. Mai 2006 betreffend das vom 15. März bis zum 15. Mai 2006 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers
nebst dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag. Damit lagen alle notwendigen Daten zur Prüfung der Bedürftigkeit vor, die hier
ohne Zweifel gegeben war, und - wie sich aus den später eingereichten Bescheiden vom 17. Oktober 2007 über die Bewilligung
von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. November 2007 bis zum 30. September 2008 ergibt - weiterhin vorgelegen
hat.
Es kann daher dahinstehen, ob die vom Kläger im Rahmen des ersten Antrags auf PKH am 19. Dezember 2005 vorgelegten Anträge
und Belege unvollständig und widersprüchlich gewesen sind. Bei bestehenden Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit
der Erklärung hätte das SG dem Kläger konkret benennen müssen, welche Unterlagen/Nachweise es zur Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse noch für
erforderlich hält. Nach §
118 Abs.
2 S. 4
ZPO lehnt das Gericht die Bewilligung von PKH insoweit ab, als "bestimmte" Fragen nicht oder ungenügend beantwortet sind. Hieraus
folgt, dass das Gericht dem Antragsteller zuvor bestimmte Fragen stellen muss bzw. ihm mitteilen muss, zu welchen konkreten
Punkten noch weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Allgemein gehaltene Aufforderungen, etwa dass "die gemachten Angaben widersprüchlich
und nicht glaubhaft" seien (Schreiben des SG vom 03. März 2006) oder "dass die im Vordruck gemachten Angaben nicht mit den Nachweisen übereinstimmten" (Schreiben des
SG vom 14. November 2007) genügen hierfür nicht. Weder den genannten Schreiben noch dem sonstigen Akteninhalt lässt es sich
entnehmen, aus welchen Gründen das SG die vom Kläger gegebenen Auskünfte zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angezweifelt hat.
Im Zeitpunkt der Bewilligungsreife (19. Juni 2007) lag bei summarischer Prüfung auch eine hinreichende Erfolgsaussicht vor,
da das SG es für notwendig erachtet hatte, den Chirurgen Dr. B mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu beauftragen.
Hierbei sollte geklärt werden, welche Krankheiten/Funktionseinschränkungen bzw. Ausfälle bei dem Kläger vorlagen, ob diese
Beeinträchtigungen kausal auf den Unfall vom 10. Januar 1997 zurückzuführen seien und ob der Unfall überhaupt geeignet gewesen
sei, einen Körperschaden, wie vom Kläger behauptet, hervorzurufen. Das Sachverständigengutachten, auf dessen Ergebnis sich
das SG im angefochtenen Beschluss gestützt hat, ging erst am 08. Oktober 2007 bei Gericht ein. Da das SG jedoch den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Antrags zugrunde zu legen hatte, war das Ergebnis
des später eingegangenen Gutachtens weder bei der Entscheidung des SG noch der des Senats zu berücksichtigen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf §
73 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).