Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der der Klägerin gewährten Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes.
Die 1936 geborene Klägerin schloss im Beitrittsgebiet im Mai 1962 die Fachschule für Pharmazie L als Apothekenassistentin
ab. Ihr wurde außerdem nach einem Zusatzstudium an der Ingenieurschule für Pharmazie L die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung
Pharmazieingenieur zu führen. Sie war im Gesundheitswesen der DDR als Apothekenhelferin, Apothekenassistentin und Pharmazieingenieurin
tätig. Zum 01. Januar 1974 trat sie der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei.
Mit Bescheid vom 09. Februar 1996 gewährte die Beklagte ihr eine Altersrente für Frauen ab dem 01. Mai 1996, die auf der Grundlage
von 37, 6896 Entgeltpunkten (EP) Ost und 2, 9163 weiteren EP berechnet und in Höhe von 1.452, 97 DM ausgezahlt wurde.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 wurde die Rente wegen einer geänderten Bewertung des Zusatzstudiums als beitragsgeminderte
Zeit neu festgestellt. Die EP Ost erhöhten sich dadurch auf 37, 7822, die weiteren EP auf 2, 9318. Es ergab sich eine Nachzahlung
von 27, 61 DM. Mit Bescheid vom 22. Februar 1999 erfolgte eine weitere Neufeststellung, weil die Zeit des Zusatzstudiums nicht
mehr als Anrechnungszeit zu berücksichtigen war. Die Höhe der der Rentenberechnung zugrunde gelegten EP änderte sich dadurch
nicht.
Eine Vergleichsberechnung nach den Regelungen des Art. 2 Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) unter Zugrundelegung eines 1,5fachen
Steigerungssatzes ergab einen Monatsbetrag der Rente nach dem Übergangsrecht von 1.270,- DM. Die Beklagte lehnte deshalb mit
Bescheid vom 11. März 1999 die Zahlung eines Renten- bzw. Übergangszuschlags nach §§
319 a, b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) ab.
Mit Schreiben vom 05. April 2001 beantragte die Klägerin erneut die Überprüfung ihres Rentenbescheids. Die Rente sei unter
Berücksichtigung eines Steigerungssatzes von 1,5 % neu zu berechnen.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. Dezember 2002, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 09. März 2007,
ab, denn bei der Rentenberechnung nach den Vorschriften des
SGB VI, wie sie hier zugrunde zu legen gewesen seien, komme es allein auf das tatsächlich erzielte Einkommen an, sofern hierfür
Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden seien. Lediglich im Rahmen des Vertrauensschutzes sei der Steigerungssatz von
1,5 % für Beschäftigungszeiten in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens der ehemaligen DDR nach dem für die ehemalige
DDR geltenden Übergangsrecht bei einem Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 1996 zu berücksichtigen (Art. 2 § 35 RÜG). Aus den
Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. November 1998 (B 4 RA 32/98 R und B 4 RA 33/98 R) ergebe sich keine andere Beurteilung, denn diese Entscheidungen hätten ausschließlich ehemalige Beschäftigte der Deutschen
Reichsbahn und der Deutschen Post betroffen. Eine andere Beurteilung ergebe sich schließlich nicht aus der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 (1 BvR 1926/96, 485/97, 32/95 und 2105/95), in der sich das BVerfG umfassend zum Komplex der Rentenüberleitung geäußert habe.
Das BSG habe in seinen Urteilen vom 30. Januar 2003 (B 4 RA 16/02 R) und 06. März 2003 (B 4 RA 13/02 R) entschieden, dass es für die Berücksichtigung eines erhöhten Steigerungssatzes an einer gesetzlichen Grundlage mangele.
Es habe darin keinen Verstoß gegen Art.
14 Grundgesetz (
GG) gesehen. Die dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden (1 BvR 787/03 und 933/03) habe das BVerfG durch Beschluss vom 18. Oktober 2005 nicht zur Entscheidung angenommen. Es habe die Nichtberücksichtigung
des Steigerungssatzes für verfassungsgemäß gehalten.
Dagegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Sie begehre weiterhin die Anerkennung des Steigerungssatzes
von 1,5 % und wolle damit gegen die Altersarmut kämpfen und nicht um soziale Gerechtigkeit.
Durch Gerichtsbescheid vom 20. August 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat auf den weiteren Beschluss des
BVerfG vom 30. August 2005 (1 BvR 616/99 und 1028/03) verwiesen, mit dem es Verfassungsbeschwerden in Parallelverfahren nicht zur Entscheidung angenommen habe. Danach
sei die Nichtberücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes bei der Rentenberechnung auf der Grundlage des
SGB VI im Rahmen der Altersversorgung von Angehörigen des Gesundheitswesens verfassungsgemäß, denn hierbei handele es sich um eine
einer bestimmten Berufsgruppe gewährte Sonderleistung, deren rentensteigernde Wirkung nicht mit einer eigenen Beitragsleistung
der Betroffenen korrespondiere.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe 44 Jahre im Apothekerwesen gearbeitet.
Sie habe ihre persönliche Kraft in die Arbeit in der Stadtbezirksdepotapotheke, den zusätzlichen Bereitschafts-, Sonn- und
Feiertagsdienst eingebracht. Das stets niedrige Gehalt habe durch Gesetz durch einen Steigerungssatz von 1,5 % aufgewertet
bzw. ihre geleistete Arbeit am Menschen habe dadurch anerkannt werden sollen. Einfaches Recht könne jederzeit vom Deutschen
Bundestag mit einfacher Mehrheit geändert werden. Deshalb nehme sie die bisherige Entscheidung nicht hin und beantrage, auf
eine Rechtsänderung hinzuwirken und den Ausgang des bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Verfahrens
abzuwarten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2007 und den Bescheid vom 09. Dezember 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 09. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung
eines Steigerungssatzes von 1,5 % neu zu berechnen und den Bescheid vom 22. Februar 1999 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn die ordnungsgemäß geladene Klägerin
ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme
des Bescheids vom 22. Februar 1999 und Neuberechnung ihrer Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung eines Steigerungssatzes
von 1,5 %.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt,
dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, denn die Beklagte hat die Altersrente der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom
22. Februar 1999 zutreffend nach den Vorschriften des
SGB VI berechnet. Danach bestimmt sich die Höhe des monatlichen Werts des Rechts auf Altersrente ausschließlich nach der so genannten
Rentenformel (§§ 254b, 64
SGB VI). Nach ihr berechnen sich Renten auf Grund von rentenrechtlichen Zeiten, die im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind,
indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP Ost (§
254 d SGB VI), der Rentenartfaktor (§
67 SGB VI) und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Die EP Ost werden ermittelt,
indem der tatsächlich erzielte und mit den Werten der Anlage 10 zum
SGB VI vervielfältigte Verdienst (§
256 a Abs.
2 und
3 SGB VI) durch das Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum
SGB VI geteilt wird (§
256 a Abs.
1 Satz 1
SGB VI). Berücksichtigungsfähig sind Verdienste bis zur Höhe der im Bundesgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenzen (§
260 Satz 2
SGB VI).
Eine Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes gibt es, wie die Klägerin bereits mehrfach
belehrt worden ist, nach den hier maßgeblichen, am 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Vorschriften des
SGB VI nicht. Denn mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind die bis dahin nur nach Maßgabe des Einigungsvertrags (EV) inhaltlich noch
weiter anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften der DDR (Art. 9 Abs. 2 und 4 EV i. V. m. Anlage 2 Kap. VIII Sachgebiet
F Abschnitt III Nr. 6 bis 8) außer Kraft getreten und gemäß Art. 8 EV durch die Überleitung der Vorschriften des
SGB VI auf das Beitrittsgebiet ersetzt worden. Die Klägerin kann sich deshalb nicht auf § 47 der Rentenverordnung der DDR vom 23.
November 1979 stützen, wonach die Rente für die Beschäftigten im Gesundheitswesen der DDR, wie es die Klägerin war, unter
Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes von 1,5 % zu berechnen sind. Diese Regelung findet für die Versicherten
im Beitrittsgebiet bei einem Rentenbeginn nach dem 31. Dezember 1991 keine Anwendung mehr. Lediglich für den Fall einer Vergleichsberechnung
bei rentennahen Jahrgängen wird die Vorschrift über Art. 2 § 35 RÜG herangezogen. Eine solche Berechnung ist bei der Klägerin
durchgeführt worden, hat aber trotz der Berücksichtigung des besonderen Steigerungssatzes eine niedrigere Rente als nach dem
SGB VI erbracht, weshalb die Zahlung eines Zuschlags nach §§
319 a, b
SGB VI mit Bescheid vom 11. März 1999 bindend abgelehnt worden ist.
Dass der bundesdeutsche Gesetzgeber diese Besonderheit des DDR-Rentenrechts nicht übernommen hat, sondern im
SGB VI in §
256 SGB VI geregelt hat, dass der Rentenberechnung ausschließlich die versicherten Arbeitsentgelte zugrunde zu legen sind, hat das BVerfG
in seinen bereits zitierten Nichtannahmebeschlüssen vom 18. Oktober und 30. August 2005 nicht für verfassungswidrig gehalten.
Der Senat war nicht gehalten abzuwarten, ob etwaige Gesetzesinitiativen zu einer für die Klägerin günstigeren Rechtslage führen
könnten. Letztlich ist das bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig gewesene Beschwerdeverfahren Nr. 4998/04
mittlerweile abgeschlossen. Der Gerichthof hat die Beschwerde für unzulässig erklärt.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.