Übernahme der notwendigen Kosten für Taxifahrten zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen als Mobilitätshilfe im Rahmen
der Leistungen zur beruflichen Rehabilitation
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (EM). Umstritten ist dabei insbesondere, ob die
von der Beklagten erklärte Bereitschaft zur Übernahme der notwendigen Kosten für Taxifahrten zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen
sowie - im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses - der tatsächlich anfallenden Beförderungskosten einem auf die eingeschränkte
Wegefähigkeit der Klägerin gestützten Rentenanspruch für die Zeit ab dem 01. September 2008 entgegensteht.
Die 1963 in Polen geborene Klägerin erlernte dort von September 1978 bis Juni 1980 den Beruf einer Produktionshelferin für
Lebensmittelproduktion und war als solche bis zu ihrer Ausreise im Jahr 1988 tätig. In Deutschland führte sie lediglich in
den Jahren 1993 und 1998 bis 1999 ABM-Tätigkeiten als Friedhofsgärtnerin und Helferin in einer Baumschule aus und ist seitdem
arbeitslos. Sie lebt mit ihrem zweiten Ehemann, einem Rentner, und der im Mai 2000 geborenen Tochter in einer Mietwohnung
in der dritten Etage ohne Fahrstuhl. Seit April 2007 bezieht sie durchgehend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II).
Die Klägerin, bei der seit Januar 2007 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt und außerdem das Merkzeichen "G"
- erheblich gehbehindert - anerkannt ist, leidet vor allem an einem - erblich und durch Nikotinabusus bedingten - fortgeschrittenen
arteriosklerotischen Gefäßleiden der Beine mit Ausbildung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Stadium II b,
außerdem an arteriellem Hypertonus und einer Herzerkrankung bei Zustand nach PTCA und Stentimplantation im April 2006. Im
Jahr 2003 erfolgte die Anlage von Bypässen in beiden Beinen, die aber nach einigen Jahren wieder verschlossen waren. Es erfolgte
zunächst eine konservative stationäre Behandlung (Bericht des H Krankenhauses vom 02. Juni 2006). Vom 22. Juni bis zum 13.
Juli 2006 nahm die Klägerin an einer Rehabilitations-(Reha)maßnahme der Beklagten im Reha-Zentrum des H Krankenhauses teil,
wobei die schmerzfreie Gehstrecke wegen der herabgesetzten Durchblutung der Unterschenkel jedoch nur auf etwa 70 bis 100 Meter
verlängert werden konnte. Nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung war die Wegefähigkeit der Klägerin aufgehoben,
im Übrigen wurde sie als für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten über sechs Stunden arbeitstäglich mit qualitativen Einschränkungen
als leistungsfähig erachtet, wobei ihr die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Helferin in einer Gärtnerei nicht mehr zugemutet
werde könne. Die weiterhin vorliegende Waden- und Oberschenkel-Claudicatio besserte sich durch die konservative Therapie nur
links, rechts jedoch kaum (Entlassungsbericht vom 19. Juli 2006). Eine kardiologische Kontrolluntersuchung vom 29. September
2006 (Facharzt für Innere Medizin S) erbrachte einen z. Z. stabilen Zustand bei nicht zunehmender Angina pectoris-Symptomatik
und ohne Herzinsuffizienz-Zeichen oder schwerwiegende Herzrhythmusstörungen. Die vorgetragenen Beschwerden kämen zum Teil
aus der Wirbelsäulen-(WS)Symptomatik. Am 10. Oktober 2006 wurde bei der Klägerin ein neuer Bypass im rechten Bein eingesetzt
(Bericht vom 19. Oktober 2006).
Im Rahmen der Prüfung, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beklagte zu erbringen seien, erstattete die Ärztin
für Innere Medizin Dr. W am 24. Januar 2007 nach Untersuchung der Klägerin ein Gutachten, in welchem sie zu den Diagnosen
einer PAVK Stadium II b beider Beine, einer koronaren Eingefäßerkrankung, eines arteriellen Hypertonus und einer Hyperlipoproteinanämie
(erhöhte Blutfettwerte) gelangte. Das Leistungsvermögen der Klägerin, die sehr gut deutsch spreche, sei für die zuletzt ausgeübte
Tätigkeit als Gärtnereigehilfin aufgehoben, jedoch könne sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten
in sitzender Arbeitsposition mit gewissen qualitativen Einschränkungen ausführen. Bei eingeschränkter schmerzfreier Gehstrecke
sei es der Klägerin nicht zumutbar, viermal täglich Wegstrecken von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Sie sei
jedoch im Besitz einer Fahrerlaubnis, ein Auto sei in der Familie vorhanden, dass sie regelmäßig nutze, um sich innerstädtisch
fortzubewegen.
Einen am 26. Juli 2007 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen EM lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 24. Oktober 2007 ab.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie sei aufgrund ihrer Durchblutungsstörungen in beiden
Beinen und der anderen Krankheiten nicht in der Lage, täglich 6 Stunden zu arbeiten. Ihr Gesundheitszustand habe sich seit
der Untersuchung im Januar 2007 bereits wieder verschlechtert, im November müsse sie zur stationären Behandlung ins Gefäßzentrum
des H Krankenhauses.
Nach Beiziehung des Entlassungsberichtes vom 15. Februar 2008 über eine vom 03. bis zum 24. Januar 2008 durchgeführte Reha
im H Krankenhaus, bei der die Klägerin angab, kein KFZ zur Verfügung zu haben, bewilligte die Beklagte der Klägerin erstmals
mit Bescheid vom 01. August 2008 die Übernahme der notwendigen Kosten für Fahrten mit dem Taxi zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen,
befristet bis zum 31. August des Folgejahres, und erklärte sich darüber hinaus bereit, der Klägerin im Falle der Aufnahme
eines Arbeitsverhältnisses die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten zu gewähren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den die EM-Rente ablehnenden
Bescheid vom 24. Oktober 2007 als unbegründet zurück, da sie trotz der bei ihr festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch körperlich mittelschwere Arbeiten ständig im Sitzen täglich mindestens sechs Stunden
unter Beachtung gewisser qualitativen Einschränkungen verrichten könne und daher weder teilweise noch voll erwerbsgemindert
sei. Die bestehende Wegeunfähigkeit sei gemäß Bescheid der Abteilung Rehabilitation vom 01. August 2008 mit der Zusicherung
der notwendigen Kostenübernahme für Fahrten mit dem Taxi aufgehoben.
Mit ihrer hiergegen bei dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie sei wegen Waden- und Rückenschmerzen nicht mehr in der Lage, mehr
als 150 m in einem Stück zu laufen, müsse auf dem Weg zu ihrer Wohnung im dritten Stock Pausen einlegen, ihre Bewegungsfreiheit
sei bereits innerhalb der Wohnung eingeschränkt. Sie habe ständig Schmerzen beim Sitzen und Gehen, nach längerem Sitzen falle
es ihr schwer, sich zu erheben, dazu habe sie dann starke Schwellungen in den Füßen und unterhalb der Knie. Sie sei nicht
in der Lage, schwere Gegenstände zu heben und zu tragen, das Besteigen einer Leiter falle ihr schwer. Ohne Hilfe ihrer Familie
könne sie den Alltag nicht meistern. Sie müsse täglich mindestens 12 verschiedene Tabletten einnehmen, wodurch eine Ermüdung
des Körpers eintrete, weswegen sie sich mehrfach am Tag ausruhen müsse. Durch die Tabletten gegen ihre Zuckerkrankheit (seit
einem Jahr) habe sie praktisch jeden Tag Durchfall und durch die morgendliche Einnahme der Entwässerungstablette müsse sie
innerhalb kurzer Zeitabstände mehrfach die Toilette aufsuchen. Während des Rentenverfahrens sei sie weder neu begutachtet,
noch seien Befunde ihres Hausarztes Dr. M beigezogen worden.
Das SG hat Befundberichte (BB) des Internisten und Kardiologen Dr. B vom 19. Februar 2008 mit Anlagen und vom 17. November 2008
(unauffälliger Herzbefund, Fortführung der bisherigen Medikation), des Facharztes für Innere Medizin Dr. F vom 18. Februar
2009 (Diabetes mellitus Typ II mit Komplikationen ohne Insulin, diabetische Polyneuropathie, keine vollschichtige Arbeit wegen
vielfacher Erkrankungen bei weit fortgeschrittener Arteriosklerose), des Facharztes für Innere Medizin S vom 20. Februar 2009
(Vorstellung zuletzt am 27. Februar 2007 - Verschlechterung der Angina pectoris im I. Quartal 2007 im Vergleich zu 2006, im
Übrigen stabiler Zustand bei medikamentöser Therapie) mit Anlagen (Bericht des Vivantes Klinikum S vom 18. April 2006, Stentimplantation
wegen koronarer Eingefäßerkrankung) sowie des Facharztes für Orthopädie Dr. C vom 06. April 2009 (Impingement rechte Schulter,
Coxarthrosis beidseits, Protrusion L5/S1, körperlich leichte Arbeiten können vollschichtig verrichtet werden, letzte Vorstellung
12/2007) mit Anlagen (MRT der LWS vom 08. Mai 2007: altersentsprechender Befund der LWS, kein Prolaps, Protusion bei L5/S1
mit leichter Spinalstenose) beigezogen.
Das SG hat des Weiteren die Internistin Dr. K mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach Untersuchung der Klägerin vom
26. Mai 2009 ist die Sachverständige in ihrem internistisch-allgemeinmedizinischen Gutachten vom 02. Juni 2009 und der ergänzenden
Stellungnahme vom 07. August 2009 zur Feststellung folgender Krankheiten und Leiden gekommen:
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit beider Beine Stadium II b bei beidseitigem Verschluss der A. fem. superficialis
sowie beidseitigem Verschluss des femoropoplitealen Bypass bei offenem iliacofemoralem Bypass rechts, Gehstrecklimitierung
auf 100 m,
- Koronare 1-Gefäßerkrankung, Zustand nach Herzinfarkt stumm abgelaufen, Zustand nach erfolgreicher PTCA mit 2-fachem Stenting
des RCA 2006, regelrechte linksventrikuläre Funktion,
- Hypertonus unter 2-fach Therapie gut korrigiert ohne Linksherzhypertrophie,
- Diabetes mellitus oral therapiert und gut korrigiert ohne Folgeerscheinungen,
- Fettstoffwechselstörung therapiert,
- Anhaltender Nikotinkonsum,
- Übergewicht zur Zeit in Reduktion,
- Rezidivierende Wurzelreizerscheinungen LWS bei mäßigen degenerativen Veränderungen zur Zeit ohne Hinweis auf Wurzelkompression,
- Rezidivierende BWS-Beschwerden bei mäßigen degenerativen Veränderungen mit leichter Einschränkung der Beweglichkeit,
- Hüftschmerz bds. mit diskreter Minderung der Beweglichkeit,
- Fußfehlform bds. mit Schuheinlagen ausgeglichen,
- Zustand nach Sectioentbindungen und Blasenoperation 2005, beklagte Dranginkontinenz.
Wegen der generalisierten Arteriosklerose habe sich bei der Klägerin auch eine Koronarsklerose entwickelt, 2006 seien bei
stabiler Angina pectoris Stents in das Gefäß implantiert worden, die bislang erfolgreich arbeiteten. Die regelmäßigen kardiologischen
Kontrollen hätten zuletzt im Mai 2009 einen unauffälligen echokardiographischen Befund ergeben, die ergometrische Belastbarkeit
sei 2008 auf 100 Watt nach 4,5 Minuten durch das Gefäßleiden beschränkt worden. Eine Linksherzvergrößerung sei bisher nicht
aufgetreten. Vermutlich sei vor 2006 ein Herzinfarkt stumm abgelaufen, Auswirkungen einer Narbe würden jedoch nicht beschrieben.
Die jetzt beklagten Beschwerden im Sinne eines Brustdruckes könnten aus den degenerativen Veränderungen der BWS resultieren.
Klinische Zeichen einer Herzminderleistung bestünden nicht. Der Blutdruck sei zufriedenstellend korrigiert, der Diabetes mellitus
werde unter oraler Therapie gut ausgeglichen. Die die medikamentöse Therapie des Diabetes begleitenden Beschwerden in Form
von Durchfall seien Folge des Medikamentes und könnten nicht wesentlich beeinflusst werden. Sie träten in der Regel nur am
Anfang der Therapie auf, bei anhaltenden Beschwerden wäre eine medikamentöse Umstellung erforderlich. Eine Darmerkrankung
liege bei der Klägerin nicht vor. Die orthopädischen Beschwerden resultierten aus degenerativen, aber nicht schwerwiegenden
Veränderungen in der BWS und der LWS. Eine Protrusion L5/S1 bedinge wiederholte Wurzelreizerscheinungen, klinisch habe es
keine Hinweise auf eine Wurzelkompression gegeben. Die Gefühlsstörungen an den Oberschenkeln resultierten aus den OP-Folgen
nach der Gefäßoperation. Es seien keine neuen Befunde erhoben worden. Es sei auch keine nervliche, geistige oder seelische
Erkrankung festzustellen, die Klägerin sei durch die Krankheitsverarbeitung belastet, aber nicht überfordert und werde durch
ihre Familie unterstützt. Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung sei bisher nicht erfolgt.
Trotz der genannten Leiden könne die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen unter Ausschluss von
Zwangshaltungen, vorgegebenem Arbeitsrhythmus, Zeitdruck, Nachtarbeit, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten vollschichtig
verrichten. Heben und Tragen sei bis acht Kilogramm möglich. Die Fingergeschicklichkeit und die Belastbarkeit der Arme und
Hände seien nicht eingeschränkt, die Belastbarkeit der WS sei im Rahmen von leichten Tätigkeiten und Vermeidung von Zwangshaltungen
nicht weiter eingeschränkt. Die Belastbarkeit der Beine sei durch die gestörte Durchblutung stark eingeschränkt. Arbeiten
überwiegend am PC seien möglich entsprechend den nach Angaben der Klägerin geringen Vorkenntnissen. Die Klägerin sei nicht
in der Ausübung von geistigen einfachen bis mittelschweren Tätigkeiten entsprechend der Vorbildung eingeschränkt, Tätigkeiten
mit Publikumsverkehr, wenn nicht mit Stress verbunden, seien möglich.
Die Klägerin sei wegen Durchblutungsstörungen in den Beinen, die unter Belastung zu einer Minderversorgung der Muskulatur
mit entsprechender Schmerzsymptomatik führten und zum Stehenbleiben zwingen würden, als nicht wegefähig anzusehen. Die erfolgten
therapeutischen Behandlungen hätten die Wegefähigkeit nicht wieder herstellen können. Die Indikation zu einer weiteren OP
werde aber nur bei weiterer Verschlechterung gestellt werden, falls die Erhaltung der Beine gefährdet sei. Die Klägerin besitze
aber einen Führerschein und habe Fahrpraxis, ein Auto sei in der Familie vorhanden, das die Klägerin auch benutze. Die festgestellten
qualitativen Einschränkungen bestünden unverändert seit Rentenantragstellung.
Mit weiterem Bescheid vom 22. Oktober 2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin über den 31. August 2009 hinaus befristet
bis zum 31. August des Folgejahres die Übernahme der notwendigen Kosten für Fahrten mit dem Taxi zwecks Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen
entsprechend dem Bescheid vom 01. August 2008. Des Weiteren erklärte sie sich erneut zur Übernahme der tatsächlich anfallenden
Beförderungskosten im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bereit.
Die Klägerin hat unter Einreichung eines ärztlichen Attestes des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 09. Dezember
2009 über eine nervenärztliche Behandlung seit dem 09. September 2009 (mittelgradig depressive Episode, Behandlung mit stützenden
psychotherapeutisch-orientierten Gesprächen) vielfältige Einwendungen gegen die Einschätzung ihrer Leiden erhoben und ergänzend
vorgetragen, sie könne wegen der Nebenwirkungen der neuen Medikamente (Citalopram 20 mg, Mirtazapin Sandoz 30 mg) das Fahrzeug
ihres Mannes nicht mehr benutzen.
Das SG hat von Dr. L einen BB vom 12. Februar 2010 eingeholt (dreimalige Vorstellung der Klägerin seit Anfang September 2009; mittelgradige
depressive Episode, seit Frühjahr 2009 depressive Verstimmungen, Psychotherapie sei wegen der organischen Erkrankungen nicht
aussichtsreich, derzeit keine vollschichtige Leistungsfähigkeit). Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme
des Facharztes für Psychotherapie G vom 17. März 2010 eingereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. August 2010 hat die Vertreterin der Beklagten erklärt, die Beklagte sei bereit,
der Klägerin über den 31. August 2010 Leistungen wie in dem Bescheid vom 22. Oktober 2009 zu bewilligen, wenn sich an den
medizinischen und wirtschaftlichen Verhältnissen nichts ändere.
Mit Urteil vom 29. April 2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November
2008 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller EM ab dem 01. Juni 2007 zu gewähren. Zwar sei die Klägerin nach den schlüssigen
und nachvollziehbaren Ausführungen der Gerichtsgutachterin Dr. K, deren Einschätzung durch die im Verwaltungsverfahren abgegebene
Beurteilung der Gutachterin Dr. W gestärkt werde, noch in der Lage, vollschichtig leichte Tätigkeiten unter gewissen qualitativen
Leistungseinschränkungen zu verrichten. Gleichwohl habe die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller
EM, weil sie nicht in der Lage sei, den Weg zur Arbeitsstelle zurückzulegen und ihr der Arbeitsmarkt deshalb praktisch verschlossen
sei. Zur Erwerbsfähigkeit gehöre auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil
vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10¸ Urteile vom 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R, und 28. August 2002, B 5 RJ 12/02, jeweils in Juris). Das Defizit führe zur vollen EM. Habe der Versicherte keinen Arbeitsplatz und werde ihm ein solcher auch
nicht konkret angeboten, würden sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssten, nach einem generalisierenden
Maßstab bemessen. In der Annahme, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen
und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen müsse, setzte
die Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem
Zeitaufwand zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren
zu können. Nach diesen Maßstäben sei die Klägerin nicht wegefähig, weil sie die geforderte Gehleistung nicht erbringen könne
und diese Defizite weder durch den Umstand, dass sie über eine Fahrerlaubnis verfüge, noch durch die Bescheide der Beklagten
vom 01. August 2008 und 22. Oktober 2009 ausgeglichen werde. Die Klägerin könne nach den Ausführungen der Sachverständigen
Dr. K die auch den Feststellungen der Sachverständigen Dr. W in ihrem Gutachten von Januar 2007 entsprächen, nicht die genannten
Wegstrecken zurücklegen, denn sie könne nur noch 100 Meter laufen. Der Umstand, dass die Klägerin über eine Fahrerlaubnis
verfüge und auch das Fahrzeug ihres Ehemannes nutze, stehe der Annahme einer Wegeunfähigkeit nicht entgegen. Dies wäre auch
dann nicht anders zu beurteilen, wenn die Klägerin alleinige Eigentümerin eines Fahrzeuges wäre. Die Wegeunfähigkeit der Klägerin
wäre nur dann aufgehoben, wenn sie einen Arbeitsplatz innehätte, den sie mittels eines Kraftfahrzeuges (KFZ) trotz ihres beschränkten
Gehvermögens tatsächlich erreichen könnte oder wenn ihr ein solcher Arbeitsplatz konkret angeboten würde. Die Klägerin sei
jedoch bereits vor Antragstellung arbeitslos gewesen und ein mittels eines KFZ erreichbarer Arbeitsplatz sei ihr nach Aktenlage
auch nicht angeboten worden. Es sei allerdings auch nicht anzunehmen, dass die Verfügbarkeit eines KFZ im Hinblick auf das
Vermögen, einen Arbeitsplatz zu erreichen, die aus gesundheitlichen Gründen bestehende Wegstreckeneinschränkung ausgleichen
könnte. Entsprechende Fußwege, die durchaus den Wegen zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels entsprechen
würden, fielen aufgrund der typischerweise sowohl zwischen Wohnung und PKW als auch zwischen dem Standort des PKW und dem
Arbeitsplatz zurückzulegenden Fußwege auch bei Nutzung eines KFZ an. Auch bestünde dann die Gefahr, dass Versicherte etwa
durch das Übertragen eines KFZ innerhalb der Familie eine rentenrelevante EM herbeiführen könnten, und es würden den Rentenversicherungsträgern
und Gerichten umfassende Aufklärungsmaßnahmen auferlegt werden, ob und in welchem Umfang einem Versicherten ein KFZ tatsächlich
zur Verfügung stehe (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. Dezember 2009, L 10 R 270/08, in Juris). Entgegenstehendes sei der Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen. Insbesondere habe das BSG in keinem Fall
einer aufgehobenen Wegefähigkeit das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit (EU) bzw. voller EM bei einem nicht in einem Arbeitsverhältnis
stehenden Versicherten allein wegen der Verfügbarkeit eines Fahrzeuges verneint.
Die Wegefähigkeit der Klägerin werde auch nicht durch die Bescheide der Beklagten vom 01. August 2008 und 22. Oktober 2009
hergestellt. Zwar habe das BSG nicht ausgeschlossen, dass die fehlende Mobilität eines Versicherten durch geeignete Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben hergestellt werden könne, habe jedoch offen gelassen, unter welchen Voraussetzungen die Wegefähigkeit
dann als hergestellt gelte (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 5 RJ 51/04 R, in Juris). Vorliegend seien die Voraussetzungen jedenfalls nicht erfüllt, weil sich die von der Beklagten gewährten Leistungen
nicht auf ein bestehendes oder in Aussicht stehendes konkretes Arbeitsverhältnis bezögen und insoweit nicht dem Konkretisierungsgebot
genügten, dass dem Rehabilitationsrecht jedoch eigen sei. Nach §§
9 ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) würden Leistungen zur Teilhabe im Einzelfall nach Ermessensentscheidung des Leistungsträgers erbracht. Mithin bedürfe es
des Bezuges auf einen konkreten Sachverhalt, der einer solchen Ermessensentscheidung auch zugänglich sei. Insbesondere die
nur im Rahmen der Härtefallregelung des § 9 Abs. 1 Kraftfahrzeug-Hilfeverordnung (KFZ-HV) zu übernehmenden Kosten von Beförderungsdiensten,
die zudem gegenüber dem gemäß § 2 Abs. 2 KFZ-HV zu erbringenden Regelleistungen der KFZ-HV (Leistungen zur Beschaffung eines
KFZ) nachrangig seien, hingen von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Urteil des Sächsischen LSG vom 21. Januar 2003,
L 5 RJ 190/01, in Juris). Der zu fordernde Bezug auf einen konkreten Sachverhalt könne auf Grund der Struktur des Rehabilitationsrechtes
nur bei einem bestehenden oder in Aussicht stehenden konkreten Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis hergestellt werden, da
nur dann eine den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Aussage über Art und Umfang von Leistungen der KFZ- Hilfe möglich
sei. Letztlich gehe es der Beklagten auch nicht darum, auf den besonderen Bedarf und die besonderen Umstände des jeweiligen
Versicherten zugeschnittene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuzusagen, sondern darum, die gebotene Einzelentscheidung
leer laufen zu lassen. Das Rehabilitationsrecht sei kein Instrument, mit dem bei Vorliegen von abstrakten Voraussetzungen
fiktive Leistungen gewährt werden könnten, um einen bestehenden Rentenanspruch auszuhöhlen.
Die allgemeine Wartezeit sowie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen EM (§
43 Abs.
1 Nr.
2 und
3, Abs.
2 Nr.
2 und
3 SGB VI) seien erfüllt. Der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller EM bestehe seit Antragstellung, denn ihre Wegefähigkeit
sei schon zu diesem Zeitpunkt aufgehoben gewesen, wie sich aus den ärztlichen Gutachten ergebe und wie es auch von der Beklagten
nicht bestritten werde. Der Leistungsanspruch bestehe auch auf Dauer. Die Sachverständige Dr. K habe überzeugend geschildert,
dass eine Wiedererlangung der Wegefähigkeit angesichts der derzeit zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten unwahrscheinlich
sei. Das Gefäßleiden der Klägerin unterliege einer Tendenz zur Verschlechterung, die allenfalls durch einen Abbau von Risikofaktoren
verlangsamt werden könne.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Beklagten vor, dass berufsfördernde Leistungen auch zur Erlangung eines
Arbeitsplatzes zu gewähren seien (vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]). Der Reha- Träger habe bereits
vor Arbeitsaufnahme zu prüfen, ob und welche geeigneten Leistungen zu gewähren seien. Die unter Bezugnahme auf das Urteil
des Sächsischen LSG geäußerte Rechtsauffassung des SG, dass die Gewährung berufsfördernder Leistungen nur bei Versicherten möglich sei, die ein konkretes Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnis
in Aussicht hätten, widerspreche dem gesetzlichen Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (vgl. BSG, Urteil vom 19. November
1997, 5 RJ 16/97, SozR 3-2600 Nr. 10, zu einem arbeitslosen Versicherten). Es wäre dann praktisch ausgeschlossen, für arbeitslose Versicherte
Leistungen nach der KFZ-HV zur Abwendung einer Wegeunfähigkeit zu erbringen. Die Wegeunfähigkeit bei bestehender Arbeitslosigkeit
sei jedoch der Regelfall, da ein in einem Arbeitsverhältnis stehender Versicherter nur selten eine EM-Rente begehre. Ebenfalls
sei es schwer vorstellbar, wie sich bei einem möglicherweise langjährig Arbeitslosen die konkrete Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses
gestalten sollte, wenn er keine KFZ- Hilfe zur Beseitigung der Wegeunfähigkeit erhalte. Nach der Rechtsprechung des BSG komme
es nicht unbedingt auf die tatsächliche Durchführung einer Reha- Maßnahme an, sondern es genüge bereits eine geeignete Leistungsbewilligung,
um die Wegeunfähigkeit auch eines arbeitslosen Versicherten zu beseitigen, wobei es aber nicht ausreiche, wenn der Träger
lediglich die Bereitschaft erkläre, die Kosten für die Erreichung eines Arbeitsplatzes oder für die Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen
zu übernehmen, ohne eine verbindliche Bewilligung hinsichtlich der Höhe der Beförderungskosten bzw. des Umfanges der Beförderungsdienste
auszusprechen (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 5 RJ 51/04 R, aaO.; Hessisches LSG vom 19. März 2010, L 5 R 28/09, in Juris).
Mit Bescheid vom 17. September 2010 hat die Beklagte der Klägerin wiederum Mobilitätshilfe bis zum 31. August 2011 in entsprechendem
Umfang wie in den Bescheiden vom 01. August 2008 und 22. Oktober 2009 bewilligt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. April 2011 hat die Vorsitzende des Senats darauf hingewiesen, dass die Wegefähigkeit
der Klägerin nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen aufgrund der stark reduzierten Gehfähigkeit schon im Oktober 2006
aufgehoben gewesen sein dürfte. Da auch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Klägerin der
PKW des Ehemannes jederzeit zur Verfügung gestanden habe, müsste zumindest der Anspruch auf Rente wegen voller EM - so wie
vom SG ausgeurteilt - für die Zeit bis zum Zugang des Bescheides vom 01. August 2008 (Teilhabeleistungen/Beförderungskosten) bestehen.
Daraufhin hat die Vertreterin der Beklagten erklärt, dass sie die Berufung insoweit zurück nehme, als sie gegen die Verurteilung
zur Gewährung von Rente wegen voller EM für den Zeitraum vom 01. Juni 2007 bis zum 31. August 2008 gerichtet sei, im Übrigen
werde die Berufung aus den bereits schriftlich vorgetragenen Gründen aufrecht gehalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Berufung nicht zurückgenommen
worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie habe bislang aus keinem der Bescheide Teilhabeleistungen in Anspruch genommen, da sie seit dem 17. Oktober 2006 krank
geschrieben sei. Sie sei trotz zweimaliger ambulanter angiologischer Rehabilitationen arbeitsunfähig entlassen worden und
ihre Gehstrecke habe sich nicht gesteigert. Dennoch führe die Beklagte den Grundsatz Rehabilitation vor Rente weiterhin an.
Nach wie vor liege ihre Gehstrecke unter 100 Metern. Zudem sei eine neue Krankheit bei ihr aufgetreten. Ihre Hals-Nasen-Ohren-Ärztin
Dr. S habe nach Durchführung spezieller Untersuchungen ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom festgestellt und zu einer Nasen-
OP geraten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen
Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat nach teilweiser Rücknahme der Berufung durch die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. April
2011 gemäß §§
156,
157,
95 SGG nur noch darüber zu befinden, ob die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller EM an
die Klägerin für die Zeit ab dem 01. September 2008 rechtmäßig erfolgt ist. Insoweit ist die zulässige Berufung der Beklagten
auch begründet, denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Rente wegen voller EM ab dem 01. September 2008 nicht zu.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller EM, wenn sie voll erwerbsgemindert
sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
2 SGB VI). Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht
absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI). Nach §
43 Abs.
3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen EM, weil sie weder teilweise noch voll erwerbsgemindert ist. Zwar bestehen
bei der Klägerin etliche Gesundheitsbeeinträchtigungen. So leidet sie an einer Arteriosklerose mit Durchblutungsstörungen
Stadium II b in beiden Beinen, einer koronaren Eingefäßerkrankung, eines arteriellen Hypertonus, eines Diabetes mellitus II,
einer Fettstoffwechselstörung, WS-Beschwerden und einer depressiven Verstimmung. Trotz dieser Leiden ist sie aber unter Berücksichtigung
der über ihren Gesundheitszustand vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten in der Lage, zumindest
noch leichte körperliche Tätigkeiten mit gewissen Einschränkungen arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Die von der Beklagten beauftragte Ärztin für Innere Medizin Dr. W gelangte in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2007 zu der Einschätzung,
dass das Leistungsvermögen der Klägerin für die zuletzt im Jahr 1998 ausgeübte Tätigkeit als Gärtnereigehilfin zwar aufgehoben
sei, dass aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in sitzender Arbeitsposition unter Vermeidung
von Witterungs- und Temperatureinflüssen, Stress- und Nachtschicht zumutbar seien.
Diese Einschätzung erscheint nachvollziehbar. Bei der körperlichen Untersuchung zeigte sich bei der Klägerin in allen Gelenken
eine freie Beweglichkeit. Die grobe Kraft in Armen und Händen war seitengleich erhalten, Fingerstreckung, Faustschluss, Spitz-,
Nacken- und Schürzengriff waren beidseits vollständig und einwandfrei. Die Beine waren äußerlich unauffällig, Zehenspitzen-
und Fersengang waren ohne Schwierigkeiten möglich, es bestanden keine Ödeme, keine trophischen Hautstörungen. Die WS war in
ihrer Beweglichkeit nur wenig eingeschränkt. Die neurologische Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten. Die Echokardiographie
ergab ein normalgroßes Herz mit regelrechter Pumpfunktion ohne Nachweis von Wandbewegungsstörungen, keine Linksherzhypertrophie
und eine unbedeutende Aortenklappenregurgitation. Die Lungenfunktionsuntersuchung ergab bei Ruheatmung einen Grenzbefund zur
Obstruktion, bei forcierter Ausatmung keine bedeutende Obstruktion, keine Restriktion, keine Lungenüberblähung. Eingefäßerkrankung,
Hypertonus, Diabetes und Fettstoffwechselstörung waren gut therapiert. Die Wegefähigkeit wurde allerdings aufgrund der arteriellen
Durchblutungsstörungen an beiden Beinen als aufgehoben bezeichnet. Jedoch sei die Klägerin im Besitz eines Führerscheines
und nutze das in der Familie vorhandene Auto regelmäßig. Sie sei auch noch in der Lage, ihre Mietwohnung in der dritten Etage
ohne Fahrstuhl zu erreichen und ihren Haushalt mit familiärer Hilfe zu bewältigen.
Auch die vom SG beauftragte Internistin Dr. K hat in ihrem ausführlichen und gut begründeten Gutachten vom 02. Juni 2009 und ihrer ergänzenden
Stellungnahme vom 07. August 2009 die Klägerin für in der Lage gehalten, körperlich leichte Tätigkeiten in gut temperierten
Räumen überwiegend im Sitzen unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Arbeiten unter Zeitdruck und Nachtarbeit, Fließband- und
Akkordarbeit, Heben und Tragen von Lasten mit mehr als acht Kilogramm Gewicht sowie von Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten
vollschichtig auszuführen, wobei die üblichen Pausen ausreichend seien. Die Fingergeschicklichkeit und die Belastbarkeit der
Arme, der Hände und der WS seien nicht eingeschränkt, die Belastbarkeit der Beine sei dahingehend eingeschränkt, dass durch
die gestörte Durchblutung unter Belastung Beschwerden auftreten würden, die ein Weitergehen erst nach einer Pause von einigen
Minuten möglich mache. Arbeiten überwiegend am PC seien entsprechend den nach Angaben der Klägerin geringen Vorkenntnissen
(PC-Spiele, zum Beispiel Ketten im PC mit Punkterhalt) möglich. Die Ausübung von geistig einfachen bis mittelschweren Tätigkeiten
entsprechend der Vorbildung sei möglich, das Hör- und Sehvermögen und die wesentlichen geistigen Qualitäten seien nicht eingeschränkt.
Den Einwand der Klägerin, Arbeiten mit Publikumsverkehr seien ihr wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht möglich, vermochte
Dr. K nicht zu teilen; sie vermerkte ausdrücklich, dass die Klägerin sehr gut Deutsch spreche, was sich in der mündlichen
Verhandlung des Senates bestätigte. Es seien auch keine nervlichen, geistigen oder seelischen Erkrankungen festzustellen,
die Klägerin sei durch die Krankheitsverarbeitung belastet, aber nicht überfordert. Eine mögliche reaktive depressive Reaktion
sei einer Behandlung gut zugänglich.
Die Einschätzung von Dr. K erscheint zutreffend und nachvollziehbar. Die Angina pectoris ist stabil, die Stents arbeiteten
bislang erfolgreich. Die regelmäßigen kardiologischen Kontrollen, zuletzt im Mai 2009, zeigten - wie zuvor - einen unauffälligen
echokardiographischen Befund, die ergometrische Belastbarkeit war 2008 auf 100 Watt nach viereinhalb Minuten durch das Gefäßleiden
beschränkt worden, Zeichen einer Herzminderleistung bestanden nicht. Bluthochdruck und Diabetes mellitus waren medikamentös
gut ausgeglichen, wenn auch mit begleitenden Beschwerden in Form eines meist nur am Anfang der Behandlung auftretenden Durchfalles;
bei Bedarf kann das Medikament gewechselt werden. Die orthopädischen Beschwerden resultieren aus degenerativen Veränderungen
der BWS und der LWS, die jedoch nicht schwerwiegend sind, eine Protrusion L5/S1 führt ab und an zu Wurzelreizerscheinungen,
aber ohne Wurzelkompression. Die Fingergeschicklichkeit und Belastbarkeit der Arme und Hände ist erhalten, über Schmerzen
klagt die Klägerin insoweit nicht. Soweit die Klägerin sich seit September 2009 in psychiatrischer Behandlung befindet und
angibt, wegen der Nebenwirkungen der neuen Medikamente (Citalopram 20 mg und Mirtazapin Sandoz 30 mg) könne sie das Fahrzeug
ihres Mannes nicht mehr benutzen, ist zum einen auf die äußerst geringe Dosierung, zum anderen darauf hinzuweisen, dass anfängliche
Müdigkeitserscheinungen nach längerer Einnahme schwinden. Abgesehen davon sind entsprechende Befunde zur Objektivierung der
behaupteten Nebenwirkungen von den behandelnden Ärzten nicht mitgeteilt worden. Für ein schwerer-gradiges seelisches Leiden
der Klägerin, die sich bei dem Nervenarzt Dr. L nur drei Mal innerhalb von fünf Monaten vorgestellt hat, fehlen jegliche Anhaltspunkte
(so bereits der Facharzt für Psychotherapie G in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17. März 2010). Eine weitergehende
psychiatrische Behandlung ist von der Klägerin nicht berichtet worden. Das nunmehr festgestellte Schlafapnoe- Syndrom in leichter
Schweregradausprägung bei unbeeinträchtigter Lungenfunktionsprüfung stellt einen behandlungsbedürftigen und -fähigen Zustand
dar, lässt jedoch keine Rückschlüsse auf andauernde Einwirkungen auf die Leistungsfähigkeit zu (vgl. Bericht der Praxis für
Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. F et al. vom 21. Januar 2011).
Auch die beigezogenen BB der behandelnden Ärzte ergeben keinen Hinweis auf ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen.
So berichtete der Internist und Kardiologe Dr. B am 19. Februar und 17. November 2008 über einen unauffälligen Herzbefund
in der Echokardiographie bei Fortführung der bisherigen Medikation. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. F hielt die Klägerin
wegen vielfacher Erkrankungen zwar nicht für in der Lage, vollschichtige Arbeit zu erbringen (BB vom 18. Februar 2009), allerdings
enthält die nicht näher begründete Einschätzung keine sozialmedizinisch verwertbare Stellungnahme zur Belastbarkeit. Der Facharzt
für Innere Medizin S berichtete unter dem 20. Februar 2009 zwar von einer Verschlechterung der Angina pectoris im I. Quartal
2007 im Vergleich zu 2006, jedoch hat die Klägerin ihn letztmalig am 27. Februar 2007 aufgesucht, wo sich ein stabiler Zustand
bei medikamentöser Therapie gezeigt habe. Der Facharzt für Orthopädie Dr. C hielt die Klägerin bei vorliegendem Impingement
in der rechten Schulter, Coxarthrosis beidseits, Protrusion L5/S1 (MRT der LWS vom 08. Mai 2007: altersentsprechender Befund
der LWS, kein Prolaps, Protusion bei L5/S1 mit leichter Spinalstenose) für fähig, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig
zu verrichten (BB vom 06. April 2009).
Nach dem zuvor dargelegten Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren kann die Klägerin
noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein. Sie muss sich auf sämtliche,
ihr gesundheitlich zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. In Betracht kommen für die Klägerin,
die gut Deutsch spricht, alle körperlich leichten Tätigkeiten, die überwiegend im Sitzen und in geschlossenen Räumen verrichtet
werden, wie z. B. Tätigkeiten als Pförtnerin an der Neben- oder der Personalpforte, als (Ver-)Packerin, Sortiererin oder Montiererin
vom Kleinteilen. Dabei ist es unerheblich, ob die ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplätze frei oder besetzt sind
(vgl. §
43 Abs.
3 SGB VI).
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EM für die Zeit ab dem 01. September 2008 kann
auch nicht auf ihre eingeschränkte Wegefähigkeit gestützt werden.
Zwar kann die Klägerin - was letztlich zwischen den Beteiligten unstreitig ist - keine Wegstrecken von 500 m Länge mehr in
angemessener Zeit zurücklegen und ihr ist auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar. Diese Einschränkung
resultiert nach Auffassung aller Gutachter und behandelnder Ärzte aus dem fortgeschrittenen Gefäßleiden der Beine mit arterieller
Verschlusskrankheit, das unter Belastung zu einer Minderversorgung der Muskulatur führt und zum Stehen- bleiben zwingt. Diese
Beschwerden bestehen seit Antragstellung, trotz wiederholter Anlage von Bypässen beidseits stellt sich die wesentlich verringerte
Gehfähigkeit nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. K voraussichtlich als ein Dauerzustand dar. Die Sachverständige hat
nachvollziehbar dargelegt, dass eine weitere OP nur bei dringender Indikation zur Erhaltung der Beine indiziert sei und die
Prognose vom Gehtraining und einer Minimierung der Risikofaktoren abhänge.
Auch stellt eine derartige gesundheitliche Beeinträchtigung in der Regel eine schwere Leistungseinschränkung dar, denn zur
Erwerbsfähigkeit gehört, da eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich ist, auch
das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach §
43 SGB VI versicherten Risikos; das Defizit führt zur vollen EM. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz
innehat, der die zumutbaren Wegebedingungen aufweist oder mit einem vorhandenen KFZ erreichbar ist oder ihm ein solcher Arbeitsplatz
tatsächlich angeboten wird (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90, 19. November 1997, 5 RJ 16/97, und 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R, jeweils aaO.; Urteil vom 09. August 2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr. 2).
Hat der Versicherte, wie hier die Klägerin, weder einen entsprechenden Arbeitsplatz inne noch ist ihm ein solcher Arbeitsplatz
angeboten worden, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung noch möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab,
der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den
Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel
zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten
voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten)
zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (BSG,
Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90, aaO.). Ist ihm dies nicht möglich, ist der Versicherte so lange als voll erwerbsgemindert anzusehen, wie seine Wegeunfähigkeit
nicht behoben wird.
Entgegen der vom SG unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2009 (L 10 R 270/08, aaO.) vertretenen Auffassung wäre hier das Unvermögen der Klägerin, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m jeweils
innerhalb von 20 Minuten zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln
fahren zu können, als kompensiert anzusehen, sofern ihr ein KFZ uneingeschränkt zur Verfügung stände. Auch bei einem arbeitslosen/-suchenden
Versicherten beseitigt die zumutbare Benutzung eines (eigenen) KFZ das Mobilitätsdefizit (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2002,
B 13 RJ 25/01 R, aaO.). Die Klägerin verfügt schließlich über eine Fahrerlaubnis und langjährige Fahrpraxis. Ihre Fähigkeit, ein KFZ zu
führen, ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen nicht eingeschränkt. Insbesondere ergeben die gutachterlich erhobenen
Befunde keinen Hinweis dafür, dass die Kriterien für das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung; vgl. Anlage zu
§ 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung Teil D Nr. 3) erfüllt sein könnten und die Klägerin aufgrund dieser außergewöhnlichen
Gehbehinderung einen in unmittelbarer Nähe des Hauseingangs gelegenen Parkplatz benötigen würde. Da vorliegend aufgrund der
Schilderungen der Klägerin nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihr das KFZ des Ehemannes jederzeit zur Verfügung steht,
kann sie nicht auf dessen ansonsten zumutbare Benutzung verwiesen werden.
Vorliegend ist jedoch die Wegeunfähigkeit der Klägerin für die Zeit ab dem 01. September 2008 im Hinblick auf die ihr in den
Bescheiden der Beklagten vom 01. August 2008, 22. Oktober 2009 und 17. September 2010 bewilligten konkreten Leistungen zur
Rehabilitation als behoben anzusehen.
Eine Einschränkung der Wegefähigkeit stellt dann keinen Grund für eine EM-Rente dar, wenn der Versicherungsträger geeignete
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben anbietet und so eine ausreichende Mobilität des Versicherten hergestellt werden kann
(so bereits BSG, Urteile vom 17. Mai 1972, SozR Nr. 101 zu § 1246
RVO; vom 06. Juni 1986, 5b RJ 52/85, SozR 2200 § 1247 Nr. 47; vom 13. Juli 1988, 5/4a RJ 57/87, SozR 2200 § 1247 Nr. 53). In §
9 Abs.
1 SGB VI ist ausdrücklich festgelegt, dass Leistungen zur Rehabilitation Vorrang vor Rentenleistungen haben, die bei erfolgreicher
Rehabilitation nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind (§
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VI i. V. m. §
8 Abs.
2 SGB IX). Der Rentenversicherungsträger soll hiernach seine Leistungen zur Rehabilitation darauf ausrichten, den Auswirkungen einer
Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken
oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden
aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Diese Leistungen können auch Hilfen zur
Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes umfassen (§
16 SGB VI i. V. m. §
33 Abs.
1, Abs.
3 Nr.
1 SGB IX).
Die aufgehobene Wegefähigkeit kann z. B. dadurch wieder hergestellt werden, dass der Versicherungsträger Mobilitätshilfen
anbietet. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind nämlich alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel
und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, etwa die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben (§
16 SGB VI, §
33 Abs.
3 Nr.
1, Abs.
8 Nr.
1 SGB IX) subventionierten KFZ. In Ergänzung hierzu können nach der KFZ-HV im Einzelnen beschriebene Leistungen auf dem KFZ- Sektor
zur Eingliederung Behinderter in das Arbeitsleben (vgl. § 1 KFZ-HV) erbracht werden (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/00, 19. November 1997, 5 RJ 16/97, und 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R, sämtlich aaO.; Urteil vom 30. Januar 2002, B 5 RJ 36/01 R, in Juris). Nicht erforderlich ist hierbei, dass das Mobilitätsdefizit durch die Rehabilitationsleistung behoben und der
Versicherte in das Arbeitsleben tatsächlich erfolgreich eingegliedert wird. Vielmehr genügt es, wenn der Rentenversicherungsträger
alles getan hat, was seinerseits zur Behebung des Mobilitätsdefizits erforderlich ist. Hierfür bedarf es der Abgabe rechtlich
verbindlicher Erklärungen, da nur so die notwendige Konkretisierung der Mobilitätshilfen erfolgen kann (so Hessisches LSG,
Urteil vom 19. März 2010, L 5 R 28/09, aaO.)
Im Rehabilitationsrecht sind die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben als Ermessenleistungen ausgestaltet (§
9 Abs.
2 SGB VI i. V. m. § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]), so dass es des Bezuges auf einen einer Ermessensentscheidung zugänglichen Sachverhalt
bedarf. Allerdings steht die Frage, "ob" einem Versicherten Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind, nicht im Ermessen
des Rentenversicherungsträgers, sondern hängt von der Erfüllung der persönlichen und versicherungsrechtlichen (§§
10,
11 SGB VI) sowie zusätzlicher Voraussetzungen (z.B. §
3 KFZ-HV, §
12 SGB VI) ab (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, 4 RA 42/94, SozR 3-1200 § 39 Nr. 1). Allein die Entscheidung über das "Wie" der Rehabilitation nach Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung,
d.h. über die Frage, welche konkreten Leistungen im Einzelfall in Betracht kommen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rentenversicherungsträgers
(§
13 Abs.
1 SGB VI; BSG, Urteil vom 23. Februar 2000, B 5 RJ 8/99 R, SozR 3-2600 § 10 Nr. 2).
Ein Ermessen ist dem Rentenversicherungsträger auch bei der Gewährung von KFZ-Hilfen eingeräumt, um besondere behinderungsbedingte
Bedarfe Versicherter durch genau auf ihren spezifischen Bedarf zugeschnittene Leistungen zu decken. Zwar sind die Mobilitätshilfen
in der KFZ-HV in gewisser Weise standardisiert, denn nach § 2 Abs. 1 KFZ-HV umfasst die KFZ-Hilfe grundsätzlich nur Leistungen
zur Beschaffung eines KFZ, für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung (§ 7 KFZHV) und zur Erlangung der Fahrerlaubnis.
Doch ist die Erbringung weiterer Leistungen zur Deckung unabweisbarer behinderungsbedingter Bedarfe, insbesondere die Übernahme
der Kosten von Beförderungsdiensten, nach der Härtefallregelung des § 9 Abs. 1 KFZ-HV möglich (Urteil des Sächsischen LSG
vom 21. Januar 2003, L 5 RJ 190/01, aaO.). Da dem Rentenversicherungsträger - wie ausgeführt - bei seiner Entscheidung über das "Wie" der Rehabilitation ein
Ermessen zusteht, hat der Versicherte keinen Anspruch auf bestimmte Rehabilitationsleistungen, sondern nur ein Recht auf fehlerfreie
Ermessensbetätigung.
Über diese - im Wesentlichen unstreitigen - Grundsätze hinaus vermag der Senat allerdings nicht der Rechtsansicht des SG zu folgen, dass die Beklagte durch die Bescheide vom 01. August 2008, 22. Oktober 2009 und 17. September 2010 mangels Bezugs
der darin angebotenen Leistungen auf ein bestehendes oder in Aussicht stehendes konkretes Arbeitsverhältnis die fehlende Wegefähigkeit
der Klägerin nicht habe wieder herstellen können. Zwar regelt das Gesetz nicht, wie ein Angebot von Leistungen zur beruflichen
Rehabilitation im Einzelnen zu "erbringen" ist (siehe §§
4 Abs.
2,
26 ff., 33 ff.
SGB IX, §§
9,
13 Abs.
2 und
3,
15 f.
SGB VI). Jedoch ist im Hinblick auf §§
13 Abs.
1 SGB VI, 9 Abs.
1 SGB IX zur Bestimmung der Leistungen zur Teilhabe nach Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung in aller Regel der Erlass eines
Verwaltungsaktes (§ 31 SGB Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) erforderlich. Daraus folgt aber nicht - wie das SG annimmt - dass der zu fordernde Bezug auf einen konkreten Sachverhalt nur bei bestehendem oder in Aussicht stehendem konkreten
Arbeitsverhältnis hergestellt werden kann. Die Gewährung von Teilhabeleistungen - auch hinsichtlich der Gewährung von Mobilitätshilfen
- auf diese Fälle zu beschränken, würde allerdings die weitaus überwiegenden Fälle arbeitssuchender oder auch arbeitsunwilliger,
die Teilhabeleistungen ablehnender Versicherter von vornherein ausschließen. Dies würde dem Grundsatz, dass die Wiederherstellung
der Erwerbsfähigkeit der Rente vorgeht, widersprechen.
Es ist daher zu fordern, dass der Rentenversicherungsträger eine Erklärung zur Gewährung bestimmter Teilhabeleistungen, mit
der er sich selbst bindet und aufgrund derer der Versicherte auf eine bestimmte Behandlung eines konkreten Sachverhaltes vertrauen
kann, abgibt, wobei er sich aber die Regelung letzter Detailfragen vorbehalten darf. Hieraus folgt zugleich, dass bloße Hinweise
des Rentenversicherungsträgers auf eine mögliche Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, eine bloße Wiedergabe
des Gesetzestextes oder allgemeine Erklärungen zur Mobilitätshilfe nur für den Fall der tatsächlichen Aufnahme einer Beschäftigung
oder des Angebots einer Beschäftigung nicht genügen (BSG, Urteile vom 19. November 1997, 5 RJ 16/97, vom 14. März 2002, B 13 25/01 R, und vom 21. März 2006, B 5 RJ 51/04 R, sämtlich aaO.).
Diesen Anforderungen genügen die Bescheide vom 01. August 2008, 22. Oktober 2009 und 17. September 2010. Die Beklagte hat
in Form eines Verwaltungsaktes (§§ 31, 33 SGB X) erklärt, während des jeweiligen Bewilligungszeitraumes ausgehend zunächst vom 11. August 2008 bis zum 31. August 2009, dann
darüber hinaus bis zum 31. August 2010 und zuletzt - entsprechend ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 29. April 2010 - bis zum 31. August 2011 die zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses notwendigen Kosten für die Fahrten
mit dem Taxi zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen, ferner ab dem Zeitpunkt einer etwaigen Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses
die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten der Klägerin zu übernehmen. Damit hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass
sie Rehabilitationsleistungen in Form einer Mobilitätshilfe nach der KFZ-HV dem Grunde nach gewährt. Zugleich hat sie ihr
Ermessen dahingehend ausgeübt, von der Härtefallregelung des § 9 Abs. 1 KFZ-HV Gebrauch zu machen. Denn sie hat zugunsten
der Klägerin, die ja im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, angenommen, dass sie über das KFZ ihres Ehemannes nicht ständig verfügen
könne und sie daher so behandelt, als stünde ihr für das Zurücklegen des Weges von und zur Arbeitsstätte kein Fahrzeug zur
Verfügung. Zudem hat die Beklagte ihr Ermessen weiterhin dahingehend ausgeübt, dass sie unter Berücksichtigung des Bezuges
von Leistungen nach dem SGB II durch die Klägerin die Kosten eines Beförderungsdienstes voll übernehmen und nicht nur einen
Zuschuss leisten werde, wie es die KFZ-HV grundsätzlich vorsieht (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KFZ-HV).
Die Zusage, Kosten für Fahrten mit dem Taxi zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen und - im Fall der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses
- die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten zu erstatten, stellt eine hinreichend konkrete Festlegung betreffend Art
und Ausgestaltung der Rehabilitationsleitung dar. Der Anlass der Erbringung der Leistung und die Höhe der tatsächlich anfallenden
Beförderungskosten lässt sich mit einer Quittung des Beförderungsdienstleisters und der Einladung zum Vorstellungsgespräch
bzw. - bei Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses - dem Arbeitsvertrag unschwer belegen. Dass die Beklagte die Wirkungsdauer
ihres Angebotes jeweils auf ein Jahr begrenzt hat, macht ihr Leistungsangebot nicht unbestimmt, denn es muss ihr auch Spielraum
bleiben, Art und Umfang von Leistungen der KFZ-Hilfe den jeweiligen Umständen des Einzelfalles anzupassen, also etwa von der
vollen Übernahme der Beförderungskosten zu einem bloßen Zuschuss oder zu einem Zuschuss zu einem von der Klägerin anzuschaffenden
eigenen KFZ zu wechseln.
Schließlich scheitert die Erbringung der Teilhabeleistungen auch nicht daran, dass die Klägerin diese "nicht in Anspruch genommen
hat". Zwar bedürfen Leistungen zur Teilhabe der Zustimmung des Versicherten (§
9 Abs.
4 SGB IX) und eines entsprechenden Antrages (§
19 Satz 1
SGB IV, §
115 Abs.
1 Satz 1
SGB VI). Werden sie von Amts wegen erbracht (§
115 Abs.
4 SGB IV), muss der Versicherte zustimmen, dabei gilt die Zustimmung als Antrag. Der Umstand, dass dem Versicherten Leistungen zur
Teilhabe nicht gegen seinen Willen aufgedrängt werden können, bedeutet aber nicht, dass ein Versicherter eine in geeigneter
Weise angebotene Teilhabeleistung ablehnen könnte bzw. nicht wahrzunehmen bräuchte, um sich auf diese Weise in Verfolgung
seines Rentenbegehrens im Zustand der EM zu halten. Es ist daher rechtlich unerheblich, wenn im vorliegenden Fall die Klägerin
erklärt, dass sie angebotene Beförderungsdienste weder wahrgenommen habe noch wahrnehmen werde. Wollte man dies ausreichen
lassen, dann hinge es von der Arbeitswilligkeit des Einzelnen ab, ob die fehlende Wegefähigkeit durch konkrete Angebote zur
Mobilitätshilfe wieder hergestellt werden kann. Ein derartiges Verständnis würde dem Grundsatz, dass die Wiederherstellung
der Erwerbsfähigkeit der Rente vorgeht, widersprechen. Die Bescheide der Beklagten sind daher so zu verstehen, dass sie der
Klägerin Teilhabeleistungen nicht lediglich unverbindlich angeboten hat. Vielmehr hat sie das Angebot mit der Aufforderung,
sich intensiv um einen geeigneten Arbeitsplatz zu bemühen und der Arbeitsvermittlung des Job-Centers zur Verfügung zu stehen,
verknüpft und auf diese Weise die Mitwirkungspflichten der Klägerin nach §§
63,
64 SGB I aktualisiert.
Im Hinblick auf die in rechtmäßiger und geeigneter Weise angebotenen Rehabilitationsleistungen steht die eingeschränkte Wegefähigkeit
der Klägerin der Annahme einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Wenn sie die zur Verfügung gestellte Mobilitätshilfe nicht
annimmt oder wenn sie trotz deren Inanspruchnahme keinen Arbeitsplatz findet, so ergibt sich daraus allenfalls ein Anspruch
gegen den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, nicht aber ein Anspruch auf Rente wegen EM.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2010 aufzuheben und die
Klage abzuweisen, soweit die Beklagte die Berufung nicht zurückgenommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG.