Geänderte Berechnung von Rentenversicherungsleistungen aufgrund eines Versorgungsausgleichs
PKH-Verfahren
Wirksamwerdens eines leistungsändernden oder -aufhebenden Bescheides
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt.
Rechtsgrundlage für eine geänderte Berechnung von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung infolge eines Versorgungsausgleichs
ist § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Das Wirksamwerden des Versorgungsausgleichs stellt sich als wesentliche Änderung in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen
im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar (s. das bereits vom Sozialgericht zitierte Urteil des BSG vom 22. April 2008 - B 5a R 72/07 R -). Unter Berücksichtigung des §
100 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) ist dann, wenn sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrem Beginn
ändern, die Rente in neuer Höhe aber erst von dem Kalendermonat an zu leisten, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist.
Vor diesem Hintergrund kann der Kläger zwar mit seiner Klage keinen Erfolg haben, soweit er höhere Leistungen für den Monat
Februar 2015 anstrebt. Denn schon nach seinem eigenen Vortrag ist der Beschluss des Kammergerichts nicht vor dem 12. Februar
2015 wirksam geworden, so dass er sich frühestens ab dem 1. März 2015 auf die Höhe der Leistungen der Beklagten auswirken
konnte.
Dies führt in einem Verfahren wie dem vorliegenden, in dem weder Gerichtskosten anfallen (§
183 Satz 1
SGG) noch außergerichtliche Kosten, deren Höhe sich nach einem Streitwert bemisst (§ 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) aber nicht dazu, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf einen Teil des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs
zu beschränken ist.
Betreffend die Zeit ab März 2015 sind die Beklagte wie das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Versorgungsausgleich
nicht vor Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Kammergerichts (KG) vom 10. Februar 2015 - 19 UF 131/14 - wirksam geworden ist, mit dem über die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom
13. August 2014 - 28 F 10030/13 - entschieden worden war.
Gemäß § 224 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) werden Endentscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, erst mit Rechtskraft wirksam. Gemäß § 148 FamFG werden Entscheidungen in Scheidungsfolgesachen wie dem Versorgungsausgleich (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) außerdem nicht vor Rechtskraft des Scheidungsausspruchs wirksam.
Bei dem Beschluss des Kammergerichts handelte es sich um eine Endentscheidung im Sinne des § 224 Abs. 1 FamFG. Mit ihm war nicht lediglich der "Bitte" der Beteiligten des Verfahrens vor dem Kammergericht auf Feststellung des Inhalts
einer Vereinbarung im Beschlusswege nachgekommen worden (s. das Protokoll über die nichtöffentliche Sitzung des Kammergerichts
vom 15. Januar 2015), sondern durch ihn war über die anhängige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee
vom 13. August 2014 - 28 F 10030/13 - instanzbeendend entschieden worden.
Darüber, wann genau die Rechtskraft des Beschlusses eingetreten ist, war indessen weder durch die Beklagte noch durch das
Sozialgericht zu befinden. Das Zeugnis über den Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses nach dem FamFG kann nach Maßgabe des § 46 FamFG nur durch eines der Gerichte erteilt werden, die mit der Scheidungs- bzw. der Folgesache befasst waren. Das Rechtsmittel
gegen ein Rechtskraftzeugnis bestimmt sich nach § 46 Satz 4 FamFG (s. zum Rechtszustand vor Inkrafttreten des FamFG bereits KG, Beschluss vom 5. Februar 1993 - 18 WF 7385/92-, FamRZ 1993, 1221). Damit ist eine eigene Prüfungskompetenz anderer Stellen ausgeschlossen.
Gleichwohl kann die Klage betreffend die Zeit ab März 2015 jedenfalls teilweise erfolgreich sein.
Zum einen kann sich die Frage stellen, ob überhaupt ein Rechtskraftzeugnis im Sinne des Gesetzes erteilt worden ist, welches
die dargestellte Tatbestandswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit erbringen kann. Das Amtsgericht Pankow/Weißensee hat
der Beklagten nur formlos als Datum des Eintritts der Rechtskraft seines Beschlusses vom 13. August 2014 den 20. März 2015
mitgeteilt.
Zum anderen ist unabhängig davon, für welchen Zeitpunkt genau sich danach eine wesentliche Veränderung in den leistungerheblichen
Verhältnissen im Sinne des § 48 SGB X ergibt, Rechtsfolge nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass Leistungsbewilligungen zwingend nur mit Wirkung "für die Zukunft" aufzuheben sind, während sie "mit Wirkung vom Zeitpunkt
der Änderung der Verhältnisse" nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgehoben werden "sollen" (Verpflichtung zur Aufhebung im Regelfall, zusammenfassend s. etwa BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 77/09 R -, SozR 4-1300 § 48 Nr. 18).
Der Bezugspunkt für die Bestimmung der "Zukunft" in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des leistungsändernden oder -aufhebenden Bescheides, der mit seiner Bekanntgabe eintritt
(§ 39 Abs. 1 SGB X). Den Bescheid mit Datum des 8. April 2015 hatte der Kläger nach seinen Angaben, die angesichts mehrfacher Postrückläufer
nachvollziehbar sind, am 2. Juni 2015 erhalten. Auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X konnte der Beklagte eine Änderung bzw. Aufhebung der bestandskräftigen Leistungsbewilligungen zur Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
beziehungsweise zum Übergangszuschlag nach §
319b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) deshalb erst für den nächsten zu erfüllenden monatlichen Einzelanspruch auf Zahlung stützen, also für den bezüglich des
Monats Juli 2015.
Für die Zeit davor kommt als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides somit nur § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X in Betracht. Der Verwaltungsakt soll danach mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
(1.) die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, (2.) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht
zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen
ist, (3.) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall
oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder (4.) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum
Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X kommt als Rechtsgrundlage für eine in die Vergangenheit wirkende Entscheidung nur insoweit in Betracht, als die Rentenhöchstwertfestsetzung
für die nach dem
SGB VI berechnete Rente betroffen war. Die dem Kläger bewilligte Zusatzleistung "Übergangszuschlag" (§
319b SGB VI) ist nicht Bestandteil der
SGB VI-Rente (BSG, Urteile vom 23. Mai 2006 - B 13 RJ 14/05 R -, SozR 4-2600 § 315a Nr. 3, und vom 30. Juni 1998 - B 4 RA 9/96 R -, SozR 4-2600 § 319b Nr. 1). Wird sie nicht mehr gewährt, liegt darin folglich eine Änderung zulasten des Betroffenen,
die eine in die Vergangenheit wirkende Entscheidung nur nach Maßgabe der Nummer 2 bis 4 des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erlaubt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob einer dieser Tatbestände die angefochtenen Bescheide - soweit sie nach dem Gesagten belastend
sind - materiell rechtfertigen könnte. Die Beklagte hat den Kläger jedenfalls vor dem Erlass des Ausgangsbescheides insoweit
nicht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Dafür, dass eine der Ausnahmen nach § 24 Abs. 2 SGB X vorliegen würde, ist nichts ersichtlich. Zu einer Heilung nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X ist es durch das Widerspruchsverfahren schon deshalb nicht gekommen, weil der Ausgangsbescheid keine Rechtsgrundlage für
die getroffene belastende Entscheidung genannt hat. Dementsprechend konnte der Kläger sich in seiner Widerspruchsbegründung
nicht darauf einstellen, von welchem Sachverhalt und welcher Rechtsgrundlage für die belastende Entscheidung die Beklagte
ausging. Ob die nach § 41 Abs. 2 SGB X grundsätzlich mögliche Nachholung der Anhörung in einem gerichtlichen Verfahren vor den Tatsacheninstanzen mit Blick darauf
noch zu einer Heilung führen könnte, dass die Jahresfrist zur Aufhebung zu beachten ist (§ 48 Abs. 4 i.V. mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, s. in diesem Zusammenhang BSG, Urteil vom 6. April 2006 - B 7a AL 64/05 R - m.w.Nachw.) kann offen bleiben. Dies erfordert jedenfalls ein "entsprechendes
mehr oder minder förmliches Verwaltungsverfahren" (BSG wie eben), das bislang nicht eingeleitet worden ist.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen jedenfalls derzeit auch nicht in der Lage, die
Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen (§
115 ZPO). Nach den von ihm vorgelegten Unterlagen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen waren keine Monatsraten oder aus
dem Vermögen zu zahlende Raten (§
120 ZPO) festzusetzen.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts erscheint mit Blick auf die dargestellte Sach- und Rechtslage schließlich ebenfalls erforderlich
(§
121 Abs.
2 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
127 Abs.
4 ZPO.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§
177 SGG).