Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1978 geborene Kläger wurde am 30. Oktober 1996 in B gemustert, wobei er an diesem Tag erkältet war. Dabei fanden sich
Eiweiß und Blut im Urin. Der gemessene Blutdruck betrug 140/70 mmHg in Ruhe und 180/70 mmHg nach Belastung. Eine zunächst
auf den 19. November 1996 festgesetzte Kontrolluntersuchung wurde auf Wunsch des Klägers am 28. November 1996 bei nunmehr
abgeklungener Erkältung bei der Facharztstelle Innere I des ärztlichen Dienstes des Kreiswehrersatzamtes - dem Facharzt für
Innere Medizin Dr. K - durchgeführt. Der Urinstatus war erneut auffällig; der Kläger wurde deshalb unter der Fragestellung
"ergänzende Untersuchungen zum Ausschluss einer Glomerulonephritis" zum Bundeswehrkrankenhaus, Fachuntersuchungsstelle - Urologie,
überwiesen, wo am 17. Dezember 1996 eine fachärztliche Untersuchung und am 19. Dezember 1996 radiologische und urologische
Zusatzuntersuchungen stattfanden. Über die Untersuchung vom 17. Dezember 1996 verfasste der ab dem 19. Dezember 1996 im Urlaub
befindliche Stabsarzt R einen Bericht, in dem er unter anderem den Verdacht auf Glomerulonephritis bei persistierender Protein-
und Hämaturie äußerte. Über die Untersuchung - Infusionsurogramm mit Tomographie der Nieren - am 19. Dezember 1996 - der ursprünglich
angedachte Termin am 18. Dezember 1996 fand nicht statt - verfassten der Arzt im Praktikum (AiP) K am 19. Dezember 1996 einen
handschriftlichen Kurzbefund, der Leitende Arzt Dr. K und AiP K weitgehend identische Berichte am 19. und 23. Dezember 1996
und die Oberstabsärzte Dr. H und T am 20./24. März 1997 einen weiteren Bericht. Letztgenannte Ärzte zogen als Ursache der
Niereninsuffizienz am ehesten eine Glomerulonephritis in Betracht; hierzu sei eine nephrologische Abklärung erforderlich,
bei Einverständnis des Klägers sei man auch zu einer invasiven Diagnostik mittels Nierenpunktion bereit. Ebenfalls am 19.
Dezember 1996 wurde bei dem Kläger im Bundeswehrkrankenhaus ein Labor abgenommen. Hier wurden unter anderem deutlich erhöhte
Kreatinin-Werte (211 µmol/l [normal 50-100 µmol/l], entsprechend 2,38 mg/dl) festgestellt.
Der Facharztstelle Innere I des Kreiswehrersatzamtes ging am 6. Januar 1997 der Bericht der Fachuntersuchungsstelle - Urologie
vom 17. Dezember 1996 zu. Da ein Befundbericht über die am 18. Dezember 1996 angedachte Untersuchung bei ihr nicht einging,
setzte sich die Facharztstelle Innere I des Kreiswehrersatzamtes mit der Fachuntersuchungsstelle - Urologie des Bundeswehrkrankenhauses
am 21. Januar 1997 in Verbindung und erfuhr dort, dass der Kläger zur Untersuchung am 18. Dezember 1996 nicht erschienen sei.
Am 23. Januar 1997 verfasste Dr. K einen Abschlussbericht an die Musterungsstelle des Kreiswehrersatzamtes, in dem er die
Einstufung als vorübergehend wehrdienstunfähig bei geäußertem Verdacht auf Glomerulonephritis bei persistierender Protein-
und Hämaturie empfahl. Durch Bescheid des Kreiswehrersatzamtes vom 13. Februar 1997 wurde der Kläger als "vorübergehend nicht
wehrdienstfähig" eingestuft und bis zum 31. Juli 1997 vom Wehrdienst zurückgestellt. Mit weiterem Bescheid des Kreiswehrersatzamtes
vom 22. September 1998 wurde der Kläger als nicht wehrdienstfähig eingestuft und verfügt, er würde nicht zum Wehrdienst herangezogen.
Mit Schreiben vom 31. Januar 1997 teilte das Kreiswehrersatzamt dem Kläger mit, die Zusatzuntersuchungen hätten "gesundheitliche
Gesichtspunkte ergeben, von denen Ihr behandelnder Arzt Kenntnis erhalten sollte. Eine ärztliche Behandlung erscheint erforderlich.".
Der Kläger suchte am 22. Februar 1997 den Urologen B auf, wurde von dort an die Ärztin für Innere Medizin und Nephrologin
Dr. H überwiesen, die den Kläger nach Untersuchungen am 14. und 17. März 1997 an das V-Klinikum überwies, wo er vom 18. März
bis zum 12. April 1997 wegen terminaler Niereninsuffizienz bei Verdacht auf IgA-Nephropathie (Differentialdiagnose fokale
Glomerulosklerose) behandelt wurde. Ausweislich eines Arztbriefes des V-Klinikums vom 12. Mai 1997 ergab eine am 17. März
1997 durchgeführte Labordiagnostik unter anderem einen deutlich erhöhten Kreatinin-Wert von 7,66 mg/dl. Eine Langzeit-Blutdruckmessung
ergab eine entgleiste arterielle Hypertonie. Anschließend war der Kläger dialysepflichtig. Am 29. September 1998 erhielt er
eine Niere transplantiert.
Mit Schreiben vom 5. Mai 1997 erstattete der Kläger bei der Staatsanwaltschaft B eine insbesondere gegen den Stabsarzt R gerichtete
Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurden der Kläger am 10. Juni 1997 und Stabsarzt
R am 3. Juli 1997 jeweils polizeilich vernommen. Des Weiteren holte die Polizei unter anderem ärztliche Einschätzungen der
Ärztin für Innere Medizin und Nephrologin Dr. H vom 3. Juli 1997 und des Urologen B vom 7. Juli 1997 ein. Mit Bescheid vom
8. August 1997 stellte die Staatsanwaltschaft B das Verfahren gegen den Stabsarzt R wegen unterlassener Hilfeleistung und
fahrlässiger Körperverletzung gemäß §
170 Abs.
2 der
Strafprozessordnung ein (Az. ...). Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers blieb ohne Erfolg (Bescheid der Staatsanwaltschaft bei dem
Kammergericht vom 10. November 1997 - Az. ...).
Zugunsten des Klägers wurde auf dessen Antrag vom 28. September 1998 von dem Beklagten mit Bescheid vom 15. Oktober 1999 ein
Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen einer Nierentransplantation im Stadium der Heilungsbewährung und Bluthochdruck festgestellt.
Nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Urologie Dr. S vom 5. September 2002 stellte der Beklagte mit Bescheid vom
20. November 2002 wegen einer Nierentransplantation bei erreichter Heilungsbewährung und Bluthochdruck einen GdB von noch
60 fest.
Der Kläger beantragte am 23. Juni 1998 bei dem Beklagten eine Versorgung nach dem SVG mit der Begründung, eine rechtzeitige Verweisung an Fachärzte wegen der im Musterungsverfahren erhobenen Befunde hätte den
ungünstigen Verlauf seiner Nierenkrankheit verhindert. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. August 1999 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2000 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Mai 2000 Klage erhoben. Das Sozialgericht Berlin hat bei dem Beklagten die Schwerbehindertenakte
sowie bei dem Kreiswehrersatzamt die dort vorliegenden Gesundheitsunterlagen beigezogen. Der Beklagte hat eine fachinternistische
Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin R vom 10. November 2003 sowie eine fachurologische Stellungnahme des Arztes
für Urologie und Chirurgie Dr. B vom 30. September 2003 übermittelt. Durch Urteil vom 28. Januar 2004 hat das Sozialgericht
die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 24. Mai 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 2004 Berufung eingelegt.
Der vormals für die Sache zuständige 13. Senat des Landessozialgericht Berlin hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom
26. April 2005 zurückgewiesen (L 13 VS 12/04): Zwar sei das "Erscheinen" zur Feststellung der Wehrtauglichkeit (Musterung) dem Wehrdienst gleichgestellt, wehrdiensteigentümliche
Umstände der Musterung seien aber - anders als nach § 81 Abs. 1 SVG erforderlich - nicht wesentliche Ursache der gesundheitlichen Schädigung des Klägers. Die Grundsätze zur Wehrdiensteigentümlichkeit
truppenärztlicher Behandlung seien hier nicht anzuwenden, weil die dafür maßgeblichen Gesichtspunkte (Ausschluss freier Arztwahl
und gesetzliche Pflicht des Soldaten, sich gesund zu erhalten) bei einer Musterung nicht vorlägen. Selbst wenn die Musterungsärzte
den Kläger pflichtwidrig nicht rechtzeitig über seinen Zustand aufgeklärt haben sollten, führe das nicht zu einem Anspruch
auf Versorgung nach dem SVG, sondern allenfalls zu zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat auf die zugelassene Revision des Klägers mit Urteil vom 8. November 2007 (B 9/9a VS 2/05 R) das Urteil des Landessozialgerichts
Berlin vom 26. April 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nach § 80 Satz 1 SVG erhalte ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten habe, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung
der Vorschriften des BVG, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt sei. Dies gelte entsprechend auch für eine Zivilperson, die eine Wehrdienstbeschädigung
erlitten habe (§ 80 Satz 2 SVG). Eine Wehrdienstbeschädigung sei eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während
der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden
sei (§ 81 Abs. 1 SVG). Gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SVG gelte als Wehrdienst auch das Erscheinen zur Feststellung der Wehrtauglichkeit, zu einer Eignungsprüfung oder zur Wehrüberwachung
auf Anordnung der zuständigen Dienststelle. Der Kläger sei während seines Erscheinens beim Kreiswehrersatzamt am 30. Oktober
und 28. November 1996 versorgungsrechtlich geschützt gewesen. Dies gelte auch für die Untersuchungen im Bundeswehrkrankenhaus
am 17. und 19. Dezember 1996, da diese auf Veranlassung des Musterungsarztes ebenfalls der Feststellung der Wehrtauglichkeit
des Klägers gedient hätten. Dieser Schutz umfasse nicht nur Schädigungen, die durch aktives Tun der beteiligten Ärzte habe
entstehen können, sondern auch schädigende Einwirkungen, die sich möglicherweise dadurch ergeben haben, dass dem Kläger bei
den Untersuchungen erhobene, behandlungsbedürftige Befunde nicht rechtzeitig mitgeteilt worden seien. Die ärztliche Musterungsuntersuchung
diene dem Allgemeininteresse, dass zum Wehrdienst nur körperlich und geistig Taugliche herangezogen werden, sowie dem Interesse
des Nichttauglichen, vor Gesundheitsschäden als Folge des Wehrdienstes bewahrt zu werden. Dabei gehe das staatliche Interesse
auch dahin, solchen Wehrpflichtigen, die bei der Musterung infolge einer behandlungsbedürftigen Krankheit vorübergehend nicht
wehrdienstfähig seien (§ 8a Abs. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 1, § 17 des Wehrpflichtgesetzes), Gelegenheit zu geben, ihren Gesundheitszustand bis zu einer erneuten Musterungsuntersuchung wiederherzustellen. Dementsprechend
obliege es den mit der Musterung befassten Ärzten, den Wehrpflichtigen auf behandlungsbedürftige Befunde hinzuweisen. Eine
derartige Unterrichtung sei in den Bestimmungen des Bundesministeriums der Verteidigung für die Durchführung der ärztlichen
Untersuchung bei Musterung und Diensteintritt von Wehrpflichtigen, Annahme und Einstellung von freiwilligen Bewerbern sowie
bei der Entlassung von Soldaten (ZDv 46/1) für das so genannte Abschlussgespräch ausdrücklich vorgesehen (Nr. 274). Je nach
der Art der erhobenen Befunde und dem Ablauf der Musterungsuntersuchung könne auch eine vorherige (gegebenenfalls vorläufige)
Information des Wehrpflichtigen durch den Arzt erforderlich sein. Je schwerwiegender die Befunde und je dringender die Behandlungsbedürftigkeit,
desto schnelleres Handeln sei geboten. Allerdings gehöre es nicht zu den Pflichten der Musterungsärzte, in dieser Eigenschaft
erkrankte Wehrpflichtige selbst zu behandeln. Insoweit bestehe ein deutlicher Unterschied zur truppenärztlichen Behandlung
von Soldaten. Nach diesen Grundsätzen komme hier ein erster Hinweis auf einen auffälligen Urinbefund bereits am 30. Oktober
1996 bei der Einbestellung des Klägers zu einer Kontrolluntersuchung in Betracht. Dies gelte erst recht bei der Überweisung
des Klägers an das Bundeswehrkrankenhaus, nachdem am 28. November 1996 der Befund erneut auffällig gewesen sei. Auch die Befundungen
am 17. und 19. Dezember 1996 könnten Veranlassung zu entsprechenden - unverzüglichen - Mitteilungen an den Kläger gegeben
haben. Da das Landessozialgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, welche Informationen der Kläger bei diesen Gelegenheiten
jeweils über seinen Gesundheitszustand erhalten habe, vermöge der erkennende Senat nicht zu entscheiden, ob insoweit pflichtwidrige
Unterlassungen vorgelegen hätten. Erst recht lasse sich gegenwärtig nicht beurteilen, ob dadurch der Verlauf des Nierenleidens
des Klägers wesentlich beeinflusst worden sei.
Der nach Zurückverweisung zuständige Senat hat beim Kreiswehrersatzamt die den Kläger betreffenden Gesundheitsunterlagen beigezogen.
Die Bundesrepublik Deutschland, beigeladen durch Beschluss der ehemaligen Berichterstatterin des Senats vom 18. Dezember 2008
in der Fassung des Änderungsbeschlusses des Berichterstatters vom 26. Juli 2013, hat mit Schriftsatz vom 2. September 2008
unter anderem erklärt, dass die Personalakte des Klägers vernichtet worden sei. Eine Aktenanforderung bei der Staatsanwaltschaft
B (Az.: ...) blieb ebenfalls erfolglos, weil die Akten nicht mehr existent seien (Schreiben der Staatsanwaltschaft B vom 16.
September 2008).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27. November 2008 hat der Senat den Kläger persönlich angehört sowie
die Ärzte R und Dr. K als Zeugen vernommen. Im Anschluss an diesen Termin hat der Senat bei der B, der Krankenkasse des Klägers,
ein Vorerkrankungsverzeichnis ab Geburt/Versicherungsbeginn, eine Liste der bis 1997 konsultierten Ärzte und ein Verzeichnis
über die Arbeitsunfähigkeitszeiten bis Frühjahr 1997 angefordert. Die B hat mit Schreiben vom 12. Januar 2009 erklärt, Arbeitsunfähigkeitszeiten
seien nicht gespeichert worden, da der Kläger bis zum 31. Dezember 2002 familienversichert ohne Krankengeldanspruch gewesen
sei. Im Übrigen hat sie Krankenhausbehandlungen zwischen März 1997 und Oktober 2002 mitgeteilt. Der Senat hat weiter Befundberichte
bei den Fachärztinnen für Innere Medizin und Nephrologinnen Dr. H vom 10. Februar 2009 und W vom 6. Februar 2009 eingeholt.
Mit Schreiben vom 21. April 2009 hat der Kläger auf Anfrage des Senats mitgeteilt, ihm sei als behandelnder Arzt vor Bekanntwerden
seiner Nierenerkrankung nur sein zwischenzeitlich verstorbener Kinderarzt bekannt. Dessen Praxisnachfolger Dres. F und U haben
auf Anforderung des Senats mit Schreiben vom 6. Mai 2009 erklärt, Akten über den Kläger lägen ihnen nicht vor.
Der Senat hat ein internistisches Gutachten nach Aktenlage bei dem Facharzt für Innere Medizin und Nephrologen und Hypertensiologen
Prof. Dr. S vom 5. November 2009 eingeholt. Dieser hat erklärt, bei dem Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:
- chronische Niereninsuffizienz, Stadium III bei Zustand nach Nierentransplantation 1998 (Lebendnierentransplantation),
- renale Hypertonie, medikamentös gut eingestellt,
- renale Anämie,
- metabolische Azidose,
- Hyperurikämie, asymptomatisch,
- Refluxösophagitis bei Hiatusgleithernie,
- Mitralklappenprolaps, klinisch asymptomatisch.
Bei dem Kläger habe zum Zeitpunkt der Musterungsuntersuchung am 30. Oktober 1996 eine Nierenerkrankung mit einer Proteinurie
von 100 mg/dl und einer Erythrozyturie von 50 Mpt/l vorgelegen. Bei einer Kontrolluntersuchung am gleichen Tag sei eine Proteinurie
von 500 mg/dl festgestellt worden; dies habe sich bei einer weiteren Untersuchung am 28. November 1996 bestätigt (Proteinurie
500 mg/dl, Erythrozyturie von 20 Mpt/l). Der Befund sei dringend verdächtig auf das Vorliegen einer Glomerulonephritis, die
Serum-Kreatininkonzentration sei im Rahmen der Musterungsuntersuchungen nicht bestimmt worden. Bei einer Vorstellung im Bundeswehrkrankenhaus
am 19. Dezember 1996 sei eine Serum-Kreatininkonzentration von 211 µmol/l ermittelt worden (entsprechend 2,38 mg/dl). Der
Befund spreche für eine ausgeprägte renale Schädigung mit Reduktion der Nierenfunktion auf circa 40 Prozent der Norm (Niereninsuffizienz,
Stadium III). Die im Bundeswehrkrankenhaus ergänzend durchgeführten Untersuchungen (Infusionsurogramm, Tomographie der Nieren,
Abdomensonographie) hätten - abgesehen von einer verminderten Kontrastierung der Nieren, die auf der zum damaligen Zeitpunkt
schon bestehenden renalen Funktionseinschränkung beruhe, - keinen pathologischen Befund ergeben. Insbesondere habe sich kein
Anhalt für eine urologische Erkrankung ergeben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe eine Indikation für eine möglichst rasche
Durchführung einer Nierenbiopsie bestanden. Die Proteinurie habe zu diesem Zeitpunkt mindestens 7,5g/d (500 mg/dl bei einer
postulierten Diurese von 1,5 l) betragen. Da der Stixbefund im Urin keine Konzentrationsangaben über 500 mg/dl zulasse, könnte
die Proteinurie auch wesentlich größer gewesen sein. In jedem Fall habe eine nephrotische Proteinurie vorgelegen. Der Kläger
sei zu dem Zeitpunkt nicht nur dem Risiko einer raschen Verschlechterung der Nierenfunktion ausgesetzt gewesen, sondern auch
den Komplikationen eines nephrotischen Syndroms. Diese bestünden unter anderem in dem Verlust von Immunglobulinen und Albumin,
einer Hypolipoproteinämie sowie dem Verlust antikoagulatorisch wirkender Serumproteine. Zur Abklärung des Befundes hätte spätestens
zu diesem Zeitpunkt eine Nierenbiopsie erfolgen müssen. Nur die genaue Kenntnis des histologischen Befundes ermögliche eine
effektive Therapie mit dem Ziel einer Stabilisierung der Nierenfunktion und einer Reduktion der Proteinurie. Die Behandlungsbedürftigkeit
sei für mit nephrologischen Krankheitsbildern erfahrene Ärzte erkennbar gewesen. Eine Proteinurie dieses Ausmaßes sowie der
nachgewiesenen Dauer von mindestens vier Wochen erfordere eine bioptische Abklärung. Die entsprechende Diagnostik hätte möglichst
kurzfristig nach dem 28. November 1996 veranlasst werden müssen. Der Verlauf der Erkrankung sei durch die verspätete und unzureichende
Unterrichtung des Klägers wesentlich beeinflusst worden, da aufgrund der raschen Progredienz der Erkrankung bis März 1997
keine Möglichkeit für eine kausale Therapie mehr bestanden habe, die den Krankheitsverlauf hätte beeinflussen können. Aus
diesem Grund sei zu diesem Zeitpunkt auch keine Nierenbiopsie mehr durchgeführt worden. Für eine rasche Verschlechterung der
Nierenfunktion zwischen November/Dezember 1996 und März 1997 sprächen folgende Befunde:
1. Normaler Blutdruck bei der Musterungsuntersuchung am 30. Oktober 1996.
2. Das Fehlen einer renalen Anämie (Befund vom 19. Dezember 1996: Hb 9,19 mmol/l, Hkt 43 Prozent, Erythrozyten 4,87 Tpt/l).
3. Das Fehlen einer Hypokalziämie (Befund vom 19. Dezember 1996: Kalzium 2,34 mmol/l).
4. Die Ergebnisse von Nierensonographie und Ausscheidungsurogramm (Befunde vom 17. (?) und 19. Dezember 1996), die Nieren
von normaler Größe und Form mit glatten Randkonturen und normalem Parenchym-Pyeloindex erbracht hätten.
Bei einer schon im Dezember 1996 lange bestehenden, fortgeschrittenen Niereninsuffizienz hätten diese Befunde nicht erhoben
werden können. In der Zusammenschau aller Befunde werde ersichtlich, dass es sich um eine rasch progrediente Erkrankung gehandelt
habe, welche die klinischen und laborchemischen Kriterien einer rapid progressiven Glomerulonephritis erfülle, das heiße eine
Abnahme der GFR um ≥50 Prozent in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten. In diesem Zusammenhang könne nicht unerwähnt bleiben,
dass die Verabreichung von Kontrastmitteln im Rahmen der Röntgenuntersuchung am 19. Dezember 1996 zu einer weiteren Verschlechterung
der Nierenfunktion beigetragen haben könnte. Die mit der Musterung befassten Ärzte hätten sich bei der Unterrichtung des Klägers
über das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung nicht entsprechend den Bestimmungen des Bundesministeriums der
Verteidigung verhalten. Schon der zweimalige Nachweis einer Proteinurie von 100 und 500 mg/dl am 13. (gemeint 30.) Oktober
1996 habe für das Vorliegen einer schwerwiegenden Nierenerkrankung gesprochen. Der Kläger sei zu diesem Zeitpunkt über das
Vorliegen eines auffälligen Urinbefundes unterrichtet worden, ohne jedoch - soweit aus den Akten ersichtlich - auf die Schwere
des Befundes hingewiesen worden zu sein. Ein zuwartendes Verhalten bis zur nächsten Kontrolle am 28. November 1996 sei medizinisch
gerechtfertigt gewesen, spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte jedoch aufgrund einer fehlenden Besserung des Befundes eine eingehende
Information und die Empfehlung zu einer raschen nephrologischen Behandlung erfolgen müssen. Somit habe zum Zeitpunkt der ersten
Musterungsuntersuchung am 13. (gemeint 30.) Oktober 1996 bereits eine renale Schädigung bei dem Kläger vorgelegen. Da nach
den Untersuchungen nur eine diskrete oder gar keine Mikrohämaturie bestanden habe, könne eine Blutung als Ursache der vorliegenden
Proteinurie ausgeschlossen werden. Der Befund habe daher zum damaligen Zeitpunkt für das Vorliegen einer Glomerulonephritis
gesprochen, ohne dass über den weiteren Verlauf Aussagen hätten getroffen werden können. Der Kläger sei mindestens seit der
stationären Aufnahme im V-Krankenhaus am 18. März 1997 bis zum Eintritt der Heilungsbewährung zwei Jahre nach der Nierentransplantation
am 29. September 1998 arbeitsunfähig gewesen. Behandlungsbedürftig sei der Kläger auch seitdem. Der Grad der Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) habe ab Eintritt des Versicherungsfalls bis zum 29. September 2000 100 v. H. betragen. Nach Wiedereintritt
der Arbeitsfähigkeit betrage der Grad der MdE 40 v. H., welcher bedingt sei durch die eingeschränkte Transplantatfunktion
(Kreatinin 2,55 mg/dl), eine leichte renale Anämie (Hb 12,0 mg/dl, Hkt 34,9 Prozent) sowie einen medikamentös eingestellten
Bluthochdruck. Aufgrund des stabilen Verlaufs der Transplantatfunktion sei davon auszugehen, dass der Grad der MdE in gleicher
Höhe auch mittelfristig fortbestehen werde.
Zu dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S hat die Beigeladene mit Schriftsatz vom 28. Januar 2010 umfangreich Stellung
genommen und eine ärztliche Stellungnahme des Arztes Dr. P vom 15. Januar 2010 übermittelt. Der Beklagte hat eine fachurologische
Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie und Urologie Dr. B vom 19. März 2010 zu den Akten gereicht.
Der Senat hat ein fachnephrologisches Gutachten nach Aktenlage bei dem Facharzt für Innere Medizin/Nephrologie Priv. Doz.
Dr. B vom 25. Mai 2011 eingeholt, der Folgendes ausgeführt hat:
Bei dem Kläger bestehe seit März 1997 eine terminale dialysepflichtige Nierenschwäche. Im Oktober 1996 habe eine Glomerulonephritis
mit Ausscheidung von Blut und einer nicht genau quantifizierten Menge Eiweiß im Urin bestanden. Die Akuität dieser Glomerulonephritis
lasse sich kaum beurteilen. Für einen akuten Verlauf spreche, dass bereits vier Monate später Dialysepflichtigkeit bestanden
habe, für die chronische Form hingegen, dass der Kläger über keine Symptome geklagt und das Herz bereits eine durch Hochdruck
und Nierenschaden bedingte Vergrößerung aufgewiesen habe und Störungen des Mineralstoffwechsels vorgelegen hätten, die mit
chronischen Formen von Nierenerkrankungen assoziiert seien. Die Ursachen von Glomerulonephritiden mit Eiweißverlust seien
mannigfaltig und beinhalteten unter anderem so genannte immunologische Nierenerkrankungen (Vaskulitis, Lupus erythemadodes,
IgA-Nephropathie), Speicherkrankheiten wie zum Beispiel Proteinfehlbildungsstörungen und vaskuläre Ursachen wie zum Beispiel
Diabetes- und Hochdruckschäden. Unter heutigen Bedingungen werde die Ursache in einer Konstellation wie der vorliegenden üblicherweise
durch eine Nierenbiopsie ermittelt. Dies sei vorliegend aber erschwert gewesen, da zum Zeitpunkt des Erstkontaktes mit Fachärzten
für Nephrologie schon Dialysepflichtigkeit vorgelegen habe und der Blutdruck deutlich erhöht gewesen sei, so dass die Biopsie
als zu riskant angesehen worden sei, wobei zum damaligen Zeitpunkt die Indikation zur Nierenbiopsie auch weniger offensiv
gestellt worden sei als heute. Von den nephrologischen Behandlern im V-Klinikum sei im März 1997 am ehesten eine IgA-Nephropathie
vermutet worden, welche die Nierengefäßknäuel (Glomerula) irreversibel durch immunologisch vermittelte Ablagerung von Immunglobulin
A schädige. Als Differentialdiagnose kämen andere chronische Nierenerkrankungen wie die im nephrologischen Bericht angesprochene
Nephrosklerose (Nierenschaden durch exzessiven Bluthochdruck), aber auch akute Glomerulonephritiden in Betracht, vor allem
eine so genannte ANCA-Vaskulitis, bei der die Glomerula ebenfalls zerstört würden, dies aber durch plötzlich auftretende zirkulierende
Autoantikörper, die aus Blutzellen stammten und einer therapeutischen Beeinflussung besser zugänglich seien.
Befragt zu dem Verhalten der mit der Musterung des Klägers befassten Ärzte hat der Sachverständige ausgeführt, dass ein -
zumal junger - Patient bei dem zufälligen Nachweis von roten Blutkörperchen im Urin und einer Eiweißausscheidung (hier erstmalig
festgestellt am 30. Oktober 1996), der nicht mit Symptomen verbunden sei, einer fachärztlichen Untersuchung der Nierenfunktion
zugeführt werden sollte, wenn sich - wie hier am 28. November 1996 - der Urinbefund in einer Kontrolle bestätige. Die allgemeine
ärztliche Vorgehensweise sei dann eine Überweisung zum Facharzt für Innere Medizin/Nephrologie oder hilfsweise zum Facharzt
für Urologie, was vorliegend zum 17. Dezember 1996 realisiert und in der richtigen Verdachtsdiagnose am 18. Dezember 1996
dokumentiert worden sei. Es finde sich dann am 19. Dezember 1996 ein Laborbefund des Blutes mit einer deutlichen, etwa dreifach
verschlechterten Verminderung der Nierenfunktion, das heißt einem erhöhten Serumkreatininwert von 211 mmol/l. Außerdem sei
eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt worden, in der ein Verdacht auf Nierensteine rechts geäußert worden sei, die ebenfalls
die Blutausscheidung, weniger die Funktionsverschlechterung und den Eiweißverlust erklärt hätten. Die weiter durchgeführte
Kontrastmitteluntersuchung der Nieren sei zumindest aus heutiger Sicht nicht fachgerecht gewesen, weil das jodhaltige Kontrastmittel
die Nierenschwäche weiter verschlimmert habe. Allerdings seien die Erkenntnisse zur kontrastmittelbedingten Nierenschädigung
1997 noch nicht derart systematisch vorhanden - und Fachärzten für Urologie sicher noch weniger zugänglich - gewesen wie heute.
Sei das Verhalten des Musterungsarztes zunächst adäquat gewesen, so hätte der Kläger mit Aussprechen der Verdachtsdiagnose
"Glomerulonephritis" am 18. oder 19. Dezember 1996 im Bundeswehrkrankenhaus in einer allgemeininternistischen Betrachtungsweise
dringend - innerhalb weniger Tage - zu einem Spezialisten, hier einem Facharzt für Nephrologie, überwiesen werden müssen.
Die Vorstellung beim Nephrologen sei demnach statt idealerweise im Dezember 1996 erst im März 1997 erfolgt. Der Sachverständige
schlägt für eine denkbare Verteilung der Verantwortlichkeiten insoweit folgende Betrachtungsweise vor: Auf die Ärzte des Bundeswehrkrankenhauses
entfielen vier bis fünf Wochen - nämlich bis Ende Januar 1997. Eine analoge Beurteilung einer Einrichtung des allgemeinen
Gesundheitswesens würde diesen Zeitraum als Versäumnis erscheinen lassen. Weitere Verzögerungen seien dem Kläger insoweit
anzulasten, als sich dieser auf das Schreiben vom 31. Januar 1997 nur zögerlich in fachärztliche Behandlung begehen habe.
Ob die Formulierung in dem Schreiben vom 31. Januar 1997 wegen fehlenden Hinweises auf die Dringlichkeit als pflichtwidrig
anzusehen sei und ob sich der Kläger bei anderer Formulierung in diesem Schreiben schneller in fachärztliche Behandlung begeben
hätte, sei medizinisch nicht zu beurteilen.
Zur Frage der Beeinflussbarkeit der Erkrankung hat der Sachverständige Folgendes ausgeführt: Maßgeblich sei die nephrologische
Grunddiagnose. Insoweit sei eine IgA-Nephropathie - etwa bioptisch - nicht gesichert worden, wenn auch der Verdacht auf eine
solche gestützt werde durch epidemiologische Daten (die IgA-Nephropathie sei die häufigste glomeruläre Nierenerkrankung bei
Patienten im Alter des Klägers) sowie das hier vorliegende typische gleichzeitige Auftreten einer Erkältung. Laboruntersuchungen
im Hinblick auf denkbare Differentialdiagnosen seien zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich nicht durchgeführt worden. Innerhalb
der hier möglicherweise vorliegenden IgA-Nephropathie gebe es nun zwei Verlaufsformen, eine gutartige, die nie zur Dialyse
führe, mit hohem Blutdruck einhergehe und nur durch krankhafte Urinbefunde auffalle. Die vorliegend möglicherweise bestehende
progrediente Form sei durch sich verschlechternde Nierenfunktion und hohen Blutdruck zusätzlich zu den Urinbefunden gekennzeichnet.
Beides habe hier ausweislich des nephrologischen Abschlussberichtes des V-Klinikums vorgelegen, der hohe Blutdruck habe sogar
die wünschenswerte Nierenbiopsie verhindert. Die aus heutiger Sicht wichtigste Differentialdiagnose sei eine ANCA-assoziierte
Vaskulitis, bei der die Schädigung des renalen Gefässknäuels durch zirkulierende Antikörper erfolge, die aus pathologisch
aktivierten Blutzellen stammten. Diese Antikörper könnten in ihrer Entstehung gehemmt werden, weshalb der wichtigste Unterschied
zur IgA-Nephropathie die bessere therapeutische Beeinflussbarkeit sei. Generell gelte, dass die Chance der therapeutischen
Beeinflussbarkeit umso besser sei, je akuter der Krankheitsverlauf sei. Der Verlauf sei vorliegend für eine IgA-Nephropathie
ungewöhnlich akut, was hier mehr für das Vorliegen einer ANCA-Vaskulitis spreche. Sollte bei dem Kläger eine IgA-Nephropathie
vorgelegen haben, müssten auch bereits Monate, eventuell Jahre vorher eine Blutdruckerhöhung, Blutausscheidung und eingeschränkte
Nierenfunktion vorgelegen habe. Die dann als sicher anzunehmende IgA-Nephropathie sei grundsätzlich schwer therapeutisch zu
beeinflussen, eine Heilung gelinge nicht, schon gar nicht in dem auch schon im November 1996 anzunehmenden fortgeschrittenen
Stadium. Aus damaliger und noch mehr heutiger Sicht sei eine effektive Blutdruckregulierung mit so genannten ACE-Hemmern zu
fordern. Eine maximale Blutdrucksenkung mit ACE-Hemmern hätte die Dialysepflichtigkeit vielleicht im Bereich von Monaten später
eintreten lassen, eine Heilung sei aber nicht möglich gewesen. Für über die genannte Therapie hinausgehende heilende Maßnahmen
seien die Grade der Empfehlungen damals und heute schwächer, zum damaligen Zeitpunkt habe es keine durch harte wissenschaftliche
Evidenz belegten Empfehlungen gegeben. Dementsprechend könne bei der IgA-Nephropathie nicht angenommen werden, dass bei einem
wünschenswerten schnellerem Handeln der Bundeswehrärzte die Dialysepflichtigkeit auch nur mittelfristig hätte verhindert werden
können. Bei der ANCA-Vaskulitis sei dies anders zu beurteilen. Hier bestünde unter immunsupressiver Therapie, die auch schon
1996 bekannt gewesen sei, die Chance, den Krankheitsverlauf wesentlich aufzuhalten und bei circa 50 Prozent aller Patienten
auch zurückzuführen. Im Hinblick auf die bereits genannte Akuitätsregel gelte vorliegend bei einer Nierenfunktion von 40 Prozent
im November 1996, dass bei Vorliegen einer ANCA-Vaskulitis eine geeignete Therapie Ende 1996 mit vielleicht 50-prozentiger
Wahrscheinlichkeit eine Verlängerung des Nierenüberlebens um Monate bis Jahre gebracht hätte. Auch bei dieser Erkrankung sei
aber eine Heilung nicht möglich. Demgemäß wäre der Dialyseeintritt vorliegend nur verzögert, nicht aber verhindert worden.
Unter Berücksichtigung einer Studie hat der Sachverständige ausgeführt, dass etwa 80 bis 90 Prozent der Patienten unter der
damals üblichen immunsupressiven Therapie eine Remission erreicht hätten, das heißt dialysefrei geblieben seien. Diese Remissionsrate
übersetze sich vielleicht in ein renales Überleben von 50 Prozent nach fünf Jahren, das heißt die Hälfte der so behandelten
Patienten sei nach fünf Jahren noch nicht dialysepflichtig.
Bezogen auf den Kläger hat der Sachverständige Priv. Doz. Dr. B dargelegt, die Frage, ob die Möglichkeit einer Remission bestanden
und wie lange diese angehalten hätte, hänge bei Annahme einer ANCA-Vaskulitis von Begleitfaktoren wie Blutdruck und Ausmaß
der Proteinurie ab. Exzessive Blutdruckerhöhungen seien bei dem Kläger nicht dokumentiert, die Eiweißausscheidung nur qualitativ
im Streifentest sehr deutlich erhöht gewesen. Damals wie heute hätten 50 bis 80 Prozent der behandelten Patienten eine Verlängerung
der Dialysefreiheit um ein bis drei Jahre erreichen können, wobei auch in dieser Zeit eine gleichzeitig konservative und medikamentöse
Dauerbehandlung erforderlich sei. Sollte bei dem Kläger eine IgA-Nephropathie vorgelegen haben, hätte eine therapeutische
Intervention den Dialyseeintritt günstigenfalls um ein halbes Jahr aufschieben können.
Den Grad der MdE hat der Sachverständige während der Dialysepflichtigkeit mit 100 v. H. bewertet, im Übrigen betrage er für
die Dauer der Nierentransplantation je nach funktionellem Erfolg zwischen 0 und 100 v. H. Jedenfalls für die Gegenwart wäre
insoweit eine persönliche Begutachtung des Klägers erforderlich.
Abschließend hat der Sachverständige angeregt, Bemühungen zu unternehmen, die Grunddiagnose zu sichern. Dies sei in manchen
Fällen durch die histologische Untersuchung der Biopsieprobe eines Nierentransplantates möglich. Außerdem sollte versucht
werden, bei vorbetreuenden Ärzten Informationen über die Nierenfunktion und den Blutdruck vor 1996 zu erhalten; hätten etwa
im Jahr 1995 insoweit normale Werte vorgelegen, müsse ein rapid-progressiver Verlauf, meist die ANCA-Vaskulitis unterstellt
werden. Andernfalls müsse von einer IgA-Nephropathie ausgegangen werden.
Die Beteiligten haben zu dem Gutachten des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B jeweils Stellung genommen. Die Beigeladene hat
erklärt, das Gutachten für nachvollziehbar zu halten. Allerdings sei der Ausschluss einer ANCA-Vaskulitis bereits durch das
V-Klinikum anlässlich der stationären Behandlung des Klägers ab März 1997 erfolgt. Nach dem diesbezüglichen Entlassungsbericht
sei anlässlich einer Spezialuntersuchung das Vorliegen maßgeblicher Antikörper laborchemisch ausgeschlossen worden. Der Kläger
meint, es gehe nicht zu seinen Lasten, dass die genaue Grunddiagnose nicht mehr sicher gestellt werden könne. Ebenso gehe
es zu Lasten des Beklagten, wenn nunmehr Beweismittel nicht mehr erhoben werden könnten. Die Verzögerung der Untersuchung
am 28. statt bereits am 19. November 1996 sei ihm wegen seines Infekts nicht anzulasten. Aus dem Schreiben des Kreiswehrersatzamtes
vom 31. Januar 1997 habe sich die Eilbedürftigkeit einer weiteren ärztlichen Behandlung nicht ergeben. Der Beklagte hat angeregt,
Informationen zu Blutdruck und Nierenwerten vor 1996 zu erhalten.
Der Senat hat eine Anfrage an den nach Angaben des Klägers in den Jahren 1994 bis 1996 ihn behandelnden Arzt Dr. S gerichtet.
Am 8. März 2012 hat dessen Praxisnachfolger Dr. H erklärt, Unterlagen für den Kläger seien nicht mehr vorhanden.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B eingeholt. In dieser Stellungnahme vom 9.
Mai 2012 hat der Sachverständige erklärt, eine Untersuchung von Nierenbiopsieproben sei nicht nötig. Ausweislich eines Arztbriefes
vom 17. Januar 2002 habe im Nierentransplantat kein Rezidiv einer IgA-Nephropathie vorgelegen. Da die Häufigkeit des Wiederauftretens
einer IgA-Nephropathie aber nur bei 30 bis 50 Prozent liege, sei damit nicht ausgeschlossen, dass der Kläger an einer IgA-Nephropathie
erkrankt gewesen sei. In dem von der Beigeladenen angesprochenen Arztbrief vom 12. Mai 1997 seien aber Laboruntersuchungen
zur immunologischen Reaktivität von weißen Blutzellen erwähnt, die die erwogene ANCA-Vaskulitis hier mit einer Wahrscheinlichkeit
von 80 bis 90 Prozent ausschließe. Damit sei das Vorliegen einer IgA-Nephropathie vorliegend am wahrscheinlichsten.
Auf Antrag des Klägers gemäß §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) hat der Senat ein fachnephrologisches Sachverständigengutachten bei der Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologin W
vom 9. November 2012 nach Aktenlage eingeholt, die zu folgender Einschätzung gelangt ist:
Der Kläger sei weder rechtzeitig noch angemessen über seine Gesundheitsstörungen und die möglichen Konsequenzen derselben
aufgeklärt worden. Die hier entscheidende Gesundheitsstörung sei der laborchemisch durch eine Blutentnahme vom 19. Dezember
1996 eindeutig nachgewiesene Befund einer Nierenfunktionseinschränkung des Klägers. Da die obere Normgrenze des Kreatininwertes
um mehr als das Doppelte überschritten worden sei, sei zweifelsfrei die Niereninsuffizienz bewiesen. Ein derartiges Ausmaß
einer Nierenfunktionseinschränkung sei ein seltener Befund und keinesfalls mit einem Infekt erklärbar, welcher beim Kläger
ohnehin bereits abgeklungen gewesen sei. Eine zweifelsfrei vorliegende Einschränkung der Funktion eines lebenswichtigen Organs
bei einem jungen Erwachsenen bedeute eine ernsthafte Erkrankung und sei unbedingt schnellstmöglich abzuklären. Bei einer Nierenfunktionseinschränkung
müsse umgehend das Vorliegen einer rapid-progressiven Glomerulonephritis per Nierenbiopsie nachgewiesen oder ausgeschlossen
werden, da bei diesem Krankheitsbild im schlimmsten Fall unbehandelt innerhalb von wenigen Tagen ein irreversibler Verlust
der Nierenfunktion eintreten könne. Die mündlichen und schriftlichen Informationen an den Kläger aus dem Zeitraum vom 30.
Oktober 1996 bis 31. Januar 1997 entsprächen nicht der sich dadurch ergebenden Dringlichkeit. Die Formulierung "Hinweise auf
eine Gesundheitsstörung" sei euphemistisch, mangels einer Wortwahl wie dringlich, umgehend oder ähnliches sei keinesfalls
die Notwendigkeit schnellen Handelns vermittelt worden. Weder Feiertage, noch Urlaub oder eine personelle Umstrukturierung
einer Abteilung rechtfertigten eine über wenige Tage hinausgehende Verzögerung einer solchen Befundübermittlung an den Zuweiser
und/oder den Betroffenen. Der Befund sei dem Kreiswehrersatzamt nicht nur nicht mitgeteilt worden, sondern es sei seitens
des Bundeswehrkrankenhauses im Januar 1997 fälschlicherweise behauptet worden, der Kläger sei im Dezember 1996 nicht zu den
vereinbarten Untersuchungen erschienen.
Zur Diagnosestellung und der Erkennbarkeit der Dringlichkeit der hier in Rede stehenden Diagnose hat die Sachverständige erklärt,
beim gesunden Menschen würden über die Nieren pro Tag allenfalls Spuren von Eiweiß abgegeben (im Stix negativ bis maximal
+ entsprechend 50 mg/dl; im Sammelurin quantifizierte Grenze: 150 mg/dl). Jede darüber hinausgehende Eiweißausscheidung sei
ein krankhafter, abklärungsbedürftiger Befund, der eine Nierenschädigung und -erkrankung beweise. Wenn die Eiweißausscheidung
die Grenze von 3000 mg/dl überschreite, liege eine sogenannte große Proteinurie vor. Eine schwere Schädigung der Nieren sei
damit nachgewiesen und eine Glomerulonephritis sehr wahrscheinlich. Spätestens mit dem Nachweis der eingeschränkten Nierenfunktion
hätten die einbezogenen Ärzte die nahezu notfallmäßige Behandlungsbedürftigkeit und Dringlichkeit der Erkrankung des Klägers
erkennen können und müssen. Es fehle nach dem 19. Dezember 1996 jede Dokumentation über das weitere Vorgehen bezüglich des
Befundes der Nierenfunktionseinschränkung. Nach Zeugenaussage des Stabsarztes R hätte am selben Tag in der Urologie eine Kenntnisnahme
und Bewertung des Befundes erfolgen müssen, die üblicherweise durch ein Arztkürzel auf dem Befund dokumentiert werde. Diese
Dokumentation fehle. Drei Monate seien vergangen, in denen eine Anfrage des Kreiswehrersatzamtes fälschlicherweise dahingehend
beantwortet worden sei, der Kläger sei nicht im Bundeswehrkrankenhaus erschienen. Es sei völlig unklar, wo oder bei wem/von
wem die Befunde in dieser Zeit gelagert worden seien und warum der normale Ablauf nicht eingehalten worden sei. Erst mit Datum
24. März 1997 sei ein schriftlicher Befund des Bundeswehrkrankenhauses unter Würdigung aller Ergebnisse dokumentiert. Laut
der Zeugenaussage von Dr. K sei dieser Befund wohl als Folge der Anfrage von Dr. H erstellt worden. Die Sichtung der Literatur,
die bis 1989 zurückreiche und Veröffentlichungen aus unterschiedlichen, auch nicht-nephrologischen Zeitschriften berücksichtige,
belege, dass es der damalige wissenschaftliche Kenntnisstand den beteiligten Ärzten ermöglicht habe, die Behandlungsbedürftigkeit
und -dringlichkeit zu erkennen. Hinsichtlich der Kontrastmittelgabe könne anhand der Literatur belegt werden, dass Kenntnis
über die Nephrotoxizität insbesondere bei Radiologen schon deutlich vor 1996 vorgelegen habe. Es wäre die Pflicht der untersuchenden
Ärzte gewesen, vor der Kontrastmittelgabe den Kreatininwert in Erfahrung zu bringen und diesen im schriftlichen Befund zur
Rechtfertigung in absoluten Zahlen zu dokumentieren. Die Dringlichkeit der Diagnostik habe bereits im November 1996 mit dem
bestätigten Nachweis der hochpathologischen Urinbefunde, spätestens am 19. Dezember 1996 mit dem Nachweis der Nierenfunktionseinschränkung
erkannt werden können und müssen. Wäre im November oder Dezember 1996 durch eine Nierenbiopsie eine präzise Diagnose der Erkrankung
des Kläger gestellt worden, hätte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit durch eine gezielte Behandlung eine Stabilisierung der
(eingeschränkten) Nierenfunktion über Jahre oder Jahrzehnte erreicht werden können. Der Kläger wäre nicht oder deutlich später
dialysepflichtig geworden. Eine Nierentransplantation durch die Spende der Mutter wäre nicht erforderlich gewesen. Eine Heilung,
das heißt eine Normalisierung der Nierenfunktion, wäre vermutlich nicht erreicht worden, aber bereits die Verzögerung der
Dialyse sei für den Betroffenen wegen der Schwere der Erkrankung und der damit verbundenen Lebenseinschränkung mit gravierenden
medizinischen und psychosozialen Folgen auf Dauer mit einem hohen Wert der Lebensqualität verbunden. Der schnelle Verlauf
mit Verschlechterung des Kreatininwertes im Dezember 1996 von ca. 2,4 mg/dl auf 10 mg/dl im März 1997 belege, dass eine akute
Erkrankung vorgelegen habe, die behandelt eine sehr gute Prognose gehabt hätte. lm Gegensatz zu den internistischen und urologischen
Gutachtern, die den schnellen Verlauf als Hinweis auf die Unbeeinflussbarkeit der Erkrankung heranzögen, sei das Gegenteil
zutreffend: eine hochaktive Erkrankung sei im Gegensatz zu schleichenden Verlaufsformen gut therapierbar. Mit dem Nachweis
der terminalen Nierenfunktionseinschränkung (Stadium 5D) habe der Grad der MdE 100 v. H., nach Abschluss der Heilbewährung
40 v. H. entsprechend der aktuellen Transplantnierenfunktionseinschränkung betragen. Zu erwarten sei eine Verschlechterung
der Transplantatfunktion und eine Zunahme des Grades der MdE in den nächsten Jahren.
Zu dem Gutachten des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B hat die Sachverständige W ausgeführt, die Ausführungen zu dem anamnestischen
Hinweis auf eine seit drei Jahren bestehende Nierenerkrankung und die daraus gezogenen Schlüsse seien spekulativ, da weder
eine Nierenfunktionseinschränkung, noch eine Proteinurie in der Vergangenheit beim Kläger gesichert worden seien. Solange
keine eindeutigen Beweise für eine chronische Erkrankung bestünden, sei ein akuter Verlauf anzunehmen. Die Auffassung, dass
eine IgA-Nephritis die wahrscheinlichste Diagnose sei, könne nicht geteilt werden. Gegen das Vorliegen einer IgA-Nephritis
sprächen das geringe Alter des Klägers (Häufigkeitsgipfel: 3. bis 5. Lebensjahrzehnt) und der Verlauf mit der schnellen Verschlechterung
von Dezember 1996 bis März 1997. Dass eine fokale Sklerose ausgeschlossen sei, weil diese nicht mit einer Mikrohämaturie einhergehe,
treffe nicht zu, allenfalls sei die Form der Glomerulonephritis weniger wahrscheinlich. Dem Argument, dass nur eine sechswöchige
Verzögerung der Befundübermittlung bestünde, die unbedeutend sei, sei entgegenzuhalten, dass allenfalls eine Verzögerung von
Tagen akzeptabel gewesen wäre angesichts der Befunde und der Verdachtsdiagnose. Nicht zuletzt stehe die Aussage von Priv.
Doz. Dr. B zur IgA-Nephritis in der ergänzenden Stellungnahme im Widerspruch zu den Ausführungen im eigenen Gutachten vom
25. Juni 2011, Seite 7, wo sich Priv. Doz. Dr. B dahingehend festlege, dass der Verlauf für eine IgA-Nephropathie im Beobachtungszeitraum
ungewöhnlich akut sei und mehr für ANCA-Vaskulitis spreche. Weshalb eine "hilfsweise" Überweisung des Klägers an einen Urologen
ausreichend sei, da mit dem Verdacht auf eine Glomerulonephritis eine nephrologische Erkrankung abgeklärt werden sollte, sei
unverständlich. In B gebe es mindestens sieben stationäre nephrologische Abteilungen, davon 3 universitäre und über 20 ambulante
Einrichtungen; allein in einem Umkreis des Bundeswehrkrankenhauses von fünf Kilometern seien mindestens drei Nephrologen etabliert
und seien es auch schon 1996 gewesen.
Zusammenfassend hat die Sachverständige W ausgeführt, mit Literaturverweisen belegt sei gezeigt worden, dass ein Erkennen
der Nierenerkrankung und durch deren Behandlung eine Stabilisierung der Nierenfunktion auf dem Niveau von Dezember 1996 und
ein längerfristiges Vermeiden der Dialysepflicht und der Transplantation hätten erreicht werden können. Die Befunde des Klägers
von November/Dezember 1996 und der schnelle Verlauf ließen diesen Schluss zu. Anhand der Literatur werde belegt, dass etablierte
Therapien bereits 1996 zur Verfügung gestanden hätten. Eine pflichtgemäße angemessene Information des Klägers über seine Befunde
sei nicht erfolgt, eine Mitverantwortung des Klägers bezüglich der Verzögerung der Diagnose sei nicht gegeben. Die Anfertigung
einer kontrastmittelgestützten Röntgenaufnahme der Nieren und ableitenden Harnwege ohne vorherige Bestimmung der Nierenfunktion
und Dokumentation des Laborwertes im ärztlichen Befund hätte nicht erfolgen dürfen. Eine weitere Verschlechterung der schon
bestehenden Nierenfunktionseinschränkung könne durch die am 19. Dezember 1996 erfolgte Kontrastmittelgabe erfolgt sein.
Zu dem Gutachten der Sachverständigen W hat der Beklagte eine fachinternistische Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin
Dr. G vom 18. Dezember 2012 zu den Gerichtsakten gereicht.
Schließlich hat der Senat eine weitere ergänzende Stellungnahme bei dem Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B vom 25. März 2013
eingeholt. Dieser hat erklärt, an den getroffenen nephrologisch-gutachtlichen Stellungnahmen keine Änderungen vorzunehmen.
Dabei gehe es nach seiner Einschätzung nur in geringem Ausmaß um die Frage, ob die Diagnose schuldhaft verzögert worden sei.
Dies sei bedauerlicherweise der Fall und nur das Ausmaß der Verzögerung könne streitig sein. Ebenso sei die erfolgte Kontrastmittelverabreichung
als nicht sachgerecht zu bezeichnen und habe den Krankheitsverlauf mindestens vorübergehend ungünstig beeinflusst. Da er nach
seiner gutachtlichen Einschätzung der jeweiligen medizinischen Maßnahmen im Jahr 1996 gefragt worden sei, habe er jedoch darauf
hinweisen müssen, dass es zum damaligen Zeitpunkt noch keine formalisierte Leitlinie zum Kontrastmittelgebrauch bei Nierenschwäche
gegeben habe. Er stimme der Sachverständigen W jedoch zu, dass die Unterlassung der Kreatininmessung (Nierenfunktion) vor
Kontrastmittelgabe ein Versäumnis darstelle, welches auch 1996 bereits vielerorts anders gehandhabt worden sei. Hinsichtlich
der Auswirkungen der Verzögerungen sei aber ganz entscheidend, um welche Form der Nierenerkrankung es sich handele. Hier werde
von der Sachverständigen W offensichtlich mit Sicherheit eine behandelbare Erkrankung angenommen. Er möchte darauf hinweisen,
dass in seinem Gutachten keine endgültigen Diagnosestellungen erfolgt seien, sondern dass er mit Wahrscheinlichkeiten für
das Zutreffen der jeweiligen Diagnosen argumentiert habe. Der von der Sachverständigen W angemerkte Unterschied zwischen der
Einschätzung in seinem Gutachten und seiner Entgegnung vom 9. Mai 2012 beruhe darauf, dass er bei Gutachtenerstellung die
Negativität der so genannten Immunserologie nicht gekannt habe (ANCA-Werte). Diese seien etwas unglücklich getrennt vom sonstigen
Labor auf der letzten Seite des Arztbriefes der C vom März 1997 vermerkt und ihm beim ersten Aktenstudium entgangen. Kopien
von Originalbefunden hätten nicht vorgelegen und würden nicht vorliegen. Aus diesem Grunde habe er im Gutachten gestützt auf
den schnellen Verlauf die Wahrscheinlichkeit der ANCA-Vaskulitis (akute und behandelbare Erkrankung) als höher als die der
IgA-Nephropathie (chronische und nicht gut behandelbare Erkrankung) angesehen und diese initiale Einschätzung nach Hinweisen
auf die ANCA-Negativität im gerichtlichen Schreiben vom 30. April 2012 und in der Stellungnahme der Beigeladenen vom 15. August
2011 geändert. Denn wenn diese Antikörperbefunde tatsächlich negativ gewesen seien, sei eine ANCA-Vaskulitis mit 80- bis 90-prozentiger
Sicherheit auszuschließen. Es liege dann mit nächstfolgender Wahrscheinlichkeit eine (chronische, schlecht behandelbare) IgA-Nephropathie
vor, die (i) durchgängig von den behandelnden Ärzten der Abteilung Nephrologie des V-Klinikums (C) als am wahrscheinlichsten
angesehen worden sei und (ii) sichgut mit den weiteren Befunden eines chronischen Nierenschadens wie Linksherzvergrößerung
und Laborkennzeichen einer renalen Mineralstoffwechselstörung verbinden lasse. Diese Überlegungen seien - zumal bei fehlenden
Vorbefunden - übliche klinische Praxis und nicht "rein spekulativ" wie die Sachverständige W in ihrem Gutachten schreibe.
(iii) Ebenso wenig spekulativ sei der anamnestische Hinweis im Arztbrief der C auf eine schon vor drei Jahren bestehende Hypertonie.
Immerhin sei der Kläger damals im ärztlichen Aufnahmegespräch sicher gezielt danach befragt worden. Diese Information spiele
eine große Rolle, was jedem Arzt klar gewesen sein dürfte. Sie stütze das Vorliegen einer chronischen (Ende 1996 schon schlecht
behandelbaren) Nierenschädigung. Zu fragen wäre, warum bei Kenntnis dieses Befundes bei dem jungen Kläger nicht weitergehende
Untersuchungen auch schon Jahre vor der Musterung erfolgt seien.
Abschließend müsse nochmals darauf hingewiesen werden, dass auch die frühere Diagnose einer ANCA-Vaskulitis keinesfalls eine
Heilung, sondern bestenfalls ein verzögertes Fortschreiten bedeutet hätte mit einem Zeitgewinn bis zum Dialyseeintritt von
einigen Jahren. Eine dauerhafte die Abwehr schwächende Therapie wäre nötig gewesen und der Gesundheitszustand wäre chronisch
beeinträchtigt gewesen. Zusammenfassend könne eine 100-prozentig sichere Diagnose nicht rückblickend gestellt werden. Die
behandelbare ANCA-Vaskulitis sei mit einem negativen Antikörperbefund mit 80- bis 90-prozentiger Sicherheit auszuschließen.
Die nächst häufige Diagnose IgA-Nephropathie sei in dem vorgefundenen Stadium nicht mehr therapeutisch zu beeinflussen gewesen
im Hinblick auf eine Dialysevermeidung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Januar 2004 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. August 1999 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger gemäß den Vorschriften
des Soldatenversorgungsgesetzes in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz unter Anerkennung einer Niereninsuffizienz als Schädigungsfolge ab 1. August 1997 eine Beschädigtenrente nach dem Grad einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit/dem Grad der Schädigungsfolgen von 100 (v. H.) Versorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze
der Beteiligten nebst Anlagen und die Inhalte der Akte des BSG B 9/9a VS 2/05 R, der Versorgungsakte sowie der Schwerbehindertenakte Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der Bescheid des Beklagten vom 24.
August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenrente.
Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 80 SVG, wobei der Senat in Bezug auf die rechtlichen Grundlagen auf die im Tatbestand dargestellten Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 8. November 2007 Bezug nimmt. Ergänzend merkt der Senat an, dass auch § 80 SVG von einer Kette von Tatbestandsvoraussetzungen ausgeht, deren Glieder jeweils in kausaler Verknüpfung stehen müssen (vgl.
hierzu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. September 2009 - L 13 V 17/06 - juris). Das erste Glied sind das Unfallereignis oder andere mit dem Wehrdienst verbundene schädigende Umstände, das zweite
Glied die gesundheitliche Schädigung (Wehrdienstbeschädigung als Primärschaden), als drittes Glied stellt sich die Folge der
gesundheitlichen Schädigung (Schädigungsfolge) dar, also das Versorgungsleiden, dessen Feststellung ein Antragsteller durch
die Versorgungsverwaltung begehrt. Diese drei Glieder der Kausalkette bedürfen grundsätzlich des Vollbeweises. Nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen
Zusammenhangs. Die Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr
für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht, wobei lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs oder ein zeitlicher
Zusammenhang nicht genügen. Nach der im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist ferner zu beachten,
dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern beachtlich im vorgenannten
Sinne sind nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg
diesen wesentlich herbeigeführt haben (vgl. Urteil des Senats vom 29. Juni 2010 - L 11 VK 5/09 - juris).
Der Senat kann letztlich offenlassen, ob hier ein schädigendes Ereignis durch pflichtwidriges Unterlassen unverzüglicher und
gegebenenfalls mit dem gebotenen Hinweis auf die Dringlichkeit erteilter Mitteilungen der mit der Musterung befassten Ärzte
an den Kläger zu seinem Gesundheitszustand zu bejahen ist. Insoweit geht der Senat davon aus, dass ein pflichtwidriges Unterlassen
frühestens ab dem 28. November 1996 denkbar wäre. Dies ergibt sich aus allen Sachverständigengutachten. Nach dem Gutachten
des Sachverständigen Prof. Dr. S war ein zuwartendes Verhalten bis zur Kontrolle am 28. November 1996 medizinisch gerechtfertigt,
spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte jedoch aufgrund einer fehlenden Besserung des Befundes eine eingehende Information und
die Empfehlung zu einer raschen nephrologischen Behandlung erfolgen müssen. Diese Einschätzung wird im Wesentlichen auch von
den Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B und W bestätigt. Erstgenannter hat erklärt, dass eine fachärztliche Untersuchung der
Nierenfunktion angezeigt sei, wenn sich - wie hier am 28. November 1996 - ein auffälliger Urinbefund in einer Kontrolle bestätige.
Letztgenannte hat ausgeführt, die Dringlichkeit der Diagnostik habe bereits im November 1996 mit dem bestätigten Nachweis
der hochpathologischen Urinbefunde, spätestens am 19. Dezember 1996 mit dem Nachweis der Nierenfunktionseinschränkung erkannt
werden können und müssen.
Geht man davon aus, dass ab dem 28. November 1996 ein pflichtwidriges Unterlassen der mit der Musterung befassten Ärzte vorlag,
hätte dieses indes nicht in Form des Unterlassens einer ärztlichen Behandlung bestanden, da es nicht zu den Pflichten der
Musterungsärzte gehört, in dieser Eigenschaft erkrankte Wehrpflichtige selbst zu behandeln. Vielmehr hätte das Unterlassen
in dem Versäumnis der mit der Musterung betrauten Ärzte bestanden, den Kläger - gegebenenfalls auch mit dem gebotenen Nachdruck
- auf behandlungsbedürftige Befunde hinzuweisen (vgl. BSG, Beschluss vom 24. Juni 1981 - 9 BV 115/81 - juris, wonach "sich der Staat auch zurechnen lassen [muss], daß ein Militärarzt einen Patienten pflichtwidrig nicht in
der gebotenen Weise aufgeklärt hat, wodurch die Willensbildung des Patienten unzulässig beeinflußt wurde"). Die Frage, wie
sich ein solches mögliches Unterlassen ursächlich ausgewirkt hat, ist schon ihrem Wesen nach grundsätzlich schwer zu beantworten
(vgl. BSG, Urteil vom 10. August 1993 - 9/9a RV 22/92 -juris). Denn hier geht es nicht wie sonst üblich um die Ermittlung eines realen Geschehens, sondern um die Nachzeichnung
der Auswirkung eines gedachten Geschehens. Dazu kommt, dass - anders als vielleicht beim Unterlassen der gebotenen ärztlichen
Behandlung - die Auswirkungen einer bloß unterlassenen, zu spät erteilten oder gegebenenfalls (auch) nicht mit dem Hinweis
auf die Dringlichkeit erteilten ärztlichen Mitteilung schon deshalb schwer zu beantworten sind, weil sie nur den Beginn einer
Kausalkette markieren, die indes in ihrem Verlauf auch von weiteren Unwägbarkeiten abhängt. So mag der ordnungsgemäß aufgeklärte
Patient die weitere Behandlung aufgrund eigener Nachlässigkeit nicht oder zu spät wahrnehmen, die mit der weiteren Behandlung
betrauten Ärzte mögen ihrerseits zu spät oder falsch handeln etc.
Diese Schwierigkeiten rechtfertigen indes keine Beweislastumkehr. Vielmehr ist es in der Rechtsprechung des BSG geklärt, dass im sozialen Entschädigungsrecht eine Beweislastumkehr wie in Arzthaftpflichtprozessen grundsätzlich nicht zum
Tragen kommt (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 18. Mai 2006 - B 9a V 2/05 R - juris). Im Hinblick auf die Beweiswürdigung beim Ursachenzusammenhang ist in der Rechtsprechung entscheidend darauf abgestellt
worden, dass schon das Gesetz den Beweismaßstab der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" genügen lässt und damit für die Betroffenen
wesentlich erleichterte Anspruchsvoraussetzungen - auch im Vergleich zu den Beweisregeln im Zivilprozess - einräumt. Auf dieser
Grundlage hat es das BSG seit jeher abgelehnt, hinsichtlich der so genannten haftungsausfüllenden Kausalität (dem Zusammenhang zwischen primärer Schädigung
und späterer Gesundheitsstörung) eine Beweislastumkehr zuzulassen. Auch zur so genannten haftungsbegründenden Kausalität -
das heißt zu der Frage, ob das schädigende Ereignis den Eintritt des Primärschadens wesentlich verursacht hat - genügt die
Wahrscheinlichkeit. Folglich besteht auch in diesem Zusammenhang kein Grund für weiter gehende Beweiserleichterungen. Eine
Differenzierung des Beweisgrades - je nachdem ob es um die haftungsbegründende oder -ausfüllende Kausalität geht - ist nicht
angezeigt. Die vom BSG im Opferentschädigungsrecht ausnahmsweise zugelassene Beweiserleichterung (Urteil vom 18. Oktober 1995 - 9/9a RVg 4/92 - juris) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar; Gesichtspunkte, die für die Annahme einer solchen besonderen
Konstellation sprechen könnten, sind nicht erkennbar.
Unterstellt man also nach obigen Ausführungen frühestens ab dem 28. November 1996 ein pflichtwidriges Unterlassen der mit
der Musterung betrauten Ärzte (Vorliegen eines schädigenden Umstands) und geht man weiter mindestens überwiegend wahrscheinlich
davon aus, dass der Kläger sich unverzüglich in fachnephrologische Behandlung begeben hätte und diese den Regeln der ärztlichen
Kunst entsprechend vorgenommen worden wäre, wäre das Nierenleiden des Klägers - noch in Form einer Glomerulonephritis (Nierenentzündung)
- ohne Frage schneller behandelt worden (Primärschaden). Insoweit wäre auch die haftungsbegründende Kausalität im Sinne eines
gedachten Kausalverlaufes ohne weiteres zu bejahen. Es ist aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Verlauf des Nierenleidens
des Klägers, wie vom BSG in seiner zurückverweisenden Entscheidung gefordert, wesentlich beeinflusst worden wäre. Es ist mithin nicht überwiegend
wahrscheinlich, dass die Schädigungsfolge einer dialysepflichtigen terminalen Niereninsuffizienz auch bei richtigem Verhalten
aller Beteiligten hätte verhindert werden können oder wenigstens im Sinne einer wesentlichen Beeinflussung deutlich später
eingetreten wäre.
Nun ist zu fragen, ab wann von einer wesentlichen Beeinflussung des Nierenleidens auszugehen ist. Nach Auffassung des Senats
ist zur Beurteilung, ob eine wesentliche oder eine unwesentliche Beeinflussung vorliegt, auf das zeitliche Moment abzustellen,
es ist also zu fragen, ob der Eintritt der dialysepflichtigen terminalen Niereninsuffizienz ab Eintritt eines möglicherweise
pflichtwidrigen Unterlassens ab dem 28. November 1996 jedenfalls wesentlich zeitlich hätte hinausgezögert werden können. An
anderer Stelle hat das BSG zwar ausgeführt, vergleiche man den tatsächlichen Zustand mit demjenigen, der bei einer erfolgreichen Behandlung eingetreten
wäre, sei es sachgerecht, eine Schädigung bereits in dem Fortbestehen eines behebbaren Leidens zu sehen. Immerhin müsse der
Betroffene dabei die mit der Gesundheitsstörung verbundenen Beschwerden und Beschränkungen länger als nötig erdulden (BSG, Urteil vom 25. März 2004 - B 9 VS 1/02 R - juris). Daraus ist freilich nicht der Schluss zu ziehen, jede zeitlich noch so geringe Verzögerung des Eintritts der Schädigungsfolge
sei versorgungsrechtlich relevant. Den genauen Zeitraum, ab dem eine zeitliche Verzögerung des Eintritts der Schädigungsfolge
versorgungsrechtlich relevant ist, kann der Senat hier offen lassen. In Betracht kommt etwa, dass erst eine zeitliche Verzögerung
von mindestens einem Jahr versorgungsrechtlich zu entschädigen ist, was sich aus der Rechtsprechung des BSG zu § 38 BVG ergeben könnte (vgl. Urteil vom 24. Januar 1979 - 9/10 RV 33/77 - juris). Möglicherweise ist aber auch auf den sich in § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG niederschlagenden Rechtsgedanken zurückzugreifen, wonach vorübergehende Gesundheitsstörungen nicht zu berücksichtigen sind
und als vorübergehend ein Zeitraum bis zu sechs Monaten gilt. Diese Regelung ist zwar in erster Linie auf Gesundheitsstörungen
zugeschnitten, die auf einem aktiven Tun beruhen. Ihr könnte aber ein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen sein. Denn wenn
der Gesetzgeber Gesundheitsstörungen versorgungsrechtlich in diesem Zusammenhang erst dann für relevant erachtet, wenn sie
wenigstens sechs Monate bestehen, kann - gleichsam spiegelverkehrt - zeitlich nichts anderes für Gesundheitsstörungen gelten,
die der Betroffene infolge unzureichender ärztlicher Behandlung länger erdulden muss. Im Klartext und bezogen auf den vorliegenden
Fall bedeutet dies, dass von einer wesentlichen Beeinflussung des Nierenleidens und damit von versorgungsrechtlicher Relevanz
erst dann auszugehen ist, wenn die Schädigungsfolge der terminalen Niereninsuffizienz durch rechtzeitige und fehlerfreie ärztliche
Behandlung mehr als ein halbes Jahr später eingetreten wäre.
Welcher der oben skizzierten Zeiträume hier einschlägig ist, kann dahinstehen. Denn es ist auch bei optimalem Beratungs- und
Behandlungsverlauf ab dem 28. November 1996 nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Eintritt der terminalen Niereninsuffizienz
um mehr als ein halbes Jahr verzögert worden wäre. Im Gegenteil ist es wahrscheinlich, dass auch bei optimalem Beratungs-
und Behandlungsverlauf ab dem 28. November 1996 der Eintritt der terminalen Niereninsuffizienz nicht um mehr als ein halbes
Jahr hätte verzögert werden können. Zu dieser Einschätzung gelangt der Senat aufgrund des überzeugenden Sachverständigengutachtens
nebst ergänzenden Stellungnahmen von Priv. Doz. Dr. B. Dieser hat sehr eingehend die Frage nach der Beeinflussbarkeit des
Krankheitsverlaufes bei dem Kläger behandelt und dargelegt, dass diese maßgeblich von der nephrologischen Grunddiagnose abhing.
Hier kommen nach seiner Darstellung zwei Grunddiagnosen in Betracht: die therapeutisch schlecht zu beeinflussende IgA-Nephropathie
und die wesentlich besser behandelbare ANCA-Vaskulitis. Letztgenannte Grunddiagnose hat der Sachverständige Priv. Doz. Dr.
B in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 9. Mai 2012 und vom 25. März 2013 mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 90 Prozent
ausschließen können. Diese Einschätzung hat er nachvollziehbar damit begründet, dass im Arztbrief des V-Klinikums vom 12.
Mai 1997 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 18. März bis 12. April 1997 von einem negativen p- und c-ANCA berichtet
worden sei. Diese Laboruntersuchungen zur immunologischen Reaktivität von weißen Blutzellen schlössen die ANCA-Vaskulitis
mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 90 Prozent aus. Priv. Doz. Dr. B hat sich demzufolge in seiner ergänzenden Stellungnahme
vom 9. Mai 2012 dahingehend festgelegt, dass er die IgA-Nephropathie als die wahrscheinlichste Grunddiagnose erachtet. Dass
im Nierentransplantat und der Histologie kein Rezidiv einer IgA-Nephropathie vorgelegen hat, steht dieser Grunddiagnose nach
den auch insoweit nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen nicht entgegen, weil die Rezidivneigung einer IgA-Nephropathie
im Transplantat (nur) ca. 30 bis 50 Prozent beträgt. Also: Das Bestehen eines Rezidivs hätte die IgA-Nephropathie bewiesen,
ihre Nicht-Nachweisbarkeit steht dem Vorliegen einer IgA-Nephropathie aber nicht entgegen. Für das Vorliegen einer solchen
spricht dabei nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B neben dem Umstand, dass sie von
den behandelnden Ärzten der jeweiligen Kliniken durchgehend mindestens als Verdachtsdiagnose benannt worden ist (so im bereits
benannten Arztbrief des V-Klinikums vom 12. Mai 1997, in den Arztbriefen der C - - vom 14. Oktober 1998 und 14. November 2002),
auch die Tatsache, dass die IgA-Nephropathie die häufigste glomeruläre Nierenerkrankung bei Patienten im Alter des Klägers
ist und bei dem Kläger zeitgleich eine Erkältung vorlag. Dafür dass wahrscheinlich eine IgA-Nephropathie mit progredienter
Verlaufsform vorlag, spricht hier neben den Urinbefunden bei sich verschlechternder Nierenfunktion auch der hohe Blutdruck
bei dem Kläger. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2013 hat der Sachverständige Priv. Doz. Dr. B ergänzend dargelegt,
dass sich die Diagnose IgA-Nephropathie auch gut mit den im V-Klinikum erhobenen weiteren Befunden eines chronischen Nierenschadens
wie einer Linksherzvergrößerung, und Laborkennzeichen eine renalen Mineralstoffwechselstörung verbinden lasse. Auch die anamnestischen
Hinweise im Arztbrief des V-Klinikums vom 12. Mai 1997 zieht der Sachverständige nachvollziehbar heran. Hier wird aus der
älteren Anamnese des Klägers ein 1994 stattgehabter fieberhafter Infekt erwähnt, bei dem es zu einer passageren Mikrohämaturie
gekommen sei. Des Weiteren hätten bei dem Kläger bereits bei der Aufnahme eine terminale Niereninsuffizienz, ein sekundärer
Hyperparathyreoidismus und eine ausgeprägte arterielle Hypertonie mit systolischen Werten von 180 bis 200 mmHg vorgelegen.
Aufgrund dieser Befunde und der Anamnese des Klägers, die möglicherweise bereits vor drei Jahren eine Nierenfunktionsverschlechterung
aufgewiesen habe, ergäben sich - so das V-Klinikum - mehrere Hinweise auf einen eher chronischen Prozess. Möglicherweise sei
der über längere Zeit unbehandelte arterielle Bluthochdruck für die rasche Progredienz der Niereninsuffizienz verantwortlich.
Bei grenzwertig erhöhtem Immunglobulin A und erniedrigtem Immunglobulin G müsse an eine IgA-Nephropathie gedacht werden. Bei
dieser Sachlage erachtet der Senat das Vorliegen einer IgA-Nephropathie am wahrscheinlichsten, wenn auch der Krankheitsverlauf
- worauf die Sachverständige W hinweist - für eine IgA-Nephropathie ungewöhnlich akut war und eine IgA-Nephropathie am häufigsten
zwischen dem dritten und fünften Lebensjahrzehnt auftritt. Die im Arztbrief des V-Klinikums vom 12. Mai 1997 differentialdiagnostisch
erwogene fokale Glomerulosklerose hat der Sachverständige Priv. Doz. Dr. B in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. Mai
2012 nachvollziehbar als eher unwahrscheinlich erachtet, weil sie eher nicht mit Blutausscheiden auftrete.
Ausgehend von der als am wahrscheinlichsten anzusehenden Grunddiagnose einer IgA-Nephropathie war eine Heilung in dem im November
1996 bereits vorliegenden fortgeschrittenen Stadium nach dem überzeugenden Gutachten von Priv. Doz. Dr. B nicht mehr möglich.
Aus damaliger wie heutiger Sicht war eine Blutdruckregulierung mit ACE-Hemmern zu fordern. Eine hierdurch erfolgte maximale
Blutdrucksenkung hätte die Dialysepflichtigkeit vielleicht im Bereich von Monaten später eintreten lassen. Für diese Therapie
liegt nach heutigen Maßstäben eine Empfehlung mit dem zweithöchsten Evidenzgrad vor. Für hierüber hinausgehende "heilende"
Maßnahmen sind die Evidenzgrade damals wie heute schwächer. Eine Heilung war demnach überhaupt nicht mehr möglich, der Eintritt
der Dialysepflichtigkeit hätte nach der Einschätzung des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B bei therapeutischer Intervention
im günstigsten Fall um ein halbes Jahr hinausgezögert werden können.
Der Senat gibt den obigen Einschätzungen des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. B den Vorzug vor den anderen gerichtlich eingeholten
Sachverständigengutachten. Prof. Dr. S befasst sich überhaupt nicht mit der ganz entscheidenden Frage der Grunddiagnose und
demzufolge auch nicht überzeugend mit der therapeutischen Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufes.
Auch die Sachverständige W befasst sich nicht überzeugend mit der therapeutischen Beeinflussbarkeit des Nierenleidens des
Klägers. Der Sachverständige Priv. Doz. Dr. B hat überzeugend anhand der Aktenlage dargelegt, warum die IgA-Nephropathie bei
dem Kläger die wahrscheinlichste Grunddiagnose ist und er hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch die behandelnden Krankenhausärzte
letztlich von dieser Diagnose ausgegangen sind. Wenn die Sachverständige W in diesem Zusammenhang ausführt, dass ein akuter
Verlauf anzunehmen ist, wenn keine eindeutigen Beweise für eine chronische Erkrankung vorliegen, geht sie fehl. Eine solche
These überzeugt ebenso wenig wie etwa die umgekehrte These, dass von einer chronischen Erkrankung auszugehen ist, wenn keine
eindeutigen Beweise für eine akute Erkrankung vorliegen. Vielmehr ist anhand von Indizien der Grad der Wahrscheinlichkeit
der jeweils in Betracht kommenden Grunddiagnosen zu ermitteln, was der Sachverständige Priv. Doz. Dr. B überzeugend getan
hat. Statthaft sind in diesem Zusammenhang zwar die Argumente der Sachverständigen W, gegen eine IgA-Nephropathie sprächen
Alter des Klägers und akuter Verlauf der Erkrankung. Sie sind von Priv. Doz. Dr. B aber durchaus berücksichtigt worden, der
ungeachtet dessen insbesondere unter Bezugnahme auf die im Arztbrief des V-Klinikums vom 12. Mai 1997 mitgeteilten Laboruntersuchungen
zur immunologischen Reaktivität von weißen Blutzellen eine ANCA-Vaskulitis mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 90 Prozent
ausgeschlossen hat, ein Umstand, auf den die Sachverständige W im Übrigen gar nicht eingeht.
Abschließend und der Vollständigkeit halber weist der Senat noch darauf hin, dass nach Einschätzung aller Sachverständigen
die Kontrastmittelgabe am 19. Dezember 1996 aus medizinischer Sicht ungünstig gewesen sein dürfte. Insoweit kann eine Verschlechterung
der Nierenfunktionseinschränkung durch die Kontrastmittelgabe zwar erfolgt sein, bei insgesamt - wie ausgeführt - fehlender
therapeutischer Beeinflussbarkeit des Nierenleidens ist aber auch insoweit im versorgungsrechtlichen Sinne die Gesundheitsstörung
der terminalen Niereninsuffizienz nicht wesentlich verursacht worden.