Gründe:
I. Der 1963 geborene Kläger bezieht wegen einer vom (insoweit ausschließlich zuständigen) Rentenversicherungsträger für den
Zeitraum 28. August 2007 bis 31.März 2013 festgestellten vollen Erwerbsminderung laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 beantragte er beim Beklagten
eine Erhöhung der Regelleistung wegen laufenden Mehrbedarfes für Bekleidung. Bei einer Körpergröße von 1,83m und einem Gewicht
von 126 kg habe er Konfektionsgröße 62/64 und Schuhgröße 46. Der Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 29. August 2008 für
den Monat Juli 2008 neben den Kosten für Unterkunft und Heizung den Regelsatz in Höhe von 351,-- € zuzüglich eines Mehrbedarfes
von 26,16 € für kostenauf-wändige Ernährung und bewilligte entsprechende Leistungen bis einschließlich Juni 2009. Mit weiterem
Bescheid vom 29. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2009 lehnte der Beklagte eine Erhöhung
des Regelsatzes wegen der geltend gemachten Kleiderübergröße ab. Der Kläger sei zwar übergewichtig, jedoch nicht völlig außer
Maß. In einer Stadt wie Berlin sei es möglich, gut erhaltene Bekleidung z.B. in Secondhand-Geschäften und auf Flohmärkten
zu finden. Die benötigte Schuhgröße sei in zahlreichen Geschäften zu erhalten.
Im Klageverfahren hat der Kläger zur Begründung seines Begehrens ergänzend vorgetragen, dass er nach dem Tod seiner Mutter
und später auch seines Hundes stark zugenommen habe, inzwischen 133 kg wiege und Konfektionsgröße 68 (Hosen 34) sowie Schuhgröße
47 benötige. Weil es in diesen Größen nur ein sehr geringes Angebot an Gebrauchtwaren gebe, müsse er Neuwaren kaufen. Der
Regelsatz sei hierfür - im Sinne einer Verdoppelung des Anteils für Bekleidung und Schuhe - um monatlich 34,98 € zu erhöhen.
Mit Urteil vom 24. Januar 2011 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt,
dem Kläger für Juli 2008 bis Juni 2009 einen um 11,18 € monatlich erhöhten Regelsatz zu gewähren.
Die zulässige Klage habe teilweise Erfolg. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers sei § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII.
Danach würden Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem
durchschnittlichen Bedarf abweiche. Das sei hier bezüglich des Bedarfes des Klägers für Bekleidung der Fall.
Im Regelsatz sei für Bekleidung und Schuhe ein Anteil von 10% enthalten, wobei der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass
Hilfeempfänger zumutbar auf Gebrauchtkleidung verwiesen werden könnten. Ein unabweisbar seiner Höhe nach abweichender Bedarf
liege z.B. vor, wenn der Leistungsberechtigte teurere Unter- oder Übergrößen tragen müsse (so die Amtliche Begründung des
Gesetzentwurfes, BT-Drucks. 15/1514).
Nach eigenen Recherchen des Gerichts über Internet sei die günstigste Möglichkeit des Einkaufs für die vom Kläger benötigten
extremen Kleidergrößen bei dem Spezialanbieter MEN PLUS. Der normale Versandhandel biete die erforderlichen Größen nicht an,
Gebrauchtangebote seien so gut wie nicht zu finden. Um die Höhe des Mehrbedarfes zu bestimmen, habe die Kammer die aktuell
angesetzten Preise einer Erstbedarfsausstattung für Männer (Anlage I zum Rundschreiben Nr. 38/2004 der Senatsverwaltung für
Integration, Arbeit und Soziales Berlin) in Höhe von 335,-- € herangezogen und die dortigen Einzelpreise durch die Preise
entsprechender Angebote von MEN PLUS ersetzt. Die sich daraus ergebende Summe von 442,-- € sei zu dem Betrag von 335,-- €
ins Verhältnis zu setzen und dieses Verhältnis wiederum auf den im Regelsatz vorgesehenen Anteil zu übertragen, der bei monatlich
35,-- € liege. Daraus ergebe sich ein Bedarf des Klägers für Bekleidung von monatlich anteilig 46,18 €, der in Höhe von 11,18
€ nicht gedeckt sei. In diesem Umfang sei der Regelsatz zu erhöhen.
Im übrigen bleibe die Klage erfolglos, denn ein weitergehender Anspruch bestehe nicht. Insbesondere seien Schuhe in der vom
Kläger benötigten Größe in Schuhgeschäften und im Versandhandel erhältlich.
Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen.
Zur Begründung seiner am 18. Februar 2011 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beklagte geltend, es sei von grundsätzlicher
Bedeutung, ob für Menschen mit Über- oder Sondergrößen in Bezug auf ihren Bekleidungsbedarf eine Erhöhung des Regelsatzes
nach § 28 SGB XII vorzunehmen sei. Ferner sei die Ermittlung des Bedarfes durch das Sozialgericht nicht nachvollziehbar, denn
eine Erstausstattung mit Bekleidung sei nach §
31 Abs.
1 Nr.
2 SGG nicht bei einer Veränderung der Körpermasse vorgesehen.
Der Kläger, der für das Beschwerdeverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt, hält die Nichtzulassungsbeschwerde
für unzulässig, weil die Beschwerdesumme nicht erreicht werde. Sie diene nur der Zeitverzögerung, weil für den anschließenden
Zeitraum ein weiteres Klageverfahren anhängig sei, dessen Aussetzung bis zur Entscheidung im hiesigen Verfahren der Beklagte
beantragt habe.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§
145 Abs.
1 SGG). Die Berufung bedurfte gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 und Satz 2
SGG der Zulassung, weil die Klage eine Geldleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und weder der Wert
des Beschwerdegegenstandes 750,00 € übersteigt noch die Berufung eine laufende oder wiederkehrende Leistung für mehr als ein
Jahr betrifft; die Berufung ist ferner in dem angefochtenen Urteil nicht zugelassen worden.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Einer der in §
144 Abs.
2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe ist nicht dargelegt worden.
Gemäß §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der von dem Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund nach §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) liegt nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts klärungsbedürftig und -fähig ist (stellvertretend dazu Bundessozialgericht,
Beschluss vom 9. Juli 2003 - Aktenzeichen B 11 AL 213/02 B).
Der Beklagte hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob für Menschen mit Über- oder Sondergrößen gemäß § 28 Abs.1 Satz
2 SGB XII ein erhöhter Regelsatz zu gewähren sei. Zwar fehlt es an Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die sich mit dieser
Frage unmittelbar und explizit befasst hat. Dieser Umstand ist für sich allein indes noch nicht geeignet, eine Rechtssache
als grundsätzlich bedeutsam erscheinen zu lassen. Denn klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage auch dann nicht, wenn sie zwar
höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, die Antwort auf die Frage aber praktisch von vornherein außer Zweifel steht
(BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 7 Rn. 8). Das trifft hier zu.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes außerhalb von Einrichtungen
mit den dort angegebenen Ausnahmen nach Regelsätzen erbracht. Diesen Regelsätzen liegen auf der Grundlage statistischer Erhebungen
typisierte Bedarfe u.a. für Bekleidung und Schuhe zugrunde. Bei dem mit 10% des Regelsatzes veranschlagten Anteil für Bekleidung
und Schuhe wird von durchschnittlichen Ausgaben der statischen Referenzgruppe ausgegangen und auch ein zumindest teilweiser
Rückgriff auf Gebrauchtwaren als zumutbar angesehen (vgl. Gesetzesmaterialien BT-Drucks 15/1514 S.59, dort noch zu § 29 des
Gesetzentwurfes). Nach Satz 2 der Vorschrift werden die Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz
oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
In der amtlichen Begründung für diese Regelung (BT-Drucks. aaO.) heißt es hierzu:
"Ein nachweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichender Bedarf liegt beispielsweise vor,
wenn der Leistungsberechtigte teuere Unter- oder Übergrößen tragen muss."
Dieses Regelbeispiel für einen zu berücksichtigen höheren Bedarf wird auch in der Literatur angeführt (vgl. u.a. Schneider
in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII 18. Aufl. 2010 RNr. 14 zu § 28 sowie Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII 3. Aufl.
2010, Rn. 27 zu § 28), so dass die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Fällen wie dem vorliegenden außer Zweifel
steht. Auch unter der Geltung des zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getretenen Bundessozialhilfegesetzes, nach dessen § 21
Absatz 1a Nr. 1 einmalige Leistungen u.a. zur Beschaffung von Bekleidung, Wäsche und Schuhen von nicht geringem Anschaffungspreis
zu gewähren waren, entsprach es der Praxis des Beklagten, bei den zuletzt von ihm halbjährlich gewährten pauschalierten Bekleidungshilfen
bei Übergrößen einen Zuschlag von 10% anzusetzen (vgl. Gemeinsame Arbeitsanweisung der Abteilungen Sozialwesen aller Berliner
Bezirke vom 30. September 1994, zuletzt geändert am 12. August 2004, zu Nr. 10 "Bekleidung", Sozialhilferecht in Berlin "Gelber
Ordner", Stand Oktober 2004, B 2 S. 42d,e).
In welcher Höhe ein vom typisierten Bekleidungsbedarf abweichender Bedarf im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu berücksichtigen
ist, ist keine Rechts- sondern eine Tatsachenfrage. Denn die Beantwortung dieser Frage hängt nicht von der Auslegung von Rechtsnormen,
sondern von tatsächlichen Gegebenheiten im konkreten Fall ab (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juli 1989- 2 BU 22/89-, zitiert nach juris), die durch Sachaufklärung zu ermitteln sind. Dass aus der Sicht des Beklagten die Klärung von Tatsachenfragen
mit verallgemeinerungsfähigen Auswirkungen erwartet wird, macht daraus keine Rechtsfrage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008 Rn. 29 zu §
144 m.w.N.).
Dass der Beklagte die vom Sozialgericht vorgenommene Ermittlung des Bekleidungsbedarfes des Klägers als nicht nachvollziehbar
ansieht, führt nicht zur Zulassung der Berufung unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels im Sinne des §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG.
Ein danach relevanter Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt eines Urteils, sondern auf das prozessuale Vorgehen
des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (Leitherer aaO. Rn.32 m.w.N.). Das ist im vorliegenden Fall jedoch nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat, den vom Kläger konkret geltend gemachten Bedarf und die von ihm geschilderten Schwierigkeiten beim
Einkauf berücksichtigend, anhand eigener Sacherhaltsermittlungen festgestellt, dass zumindest die von ihm benötigten extremen
Übergrößen für Bekleidung nur über Spezialanbieter zu haben sind und höhere Kosten verursachen, dies in Relation zum typisierten
Anteil im Regelsatz und - im Sinne einer Begrenzung - dem vom Beklagten für eine "Erstausstattung" nach § 31 Abs. 1 Nr. 2
SGB XII vorgesehenen, hier jedoch auf einen Zeitraum von 12 Monaten umgelegten Betrag. Diese Verfahrensweise hält sich im
Rahmen der grundsätzlich freien richterlichen Tatsachenwürdigung, die nur bei einem - hier ersichtlich nicht vorliegenden
- Verstoß gegen Denkgesetze als Verfahrensmangel angesehen werden kann (Leitherer aaO. Rn. 34a).
Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund einer Divergenz gemäß §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG nicht vor, denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Urteil des Sozialgerichts von einer Entscheidung
der dort genannten Obergerichte abweicht.
Gemäß §
145 Abs.
4 Satz 5
SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).