Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte Leistung, nämlich einer Brachytherapie.
Der im Jahr 1927 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Mit Schreiben vom 18. September 2003 teilten die Urologen Dres.
H et K der Beklagten mit, der Kläger leide an einem Prostatakarzinom und habe sich bei ihnen wegen einer permanenten Seed-Implantation
(einer so genannten Brachytherapie) vorgestellt. In diesem Schreiben legten sie auf einer vorgefertigten Informationsschrift
die unterschiedlichen Behandlungsmethoden, nämlich Operation, externe Bestrahlung und Brachytherapie sowie Androgenblockade,
dar und beantragten die Kostenübernahme für eine Brachytherapie beim Kläger in Höhe von 8.275,00 €.
Die Beklagte bat den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. - MDK - um eine Stellungnahme, die
dieser am 24. September 2003 erstattete. Danach sei eine Kostenübernahme nicht zu empfehlen, da eine Zulassung durch den Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen nicht vorliege.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Oktober 2003, dem Kläger zugegangen am 9. Oktober 2003, ab. Am 10. Oktober
2003 ließ der Kläger bei Dres. H et K die beantragte Behandlung durchführen.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 vertiefte der Kläger seine Widerspruchsbegründung und machte geltend, das Bundesministerium
für Gesundheit und soziale Sicherheit habe am 13. Oktober 2003 beschlossen, die Brachytherapie ab 1. Januar 2004 zuzulassen.
Daraufhin rief am 22. Dezember 2003 die Mitarbeiterin S der Beklagten Frau Dr. H vom MDK an und erhielt ausweislich einer
Telefonnotiz die Auskunft, die permanente Seed-Implantation könne ambulant durchgeführt werden, sei aber nicht über die gesetzliche
Krankenversicherung abrechenbar. Bei einer stationären Behandlung könnte eine Kostenübernahme möglich sein, allerdings sei
diese nicht medizinisch notwendig.
Eine Rechnung der behandelnden Ärzte brachte der Kläger im Verwaltungsverfahren nicht bei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat sich die am 24. März 2004 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung der Kläger
vorgetragen hat, die von der Beklagten vorgeschlagenen Behandlungsmethoden seien zu riskant und daher unzumutbar. Die Brachytherapie
sei wissenschaftlich anerkannt und werde von den privaten und auch von anderen gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Er sei
nicht darauf hingewiesen worden, dass die Kosten bei einer stationären Behandlung übernommen worden wären. Dann hätte er die
Maßnahme stationär vornehmen lassen. Dies sei ein Beratungsverschulden.
Die Beklagte ist dem mit Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegengetreten. Ein Herstellungsanspruch
liege nicht vor, da eine stationäre Heilbehandlung nicht erforderlich gewesen sei, was sich daraus ergebe, dass die Maßnahme
ambulant durchgeführt worden sei.
Nach Aufforderung des Gerichts brachte der Kläger am 10. Mai 2005 eine Rechnung der behandelnden Ärzte über 8.275,00 € vom
19. Januar 2004 bei, die keine der Positionen der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ - enthielt.
Mit Urteil vom 4. August 2005 wies das Sozialgericht die Klage ab und begründete dies im Wesentlichen damit, weder sei die
Brachytherapie vom Bundesausschuss empfohlen noch liege ein Systemmangel vor. Es gäbe nämlich Behandlungsalternativen. Auch
sei keine der GOÄ entsprechende Rechnung erteilt worden, so dass keine Zahlungsverpflichtung des Klägers bestanden habe. Dies führe zum Entfallen
eines Erstattungsanspruches.
Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe nicht, da der Kläger einen Antrag auf eine ambulante Behandlung gestellt
habe und diese auch durchgeführt worden sei. Somit habe offensichtlich keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestanden
und dementsprechend keine Notwendigkeit, auf eine solche hinzuweisen. Auch könne durch den Herstellungsanspruch nur eine gesetzlich
zulässige Rechtsfolge bewirkt werden. Dazu jedoch zähle die Erstattung einer nicht den Vorschriften der GOÄ entsprechenden Rechnung wiederum nicht.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. Oktober 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung vom 2.
November 2005, mit der der Kläger erneut darlegt, es lägen die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches
vor. In dem Lebensalter des Klägers wäre diesem eine stationäre Behandlung gewährt worden. Da die Brachytherapie trotz der
Tatsache, dass sie wissenschaftlich anerkannt sei, noch nicht vom Bundesausschuss empfohlen werde, liege auch ein Systemversagen
vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. August 2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Oktober
2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 zu verurteilen, an den Kläger 8.275,00 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Schriftsatz vom 19. April 2007 hat der Kläger eine Kostenrechnung mit Positionen gemäß der GOÄ vom 14. Februar 2007 der behandelnden Ärzte beigebracht, in der zur Zahlung von 8.275,00 € aufgefordert wurde. Die Addition
der dort genannten Einzelpositionen ergibt jedoch eine Summe von 7.697,54 €.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Chefarztes der Klinik für Urologie des E-Klinikums
P, Herrn Prof. Dr. O. In dem Gutachten vom 28. März 2008 führt der Sachverständige aus, dass auch nach Feststellung des Prostatakarzinoms
keine unmittelbar lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen habe und mit einer kurativen Behandlung eine Lebenserwartung entsprechend
des altersspezifischen Durchschnitts bestanden habe. Für die Erkrankung lägen so genannte schulmedizinische Behandlungsmethoden
vor, nämlich die radikale Prostatektomie und die externe Strahlentherapie. Die Prostatektomie gehöre beim Lebensalter des
Klägers nicht zur Therapieempfehlung der ersten Wahl. Die Strahlenbehandlung sei in solchen Fällen mit der Brachytherapie
gleichwertig und die vorliegenden Daten zur Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit der geschilderten Behandlungsoptionen
beim lokal begrenzten Prostatakarzinom legten nahe, aufgrund des Spektrums unerwünschter Effekte bei beiden Behandlungsmethoden
die Entscheidung für ein bestimmtes Vorgehen unter weitestgehender Einbeziehung der Präferenzen des betroffenen Patienten
zu treffen. Die Therapie weise gegenüber der radikalen Prostatektomie und der externen Strahlentherapie keine ungünstigere
Wirksamkeitsverträglichkeitsrelation auf. Es bestünden insofern mögliche Vorteile ebenso wie mögliche Nachteile. Insgesamt
komme er zur Schlussfolgerung, dass bei sorgfältiger Abwägung die Brachytherapie beim Kläger als Therapie der Wahl in Betracht
habe gezogen werden können.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Leistungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts
verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten und unterliegen daher keiner Beanstandung. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
die Erstattung der Kosten für die bei ihm vorgenommene Brachytherapie in Höhe von 8.275,00 €.
Als Anspruchsgrundlage kommt zunächst §
13 Abs.
3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) in Betracht. Danach sind von der Krankenkasse Kosten in entstandener Höhe für notwendige Leistungen zu erstatten, wenn diese
eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und
dem Versicherten dadurch für selbst beschaffte Leistungen Kosten entstanden sind. Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei
nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den
Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober
2004 - B 1 KR 27/02 R - und vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R -; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 m. w. N.).
Eine Kostenerstattung scheitert hier bereits daran, dass ein entsprechender Sachleistungsanspruch nicht bestand. Die Brachytherapie
gehört weder zum vertragsärztlichen Leistungskatalog noch ist sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss empfohlen worden. Nach §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht
werden, wenn der Gemeineinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V Empfehlungen über die positive Anerkennung der Methode nach näherer Maßgabe der genannten Norm gegeben hat.
Eine derartige Empfehlung liegt unstreitig nicht vor und es ist auch kein Systemversagen zu erkennen. Denn aus dem Gutachten
des Prof. Dr. O ergibt sich, dass die Brachytherapie zwar in Fällen wie dem des Klägers eine ernsthaft in Betracht zu ziehende,
gegenüber der externen Bestrahlung gleichwertige Behandlungsmethode ist, andererseits ergibt sich daraus jedoch auch, dass
die externe Strahlenbehandlung als Alternative ebenso in Betracht kommt. Wenn der Sachverständige Prof. Dr. O die Auffassung
vertritt, in solchen Fällen solle den Therapiewünschen des Patienten der Vorzug gegeben werden, so ändert dies nichts daran,
dass ein Anspruch auf eine derartige Berücksichtigung nicht vorgesehen ist.
Die Kostenerstattung kann auch deshalb nicht erfolgen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG
- (zuletzt Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 25/06 R -) der Kostenerstattungsanspruch aus §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V voraussetzt, dass dem behandelnden Arzt gegen den Versicherten, der sich die Leistung selbst verschafft hat, ein rechtswirksamer
Vergütungsanspruch aus der Behandlung erwachsen ist. Hier jedoch bestand ein solcher Vergütungsanspruch nicht, da es an einer
ordnungsgemäßen Abrechnung fehlt. Geht es nämlich um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so besteht ein Vergütungsanspruch
des Arztes nur, wenn dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der GOÄ erteilt worden ist. § 1 Abs. 1 GOÄ verpflichtet alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Diese Leistungen sind in einem Gebührenverzeichnis erfasst und mit der Erteilung einer den Vorschriften der
Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig. Vorher trifft den Patienten keine Zahlungsverpflichtung. Die
behandelnden Ärzte haben eine pauschale Rechnung ohne Spezifizierung erstellt und der Kläger trägt vor, auf diese gezahlt
zu haben. Er hat somit eine Zahlung geleistet, auf die seitens der Ärzte kein Rechtsanspruch bestand, so dass eine Erstattung
bereits daher ausscheidet.
Daran vermag auch die nachgeschobene Spezifizierung im Berufungsverfahren vom 14. Februar 2007 nicht zu ändern. Zum einen
bestehen erhebliche Zweifel daran, ob es sich dabei um eine Rechnung gemäß der GOÄ überhaupt handelt, da der angeblich "zu überweisende Gesamtbetrag" durch diese Rechnungen nicht belegt wird, da die Addition
der Einzelpositionen einen deutlich geringeren Betrag ergibt. Zum anderen deuten die Formulierungen "bei Zahlung bitte angeben"
und "zu überweisender Gesamtbetrag" darauf hin, dass lediglich eine ordnungsgemäße Rechnung fingiert werden sollte, denn am
14. Februar 2007 war die Rechnung bereits seit zirka drei Jahren beglichen.
Selbst wenn diese Bedenken außer Acht gelassen würden und die Rechnung vom 14. Februar 2007 als einen Anspruch der behandelnden
Ärzte begründend angesehen würde, könnte die Forderung dann frühestens mit Zugang dieser Rechnung beim Kläger entstanden sein.
Zu diesem Zeitpunkt jedoch war sie bereits gemäß §
196 Abs.
1 Ziffer 14
Bürgerliches Gesetzbuch verjährt.
Auch der vom Kläger geltend gemachte sozialrechtliche Herstellungsanspruch vermag seinem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Voraussetzung des Herstellungsanspruchs ist zunächst ein Verwaltungsfehler. Bereits an einem solchen scheitert es hier, der
Beklagten oblag nämlich keine Pflicht, den Kläger auf die Möglichkeit einer stationären Durchführung einer Brachytherapie
hinzuweisen. Dies ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
1. Der Antrag des Klägers war ausschließlich darauf gerichtet, die Beklagte solle die Kosten einer interstitiellen Brachytherapie
bei den Ärzten übernehmen, die den Antrag für ihn gestellt hatten. Der Kostenübernahmeantrag war genau auf den Betrag von
8 275,00 € gerichtet, jenen Pauschalbetrag also, den diese Ärzte für die Brachytherapie ständig berechnen. Dem Antrag lag
eine vorgedruckte dokumentierte Patienteninformation dieser Ärzte bei. Daraus, dass der Kläger es diesen Ärzten überließ,
den Kostenantrag für ihn zu stellen, ergibt sich, dass er Vertrauen zu ihnen gefasst hatte. Es sind keinerlei Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, dass der Kläger alternativ eine stationäre Behandlung wünschte. Daher durfte bei der Beklagten der Eindruck
entstehen, der Kläger wünsche ausschließlich eine Behandlung durch Dres. H et K, so dass es nicht schuldhaft war, ihn nicht
auf andere Einrichtungen hinzuweisen, die eine Brachytherapie durchführen. Denn die Beratungspflicht geht nicht so weit, einem
Versicherten entgegen dessen erkennbarem Wunsch eine Therapieform nahe zu legen.
2. Jedoch selbst, wenn man die Auffassung verträte, es sei keine - wie vom Senat angenommene - Verdichtung des Behandlungswunsches
des Klägers auf Dres. H et K erkennbar gewesen, schiede ein Beratungsfehler der Beklagten aus. Denn die Beklagte muss nur
auf gesetzlich vorgegebene und auf der Hand liegende Behandlungsalternativen hinweisen. Wenn der Kläger anhand einer Darlegung
der behandelnden Ärzte, die eine ambulante Behandlung durchführen wollen, darlegt, dass eine solche möglich ist, so scheidet
eine stationäre Behandlung aus, da nach
§
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V Versicherte Anspruch darauf nur dann haben, wenn das Behandlungsziel nicht durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher
Krankenpflege erreicht werden kann. Auch von daher durfte die Beklagte davon ausgehen, dass eine stationäre Behandlung ausscheide.
Es war somit nicht schuldhaft, darauf nicht hinzuweisen.
Darüber hinaus ist die für den Herstellungsanspruch notwendige Kausalität zwischen dem behaupteten Verwaltungsfehler, vorausgesetzt,
er läge im Gegensatz zur Auffassung des Senats vor, und dem Handeln des Betroffenen, nicht ersichtlich. Denn wenn, wovon der
Senat ausgeht, der Kläger die ambulante Behandlung wünschte, so ist davon auszugehen, dass er diese auch durchgeführt hätte,
wenn die Beklagte ihn auf eine stationäre Behandlungsalternative hingewiesen hätte, obwohl deren gesetzliche Voraussetzungen,
wie dargelegt, nicht vorgelegen haben. Die Kosten wären demnach auch bei einem Hinweis der Beklagten auf eine stationäre Alternative
entstanden.
Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in §
160 Abs.
2 SGG bezeichneten Gründe vor.