Statthaftigkeit der Feststellungsklage des Rentenversicherungsträgers gegen die Krankenkasse zur Feststellung von Versicherungspflicht;
Höhe des Streitwerts
Tatbestand:
Im Streit steht noch, ob die Beigeladene zu 1) aufgrund ihrer Tätigkeit für die Beigeladenen zu 2) und 3) in der Zeit vom
1. Januar 2001 bis 30. April 2003 sowie ab 1. April 2004 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.
Sie ist die Ehefrau des Beigeladenen zu 2) und die Mutter des Beigeladenen zu 3), die beide Zahnärzte sind. Sie ist gelernte
zahnmedizinische Verwaltungsassistentin, Jahrgang 1949, und erledigt seit 1. Januar 1973 für die zunächst nur von ihrem Ehemann,
später auch vom Beigeladenen zu 3), betriebene Zahnarztpraxis weisungsfrei das Rechnungswesen, die Buchhaltung, die Lohnbuchhaltung
und das Personalwesen. Ein schriftlicher Dienst- oder Arbeitsvertrag besteht nicht. Sie erhält ein festes Arbeitsentgelt,
hat einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, jedoch keinen vertraglich vereinbarten Urlaubsanspruch.
Sie war vom 1. Februar 1990 bis zum 30. April 2003 Mitglied der Beklagten und ist dies wieder seit 1. April 2004. Vom 1. Mai
2003 bis 31. März 2004 war sie Mitglied der Beigeladenen zu 6). Von 1973 bis zum 31. Oktober 1987 war sie Mitglied der Beigeladenen
zu 4) sowie vom 1. November 1987 bis 31. Januar 1990 Mitglied der Beigeladenen zu 5). Ausweislich der Steuerbescheide des
Finanzamtes München II erhielt sie im Jahr 2001 60.000,01 DM Bruttoarbeitslohn, 2002 33.600,- Euro und 2003 34.800,- Euro.
Sie beantragte mit Schreiben vom 2. März 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status.
Sie verfüge über "Fach- und erhebliches Wissen" und habe Prokura. Sie könne ihre Arbeitszeit frei einteilen und sich ihren
Urlaub selbst genehmigen, ohne Rücksprache Personalentscheidungen treffen und habe der Zahnarztpraxis ein Darlehen erteilt.
Es sei festzustellen, dass sie nicht in die Arbeitsorganisation der Praxis eingegliedert sei. Ihre Tätigkeit sei überwiegend
durch familienhafte Rücksichtnahme und ein gleichberechtigtes Nebeneinander gekennzeichnet. Sie sei nicht für ein fremdes,
sondern im eigenen Unternehmen weisungsfrei und somit selbständig tätig. Auf Bitten der Beklagten reichte sie einen ausgefüllten
Feststellungsbogen ein. Die Frage, ob die Tätigkeit ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung ausgeübt werde, ist dort verneint.
Bejaht werden die Fragen, ob der mitarbeitende Angehörige in dem Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert sei und
die Tätigkeit tatsächlich ausübe sowie die Frage, ob ohne die Mitarbeit des Angehörigen eine andere Arbeitskraft hätte eingestellt
werden müssen. Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Girokonto überwiesen, es werde Lohnsteuer abgeführt. Das Arbeitsentgelt
werde als Betriebsausgabe verbucht. Beigefügt war eine Bestätigung der Geschäftsbank des Ehemannes über eine selbstschuldnerische
Bürgschaft der Beigeladenen zu 1) zur Sicherstellung der jeweiligen Forderungen bis zu einem Betrag von 150.000,- DM. Dieser
reichte eine Bestätigung vom 30. April 2005 ein, wonach seine Ehefrau seit der Praxisgründung 1972 in seiner Praxis tätig
sei und das umfangreiche Rechnungs- und Abrechnungswesen selbständig und weisungsfrei wie eine Geschäftsführerin erledige.
Die Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 2. März 2005 bei der Klägerin die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht.
Die Clearingstelle der Klägerin verwies sie mit Schreiben vom 6. April 2005 an die Krankenkasse als Einzugsstelle.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene zu 1) für ihre Tätigkeit bei ihrem Ehemann ab
1. Januar 2001 zum Personenkreis der Selbständigen gehöre.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 änderte sie den Bescheid ab und stellte fest, dass ab Tätigkeitsbeginn ab 1. Januar 1973 keine
Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe.
Sie reichte dann mit Schreiben vom 22. August 2005 einen Antrag auf Erstattung gezahlter Beiträge unter Beifügung ihrer Bescheide
vom 17. Mai und 11. Juli 2005 an die Klägerin weiter.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 1. Dezember 2005 an die Beigeladene zu 5). Diese habe die Sozialversicherungsbeiträge
von November 1987 bis Januar 1990 eingezogen. Sie bat um Prüfung und Mitteilung, ob sich die Beigeladene zu 5) der Meinung
der Beklagten anschließe. Ein entsprechendes Schreiben richtete sie am selben Tag an die Beigeladene zu 4).
Die Beigeladene zu 5) beschied die Beigeladene zu 1) mit Bescheid vom 6. März 2006, dass diese in der Zeit vom 1. Juli 1988
bis 31. Januar 1990 hinsichtlich ihrer Beschäftigung bei ihrem Ehemann versicherungspflichtig gewesen sei. Gegen diesen Bescheid
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2006 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht München erhoben,
welche noch in erster Instanz rechtshängig ist.
Die Beigeladene zu 6) stellte mit Bescheid vom 31. März 2006 fest, dass das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1)
bei ihrem Ehemann keine Versicherungspflicht in der Sozialversicherung begründe und dass in der Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31.
März 2004 eine Fehlversicherung vorliege.
Am 24. Juli 2006 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2005 sowie den Ergänzungsbescheid vom
11. Juli 2005 erhoben und hat zunächst beantragt festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) der Rentenversicherungspflicht
nach §
1 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) ab 1. Januar 1973 unterliege.
Sie hat zur Begründung der Klage unter anderem darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung ein versicherungsfreies Ehegattenbeschäftigungsverhältnis
nicht vorliege, wenn - wie hier - das Beschäftigungsverhältnis zu einer Gesellschaft bestehe, deren Mitglied unter anderem
der andere Ehegatte sei (Bezugnahme auf Bundessozialgericht - BSG -, BSGE 19, 268). Hier sei die Klägerin jedenfalls nicht persönlich unbeschränkt haftende Gesellschafterin und trete für die Zahnarztpraxis
auch nicht nach außen hin erkennbar auf. Bestünden gesellschaftsrechtliche Beziehungen nur im Innenverhältnis, sei der mitarbeitende
Gesellschafter kein persönlich haftender Mitunternehmer, sondern nur stiller Teilhaber, was dem Bestehen eines versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegenstehe. Der rein wirtschaftliche Einfluss als stiller Teilhaber sei rechtlich nicht
messbar und scheide bei der Beurteilung aus (Bezugnahme auf BSGE 25, 51).
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2007 abgewiesen. Soweit die Klage auf die Zeit ab 1. Januar 2001 bezogen
sei, sei sie als Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig, jedoch unbegründet. Bei mitarbeitenden Familienangehörigen
sei für die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des §
7 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) neben der Eingliederung in den Betrieb und dem Unterliegen eines ggf. abgeschwächten Weisungsrechts maßgeblich, ob der Angehörige
ein Entgelt erhalte, welches einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstelle, dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag
abgeschlossen worden sei, dass das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliege, als Betriebsausgabe verbucht sei und dem Angehörigen
zu freien Verfügung ausgezahlt werde und schließlich, dass der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetze (Bezugnahme auf
BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 50/93 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. März 2007 - L 4 AL 1340/05 -). Dies zugrunde gelegt, sei die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) keine Beschäftigung. Es fehlten hinreichende Anhaltspunkte
für eine persönliche Abhängigkeit vom Beigeladenen zu 2) und auch vom Beigeladenen zu 3). Vielmehr prägten nach Auffassung
der Kammer die für eine Selbständigkeit sprechenden Merkmale die Tätigkeit. So verfüge die Beigeladene zu 1) insbesondere
über die für die Führung einer Zahnarztpraxis erforderliche berufliche Qualifikation und setzte diese weisungsungebunden um.
Ferner habe sie eine laufende selbstschuldnerische Bürgschaft von erheblichem Umfang und damit ein beachtliches unternehmerisches
Risiko übernommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Zu deren Begründung hat sie unter anderem darauf hingewiesen, dass sich nach der Rechtsprechung des BSG das Vorliegen einer
Beschäftigung aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten ergebe, so wie dieses im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich
vollzogen werde. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehöre unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten
zustehende Rechtsmacht (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R -). Eine Nicht-Ärztin könne deshalb nicht Mitunternehmerin der Praxis ihres Ehemannes sein (Bezugnahme auf SG Darmstadt,
Urteil vom 9. November 2007 - S 13 KR 45/06 -).
Sie hat im Übrigen auf die neue Entscheidung des BSG vom 24. Juni 2008 (- B 12 KR 24/07 R -) hingewiesen, aufgrund derer hier feststehe, dass der hier angegriffene Bescheid rechtswidrig sei, soweit er den Zeitraum
vom 1. Mai 2003 bis 31. März 2004 betreffe.
Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 13. August 2008 ihre Bescheide hinsichtlich der Zeiträume vom 1. Januar 1973
bis 1. Januar 1990 und vom 1. Mai 2003 bis 31. März 2004 zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2005 abzuändern
und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) ab 1. Januar 2001 bis 30. April 2003 sowie ab 1. April 2004 der Rentenversicherungspflicht
unterliege.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Entscheidend sei, dass die Beigeladene zu 1) hier nicht als Sprechstundenhilfe beruflich tätig sei, sondern als zahnmedizinische
Verwaltungsassistentin, die zudem ein erhebliches Unternehmerrisiko trage.
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben für die mündliche Verhandlung den Antrag angekündigt gehabt,
die Berufung zurückzuweisen.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die von den Beteiligten
eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Sie ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig.
Vor Klageerhebung bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift
des §
78 Abs.
1 Satz 2 Nr.
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist.
Die Klagefrist hat hier nicht einen Monat gemäß §
87 Abs.
1 Satz 1
SGG nach Bekanntgabe betragen. Die Monatsfrist beginnt nämlich gemäß §
66 Abs.
1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin
ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich
nach §
69 SGG (alle) Kläger.
Statt der Monatsfrist hat deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 eine Jahresfrist seit der Eröffnung gegolten. Der hier streitgegenständliche
Bescheid der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1) ist der Klägerin durch die Mitteilung vom 22. August 2005 "eröffnet"
worden.
Die Klägerin hat das Klagerecht auch nicht verwirkt. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass einer der Beteiligten - insbesondere
die Beigeladenen zu 1) bis 3) - aufgrund des zwischen Bekanntgabe des Bescheides und der Klage verstrichenen langen Zeitraumes
von rund elf Monaten vertrauen durfte, eine Klage werde nicht bzw. nicht mehr erfolgen. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) sind
vielmehr informiert gewesen, dass sich die Klägerin der Rechtsauffassung der Beklagten nicht ohne weiteres anschließen konnte.
Zum Anderen fehlt es auch an einer Vertrauensbetätigung.
Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG dar:
§
55 SGG bestimmt im Gegensatz zu §
43 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs-
oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen
auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungsinteresses
bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil
den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung des eine Versicherungspflicht verneinenden
Bescheides der Beklagten. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass damit nicht umgekehrt die Rentenversicherungspflicht
festgestellt wird. Insbesondere die Beigeladenen zu 1) bis 3) könnten sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt
stellen, dass zwar der sie begünstigende Bescheid der Krankenkasse als Einzugsstellen aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung
zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide
gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September
2005 - B 3 KR 3/04 R -).
Die Klage ist auch begründet.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht
(§
1 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch -
SGB VI) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV.
Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung
Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den
tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall
eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus
dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt
ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt
oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende
tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung
gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese
Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von
ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig
in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, aaO.).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend,
welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen
Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles
zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen
ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17.
Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002-42 S. 238f).
Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben
(BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern
einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher
Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen
ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von
der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung
eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am
Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte
des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 -7 Rar 25/86 BB 1989, 72; Urteil vom 14. Dezember 1999 -B 2 U 48/98 R USK 9975 s. 419).
Nach diesen Grundsätzen überwiegen hier die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale:
Für eine abhängige Beschäftigung spricht hier, dass die Beigeladene zu 1) ein Gehalt erhalten hat, für welches Lohnsteuer
abgeführt wurde und welches die Beigeladenen zu 2) und 3) als Betriebsausgaben gebucht haben. Auch nach deren eigenen Angaben
der hätte an ihrer Stelle eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Sie war und ist nicht an der Zahnarztpraxis
als Mitgesellschafterin beteiligt. Ob dies möglich wäre, braucht deshalb nicht untersucht zu werden. Sie ist auch noch nicht
einmal formal Geschäftsführerin der Praxis.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeit eine unabhängige und unternehmerähnliche Position
im Verhältnis zu den Beigeladenen zu 2) und 3) gehabt hat und hat. Ihre Tätigkeit ist auf die Bereiche Verwaltung, Abrechnung
und Personalführung beschränkt. Dem entspricht auch ihr beruflicher Status als zahnmedizinische Verwaltungsassistentin. Es
ist aber umgekehrt nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass sie unternehmerische Entscheidungen im Hinblick auf zahnärztliche
Fragen (Art und Weise der Behandlung, Ablehnung der Übernahme von Patienten), praxisbezogene Anschaffungen, geschweige denn
Entscheidungen über vertragszahnärztliche Zulassung etc. trifft. Sie hat keine Rechtsmacht im oben genannten Sinne. Dass die
Familie die beruflichen Angelegenheiten über Jahre einvernehmlich regelt, vermag diese nicht zu ersetzen.
Angesichts von Bruttoeinkünften von circa 33.000,- Euro jährlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene
zu 1) kein adäquates Arbeitseinkommen bezogen hat.
Die Mitübernahme einer Bürgschaft über 150.000,- DM stellt sich zwar als Tragung eines gewissen Unternehmerrisikos dar, welches
aber die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte nicht gewichtig genug nivelliert.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
197 a SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 Satz 1
VwGO. Zu berücksichtigen war, dass die erstinstanzliche Entscheidung nur teilweise angegriffen wurde. Den Beigeladenen zu 1) bis
3) sind im Berufungsverfahren keine Kosten aufzuerlegen. Förmliche Anträge im Sinne des §
154 Abs.
3 VwGO haben sie nicht gestellt, sondern haben nur einen Antrag (für die mündliche Verhandlung) angekündigt ("werden beantragen").
Es entspricht andererseits aber auch nicht der Billigkeit, ihnen oder den anderen Beigeladenen gemäß §
162 Abs.
3 VwGO die ihnen erstandenen Kosten zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.
Der Beschluss über den Streitwert folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG. Der Senat schließt sich für Fälle außerhalb des Antragsverfahrens nach §
7a SGB IV der Rechtsprechung des 9. Senates im Hause an, wonach sich der Streitwert in einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht
regelmäßig nach dem Auffangstreitwert bemisst (vgl. Beschluss vom 12.August 2008 -L 9 KR 119/08 -). Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Rechtsstreits kann nämlich regelmäßig nicht überblickt werden. Er korrespondiert
regelmäßig nicht mit der Höhe der entweder zu erstattenden oder nachzufordernden Versicherungsbeiträge. Auch kann der wirtschaftliche
Wert, gesetzlich rentenversichert zu sein, kaum bemessen werden.
Sind aber Zeiträume von mehr als fünfzehn Jahren streitbefangen, ist regelmäßig eine Verdoppelung des Streitwertes angemessen,
ab dreißig Jahren eine Verdreifachung.
Ein Ausnahmefall, in welchem eine Eingrenzung aufgrund der Umstände des Einzelfalles geboten ist (zum Beispiel bei fehlender
Zukunftsbezogenheit, Begrenzung der Versicherung auf wenige Tage oder ähnliches) liegt vorliegend nicht vor.
Hier ist erstinstanzlich über die Versicherungspflicht über einen Zeitraum von über dreißig Jahren entschieden worden. Hingegen
geht es in zweiter Instanz nur um Zeiträume ab 2001. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt
aus § 63 Abs. 3 GKG.