Unfallversicherung; aufschiebende Wirkung; eiliges Regelungsbedürfnis; Interessenabwägung; gegenwärtige existenzielle Notlage;
ungeklärte persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse; Glaubhaftmachung
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat kann offen lassen, ob sich der Eilrechtsschutzantrag der Antragstellerin nach der gemäß §
123 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) gebotenen Auslegung ihres Begehrens unter Würdigung des Gesamtvorbringens als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
gemäß §
86b Abs.
2 S. 2
SGG darstellt, und zwar gerichtet auf die Weiterzahlung von Verletztengeld wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Juni 2009,
oder als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG der gegen den Einstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 27. März 2013 gerichteten Anfechtungsklage im beim Sozialgericht
Cottbus unter dem Aktenzeichen S 13 U 1/14 geführten Sozialstreitverfahren.
Für eine einstweilige Anordnung ist das gemäß §
86b Abs.
2 S. 2
SGG erforderliche eilige Regelungsbedürfnis im Sinne einer gegenwärtigen existenziellen Notlage nicht gemäß §
86b Abs.
2 S. 4
SGG i.V.m. §§
920 Abs.
2,
294, 938 Abs.
1, der
Zivilprozessordnung (
ZPO) mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Denn die Antragstellerin
kann eigenen Angaben zufolge in einem ihrem Ehemann gehörenden Haus mietfrei wohnen und bezog im Übrigen bis einschließlich
September 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs
(SGB II) in Höhe der Regelleistung. Hiervon ausgehend erscheint ein eiliges Regelungsbedürfnis auch für die Zeit ab Oktober 2014
nicht glaubhaft. Die Antragstellerin hat ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse insofern nicht, wie es die Glaubhaftmachung
eines eiligen Regelungsbedürfnisses erfordert, rückhaltlos und widerspruchsfrei offen gelegt. Soweit sie im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 01. August 2014 u.a. für die von ihr genutzte Wohnung eine Verbrauchskostenaufstellung
vorgelegt hat, ist nichts dafür ersichtlich, dass sie diese Verbrauchskosten tatsächlich begleicht bzw. ihr Ehemann aktuell
auf einer entsprechenden Zahlung besteht. Davon abgesehen reicht die Verbrauchskostenaufstellung schon deshalb nicht zur Glaubhaftmachung
einer bestimmten Zahlungspflicht aus, weil sie alternativ eine 70 %-ige und eine 50 %-ige Kostenbeteiligung der Antragstellerin
vorsieht. Zudem ist nicht dargelegt, welche weitere Personen in dem Einfamilienhaus leben, die ebenfalls an den Verbrauchskosten
zu beteiligen wären. Nach der vorgelegten Steuerabtretungserklärung vom 04. Mai 2013 ist davon auszugehen, dass der Sohn ebenfalls
dort wohnhaft ist. Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nunmehr auf einen Bescheid des Jobcenters D vom 22. September
2014 verweist, wonach ihr Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abgelehnt wurde, ist sie den darin enthaltenen
Ablehnungsgründen im vorliegenden Eilverfahren nicht plausibel entgegen getreten. Insbesondere hat sich die Antragstellerin
nicht schlüssig dazugeäußert, warum eine von ihr - nach ihrem Beschwerdevorbringen unbestrittenermaßen - im August 2014vorgenommene
Abtretung einer Steuerrückerstattung in Höhe von 8.622,49 € nicht - wie das Jobcenter meint - zwecks Deckung ihres eigenen
Lebensbedarfs rückgängig gemacht werden kann. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang zudem auf eine Abtretungserklärung
vom 04. Mai 2013 verweist, welche sich auf die Einkommensteuerveranlagungen von 2006 bis 2012 bezieht, ist schon nicht klar,
ob diese auch eine im Jahr 2014 stattgefundene Steuererstattung erfasst, zumal im Abtretungsformular vom 04. Mai 2013 unter
"V. Wichtige Hinweise" bestimmt ist, dass Abtretungen dem Finanzamt erst dann wirksam angezeigt werden können, wenn der abgetretene
Erstattungsanspruch entstanden ist.
Soweit der Eilrechtsschutzantrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Einstellung des Verletztengelds
gerichteten o.g. Klage abzielt, liegen ebenfalls keine Erfolgsaussichten vor.
Zwar ist ein solcher Antrag gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG statthaft, soweit im Einstellungsbescheid vom 27. März 2013 die Entziehung des mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember
2009 "bis auf weiteres" gewährten Verletztengelds zu sehen ist. Denn die gegen den Einstellungsbescheid, der das Verletztengeld
entzieht, gerichtete Anfechtungsklage entfaltet gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
3 SGG keine aufschiebende Wirkung.
Ein solcher Antrag hat jedoch unter Zugrundelegung der im Eilverfahren gebotenen, aber auch nur möglichen überschlägigen Prüfung
in der Sache keinen Erfolg. Denn die hierfür maßgebliche Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin
an der Aussetzung das Interesse der Antragsgegnerin an der Vollziehung des Einstellungsbescheids nicht überwiegt. Die Erfolgsaussichten
in der Hauptsache lassen sich nämlich angesichts der widerstreitenden ärztlichen Äußerungen zum Fortbestehen der unfallbedingten
Arbeitsunfähigkeitgegenwärtig nicht abschätzen; es müsste in der Hauptsache durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten
ggf. nach einer Ermittlung der bisherigen Arbeitsbedingungen aufgeklärt werden, ob die Antragstellerin nach den Maßstäben
der Gesetzlichen Unfallversicherung arbeitsunfähig ist, d.h. aufgrund der Folgen des Versicherungsfalls ihre zuletzt vor dem
Unfall ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann (vgl. etwa
Köllner, in: Lehr- und Praxiskommentar
Sozialgesetzbuch VII, 4. Aufl. 2014, §
45 Rn. 2). Die zeitnah zum Einstellungsbescheid gefertigten, aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen enthalten sowohl gegen
als auch für eine fortbestehende Arbeitsfähigkeit sprechende Anhaltspunkte. So wurde die Antragstellerin laut Bericht des
Unfallkrankenhauses B - Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie - vom 22. März 2013 nach einer arthroskopischen Behandlung
des unfallverletzten linken Knies als arbeitsfähig entlassen. Nach dem für die Gesetzliche Rentenversicherung erstellten Gutachten
des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T vom 02. April 2013 bestand bei einer körperlichen Untersuchung am
27. März 2013 aktuell noch Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Rekonvaleszenz nach neuerlicher Arthroskopie. Dr. R sieht in einem
Arztbrief vom 28. Mai 2013 ein schmerzbedingt chronisches Streckdefizit als weiterhin behandlungsbedürftige Unfallfolge an.
Dr. S führt in seinem Ersten Rentengutachten vom 15. Juni 2013 aus, dass Arbeitsfähigkeit am 25. März 2013 wieder eingetreten
sei, wobei die Antragstellerin beim derzeitigen Befund nur sitzende Tätigkeiten ausüben könne. Demgegenüber erkennt die Fachärztin
für Neurologie und Psychiatrie Dr. H in ihrem auf Veranlassung der Antragsgegnerin erstellten Zusammenhangsgutachten vom 27.
Juni 2013 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung nicht als unfallbedingt an und erkennt gar keine unfallbedingten Einschränkungen
für die Ausübung der mittlerweile aufgegebenen Tätigkeit als Tabakwarenhändlerin mehr.
Soweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache mithin noch nicht abschätzbar sind, ist die hiernach vorzunehmende allgemeine
Interessenabwägung vor allem an dem in §
86a Abs.
2 Nr.
3 SGG zu entnehmenden Regel-Ausnahme-Prinzip zu orientieren, wonach die aufschiebende Wirkung eine mit gewichtigen Argumenten zu
begründende Ausnahme bleiben muss (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG - Kommentar, 11. Aufl. 2014, §
86b Rn. 12c). Hiervon ausgehend liegen hier keine besonderen Umstände vor, welche eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahme-Prinzip
gebieten, zumal sich nach dem bereits zuvor Gesagten eine gegenwärtige existenzielle Notlage der Antragstellerin nicht annehmen
lässt und die Herstellung einer aufschiebenden Wirkung zur Folge hätte, dass das Verletztengeld in Höhe von 160,00 € kalendertäglich
vorerst weiter zu gewähren und damit faktisch für die Versichertengemeinschaft unwiederbringlich verloren wäre. Denn im Falle
einer im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens bestandskräftig werdenden Einstellung bestünde hier keinerlei Aussicht, dass das
hiernach zu Unrecht gezahlte Verletztengeld wieder beigetrieben werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.