Zulässigkeit einer "Interpretationsfeststellungsklage" im sozialgerichtlichen Verfahren
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Ausschluss von Monapax® Saft und Monapax® Tropfen aus der Versorgung für versicherte Kinder
bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Die Klägerin ist ein mittelständisches pharmazeutisches Unternehmen. Sie vertreibt vorwiegend nicht-verschreibungspflichtige
Arzneimittel, vor allem zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten. Dazu gehören auch Monapax® Saft und Monapax® Tropfen, für
die die Klägerin die arzneimittelrechtliche Zulassung besitzt.
Monapax® Saft ist nach der Fachinformation vom Februar 2009 ein homöopathisches Arzneimittel bei Erkältungen der Atemwege.
Als Anwendungsgebiete werden Husten jeder Ursache, auch Keuchhusten und Bronchialkatarrh genannt. Monapax® Saft setzt sich
aus den Wirkstoffen Drosera, Hedera helix, China, Coccus cacti, Cuprum sulfuricum, Ipecacuanha und Hyoscyamus, sowie den sonstigen
Bestandteilen Sorbitol, Xanthan Gum, Ethanol, Kaliumsorbat, Anisöl, Saccharin-Natrium, Citronensäure-Monohydrat und gereinigtem
Wasser zusammen und enthält 3,9 Vol.-% Alkohol. Unter der Rubrik pharmakologische Eigenschaften wird das Arzneimittel der
pharmakotherapeutischen Gruppe der homöopathischen und anthroposophischen Antitussiva und Expektorantien zugeordnet: Drosera
und Cuprum sulfuricum seien vor allem bei Keuchhusten und nächtlichem Krampfhusten therapeutisch wirksam. Coccus cacti, Hedera
helix und Ipecacuanha nähmen Einfluss auf entzündliche Geschehen im Bereich der Atemwege einschließlich der Bronchitis und
verbesserten die Expektoration. China wirke in erster Linie bei fiebrigem Husten und Hyoscyamus beeinflusse nervös bedingten
Husten und Reizhusten.
Auf der Grundlage der von der Kommission D beim Bundesinstitut für Arzneimittelwesen und Medizinprodukte (BfArM) erstellten
Aufbereitungsmonographien sind den in Monapax® Saft enthaltenen Wirkstoffen u.a. folgende Krankheitsbilder zugeordnet:
Drosera: Entzündungen der Atemwege und besonders Keuchhusten (BAnz.: 22.11.1985)
Hedera helix: Akute Entzündungen der Atemwege (BAnz.: 12.2.1986/8.3.1990).
China: Fieberanfälle; Entzündungen der Atemwege; allgemeine Entkräftung (Banz.: 16.6.1987/8.3.1990)
Coccus cacti: Entzündungen des Nasen-Rachen-Raumes, der Atemwege (BAnz.: 22.11.1985)
Cuprum sulfuricum: Krämpfe der Muskulatur, nächtlicher Krampfhusten (BAnz.: 12.2.1986/8.3.1990
Ipecacuanha: Bronchitis, Bronchialasthma, Keuchhusten (BAnz.: 19.9.1985)
Hyoscyamus: Spastische Zustände der Atemwege, Krampfzustände der Atemwege (BAnz.: 19.9.1985).
Im Juni 1978 zeigte die Fa. A. GmbH Monapax® Saft gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) an und stellte am 27. Dezember 1989 zunächst den Antrag auf Verlängerung der Zulassung sowie am 13. April 1993 den so genannten
Langantrag. Diesen Antrag auf Nachzulassung gemäß § 105 Abs. 5c des Arzneimittelgesetzes (AMG) nahm sie im November 1995 zurück. Nach Übergang der fiktiven Zulassung auf die A.P. GmbH stellte diese am 23. Januar 2001
einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und legte die "Erklärung zum Einreichen von Unterlagen gemäß 10. Änderungsgesetz
zum AMG" vor. Darin beantragte sie eine Verlängerung der Zulassung nach §§ 105 Abs. 4a, 22 Abs. 3 AMG. Gutachten zur Pharmakologie/Toxikologie und zur Klinik sowie entsprechende Dokumentationsunterlagen waren beigefügt. Das
BfArM rügte zunächst mit Schreiben vom 10. März 2003 gegenüber der A.P. GmbH Mängel der vorgelegten Unterlagen und lehnte
mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 den Antrag auf Verlängerung der Zulassung ab. Zur Begründung führte es u.a aus: Das Arzneimittel
sei nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden und weise nicht
die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität auf; die angemessene therapeutische Wirksamkeit sei
nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet. Die dem Arzneimittel beigefügten Hilfsstoffe,
die die Klägerin nicht eliminieren wolle, seien weder nach dem Deutschen Homöopathischen Arzneibuch (HAB) noch nach dem Europäischen
Arzneibuch zulässig. Gemäß der Monographie "Homöopathische Zubereitungen" im Europäischen Arzneibuch seien zur Herstellung
von Darreichungsformen homöopathischer Zubereitungen im Prinzip geeignete Hilfsstoffe zugelassen. Die Monographie "Homöopathische
Zubereitungen" regele insoweit jedoch nur den allgemeinen Rahmen der Qualitätsanforderungen, die Herstellung habe dann auf
der Grundlage der konkret anzuwendenden homöopathischen Herstellungsvorschriften zu erfolgen. Weiterhin sei die Wirksamkeit
des Arzneimittels nicht ausreichend belegt, weil die Monographien der Kommission D des BfArM auf eine im HAB nicht aufgeführte
Darreichungsform, die im HAB nicht aufgeführte und damit nicht zulässige Hilfsstoffe enthalte, nicht anwendbar seien. Die
Wirksamkeit des Arzneimittels werde auch nicht durch die vorgelegten Anwendungsbeobachtungen hinreichend belegt.
Auf die Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht Köln den Ablehnungsbescheid mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom
26. August 2008 aufgehoben und die beklagte Bundesrepublik Deutschland zur Neubescheidung verpflichtet. Die Versagung der
Zulassung eines Arzneimittels auf der Grundlage der §§ 105 Abs. 5 Satz 1 und 2, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG sei rechtswidrig, wenn nicht zuvor der konkrete Mangel beanstandet und dem Arzneimittelhersteller die Möglichkeit gegeben
worden sei, dem Mangel abzuhelfen. Dies sei hier nicht geschehen und müsse nunmehr nachgeholt werden. Die Herstellung eines
homöopathischen Arzneimittels sei nicht nur mit den im HAB aufgeführten Arzneiträgern möglich. Das Europäische Arzneibuch
treffe in seiner Monographie für homöopathische Zubereitungen eine eigene Herstellungsvorschrift, die damit den Herstellungsvorschriften
in den Pharmakopöen der einzelnen Mitgliedsstaaten und auch dem HAB vorgehe. Die Eignung der Hilfsstoffe sei im Einzelfall
gegenüber dem BfArM zu belegen, soweit diese nicht im HAB oder in einer entsprechenden offiziell gebräuchlichen Pharmakopöe
eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union zugelassen seien. Die Klägerin habe diesen Nachweis auch im Klageverfahren nicht
geführt, so dass die Sache nicht spruchreif sei.
Monapax® Tropfen sind nach der Fachinformation vom 30. Juni 2007 ein homöopathisches Arzneimittel bei Erkrankungen der Atemorgane,
die eine Mischung der auch in Monapax® Saft enthaltenen Wirkstoffe mit den sonstigen Bestandteilen Ethanol und gereinigtem
Wasser zum Einnehmen enthalten. Die Anwendungsgebiete leiteten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehöre:
Husten. Monapax® Tropfen sind unter dem 8. Dezember 2005 vom BfArM arzneimittelrechtlich genehmigt worden. Monapax® Saft und
Monapax® Tropfen sind nicht ärztlich verordnungs-, sondern nur apothekenpflichtig.
Der Beklagte hat seit seiner am 1. April 2009 in Kraft getretenen Fassung der Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln
in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL, in der Fassung vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009
veröffentlicht im Bundesanzeiger 2009, Nr. 49a, zuletzt geändert am 17. Dezember 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010
Nr. 6: S. 127) in Abschnitt H. Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung vorgesehen. Nach
§ 16 Abs. 1 AM-RL dürfen Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten nicht
verordnet und von Krankenkassen u.a dann nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen (1.) oder die medizinische Notwendigkeit (2.) oder die Wirtschaftlichkeit
(3.) nicht nachgewiesen ist. Diese Voraussetzungen treffen insbesondere zu, wenn an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen
das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger
zu erreichen ist (Abs. 2 Nr. 5). Nach § 16 Abs. 3 AM-RL sind die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten
und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel in einer Übersicht als Anlage III der AM-RL zusammengestellt. Die behandelnde
Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung
ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 16 Abs. 5
AM-RL). Nach Nr. 31 der Anlage III der AM-RL sind Hustenmittel als fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektorantien
oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen u.a. als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Verordnung
auch für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
unwirtschaftlich.
Diese Verordnungseinschränkungen haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenärztliche Vereinigung (KV)
Westfalen-Lippe veranlasst, eine Übersicht über die ganz oder teilweise von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) ausgeschlossenen Arzneimittel in Form von "Fragen und ggf. Beispielen sowie Antworten und ggf. Begründungen" zu erstellen.
Unter Nr. 31 AM-RL heißt es in dieser Übersicht u.a.:
"1. Sind jetzt gar keine Hustenmittel für Kinder mehr verordnungsfähig? - Doch. Monopräparate sind weiterhin verordnungsfähig.
Ebenso sind Präparate nicht ausgeschlossen, die beispielsweise zwei Mukolytika oder beispielsweise zwei Antitussiva - also
Wirkstoffe aus einer Wirkstoffgruppe - enthalten...".
"6. Sind Homöopathika/Anthroposophika, die als Hustenmittel eingesetzt, aber eine Kombination von Substanzen mit antitussiver
und gleichzeitig expektorierender Wirkung enthalten, für Kinder noch verordnungsfähig? - Auch solche homöopathischen und anthroposophischen
Kombinationen sind für Kinder unter 12 Jahren und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
als unwirtschaftlich anzusehen."
U.a. im Hinblick auf diese Übersicht wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 4. Mai 2009 an den Beklagten und bat um eine
Klarstellung der Anlage III dahingehend, dass das von ihr vertriebene Arzneimittel Monapax® nicht von einem Verordnungsausschluss
nach Anlage III AM-RL erfasst werde. Hierauf stellte der Beklagte in seinem Schreiben vom 7. Juli 2009 gegenüber der Klägerin
fest, dass Monapax® von Nr. 31 der Anlage III erfasst werde. Bei homöopathischen Komplexarzneimitteln sei für die Beantwortung
der Frage, ob das Arzneimittel wirkstoffklassenüberschreitende Wirkstoffe enthalte, auf die Arzneimittelbilder der enthaltenen
Einzelmittel abzustellen. Dabei ergebe sich im Fall von Monapax®, dass einige der enthaltenen Wirkstoffe als Hustenmittel
bei Keuch- und Krampfhusten, andere Wirkstoffe als Mittel gegen Atemwegsentzündungen wirken sollten. Dies würde der Kombination
eines Hustenmittels mit einem anderen antientzündlichen Mittel entsprechen, so dass solche Präparate ebenfalls unter die Regelung
in Nr. 31 der Anlage III zu subsumieren seien.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin begehrt mit der Klage im Hauptantrag die Feststellung, dass Monapax®
Saft und Tropfen nicht vom Verordnungsausschluss der Anlage III Nr. 31 AM-RL erfasst würden. Hilfsweise war die Klage ursprünglich
auf die Feststellung gerichtet, dass diese Richtlinie rechtwidrig sei, soweit sie Monapax® von der Verordnungsfähigkeit für
Kinder bis 12 Jahre und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum 18. Lebensjahr ausschließe. In der mündlichen Verhandlung
hat die Klägerin ihren Hilfsantrag umgestellt und nunmehr die Feststellung beantragt, dass die genannte Richtlinie rechtwidrig
sei bzw. dass der Richtlinie der Zusatz beizufügen sei, dass homöopathische Arzneimittel vom Verordnungsausschluss ausgenommen
seien.
Zur Begründung der Klage macht sie geltend: Bereits nach seinem Wortlaut erfasse Nr. 31 Anlage III AM-RL Monapax® nicht. Denn
bei Monapax handele es sich nicht um eine fixe Kombination nach dem klassischen schulmedizinischen Ansatz, sondern um ein
homöopathisches Komplexmittel. Während es nach dem schulmedizinischen Denkansatz zu einer pharmakologisch genau definierten
Wechselwirkung zwischen einem Wirkstoff und einem körperlichen Rezeptor komme, beruhe die homöopathische Medizin nicht auf
einem konkret definierten pharmakologischen Wirkmechanismus, sondern auf dem ganzheitlichen Gedanken, dass die Symptome bestimmter
Erkrankungen dadurch gelindert oder beseitigt werden könnten, dass dem Körper Stoffe zugeführt würden, die eine ähnliche Symptomatik
wie die Erkrankung hervorriefen. Sie ziele dabei ganz maßgeblich darauf ab, die körpereigenen Abwehrkräfte zu stimulieren
und die Fähigkeit des Organismus zur Reaktion, Regulation, Anpassung und Regeneration zu stärken. Die Anwendungsgebiete homöopathischer
Arzneimittel leiteten sich von einem homöopathischen Arzneimittelbild ab. Homöopathische Komplexmittel wiesen somit zwar gewisse
Übereinstimmungen mit allopathischen Kombinationsarzneimitteln auf, da sie sich ebenfalls aus verschiedenen Einzelmitteln
zusammensetzten, die insgesamt für die therapeutische Wirkung des Präparates verantwortlich seien. Homöopathische Komplexmittel
seien aber anders als allopathische Kombinationspräparate durch homotrope Kombinationen gleichgerichteter Einzelmittel definiert,
die sich in ihren Arzneimittelbildern ergänzten und den Symptomkomplex der zu erfassenden Erkrankung umfassend abdeckten.
Für die Hustenmittel bedeute dies, dass allopathische Kombinationspräparate nach Nr. 31 Anlage III AM-RL dann ausgeschlossen
seien, wenn ihre Einzelwirkstoffe in ihrer Wirkungsweise gegenläufig (Antitussiva und Expektorantien) seien oder unterschiedliche
Erkrankungen (Entzündungen und Husten) behandelten. Nach dem homöopathischen Krankheitsbild werde mit Monapax® hingegen eine
akute virale und/oder bakterielle Entzündung der Atemwege als Krankheitssyndrom mit dem Leitsymptom Husten behandelt; ein
Ausschluss nach der homöopathischen Arzneimittellehre könne allenfalls erfolgen, wenn feindliche Beziehungen zwischen den
enthaltenen Einzelwirkstoffen aufträten. Dies sei jedoch bei Monapax® nicht der Fall. Weder homöopathische Einzel- noch Komplexmittel
ließen sich deshalb pharmakologischen Wirkstoffgruppen zuordnen. Die Kriterien und Begriffe der Nr. 31 Anlage III der AM-RL
seinen deshalb allein auf allopathische Arzneimittel zugeschnitten. Dass diese Kategorisierung bei den homöopathischen Arzneimitteln
versage, habe auch der Beklagte erkannt, weil er davon ausgehe, dass in Monapax® Wirkstoffe enthalten seien, die einer Kombination
eines Hustenmittels mit einem anderen antientzündlichen Mittel "entsprechen" würde. Darin liege die Anerkennung, dass eine
Subsumtion von Monapax unter den Wortlaut der Nr. 31 Anlage III AM-RL nicht möglich sei. Die Verordnungseinschränkung sei
daher nur über das Instrument der Analogie möglich; Verordnungsausschlüsse aufgrund einer analogen Anwendung untergesetzlicher
Regelungen seien jedoch rechtswidrig.
Eine Anwendung der Nr. 31 Anlage III AM-RL auf Monapax® verstoßen im Übrigen gegen die Anerkennung der Arzneimittel der besonderen
Therapierichtungen in §
2 Abs.
1 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (
SGB V) sowie gegen den aus §
34 Abs.
2 Satz 3 sowie Abs.
3 Satz 3
SGB V abzuleitenden Grundsatz, dass bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen (wie der Homöopathie)
der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen sei. Sie stellte auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
aus Art.
3 Abs.
1 GG dar, der verbiete, wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln: dies wäre jedoch der Fall, wenn der Beklagte die Kriterien
der allopathischen Medizin undifferenziert auf Monapax® übertrage. Außerdem würde er dadurch die Bindungswirkung der arzneimittelrechtlichen
Zulassung missachten sowie das ihm durch §
92 Abs.
1 SGB V zugebilligte Normsetzungsermessen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen. Denn der Beklagte habe bei der Richtliniensetzung
ganz offensichtlich keine Abwägung mit den präparatespezifischen Besonderheiten der homöopathischen Arzneimittel vorgenommen
und mit dem kompletten Verordnungsausschluss von Monapax® die eingriffsintensivste Maßnahme ergriffen, die hier denkbar sei,
ohne verhaltenslenkende Maßnahmen zu erwägen. Schließlich sei Monapax® Saft auch nicht unter Beachtung der Rechtsprechung
des BSG zu Therapiehinweisen unwirtschaftlich.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass Anlage III Nr. 31 AM-RL in der seit dem 1. April 2009 geltenden Fassung nicht die Arzneimittel Monapax®
Saft und Monapax® Tropfen von der Verordnungsfähigkeit für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit
Entwicklungsstörungen bis zum 18. Lebensjahr ausschließt,
hilfsweise,
festzustellen, dass Anlage III Nr. 31 AM-RL in der seit dem 1. April 2009 geltenden Fassung rechtswidrig ist,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Anlage III Nr. 31 AM-RL in der seit dem 1. April 2009 geltenden Fassung
den Zusatz beizufügen: Homöopathische Arzneimittel sind ausgenommen.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er erklärt: Soweit in den Hilfsanträgen eine Änderung des ursprünglichen Klagebegehrens liegen sollte, stimme er der Klageänderung
nicht zu. Im Übrigen ist er der Auffassung, dass die Klage keinen Erfolg haben könne. Das Präparat Monapax® Saft erfülle schon
deshalb nicht die Mindestvoraussetzungen für eine Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen, weil es keine
arzneimittelrechtliche Zulassung besitze, die auf einer Wirksamkeitsprüfung durch das BfArM beruhe, sondern bloß eine fiktive
Zulassung auf Grund Übergangsrechts. Nr. 31 Anlage III AM-RL sei auf homöopathische Komplexmittel anwendbar. Diese seien auch
nach den Auffassungen der Kommission D des BfArM als fixe Kombination homöopathischer Einzelmittel anzusehen, wie sich aus
den Bewertungskriterien für fixe Kombinationen homöopathischer Arzneimittel vom 24. April 1997 ergebe. Monapax® erfülle auch
die zweite Regelungsalternative der Nr. 31 Anlage III AM-RL, da das Präparat ein Hustenmittel und ein Mittel gegen Atemwegsentzündungen
kombiniere. Eine wirkstoffbezogene Bewertung des Arzneimittels sei auch zulässig, weil die arzneilich wirkenden Bestandteile
von Monapax® in der Fachinformation als "Wirkstoffe" bezeichnet würden und die Darlegung der pharmakologischen Eigenschaften
des Arzneimittels auf die Zielrichtung "Bekämpfung des Hustens" einerseits und "Bekämpfung entzündlicher Geschehnisse im Bereich
der Atemwege" andererseits hinweise. Deshalb könne Nr. 31 Anlage III AM-RL direkt auf Monapax® angewendet werden. Einer analogen
Anwendung bedürfe es nicht. Weder die Anlage III AM-RL noch die Ermächtigungsgrundlage für Einschränkungen der Verordnungsfähigkeit
bestimmter Medikamente in §
92 SGB V verlangten im Übrigen, dass Arzneimittel einen bestimmten pharmakologischen Wirkmechanismus aufweisen müssten. Für die Zuordnung
eines Arzneimittels zu einer Regelung in der Anlage III AM-RL sei allein entscheidend, dass das Arzneimittel zur Behandlung
bestimmter Indikationen zugelassen sei, so dass Aussagen über seine therapeutischen Eigenschaften gemacht werden könnten.
Durch die Regelungen in Anlage III beurteile sich ein Arzneimittel allein nach seinen therapeutischen Wirkungen und ggf. nach
seiner Zusammensetzung. Aus diesem Grund verstoße die Subsumtion von Monapax® auch nicht gegen das gesetzliche Gebot, dass
bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung
zu tragen sei. Denn die Nr. 31 Anlage III zugrunde liegenden medizinisch-pharmakologischen Erwägungen seien nicht spezifisch
allopathischer Natur, sondern gehörten auch zum integralen Bestandteil der Grundsätze zur Anwendung und Bewertung von Arzneimitteln
der Therapierichtung der Homöopathie. Die Bindungswirkung der arzneimittelrechtlichen Zulassung werde durch die Anwendung
von Nr. 31 Anlage III der AM-RL nicht berührt. Unter Beachtung der nur eingeschränkten sozialgerichtlichen Kontrolle der Rechtssetzung
des Beklagten sei die angegriffene Richtlinie auch weder ermessensfehlerhaft zustande gekommen noch unverhältnismäßig. Der
Richtlinie liege die Einschätzung zugrunde, dass die auf die Kriterien Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit ausgerichtete
individuelle Zulassung nach dem AMG den sozialgesetzlich zu fordernden Nutzen im Sinne des systematischen Einsatzes des zweckmäßigsten Arzneimittels nicht gewährleisten
könne. Denn das Ziel der Behandlung akuter viraler und bakterieller Entzündungen der Atemwege mit dem Leitsymptom Husten könne
auch unter Berücksichtigung der Therapiegrundsätze der Homöopathie therapeutisch zweckmäßiger mit der Anwendung von Monopräparaten
erreicht werden. Außerdem werde Monapax® durch Nr. 31 Anlage III AM-RL nicht schlechthin von der vertragsärztlichen Versorgung
ausgeschlossen. Denn das Medikament könne ausnahmsweise in vertragsärztlich begründeten Einzelfällen weiterhin verordnet werden.
Deshalb sei die Intensität der Maßnahme in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG als gering einzustufen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge
des Beklagten Bezug genommen, die, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Hauptantrag ist unzulässig; der erste Hilfsantrag ist
hingegen zulässig und begründet.
A. Die von der Klägerin im Hauptantrag erhobene Feststellungsklage ist unzulässig, weil sie auf die Klärung einer abstrakten
Rechtsfrage gerichtet ist und der Klägerin im Hinblick auf die mangelnde Verbindlichkeit einer ihrem Auslegungsbegehren stattgebenden
Entscheidung das berechtigte Interesse an der Feststellung fehlt.
1.) Nach §
55 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (Nr.1), die Feststellung, welcher Versicherungsträger
der Sozialversicherung zuständig ist (Nr.2), die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls,
einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist (Nr.3) oder die Feststellung der Nichtigkeit
eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
a) Der erkennende Senat hat als 7. Senat des LSG Berlin-Brandenburg und als 7. Senat des früheren LSG Berlin in ständiger
Rechtsprechung als Klage auf Feststellung des Bestehen oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG auch die Normfeststellungsklage für zulässig gehalten, wenn sie auf die Feststellung der Gültigkeit bzw. der Nichtigkeit
einer untergesetzlichen Rechtsnorm gerichtet war (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 15. Juli 2009, - L 7 KA 30/08 KL -, - L/KA 50/08 KL -; Urteil vom 14. Juni 1995, - L 7 Ka 6/95 -; Beschluss vom 27. Februar 2008, - L 7 B 112/07 KA ER). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es sich etwa bei den Richtlinien des Beklagten, des Gemeinsamen Bundesausschusses
(GBA), nach §
92 Abs.
1 Satz 1, Satz 2 Nr.
6 SGB V nicht um Verwaltungsakte handelt, die die Möglichkeit der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage eröffnen, sondern um verbindliche
untergesetzliche Normen (§
91 Abs.
6 SGB V; vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20). Als sachgerechte Klageart kommt deshalb zur Vermeidung von verfassungsrechtlich im Hinblick
auf Art.
19 Abs.
4 GG nicht hinnehmbaren Rechtsschutzlücken nur eine Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG in Betracht, weil das
SGG Rechtsschutz in Form der Normenkontrolle nicht ausdrücklich vorsieht; denn eine §
47 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) entsprechende Norm fehlt im
SGG, das allerdings in §
29 Abs.
4 Nr.
3 SGG, der die Zuständigkeit des LSG Berlin-Brandenburg auch für den vorliegenden Rechtsstreit begründet, Rechtsschutz gegen Richtlinien
des Beklagten ausdrücklich voraussetzt.
b) Diese Rechtsschutzmöglichkeit hat auch das BSG in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 (B 6 KA 13/05 R, "Clopidogrel", zitiert nach juris) anerkannt. Danach sind Klagen von Arzneimittelherstellern gegen die Rechtmäßigkeit von
Therapiehinweisen, die der Beklagte zu einer Arzneimitteltherapie abgegeben hat, im Rahmen des §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG zulässig. Auch das BSG hat betont, dass dem nicht entgegensteht, dass sich ein Arzneimittelhersteller unmittelbar gegen untergesetzliche
Rechtsnormen wendet und das
SGG im Unterschied zur (
VwGO) keine Normenkontrollklage kennt. Dieser Grundsatz sei zunächst durch die Einführung des §
35a Abs.
7 SGB V durch das Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1948) durchbrochen worden. Danach kann gegen die Verordnung zur Festsetzung von
Festbeträgen unmittelbar Klage erhoben werden. Auch schon zuvor hat es das BSG unter Verweis auf die Rechtsschutzgarantie
des Art.
19 Abs.
4 Satz 1
GG zugelassen, dass im Recht der GKV juristische und natürliche Personen, die durch untergesetzliche Normen oder deren Fehlen
in rechtlich geschützten Belangen betroffen sind, dagegen klagen können (siehe hierzu bereits BSGE 71, 42, 52 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 4 S. 19 f. - mit dem Hinweis auf Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen durch die Fachgerichtsbarkeit;
BSGE 72, 15, 17 ff. = SozR 3-2500 § 88 Nr. 2 S 12 ff.; BSGE 78, 91 f = SozR 3-5540 § 25 Nr. 2 S 3 f.; BSGE 83, 118, 122 = SozR 3-2500 § 145 Nr. 1 S. 6; BSG - Urteil vom 28. April 1999 - B 6 KA 52/98 R - USK 99114 S. 666; BSGE 86, 223, 225 = SozR 3-2500 § 138 Nr. 1 S. 3; vgl. auch BSGE 90, 61, 64 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 35 S. 204). Diese Möglichkeit besteht in denjenigen Ausnahmefällen, in denen die Betroffenen ansonsten
keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, auf Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen
Norm zu warten, oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt. Mit der Feststellungsklage ist es möglich,
die Anwendung und Wirksamkeit gesetzesnachrangiger Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen, wenn nur auf diese Weise wirksamer
Rechtsschutz erlangt werden kann und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (vgl. BSGE 83, 118, 122 = SozR 3-2500 § 145 Nr. 1 S. 6). Dem entspricht die Rechtsprechung des BVerfG, das in seinem Beschluss vom 17. Januar
2006 (1 BvR 541/02 u.a. - NVwZ 2006, 922) unter Hinweis u.a. auf das Urteil des BSG vom 13. Januar 1993 (BSGE 72, 15 = SozR 3-2500 § 88 Nr. 2) eine Verpflichtung des von einer Rechtsverordnung des Bundes betroffenen Bürgers postuliert, vor
Erhebung einer Verfassungsbeschwerde Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland als Normgeber zu erheben, wenn
er sich durch Regelungen in der Rechtsverordnung beeinträchtigt sieht. Legt der Betroffene unmittelbar Verfassungsbeschwerde
ein, ist diese als Urteilsverfassungsbeschwerde wegen fehlender Erschöpfung des Rechtsweges nach § 90 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bzw. als Rechtssatzverfassungsbeschwerde wegen Fehlens unmittelbarer Betroffenheit unzulässig, unabhängig davon, ob die
in Rede stehende Rechtsverordnung von §
47 VwGO erfasst wird und folglich eine unmittelbare Klagemöglichkeit eröffnet ist (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006, aaO.).
c) Ebenso wie bei den Therapiehinweisen handelt es sich auch bei den Richtlinien nach § 16 i.V.m. Anlage III Nr. 31 AM-RL,
die hier streitbefangen sind, um untergesetzliche Rechtsnormen, denn sie sind Teil der auf §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V beruhenden AM-RL. Die vom Beklagten auf der Rechtsgrundlage des §
92 SGB V erlassenen Richtlinien sind nach der Rechtsprechung der mit dieser Frage befassten Senate des BSG untergesetzliche Rechtsnormen
(BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 30; BSGE 82, 41, 47 f = SozR 3-2500 § 103 Nr. 2 S. 17 [6. Senat]; BSGE 81, 73, 81 = SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 S. 56 [1. Senat]; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr. 7 RdNr.
20 [3. Senat]). §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V ermächtigt den Beklagten zum Erlass von Richtlinien über die "Verordnung von Arzneimitteln" im Hinblick auf eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung i.S. des §
92 Abs.
1 Satz 1
SGB V.
2.) Die vorgenannte Rechtsprechung des erkennenden Senats und des BSG rechtfertigt aber die Erhebung einer Feststellungsklage
im Zusammenhang mit einem Streit über eine Rechtsnorm nicht in jedem Fall und gegenüber jeder Körperschaft, die am Normerlass
mitwirkt.
a) Wie die Normenkontrollklage nach §
47 VwGO ist auch die Feststellungsklage grundsätzlich gegen die Körperschaft zu richten, die die Rechtsvorschrift erlassen hat (vgl.
§
47 Abs.
2 Satz 2
VwGO), im vorliegenden Fall also gegen den Beklagten, wie dies die Klägerin zu Recht getan hat. Aus dem Erfordernis, dass es sich
um eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses handelt, ist aber weiterhin zu
verlangen, dass über ein konkretes Rechtsverhältnis gestritten wird, dass heißt bezogen auf den vorliegenden Streitgegenstand,
dass die Klägerin die Rechtmäßigkeit der AM-RL oder einer ihrer Bestimmungen im Hinblick auf ein von ihr hergestelltes oder
vertriebenes Arzneimittel bestreiten muss, weil die Normfeststellungsklage nur in diesem Fall eine Rechtsschutzlücke füllt
und ihre Subsidiarität wahrt. Das zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis wird in diesem Fall durch die zwischen
ihnen streitige Frage geprägt, ob der Normgeber berechtigt war, die umstrittene Vorschrift zu erlassen oder ob ihn Rechtsvorschriften,
insbesondere höherrangiges Recht, daran hinderten. Die Normfeststellungsklage ist mit anderen Worten regelmäßig darauf gerichtet,
die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Vorschrift festzustellen.
b) Um solchen Rechtsschutz geht es der Klägerin im vorliegenden Fall in ihrem Hauptantrag jedoch nicht. Sie hält die AM-RL
auch in Nr. 31 Anlage III genau so wie der Beklagte prinzipiell für rechtmäßig und wirksam und streitet mit dem Beklagten
im Hauptantrag nur darüber, ob das von ihr hergestellte Arzneimittel von der Verordnungseinschränkung in der genannten Vorschrift
überhaupt erfasst wird. Die Beteiligten streiten deshalb hinsichtlich des Hauptantrages in der Sache nicht über die Gültigkeit
oder Nichtigkeit einer vom Beklagten erlassenen untergesetzlichen Rechtsvorschrift, sondern über die Auslegung der streitbefangenen
Norm. Die Klägerin hat den erkennenden Senat also angerufen, um eine von ihr gewünschte Interpretation der Nr. 31 Anlage III
AM-RL gegen den Normgeber durchzusetzen. Ein solches Vorgehen ist mit der Feststellungsklage (als vorbeugende Feststellungsklage
unter weiteren Voraussetzungen) aber nur dann zulässig, wenn der Normgeber entweder an der Umsetzung der von ihm erlassenen
Rechtsvorschrift beteiligt ist oder aber seine Auslegung bzw. die an seine Stelle im Feststellungsprozess tretende Rechtsauffassung
des Gerichts für die Normunterworfenen verbindlich ist. Ist das jedoch nicht der Fall, streiten die Beteiligten eines Normfeststellungsrechtsstreits
nicht über konkrete Befugnisse des Normgebers zum Erlass einer Rechtsvorschrift und damit das Bestehen eines zwischen ihnen
bestehenden konkreten Rechtsverhältnisses, sondern eine abstrakte Rechtsfrage. So liegt es auch hier. Denn der Beklagte ist
an der Umsetzung der hier streitigen Rechtsnormen nicht beteiligt. Diese sind vielmehr zunächst von den Vertragsärzten bei
der Verordnung von Arzneimitteln zu beachten. Ihre Entscheidung über die Auslegung der streitbefangenen Richtlinien können
vor allem zu Rechtsstreiten zwischen den Versicherten und ihren Krankenkassen über die Frage einer Kostenübernahme/Kostenerstattung
bzw. zwischen Vertragsärzten und den Prüfgremien über Verordnungsregresse führen: Dies ist davon abhängig, ob die Vertragsärzte
und die Krankenkassen Nr. 31 Anlage III AM-RL auch für homöopathische Arzneimittel, insbesondere für Monapax®, für anwendbar
halten oder nicht. In dieser Frage können sie auch durch den vorliegenden Rechtsstreit nicht gebunden werden. Während §
47 Abs.
5 Satz 2
VwGO vorschreibt, dass die Feststellung der Ungültigkeit einer Norm durch das OVG für allgemein verbindlich erklärt und die Entscheidungsformel
publiziert wird, ist das Normfeststellungsverfahren vor dem LSG kein abstraktes Normenkontrollverfahren, sondern bleibt ein
normales kontradiktorisches Streitverfahren zwischen den Beteiligten. Das Urteil des LSG entfaltet dementsprechend nach §
141 Abs.
1 Nr.
1 SGG auch nur Rechtskraft zwischen den Beteiligten. Selbst ein dem Begehren der Klägerin stattgebendes Feststellungsurteil würde
nur den Beklagten in seiner Auslegung der streitigen Vorschriften binden; eine Bindungswirkung gegenüber den "Anwendern",
also vor allem den Vertragsärzten und den Krankenkassen, wäre damit ebensowenig verbunden, wie eine Bindung der Sozialgerichte
in Rechtsstreiten zwischen Versicherten und den Krankenkassen oder den Vertragsärzten und den Prüfgremien über die richtige
Auslegung der streitigen Richtlinien des Beklagten.
c) Den Streit über die richtige Auslegung der streitigen Vorschriften führt die Klägerin auch nur deshalb gegen den Beklagten,
weil sie damit ohne Rechtskraftwirkung eine quasi authentische Interpretation durch den Senat erstrebt, von der sie hofft,
dass sie sich im Meinungsstreit über die Auslegung der AM-RL wird durchsetzen können. Damit führt sie aber trotzdem keinen
Streit über konkrete Rechte aus einem konkreten Rechtsverhältnis, sondern einen Streit über abstrakte Rechtsfragen: diese
"Interpretationsfeststellungsklage" ist eine nach dem
SGG unzulässige abstrakte Feststellungsklage, die mit der abstrakten Normenkontrolle eng verwandt ist, die ebenfalls im
SGG keine Rechtgrundlage findet.
3.) Zumindest aber schließt die mangelnde Verbindlichkeit einer dem Auslegungsbegehren der Klägerin stattgebenden Entscheidung
für die Normunterworfenen ein Feststellungsinteresse der Klägerin aus.
Aus einer stattgebenden Entscheidung durch den Senat würde für die Klägerin lediglich die vage Chance erwachsen, dass sich
die Normunterworfenen, vor allem die Vertragsärzte und die Krankenkassen, an die Entscheidung des Senats halten. Verpflichtet
hierzu wären sie aus den genannten Gründen, der inter-partes-Wirkung einer Entscheidung des Senats, nicht. Die Freiheit der
Normunterworfenen bei der Auslegung der streitigen Bestimmungen der AM-RL könnte auf der anderen Seite auch dazu führen, dass
sich der Standpunkt der Klägerin auch ohne Erfolg im vorliegenden Rechtsstreit durchsetzt. Es lässt sich mit anderen Worten
wegen der fehlenden allgemeinen Bindungswirkung einer Entscheidung des Senats nicht einmal feststellen, ob die Entscheidung
für die Klägerin wertlos oder sie auf die Entscheidung gar nicht angewiesen wäre. Eine so vage Chance, mit einer Feststellungsklage
die eigene Rechtsposition durchzusetzen, rechtfertigt kein Feststellungsinteresse nach §
55 Abs.
1 letzter Halbsatz
SGG. Denn die Klägerin könnte dieses Begehren mindestens ebenso effektiv auf andere Art und Weise durchsetzen. Anlass für ihre
Anfrage beim Antragsgegner nach der Auslegung der Nr. 31 Anlage III AM-RL war die Erstellung einer Übersicht über die Verordnungseinschränkungen
durch die Neufassung der AM-RL zum 1. April 2009 durch die KBV und die KV Westfalen-Lippe. Nach Nr. 6 der im Tatbestand im
Einzelnen wiedergegebenen, in Form von Fragen und Antworten vorgenommenen Auslegung der streitigen Richtlinie war die Unwirtschaftlichkeit
von homöopathischen Hustenmitteln behauptet worden, soweit diese Substanzen mit antitussiver und gleichzeitig expektorierender
Wirkung enthielten. Soweit die Klägerin diese Aussage für falsch hält, hätte sie die Möglichkeit, hiergegen sozialgerichtlichen
Rechtsschutz im Wege der Unterlassungsklage gegen die KBV bzw. die KV Westfalen-Lippe zu suchen; dieselbe Möglichkeit bestünde
auch gegenüber jedem anderen Akteur des deutschen Gesundheitswesens, etwa dem Beklagten oder dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
wenn sie durch Veröffentlichungen eine von der Rechtsauffassung der Klägerin abweichende Auslegung der streitigen Richtlinien
vertreten sollten. Anders als ein stattgebendes Feststellungsurteil, das die Klägerin bei Nichteinhaltung nicht einmal vollstrecken
könnte, hätte sie die Möglichkeit, ein Unterlassungsurteil gegenüber der KBV bzw. der KV Westfalen-Lippe auch durchzusetzen.
Daraus folgt im vorliegenden Fall: Die Feststellungsklage in der hier gewählten Form ist jedenfalls mangels Feststellungsinteresses
unzulässig.
B. Die mit dem (ersten) Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage ist hingegen zulässig und begründet.
1.) Nach den unter A. dargestellten Erwägungen bleibt der Klägerin danach die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Nr. 31 Anlage
III AM-RL im Rahmen einer Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG mit der Begründung zu bestreiten, dass die Richtlinie gegen höherrangiges Recht verstoße, weil sie das von der Klägerin vertriebene
Arzneimittel Monapax® zu Unrecht auch für den in § 34 Abs.1 Satz 5 Nrn. 1 und 2 SGB genannten Personenkreis von der Versorgung
in der GKV ausschließt.
a) Dieses Begehren kann die Klägerin im Wege der "normalen" Normfeststellungsklage geltend machen, indem sie die Feststellung
der Nichtigkeit der Nr. 31 Anlage III AM-RL beantragt, wie sie es nunmehr mit dem in der mündlichen Verhandlung als (ersten)
Hilfsantrag gestellten Antrag getan hat. Denkbar wäre darüber hinaus nach den Ausführungen des BSG im "Clopidogrel-Urteil"
(RdNr. 27) auch, ein Vorgehen gegen das Fehlen einer Ausnahmeklausel für homöopathische Arzneimittel in den streitbefangenen
Richtlinien zu rügen; damit würde in der Sache ein Anspruch auf Normgebung in Form einer Ausnahmeregelung geltend gemacht,
der sich möglicherweise aus höherrangigem Recht ableiten ließe; einen entsprechenden Antrag hat die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung mit ihrem weiteren (dem zweiten) Hilfsantrag gestellt. Mit beiden Anträgen wäre im Erfolgsfall dem Begehren der
Klägerin, mit dem von ihr vertriebenen Arzneimittel im Hinblick auf seine besondere Wirkungsweise als Arzneimittel einer besonderen
Therapierichtung von den Versorgungseinschränkungen der Nr. 31 Anlage III AM-RL verschont zu bleiben, mit Verbindlichkeit
für alle Normunterworfenen Rechnung getragen. An ihrer Zulässigkeit bestehen deshalb im Hinblick auf die oben erörterten Gesichtpunkte
keine durchgreifenden Bedenken.
b) Der Senat kann offen lassen, ob in dem in der mündlichen Verhandlung gestellten ersten Hilfsantrag nur eine Klarstellung
des ursprünglich gestellten Hilfsantrages oder aber eine Änderung des Streitgegenstandes liegt, die nur im Wege einer Klageänderung
nach §
99 Abs.
1 SGG zulässig wäre. Denn selbst wenn im Hinblick auf die Beschränkung des ursprünglichen Hilfsantrages auf Monapax® der nunmehr
gestellte (erste) Hilfsantrag erweitert und damit geändert wäre, wäre diese Klageänderung im Hinblick auf den gleichen Streitstoff
des hinter den Anträgen liegenden Klägerbegehrens jedenfalls sachdienlich im Sinne des §
99 Abs.
1 2. Alt.
SGG. Ob das auch für den zweiten Hilfsantrag gelten würde, bedarf hier ebenfalls keiner Entscheidung, weil der erste Hilfsantrag
nicht nur zulässig, sondern auch begründet ist; über den zweiten Hilfsantrag hat der Senat deshalb nicht zu befinden.
2.) Der erste Hilfsantrag ist begründet, weil Nr. 31 Anlage III AM-RL jedenfalls Monapax® Tropfen zu Unrecht von der Versorgung
des in §
34 Abs.
1 Satz 5 Nrn. 1 und 2
SGB V genannten Personenkreises (Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr sowie Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
mit Entwicklungsstörungen) grundsätzlich ausnimmt; dieser Ausschluss verstößt gegen höherrangiges Recht.
a) Nach Nr. 31 Anlage III der AM-RL sind Hustenmittel als fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektorantien oder Mukolytika
untereinander oder mit anderen Wirkstoffen u.a. als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Verordnung auch für
Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
unwirtschaftlich. Da Monapax® Tropfen nach der Fachinformation als homöopathisches Arzneimittel bei Erkrankungen der Atemorgane
und Husten zugelassen ist, stellt es ein Hustenmittel nach Nr. 31 Anlage III AM-RL dar, das nicht ärztlich verordnungs-, sondern
nur apothekenpflichtig ist. Nach der Fachinformation enthalten Monapax® Tropfen u.a. die Wirkstoffe Drosera, Hedera helix,
China, Coccus cacti, Cuprum sulfuricum, Ipecacuanha und Hyoscyamus, denen der Beklagte - in Übereinstimmung mit der Fachinformation
für Monapax® Saft - pharmakotherapeutisch entweder antitussive, expektorantielle oder entzündungshemmende Wirkung zuordnet
und sie damit unter die von Nr. 31 Anlage III AM-RL erfassten fixen Kombinationen subsumiert. Bei einer wirkstoffbezogenen
Betrachtungsweise, bei der es allein darauf ankommt, ob einer Substanz biochemisch bzw. pharmakodynamisch ein bestimmter Effekt
auf Organe, Strukturen oder biologische Funktionen des menschlichen Körpers zukommt, ist eine solche Auslegung nicht nur nicht
zu beanstanden, sondern zwingend, weil Nr. 31 Anlage III AM-RL nach seinem Wortlaut ausnahmslos an fixe Kombinationen der
in der Richtlinie genannten Wirkstoffe anknüpft. Nr. 31 Anlage III AM-RL schließt deshalb Monapax® Tropfen von der Versorgung
der Versicherten der GKV grundsätzlich aus, weil sie danach unwirtschaftlich sind. Leistungen, die unwirtschaftlich sind,
können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen
(§
12 Abs.
1 Satz 2
SGB V).
b) Mit dieser Normgebung verstößt der Beklagte aber gegen den aus §§
34 Abs.
2 Satz 3, Abs.
3 Satz 3,
92 Abs.
2 Satz 5
SGB V abzuleitenden Grundsatz, dass bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen,
phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen
ist. Diese Bestimmungen sind spezielle Ausprägungen des in §
2 Abs.
1 Satz 2
SGB V zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Grundsatzes, dass bewährte Therapierichtungen, wie die Homöopathie, die anthroposophische
Medizin oder die Phytotherapie nicht aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen werden dürfen (vgl. Bericht des
Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf des GRG, BT-Drucks 11/3480 S 30, 34, 49). Durch §
2 Abs.
1 Satz 2
SGB V ist damit sichergestellt, dass Arzneimittel der Homöopathie als vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannter besonderer Therapierichtung
zum Leistungsumfang der GKV gehören (BSG Urteil vom 16. September 1997, - 1 RK 28/95 -, zitiert nach juris). Dies bedeutet nicht nur, dass die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet sind, ihren Versicherten
einzelne Arzneimittel dieser besonderen Therapierichtungen im Wege der Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Vielmehr ergibt
sich aus der Zulassung bestimmter besonderer Therapierichtungen in der GKV, dass im Leistungs- und Leistungserbringerrecht
der GKV das umfassende, zur Behandlung verschiedenster Erkrankungen bestimmte therapeutische Konzept anerkannt und deshalb
zu beachten ist, das auf der Grundlage eines von der naturwissenschaftlich geprägten "Schulmedizin" sich abgrenzenden, weltanschaulichen
Denkansatzes größere Teile der Ärzteschaft und weite Bevölkerungskreise für sich eingenommen hat (vgl. BSGE 79, 41, 47 = SozR 3-2500 § 34 Nr. 5 S. 33; BSG Urteil vom 16. September 1997, - 1 RK 28/95 -, jeweils zitiert nach juris). Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte bei seiner Rechtssetzung
zur Arzneitherapie dem Therapiekonzept der Homöopathie Rechnung tragen muss. Dieses besteht darin, dass Krankheitserscheinungen
nicht durch die exogene Zufuhr direkt gegen die Symptome gerichteter Arzneimittel behandelt werden (sog. Allopathie), sondern
dass Substanzen eingesetzt werden, die in hoher Dosis den Krankheitserscheinungen ähnliche Symptome verursachen (sog. Ähnlichkeitsprinzip).
Das Ähnlichkeitsprinzip wird in der klassischen Homöopathie ergänzt durch ein komplexes System von Zuschreibungen sowohl im
Hinblick auf Patienteneigenschaften als auch im Hinblick auf die eingesetzten Arzneimittel. Die Arzneistoffe, die durch Verreibung
oder Verschüttelung eine energetische Umwandlung erfahren sollen (sog. Potenzieren), werden meist extrem niedrig dosiert,
wobei der Ausgangsstoff meist in Dezimalpotenzen verdünnt wird und der Dezimalexponent die Verdünnungsstufe charakterisiert
(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, Stichwort: Homöopathie). Dieses Therapiekonzept ist mit einer wirkstoffbezogenen
Betrachtungsweise und der Anknüpfung an fixe Kombinationen von Wirkstoffen nicht zu vereinbaren.
c) Dies zeigt sich insbesondere an den Zulassungsentscheidungen für Monapax® Tropfen: Nach der insoweit maßgeblichen Fachinformation
für dieses Arzneimittel lässt sich auch unter Zuhilfenahme der Aufbereitungsmonographien der Kommission D des BfArM für die
einzelnen Wirkstoffe des Arzneimittels nicht entnehmen, dass diese als Antitussiva, Expektoratien oder Mukolytika anzusehen
sind. Ein Antitussivum ist ein Medikament, welches den Hustenreiz über eine Hemmung der reflektorischen Erregbarkeit des Hustenzentrums
unterdrückt; ein Expektorans ist ein Arzneimittel, das den Auswurf von Bronchialsekret fördert; Mukolytika erzielen eine Verflüssigung
des Bronchialsekrets und ermöglichen damit die Ablösung des klebrigen Schleims von den Atemwegswänden (Stichworte: Antitussiva
und Expektorantien in Pschyrembel, aaO.) Weder für das Kombinationspräparat Monapax® Tropfen insgesamt noch einer seiner Wirkstoffe
ist in der Fachinformation oder nach den Aufbereitungsmongraphien eine entsprechende Wirkung beschrieben: sie benennen vielmehr
die Symptome, bei deren Vorliegen die Wirkstoffe und das Kombinationspräparat eingesetzt werden können. Auch wenn es nicht
ausgeschlossen ist, dass man einzelnen Bestandteilen von Monapax® Tropfen biochemisch und pharmakodynamisch antitussive, expektorantielle
oder mukolytische Wirkungsweisen zuordnen oder diese etwa aus der Fachinformation für Monapax® Saft ableiten könnte, widerspräche
eine solche Vorgehensweise nicht nur dem Therapiekonzept der Homöopathie, sondern auch der Zulassungsentscheidung für Monapax®
Tropfen, die der homöopathischen Wirkungslehre Rechnung trägt. Auch dies ist jedoch rechtlich nicht zulässig. Als Beleg über
die Zulassung des Kombinationspräparates und der Einzelwirkstoffe haben die Fachinformation für Monapax® Tropfen und die Aufbereitungsmongraphien
der Einzelwirkstoffe Tatbestandswirkung (BSG, Urteil vom 27. September 2005, - B 1 KR 6/04 R- RdNr. 20).
d) Daraus ergibt sich, dass der Beklagte zur Beachtung der Entscheidungen des Gesetzgebers in §§ 2 Abs. 1 Satz 2,
34 Abs.
2 Satz 3, Abs.
3 Satz 3,
92 Abs.
2 Satz 5
SGB V und der Zulassungsentscheidungen für homöopathische Arzneimittel bei seiner Normsetzung nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V zum Ausschluss unwirtschaftlicher Arzneimittel grundsätzlich nicht an allopathische Grundsätze der Pharmakodynamik anknüpfen
darf, ohne die Besonderheiten der homöopathischen Arzneimittellehre zu berücksichtigen. Nur so kann der Anerkennung der besonderen
Therapierichtungen und der besonderen Wirkungsweise der Arzneimittel dieser Therapierichtungen nach den oben genannten Rechtsvorschriften
des
SGB V Rechnung getragen werden, zumal der Beklagte diese Bestimmungen inhaltlich ausdrücklich als §
5 Abs. 1 Satz 1 und 2 in seine AM-RL aufgenommen und sich bei der Fassung der Anlage III daran gebunden hat. Die besondere
Behandlung der Homöopathika lässt sich weiter damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber nicht nur in §
34 Abs.
2 Satz 3
SGB V generell von einer besonderen Wirkungsweise der homöopathischen Arzneimittel ausgeht, sondern auch in das AMG eine Reihe von Bestimmungen aufgenommen hat, in denen für homöopathische Arzneimittel Sonderregelungen getroffen sind (vgl.
§ 10 Abs. 4 Satz 1, § 11 Abs. 3 Satz 1, § 25 Abs. 1 Satz 1, § 38 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 6, § 105 Abs.
3 Satz 2 sowie § 127 Abs. 1). Außerdem ist in § 25 Abs. 6 und 7 AMG eine besondere Rücksichtnahme auf Arzneimittel einer bestimmten Stoffgruppe oder Therapierichtung vorgesehen und die Homöopathie
ausdrücklich erwähnt. Aus diesen Regelungen im
SGB V und im AMG ist zu entnehmen, dass für Arzneimittel einer besonderen Therapierichtung auch bei der Beurteilung ihrer Wirtschaftlichkeit
im Einsatz für Versicherte der GKV ihre besondere Wirkungsweise zu berücksichtigen ist, die sich von Arzneimitteln anderer
Therapierichtungen, sei es durch die Methode, sei es durch einen anderen Denkansatz, unterscheiden kann (vgl. hierzu BSG,
Urteil vom 16. Juli 1996, - 1 RS 1/94 -). Würden die dieser Sachlage Rechung tragenden Zulassungsentscheidungen, die auf den von allopathischen Vorstellungen abweichenden
Denkansätzen beruhen, durch untergesetzliche Entscheidungen des Beklagten überspielt, würde die Anerkennung der besonderen
Therapierichtungen im Arzneimittelrecht und bei der Versorgung der Versicherten der GKV mit Arzneimitteln dieser Therapierichtungen
praktisch wertlos. Dies bedeutet nicht, dass der Beklagte an einem Ausschluss unwirtschaftlicher Homöopathika von der Versorgung
in der GKV schlechthin gehindert wäre. Auch die Leistungen der besonderen Therapierichtungen sind nicht jeglicher Qualitätskontrolle
entzogen, weil ihre Qualität und Wirksamkeit nach §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V in gleicher Weise wie bei allen anderen Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen
müssen (BSG, Urteil vom 16. September 1997, aaO.). Allerdings muss eine solche Entscheidung das Therapiekonzept der besonderen
Therapierichtung berücksichtigen, um der Anerkennung der Therapierichtung Rechnung zu tragen.
e) Da dies in Nr. 31 Anlage III AM-RL nicht geschehen und die Ausschlussnorm auch auf Monapax® Tropfen anwendbar ist, ist
die Vorschrift rechtswidrig und als Gesetz im materiellen Sinn deshalb insgesamt nichtig. Es obliegt der Entscheidung des
Normgebers, welche Konsequenzen er hieraus zieht: Er könnte auf den Erlass einer Ausschlussnorm für (alle oder bestimmte)
Hustenmittel ganz verzichten oder sich bei einem Neuerlass auf allopathische Arzneimittel beschränken. Außerdem könnte es
gegebenenfalls die Unwirtschaftlichkeit von Homöopathika und damit einen erneuten Ausschluss aus der Versorgung für alle Versicherten
der GKV in Anknüpfung an das Therapiekonzept der Homöopathie anordnen. Da Nr. 31 Anlage III AM-RL schon allein deswegen rechtswidrig
ist, weil sie Monapax® Tropfen von der Versorgung auch für den in §
34 Abs.
1 Satz 5 Nrn. 1 und 2
SGB V genannten Personenkreis grundsätzlich ausschließt, kommt es nicht mehr darauf an, ob dies auch für Monapax® Saft gelten würde
oder eine entsprechende Entscheidung schon daran scheitern würde, dass dieses Arzneimittel derzeit nicht verordnungsfähig
und schon deshalb unwirtschaftlich wäre (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 27. September 2005, - B 1 KR 6/04 R- [1.Senat] sowie vom 6. Mai 2009, - B 6 KA 3/08 R - [6. Senat], zitiert jeweils nach juris).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen.