Krankenversicherung - Versicherungspflicht - Beschäftigung - Beweislast - Auffangpflichtversicherung in der GKV
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Sozialversicherung in der Zeit vom 2.
Januar bis zum 9. Mai 2008.
Die im J 1981 geborene Klägerin ist Mutter zweier Kinder (D, geb. 2006, H, geb. 14. März 2008), besitzt die Staatsbürgerschaft
B-H und führte bis zu ihrer Heirat am 19. September 2008 den Namen A. Sie reiste am 28. Juli 2005 für einen Sprachkurs und
ein anschließendes Studium nach Deutschland ein und erhielt eine bis zum 27. Juli 2007 befristete Aufenthaltserlaubnis nach
§ 16 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die R Wirtschaftsprüfungs- und Kapitalbeteiligungsgesellschaft AG finanzierte die Schulgebühren für die Erlernung der deutschen
Sprache (600 Euro monatlich) und beschäftigte die Klägerin ab dem 1. Oktober 2005 - nach deren Angaben bis zum 1. September
2006 - als Buchführerin bei einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 420 Euro. Aufgrund dessen war die Klägerin vom 1. Oktober
2005 bis zum 21. Juli 2006 Mitglied der Beklagten. Nach einem im Juni 2007 gestellten Antrag auf Verlängerung der Gültigkeit
der Aufenthaltserlaubnis wurde der Klägerin im August 2008 eine sog. Fiktionsbescheinigung ausgestellt, wonach der Aufenthaltstitel
als fortbestehend gilt. Erstmals ab dem 1. Dezember 2008 erhielt die Klägerin Leistungen nach §
3 Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG).
Nach einem unter dem 28. Dezember 2007 unterzeichneten Anstellungsvertrag sollte die Klägerin zum 2. Januar 2008 bei einer
wöchentlichen tarifvertraglichen Arbeitszeit von "z.Z. 12 Stunden" und einem monatlichen Bruttoentgelt von 450 Euro als Bürohilfe
("mit den besonderen Obliegenheiten": "Tel., Fax usw.") bei der N Trockenbau GmbH (ehemalige Beigeladene zu 4, im Folgenden:
die GmbH) tätig werden. Gegenstand dieser durch den Zeugen Z im September 2006 als Alleingesellschafter gegründeten und von
ihm als Geschäftsführer geleiteten GmbH war die Ausführung von Trockenbau und Bodenlegerarbeiten und die Durchführung von
Fertigteilmontagen sowie der An- und Verkauf von Baustoffen. Die durch das Amtsgericht Charlottenburg (Az.: ...) am 30. November
2007 angeordnete vorläufige Insolvenzverwaltung über die GmbH wurde am 7. Dezember 2007 wieder aufgehoben. Am 4. Dezember
2007 unternahm die Beklagte einen fruchtlos gebliebenen Pfändungsversuch bei der GmbH. Anfang März 2008 verkaufte der Zeuge
Z sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH notariell beglaubigt an deren neuen Geschäftsführer K W. Auf Antrag der Beklagten
vom 28. Februar 2008 wurde über das Vermögen der GmbH am 1. Juli 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt H zum
Insolvenzverwalter bestellt. Nach dessen im Insolvenzeröffnungsverfahren erstellten Gutachten vom 26. Juni 2008 hatte der
Zeuge Z mündlich die Auskunft erteilt, dass sämtliche Arbeitnehmer zum Jahresende 2007 aus dem Unternehmen ausgeschieden seien
und es zu diesem Zeitpunkt seine Tätigkeit aufgegeben habe.
Nachdem die GmbH die Klägerin am 12. Februar 2008 zur Sozialversicherung bei der Beklagten angemeldet hatte, übersandte letztere
der Klägerin eine Krankenversichertenkarte. Anfang März stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ihre Beschäftigung vier
Wochen vor Beginn der Mutterschutzfrist - errechnet auf der Grundlage eines von der Gynäkologin Dr. R bescheinigten voraussichtlichen
Geburtstermins am 12. März 2008 - aufgenommen habe. Im Rahmen der von der Beklagten daraufhin eingeleiteten Ermittlungen reichte
die Klägerin eine Verdienstbescheinigung für Januar 2008 (monatliches Bruttogehalt 450 Euro, Auszahlungsbetrag 375,43 Euro)
sowie eine von der Klägerin unter dem 1. Februar 2008 unterzeichnete Quittung, wonach sie als Lohn für den Monat Januar 2008
von der GmbH einen Betrag von 375,53 Euro erhalten habe, ein. In diesem Zusammenhang gab die Klägerin auf Nachfrage der Beklagten
an, dass sie "am 31. Januar 2008 zuletzt gearbeitet habe", ihr Arbeitsentgelt bis zu diesem Tag zustehe (Auskunft vom 21.
Februar 2008) und ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit vier Stunden an vier Tagen betragen habe (Auskunft von "04.
2008"). Nach einer von der GmbH unter dem 17. März 2008 erstellten Auskunft war die Klägerin ab dem 2. Januar 2008 als Bürohilfe
bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden im Büro tätig. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid
vom 10. Juni 2008 fest, dass für die Klägerin ab dem 2. Januar 2008 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung
bestehe, da es sich nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung handele.
Im Widerspruchsverfahren gab die Klägerin ferner an, dass ihr jetziger Ehemann - er ist der Vater des Sohnes H der Klägerin
und war ebenfalls bei der GmbH beschäftigt - einen Arbeitsunfall gehabt und nicht mehr habe arbeiten können. Im Rahmen ihrer
Suche nach Erwerbsmöglichkeiten sei sie froh gewesen, dass sie in der GmbH doch noch einen Arbeitgeber gefunden habe, der
einen so dringenden und vor allem akuten Bedarf gehabt habe, dass er auch ihre fortgeschrittene Schwangerschaft in Kauf genommen
habe. In der Zeit von Juli 2006 bis Dezember 2007 sei sie von ihrem jetzigen Ehemann und dessen Familie unterstützt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
In einem vor dem Amtsgericht Neukölln geführten Rechtsstreit macht die Krankenhausträgerin gegenüber der Klägerin u.a. die
Kosten geltend, die im Zusammenhang mit der Entbindung des Sohnes H entstanden sind. Dieser Rechtsstreit ruht.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgebracht, der "Chef" der GmbH habe ihr aufgrund des Arbeitsunfalls ihres jetzigen Ehemannes
und der dadurch entstandenen schwierigen Situation, aber auch aufgrund der Schwangerschaft die Tätigkeit angeboten. Sie habe
nicht jeden Tag im Büro gearbeitet, sondern nur dann, wenn der "Chef" sie zuvor angerufen habe. Sie habe Papier sortiert,
sei am Telefon gewesen und habe das Büro gesäubert. Die GmbH habe viele Kunden aus Bosnien und Kroatien gehabt; wenn Deutsche
angerufen hätten, habe sie nur gesagt, der "Chef" sei nicht da. Die Arbeitszeiten hätten variiert, Arbeitskollegen habe sie
nicht gehabt; sie habe im Büro stets allein gearbeitet. Es habe auch nur ungefähr einmal jemand angerufen, als sie da gewesen
sei. Weil sie während der Arbeit keinen Kontakt zu anderen Mitarbeitern gehabt habe, könnten nur Außenstehende ihre Tätigkeit
bei der GmbH bestätigen. Zwischen dem 10. und 29. Februar 2008 sei sie einmal von der Zeugin D zwischen 10 Uhr und 12 Uhr
mit deren Wagen zur Arbeit gefahren worden. Darüber hinaus sei sie auf ihrer Arbeitsstelle von dieser Zeugin einmal zwischen
Ende Februar und dem 3. März 2008 angerufen worden. Die Zeugin D habe sie zwischen dem 10. und 14. Februar 2008 zur Arbeit
mitgenommen. Sie habe bis ungefähr Mitte Februar bei der GmbH gearbeitet. Den Zeugen Z habe sie nur einmal gesehen. Meistens
habe sie geputzt und die Regale sortiert. Am Telefon sei sie seltener gewesen. Von einer Aufgabe des Geschäftsbetriebes habe
sie damals nichts mitbekommen. Sie habe nur Verdienstbescheinigungen für Januar und März 2008; letztere sei wohl die letzte
Abrechnung gewesen.
Das Sozialgericht hat eine schriftliche Erklärung der Zeugin D veranlasst und den Zeugen Z in der mündlichen Verhandlung vom
27. März 2013 vernommen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat es die o.g. Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt,
dass die Klägerin während der Zeit vom 2. Januar bis 9. Mai 2008 als Arbeitnehmerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe; im Übrigen hat es die
Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Auch wenn man die Feststellungslast für den mangelnden
ernsthaften Realisierungswillen des Beschäftigungsverhältnisses und damit gegen den Rechtsmissbrauch bzw. das Scheingeschäft
der Klägerin auferlege, sei nach Überzeugung der Kammer zumindest bis zum Eintreten des Mutterschutzes von einem versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Gegen einen Missbrauch spreche bereits, dass zwischen der Klägerin und den Verantwortlichen
der GmbH keine verwandtschaftliche Beziehung oder Freundschaft bestanden habe. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund
die GmbH der Klägerin strafrechtlich relevante Hilfestellungen hätte leisten sollen. Nachvollziehbar sei hingegen, dass der
Klägerin eine Möglichkeit angeboten worden sei, ein wenig Geld zu verdienen, nachdem ihr Mann einen Arbeitsunfall bei der
GmbH erlitten habe. Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin bis Ende Januar / Anfang Februar 2008 tatsächlich
bei der GmbH gearbeitet habe. Offenbar sei die Einstellung der Klägerin durch eine sehr chaotische Geschäftsführung, die keine
konkreten Arbeitsanweisungen erteilt habe, erfolgt. Aufgrund der Vernehmung des Zeugen Z habe die Kammer den Eindruck gewonnen,
dass bei der GmbH kein geordneter Geschäftsbetrieb mehr erfolgt sei und der Zeuge als Geschäftsführer Anfang 2008 von den
finanziellen und sonstigen Verhältnissen der GmbH keinerlei Kenntnis gehabt habe. Seine Aussage sei daher nicht zu verwerten
gewesen. Die Kammer verkenne jedoch nicht, dass auch Zweifel an einem nicht missbräuchlichen Beschäftigungsverhältnis bestünden,
z.B. das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses ca. einen Monat vor Beginn des Mutterschutzes sowie die Tatsache, dass die Klägerin
zuvor über keinen Versicherungsschutz verfügt habe. Diese Zweifel habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung jedoch ausräumen
können. Die Versicherungspflicht der Klägerin habe im Hinblick auf §
192 Abs.
1 Nr.
2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (
SGB V) i.V.m. §
6 Abs.
1 Mutterschutzgesetz am Ende der Mutterschutzfrist, d.h. am 9. Mai 2008, geendet.
Gegen dieses ihr am 11. April 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 8. Mai 2013, zu deren Begründung
sie vorträgt: Das Sozialgericht habe die wesentlichen Tatsachen zwar richtig erfasst, die Gesamtumstände jedoch fehlerhaft
gewürdigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2013 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Das Arbeitsentgelt habe sie im Büro nach einem
entsprechenden Anruf auf dem Tisch vorgefunden.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde im April 2013 wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt. Im Juli 2014
wurde die vermögenslose GmbH von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.
Der Berichterstatter hat im Rahmen eines Erörterungstermins am 4. Mai 2016 die Zeugen Wo und K - ehemalige gewerbliche Mitarbeiter
der GmbH - vernommen.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens
der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide
der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin unterlag in der Zeit vom 2. Januar bis zum 9. Mai 2008 nicht
aufgrund ihrer Tätigkeit für die GmbH der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen
Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (hierzu I.). In diesem Zeitraum war sie auch nicht aus anderen
Gründen (hierzu II.) Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
I. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
(§
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V), in der gesetzlichen Rentenversicherung (§
1 S. 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch / Sechstes Buch), in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch / Elftes Buch)
und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch / Drittes Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen
einer Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch -
SGB IV -. Beschäftigung ist danach die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind nach Satz 2 dieser Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer
Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei
einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die
Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets
das Gesamtbild der Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse
in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen
Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es
im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis
der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung
erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die
sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung
vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich
ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört
daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen
Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert
wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -, und des Senats, vgl. Urteil vom 20. November 2013 - L 9 KR 294/11 -; jeweils juris).
Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige
Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" i.S.v. §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung
bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, d.h. für die
Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das
Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings
nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander
gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen
kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur
und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des
Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit
diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei,
gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -, juris).
Hieran gemessen ist im Falle der Klägerin eine Beschäftigung zu verneinen.
1. Der Senat sieht allerdings Anlass, vorweg auf Folgendes hinzuweisen: Allein der Umstand, dass eine bislang nicht erwerbstätige
Schwangere eine Tätigkeit aufnimmt, spricht nicht per se gegen eine Beschäftigung i.S.v. §
7 Abs.
1 SGB IV. Vielmehr ist es das gute Recht einer Schwangeren - wie jedes anderen Erwerbstätigen auch -, sich durch Aufnahme einer Beschäftigung
sozial abzusichern. Dass dies gerade im Hinblick auf einen bevorstehenden Leistungsfall erfolgt, ist gleichfalls rechtlich
nicht zu beanstanden. Voraussetzung ist jedoch stets - wie bei jedem anderen Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis
auch -, dass die Arbeit entsprechend den zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich ausgeübt wird. Ergeben
sich für den zuständigen Sozialversicherungsträger Anhaltspunkte, dass die vertraglichen Vereinbarungen nicht oder nur teilweise
umgesetzt werden, ist er zu weiteren Nachforschungen berechtigt. Hierbei gilt für ihn gemäß § 20 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) - wie im Prozess für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gemäß §
103 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) - der Amtsermittlungsgrundsatz, der grundsätzlich zur Erforschung aller Tatsachen, die für die Entscheidung in prozessualer
und materieller Hinsicht von Bedeutung sind, verpflichtet (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 11.A., §
103 Rd. 4a m.w.N.).
2. Ob die für den klägerseitig geltend gemachten Anspruch - hier: Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung - maßgeblichen
Tatsachen vorliegen oder nicht, entscheidet des Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen
Überzeugung (§
128 Abs.
1 Satz 1
SGB V). Auch wenn die Parteivernehmung nicht zu den Beweismitteln des sozialgerichtlichen Verfahrens zählt (Umkehrschluss aus §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 11.A., §
118 Rd. 8 m.w.N.), ist das Gericht nicht gehindert, das Vorbringen der Beteiligten im Rahmen der freien Beweiswürdigung in seine
Entscheidungsfindung einzubeziehen. Es darf seine Entscheidung sogar nur auf das Vorbringen der Beteiligten stützen, wenn
es glaubhaft und widerspruchsfrei ist, der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht und mit den anderweitig festgestellten Tatsachen
in Einklang steht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 11.A., §
128 Rd. 4, §
118 Rd. 8, jeweils m.w.N.). Sind die Möglichkeiten zur weiteren Erforschung des Sachverhalts indes ausgeschöpft und lassen sich
bestimmte für den geltend gemachten Anspruch relevante Tatsachen - im Zusammenhang mit der Prüfung der Versicherungspflicht
infolge einer Beschäftigung z.B. die Höhe des ausgezahlten Entgelts oder die Abhängigkeit von Weisungen anderer - nicht zur
Überzeugung des Gerichts feststellen, greifen auch im Sozialrecht die allgemeinen Regeln der objektiven Beweislast (Meyer-Ladewig/Keller/
Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 11.A., §
103 Rd. 19a m.w.N.). Danach ist zu Lasten desjenigen, der aus einer nicht feststellbaren Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge
ableitet, anzunehmen, dass diese Tatsache nicht gegeben ist.
3. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall zur Erfolglosigkeit der Klage. Zwar hält der Senat die Klägerin
- insbesondere nach dem im Erörterungstermin gewonnenen persönlichen Eindruck - im Kern für glaubwürdig. Wegen Widersprüchlichkeiten
in ihren während des Verfahrens getätigten Angaben sowie insbesondere wegen abweichender Aussagen des Zeugen Z und wegen fehlender
Übereinstimmungen mit anderweitig festgestellten Tatsachen lassen sich etliche für die Annahme einer Beschäftigung wesentliche
Umstände nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen. Daher muss der Senat, auch wenn er die nicht einfache Situation der
Klägerin im ersten Halbjahr 2008 und ihre Beweisschwierigkeiten anerkennt, zu ihren Lasten davon ausgehen, dass sie im streitigen
Zeitraum nicht bei der GmbH beschäftigt war, Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung daher
nicht bestanden hat.
a. Uneinheitlich sind zunächst die Angaben zur wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin. Nach dem Arbeitsvertrag wird die Arbeitszeit
"durch den jeweils gültigen Tarifvertrag geregelt und beträgt z.Z. 12 Stunden wöchentlich". Da für eine Tarifbindung der Klägerin
aufgrund der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft nichts ersichtlich ist, haben die Vertragsparteien eine wöchentliche Arbeitszeit
von 12 Stunden festgeschrieben. Dem widersprechen jedoch die o.g. Angaben der Klägerin vom April 2008 (durchschnittlich 4
Stunden an 4 Tagen wöchentlich, d.h. durchschnittlich 16 Stunden) und die der GmbH vom 17. März 2008 (durchschnittlich 20
Stunden wöchentlich). Dass sich diese beiden Angaben auf die tatsächliche Arbeitszeit beziehen, ist nach Auffassung des Senats
ausgeschlossen, weil zum einen die eingereichten Verdienstbescheinigungen kein Entgelt für geleistete Mehrarbeit ausweisen
und zum anderen nicht nachvollziehbar ist, warum die Klägerin Überstunden ohne entsprechende Vergütung geleistet haben sollte.
b. Widersprüchlich sind auch die Angaben der Klägerin zu ihrer Tätigkeit. So will sie einerseits, wenn Deutsche im Büro der
GmbH angerufen hätten - die Verwendung des Plurals ("Deutsche") belegt, dass es mehrere Anrufe gegeben hat -, nur gesagt haben,
der "Chef" sei nicht da. Andererseits habe "auch nur ungefähr einmal jemand angerufen, während [sie] da war" (Anhörung der
Klägerin durch das Sozialgericht im Erörterungstermin vom 14. Oktober 2010). Überhaupt sei sie "am Telefon [...] seltener
gewesen".
c. Die Darstellung der Klägerin, bis wann sie für die GmbH tätig war, variiert ebenfalls. Nach ihrer ersten auf den 21. Februar
2008 datierten Auskunft gegenüber der Beklagten hat sie zuletzt am 31. Januar 2008 gearbeitet. In der mündlichen Verhandlung
vor dem Sozialgericht am 27. März 2013 gab sie indessen an, sie habe "so bis Mitte Februar" gearbeitet. Diese Abweichung lässt
sich aus Sicht des Senats nicht mit nachlassender Erinnerung erklären. Denn auch die Fahrt zu ihrer Arbeitsstelle im Wagen
der Zeugin D sowie deren Anruf im Büro der GmbH datiert die Klägerin auf (frühestens) Mitte Februar. Auf der anderen Seite
wäre nicht einleuchtend, warum die Klägerin bei ihrer Auskunft vom 21. Februar 2008 schon vergessen haben sollte, dass ihr
letzter Arbeitstag nicht nur wenige Tage, sondern schon drei Wochen zurück lag.
d. Unstimmigkeiten lassen sich ferner im Hinblick auf das Entgelt der Klägerin feststellen. Sie hat insgesamt vier Verdienstabrechnungen
eingereicht (eine aus dem Monat "1/08", drei aus dem Monat "3/08"). Letztere beschränken sich jedoch auf Korrekturen bzw.
Differenzabrechnungen für die Monate Januar und Februar. Es fehlt nicht nur an einer Verdienst(erst)abrechnung für Februar
2008. Die Korrekturen in den Verdienstabrechnungen aus dem Monat "3/08" sind auch in keiner Weise nachvollziehbar. Auffällig
ist insbesondere, dass in der Rubrik "Summen des Jahres" als "Ges. Brutto" stets der Betrag "450,00" genannt wird, obwohl
zumindest bei der den Februar 2008 betreffenden Bescheinigung ein Betrag von 900.- Euro zu erwarten wäre.
e. Besonders schwer wiegt im Übrigen, dass der Zeuge Z, mit dem sich die Klägerin nach eigenen Angaben über den Abschluss
eines Arbeitsvertrags geeinigt haben will, sich anlässlich seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht
nicht an die Klägerin und ein Treffen mit ihr erinnern konnte und nach eigenen Angaben auch nicht den Arbeitsvertrag vom 28.
Dezember 2007 unterzeichnet hat. Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen zu zweifeln, sind weder vorgetragen noch
anderweitig ersichtlich.
Dieser Umstand wird nicht dadurch aufgewogen, dass der Zeuge Wo im Erörterungstermin vom 4. Mai 2016 angegeben hat, er habe
die Klägerin einmal im Büro der GmbH angetroffen, könne sich aber an den Zeitpunkt nicht mehr erinnern. Selbst wenn man die
vom Senat eingeholte Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (Minijob-Zentrale) vom 6. April 2016,
wonach dieser Zeuge im Januar 2008 als geringfügig Beschäftigter der GmbH gemeldet gewesen sei, zugrunde legte, wäre die dadurch
ggf. belegte einmalige Anwesenheit der Klägerin in den Büroräumen der GmbH allenfalls eines von wenigen Indizien, die für
eine Beschäftigung der Klägerin bei der GmbH im fraglichen Zeitraum sprächen.
f. Weitere Umstände sprechen gegen eine von beiden Vertragsparteien ernsthaft gewollte Beschäftigung, bei der das gezahlte
Entgelt die Gegenleistung für erbrachte Arbeit darstellt. So ist in keiner Weise erkennbar, dass die GmbH ab Januar 2008 noch
in irgendeiner Form unternehmerisch am Markt tätig war. Dagegen spricht nicht nur die o.g. Auskunft des Zeugen Z als damaligem
Geschäftsführer in seiner Erklärung gegenüber dem Insolvenzverwalter der GmbH, sondern auch die beiden Insolvenzanträge innerhalb
von weniger als drei Monaten und der erfolglose Pfändungsversuch der Beklagten im Dezember 2008. Dies schließt zwar an sich
nicht aus, dass im Büro auch eines solchen Unternehmens noch Dinge aufzuräumen und zu ordnen sind und vorsorglich ein (reduzierter)
Telefondienst aufrechterhalten wird. Der von der Klägerin behauptete dringende Bedarf an einer Bürokraft wird hierdurch jedoch
gerade nicht belegt. Auch ist nicht nachvollziehbar, wer innerhalb einer nahezu inaktiven GmbH ein Interesse an der (zu vergütenden)
Arbeit einer Bürokraft hätte haben können.
g. Wegen dieser Widersprüche und Ungereimtheiten kann der Senat nicht positiv feststellen, dass die Klägerin und die GmbH
eine Beschäftigung gegen Entgelt i.S.v. §
7 Abs.
1 SGB IV und der o.g. Vorschriften zur Versicherungspflicht beabsichtigt und durchgeführt haben. Dass daneben auch etliche Gesichtspunkte
für eine Beschäftigung der Klägerin bei der GmbH ab Januar 2008 sprechen und insbesondere die Klägerin selbst glaubwürdig
erscheint, ist nicht zu leugnen. Die o.g. dagegen sprechenden Umstände sind jedoch so gravierend, dass sie eine Entscheidung
zugunsten der Klägerin nicht zulassen.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Angaben der GmbH und ihres damaligen Geschäftsführer Z von der Klägerin nicht zu
verantworten sind und auch nicht zu beeinflussen waren. Der Senat ist sich ferner dessen bewusst, dass die Klägerin das Ergebnis
des Rechtsstreits möglicherweise als unbefriedigend oder ungerecht empfindet. Gleichwohl ist er - schon aus Gründen der Gleichbehandlung
(Art.
3 Grundgesetz) - verpflichtet, die unter 2. dargestellten Prozessgrundsätze auch im vorliegenden Fall anzuwenden.
II. Die Klägerin unterlag auch nicht aufgrund sonstiger Tatbestände der Versicherungspflicht in der GKV. Insbesondere liegen
die Voraussetzungen der sog. Auffangpflichtversicherung gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V nicht vor.
1. Nach dieser Vorschrift sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall
haben und entweder (lit. a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder (lit. b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert
waren, es sei denn, dass sie zu den in §
5 Abs.
5 SGB V oder den in §
6 Abs.
1 oder 2
SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Der Anwendungsbereich dieser
Vorschrift wird jedoch durch §
5 Abs.
11 SGB V eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 03. Juli 2013 - B 12 KR 2/11 R -, juris). Nach dessen Satz 1 werden Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige
eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, von der
Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13(nur) erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis
mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem AufenthG besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Bei Leistungsberechtigten nach dem
AsylbLG liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft
und Geburt nach §
4 AsylbLG dem Grunde nach besteht (§
5 Abs.
11 Satz 3
SGB V).
2. Zwar lagen die für die sog. Auffangpflichtversicherung notwendigen Voraussetzungen am 1. April 2007 - dem wegen §
186 Abs.
11 SGB V insoweit maßgebenden Beurteilungszeitpunkt (BSG, Urteile vom 06. Oktober 2010 - B 12 KR 25/09 R -, und vom 20. März 2013 - B 12 KR 8/10 R -, jeweils juris) - teilweise vor. So war die Klägerin zuletzt bis zum 21. Juli 2006 bei der Beklagten, d.h. gesetzlich krankenversichert
(vgl. §
5 Abs.
1 Nr.
13 lit. a 1
SGB V). Sie war am 1. April 2007 auch nicht nach §
5 Abs.
11 S. 3
SGB V vom persönlichen Anwendungsbereich des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V (von vornherein) ausgenommen. Denn sie gehörte schon im Hinblick auf §
1 Abs.
2 AsylbLG nicht zum Personenkreis der nach diesem Gesetz Leistungsberechtigten, weil ihr mit dem auf § 16 AufenthG gestützten Aufenthaltstitel ein anderer als die in §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG bezeichneten Aufenthaltserlaubnisse (nach § 23 bis § 25 AufenthG) mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden war.
3. Die Klägerin gehörte aber am 1. April 2007 nicht zu dem Personenkreis des §
5 Abs.
11 S. 1
SGB V, für den eine Auffang-Versicherungspflicht (ausnahmsweise) in Betracht kommt. Sie war zwar Ausländerin im Sinne dieser Bestimmung,
weil Bosnien-Herzegowina weder der Europäischen Union noch dem Europäischen Wirtschaftsraum angehört. Sie verfügte jedoch
nicht über einen der erforderlichen Aufenthaltstitel. Eine Niederlassungserlaubnis nach §§ 9, 19, 21 Abs. 4 S. 2, 26 Abs.
3 oder 4, 28 Abs. 2, 35 oder 38 Abs. 1 AufenthG (in der 2008 geltenden alten Fassung - aF -) war ihr nicht erteilt worden. Ihre bis zum 27. Juli 2007 befristete Aufenthaltserlaubnis
nach § 16 AufenthG erstreckte sich zwar über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten (und galt gemäß 81 Abs. 4 AufenthG aF zumindest bis August 2008 als fortbestehend). Indessen fehlte es an der (weiteren) "negativen" Tatbestandsvoraussetzung,
dass "für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1" AufenthG besteht. Denn auch für die Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG, die die Klägerin im Hinblick auf einen Sprachkurs sowie ein anschließendes Studium erhielt, galt § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus setzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist (vgl.: Samel,
in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11.A. 2016, § 16 AufenthG, Rn. 15, 37; Beck'scher Online-Kommentar zum Ausländerrecht / Christ, § 16 AufenthG, Rn. 12). Ein Fall eines Aufenthalts aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (Kapitel 2 Abschnitt 5 des
AufenthG), der gemäß § 5 Abs. 3 AufenthG ggf. keine Sicherung des Lebensunterhalts erfordert hätte, lag bei der Klägerin nicht vor.
III. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die fehlende Versicherungspflicht nach dem
SGB V im streitigen Zeitraum nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass sie im o.g. Rechtsstreit mit dem Krankenhaus unterliegt.
1. Die infolge der Behandlung ihres Sohnes H entstandenen Kosten dürften bereits dadurch abgedeckt sein, dass dieser über
seinen Vater familienversichert (§
10 SGB V) war. Demgemäß §
108 Nr. 2
SGB V zur Leistungserbringung in der GKV zugelassenen Klinikum N, in dem die Klägerin ihren Sohn entband, können auf Kostenebene
grundsätzlich keine Vergütungsansprüche gegenüber gesetzlich Versichertenentstehen (BGHZ 140, 102; BGHZ 89, 250 ff.; OLG Köln, NJW-RR 1995, 366, 367; OLG Saarbrücken, NJW 2001, 1798; OLG Köln, Beschluss vom 21. März 2003 - 5 W 72/01 -;OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. April 1996 - 15 U 123/95 -;jeweils juris; Helbig, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl. 2016, §
13, Rd. 8; Rehborn, in: Weth/Thomae/Reichold, Arbeitsrecht im Krankenhaus, 2. Aufl. 2011, C. Rechtsgrundlagen stationärer Versorgung,
Rd. 17).
2. Ob und ggf. in welchem Umfang dem Krankenhaus Zahlungsansprüche gegen die Klägerin für die bei ihr durchgeführten Leistungen
entstanden sind, hängt maßgeblich von den zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen ab. Wurden in diese Vereinbarungen
auch Allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen, dürfte deren Zulässigkeit im konkreten Fall entscheidende Bedeutung zukommen
(vgl. nur OLG Köln, Beschluss vom 21. März 2003 - 5 W 72/01 -, juris; allgemein zu AGB bei Krankenhausbehandlungsverträgen: Michael Coester, in: Staudinger,
BGB, Neubearbeitung 2013,§
307, Rn. 504;Lafontaine in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-
BGB, 7. Aufl. 2014, §
630a; Rd. 126ff; Christensen in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, (28) Krankenhausverträge).
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass die Beklagte durch eine teilweise unzutreffende Begründung ihrer Bescheide eine Klageerhebung veranlasst
hat.
1. Gemäß §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG entscheidet das Gericht im Urteil, ob und ggf. inwieweit die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Die Entscheidung
ist nach billigem Ermessen zu treffen. Maßgebend sind im Wesentlichen die Erfolgsaussichten der Berufung im Zeitpunkt des
erledigenden Ereignisses (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, SozR §
193 SGG Nr. 3, 4, 7). Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Klageerhebung durch die Beklagte, z.B. durch fehlerhafte
Begründung des Verwaltungsaktes, veranlasst war (BSGE 17, 84). Das Gleiche gilt, wenn die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes nur unzureichend ermittelt
hat.
2. Der streitgegenständliche Bescheid vom 10. Juni 2008 ist unzulänglich begründet. Die Beklagte stellte unzulässigerweise
darauf ab, dass die Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft zunächst - eine Wiederaufnahme der Tätigkeit nach Ablauf der Mutterschutzfrist
hat die Beklagte offenkundig in keiner Weise in Erwägung gezogen - nur für absehbare Zeit zur Verfügung stand. Dieser Umstand
ist jedoch (s.o. unter I.1.) für die Bejahung oder Verneinung einer Beschäftigung - anderes gilt möglicherweise für die eine
intensivere Prüfung auslösenden Zweifel - unerheblich. Die Beklagte hörte die Klägerin entgegen § 24 Abs. 1 SGB X auch nicht zu der beabsichtigten Entscheidung an. Das Schreiben der Beklagten an die Klägerin und die GmbH vom 9. April 2008
beinhaltet schon deshalb keine Anhörung, weil es der Beklagten durch die gestellten Fragen erst die Tatsachen vermitteln sollte,
zu denen hätte angehört werden müssen.
3. Im Widerspruchsbescheid hätte die Beklagte in Erwägung ziehen müssen, dass die Divergenz zwischen dem nach der Verdienstbescheinigung
auszuzahlenden Arbeitsentgelt (375,43 Euro) und dem quittierten Betrag (375,53 Euro) auch auf einem schlichten alltäglichen
Versehen beruhen kann. Ein Rechtssatz, wonach Quittungen für bar ausgezahltes Arbeitsentgelt "keinen ausreichenden Nachweis
über den tatsächlichen Erhalt des Entgeltes" darstellen, existiert nicht. Insbesondere aber hätte die Beklagte die Frage,
ob ggf. eine Versicherungspflicht der Klägerin nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V bestand, nicht offen lassen dürfen. Die Klägerin insoweit auf einen gesonderten Antrag bei der Beklagten zu verweisen, war
grob fehlerhaft, weil die Auffangpflichtversicherung - wie alle anderen Versicherungspflichttatbestände des §
5 Abs.
1 SGB V - von Amts wegen eintritt, somit keines Antrags bedarf.
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.