Anspruch auf häusliche Krankenpflege in der gesetzlichen Krankenversicherung; Vergütungsanspruch eines Pflegeunternehmens
ohne Einzelvertrag; Keine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit durch das Pflegeunternehmen; Anspruch auf Abschluss eines
Versorgungsvertrags
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 41.545,- Euro für in der Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 19. November
2008 durchgeführte Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das im Raum Berlin häusliche Krankenpflege anbietet. Am 26. Juli 2004 schloss die Klägerin
mit der damaligen AOK Berlin einen Vertrag nach §
132 a Abs.
2 SGB V über die Erbringung häuslicher Krankenpflege; ein Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten (AOK Niedersachsen) über
die Erbringung von Leistungen häuslicher Krankenpflege nach §
132a Abs.
2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (
SGB V) existiert nicht; die Beklagte unterhält keine vertraglichen Beziehungen nach §
132a Abs.
2 SGB V zu in Berlin ansässigen Pflegeunternehmen.
Das Kind A (im Folgenden: der Versicherte) kam am 10. August 2008 im V Klinikum zur Welt. Während und nach der Geburt kam
es zu einer cerebralen Blutung, zu einer perinatalen Asphyxie, zu Krampfanfällen, zu Apnoen sowie zu einer respiratorischen
Insuffizienz. Der Versicherte wurde bis zum 19. August 2008 beatmet, befand sich bis zum 27. August 2008 in intensivneonatologischer
und bis zum 1. Oktober 2008 in stationärer Behandlung. In einem Arztbrief der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des V Klinikums
vom 24. September 2008 heißt es: "Die antiepileptische Therapie am 16.09.08 beendet. Im Anschluss wurden bis jetzt keine Krampfanfälle
beobachtet. Eine kontinuierliche Beobachtung bezüglich neu auftretender Anfälle ist jedoch zwingend erforderlich und durch
die Mutter alleine nicht zu gewährleisten. Wir befürworten die Unterstützung der Mutter durch einen 24-stündigen Pflegedienst."
Im Entlassungsbericht vom 1. Oktober 2008 heißt es unter "weitere Empfehlung" u.a.: "Kinderarztvorstellung innerhalb einer
Woche nach Entlassung, auf Krampfanfälle achten, bei Auffälligkeiten Vorstellung in unserer Klinik zur Langzeitantikonvulsiven
Einstellung, SPZ-Mitbetreuung, Fortführung der Physiotherapie nach Vojta, augenärztliche Vorstellung mit ca. 6 Monaten empfohlen".
Unter "Verlauf" führt der Entlassungsbericht u.a. aus: "Aufgrund der aufwändigeren Versorgungssituation und der teilweise
distanzierten mütterlichen Betreuung dem Kind gegenüber erfolgt die Entlassung heute in eine Mutter-Kind-Einrichtung (Astraße),
zusätzlich ist ein 24-stündiger Pflegedienst in die Versorgung involviert. Die physiotherapeutischen Maßnahmen sind mit dem
Pflegedienst besprochen, weitere Termine hier in der Klinik vereinbart."
Am 1. Oktober 2008 wurde der Versicherte zusammen mit seiner Mutter in eine 24-stündig betreute Mutter-Kind-Wohnung der Diakonie
entlassen, in der rund um die Uhr ein Sozialarbeiter für 5 Mütter arbeitet, jedoch keine examinierte Pflegekraft.
Bereits am 29. September 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung häuslicher Krankenpflege für den Versicherten.
Diese werde ab dem 1. Oktober 2008 erbracht werden. Es sei erforderlich, den Versicherten rund um die Uhr zu beobachten, um
ein erneutes Auftreten von Krampfanfällen rechtzeitig erkennen zu können. Außerdem sei es unbedingt erforderlich, die Mutter
24 Stunden täglich bei der Versorgung des Kindes zu unterstützen. Die soziale Situation der Mutter gestalte sich schwierig.
Sie habe bereits weitere Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht seien oder deren Sorgerecht der Vater übernommen habe.
Das Sorgerecht für den Versicherten wolle sie auf jeden Fall behalten und auch die Pflege übernehmen. Hierfür sei es wichtig,
sie sehr gut anzuleiten und ihr in allen Situationen zur Seite zu stehen. In der betreuten Wohneinheit gebe es keine examinierte
Kinderkrankenschwester, die der Mutter für Fragen und medizinische Betreuung zur Seite stehe. Die Pflege des Versicherten
und die Anleitung der Mutter werde zunächst mit 24 Stunden täglich begonnen, dies solle in den Folgemonaten kontinuierlich
reduziert werden. Das Ziel bestehe darin, dass die Mutter ihr Kind selbständig versorgen, beobachten und den Gesundheitszustand
einschätzen könne.
Mitarbeiter der Klägerin nahmen ihre pflegerische Arbeit zugunsten des Versicherten am 1. Oktober 2008 auf.
Am 8. Oktober 2008 (Mittwoch) verordnete die Fachärztin für Kinderheilkunde Mfür die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 30.
November 2008 häusliche Krankenpflege zugunsten des Versicherten. Zur Begründung heißt es auf dem Formular: "Krampfanfälle,
cerebrale Blutung, Apnoen, Mutter ist zur Zeit noch nicht in der Lage, ihr Kind selbständig zu versorgen und Gefahrensituationen
zu erkennen". Als notwendige Maßnahmen der Behandlungspflege wurden angegeben: "spezielle Krankenbeobachtung auf Krampfanfälle,
Vitalzeichenkontrolle, 24 h täglich".
Diese Verordnung ging am 13. Oktober 2008 (Montag) bei der Beklagten ein. Auf der Rückseite dieses Formulars beantragte die
Mutter des Versicherten die Bewilligung häuslicher Krankenpflege für ihren Sohn.
In der Folgezeit legte die Klägerin der Beklagten ihre Pflegedokumentation für den gesamten Monat Oktober vor.
Mit Bescheid gegenüber der Mutter des Versicherten vom 17. November 2008 lehnte die Beklagte die Übernahme von Kosten für
häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ärztlichen Behandlung für die Zeit ab 1. Oktober 2008 ab. Ein identisches Schreiben
erhielten die Klägerin sowie die die Leistung verordnende Ärztin M(Eingang bei der Klägerin: 19. November 2008). Unter sozialmedizinischen
Gesichtspunkten sei die Leistung nicht erforderlich. Es erfolge keine Krankenbehandlung, sondern vielmehr eine Säuglingsbetreuung.
Die durchgeführte Beobachtung des Kindes könne auch von eingewiesenen Laien erbracht werden. Diese Beobachtung gehöre wie
Windeln wechseln und Füttern zu einer normalen Säuglingsbetreuung.
Den hiergegen von der Mutter des Versicherten erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. April
2010 zurück. Häusliche Krankenpflege in Gestalt spezieller Krankenbeobachtung könne nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen
erbracht werden, wenn aufgrund schwerwiegender akuter Verschlechterungen des Krankheitsverlaufes die Kontrolle der Vitalfunktion
erforderlich sei und erst aufgrund des über den gesamten Beobachtungszeitraumes zu führenden Verlaufsprotokolls die ärztliche
Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder des Verbleibs zu Hause getroffen werden könne. Diese Voraussetzungen
lägen nicht vor. Die psychosoziale Notwendigkeit und die allgemeinen pflegerischen Aspekte hätten den 24-stündigen täglichen
Einsatz eines Pflegedienstes begründet. Hierfür könne eine Kostenübernahme nicht erfolgen. Eine Klage hiergegen erhob die
Mutter des Versicherten nicht.
In der Folgezeit mahnte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die erbrachten Leistungen häuslicher Krankenpflege
an und legte in diesem Zusammenhang Abrechnungen für Oktober 2008 (733 Stunden à 35 Euro, Gesamtbetrag 25.655,- Euro) und
für November 2008 (454 Stunden à 35 Euro, Gesamtbetrag 15.890,- Euro) vor.
Der von der Beklagten mit dem Vorgang befasste Medizinische Dienst der Krankenkassen Niedersachsen (MDK, Dr. H. R) führte
in einem Gutachten vom 22. Januar 2009 im Wesentlichen aus: Sozialmedizinisch seien die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung
nicht erfüllt. Eine Notwendigkeit häuslicher Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten Behandlung bzw. zur Vermeidung von
Krankenhausbehandlung ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der Kinderklinik nicht. Nach den Unterlagen des Pflegedienstes
sei eine Versorgung des Kindes und seiner Mutter rund um die Uhr erfolgt, wobei hier insbesondere eine Einführung der Sorgeberechtigten
in die adäquate Säuglingspflege bzw. kontinuierliche Erfolgskontrollen dokumentiert seien. Die darüber hinaus dokumentierten
medizinischen Maßnahmen (Verabreichung von Vitamin-D-Tabletten, Kümmelzäpfchen und Sab-simplex-Tropfen) bedürften in der Regel
nicht der Notwendigkeit häuslicher Krankenpflege bzw. seien punktuell mit minimalem Zeitaufwand durchführbar. Nach den vorliegenden
Untersuchungsberichten habe die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung durch erneute Hirnblutung nicht bestanden. In der Gesamtschau
des Verlaufes sei die Verordnung häuslicher Krankenpflege vor dem Hintergrund besonderer psychosozialer Verhältnisse vornehmlich
zur notwendigen Sicherstellung der Pflege und der Versorgung des Kindes erfolgt. Eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung, wie
sie bereits im Entlassungsbrief der Neonatologie thematisiert worden sei und wie sie sich auch aus der Pflegedokumentation
ergebe, könne gesundheits- bzw. lebensbedrohliche Folgen für schutzbedürftige und hilflose Säuglinge haben. Insoweit könne
die Versorgung des Kindes unter qualifizierter Obhut, ständiger Begleitung und aktivierender Hilfestellung entsprechender
Fachkräfte unabdingbar sein. Ein solcher psychosozial begründeter Interventionsbedarf finde sich allerdings in den Richtlinien
des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinien) nicht abgebildet und
werde sozialgesetzlich in den Bereich des SGB VIII verortet, insbesondere in Form unterstützender und flankierender Maßnahmen. Die Organisation entsprechender Hilfen gestalte
sich jedoch im Einzelfall nicht selten schwierig, wohingegen die Versorgung durch einen qualifizierten Pflegedienst durch
entsprechende Verordnung einigermaßen rasche Hilfe ermögliche. Dies habe offenbar Anlass zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege
gegeben. Eine medizinische Notwendigkeit für die häusliche Krankenpflege ergebe sich aus dem Inhalt der Akten allerdings nicht.
Mit ihrer am 25. Februar 2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, von der Beklagten Vergütung für Leistungen
der häuslichen Krankenpflege in Form spezieller Krankenbeobachtung im Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 19. November 2008 zu einem
Stundensatz von 35,- Euro zu erhalten. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgebracht: Sie habe examinierte Kinderkrankenschwestern
über 24 Stunden am Tag zu dem Versicherten geschickt, um dessen Vitalfunktionen zu kontrollieren und Krampfanfälle möglichst
sofort erkennen zu können. Nach dem Entlassungsbericht der Kinderklinik vom 3. Dezember 2008 habe der Versicherte in den ersten
Lebenswochen der neonatologischen Behandlung bedurft. Hierfür habe eine Versorgung des Kindes unter ständiger Anwesenheit
des Pflegedienstes stattgefunden. Es seien die Hautfarbe des Kindes und die Herzfrequenz überwacht worden. Des Weiteren sei
das Kind auf Unruhezustände beobachtet worden. Hierin liege "spezielle Krankenbeobachtung". Diese sei von der Krankenkasse
zu finanzieren, wenn sie notwendig sei, um bei lebensbedrohlichen Zuständen sofort eingreifen zu können; die Kindesmutter
sei hierzu nicht in der Lage gewesen. Eine Kostenübernahme sei nach den Vertrauensschutzregelungen der Richtlinien über die
Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinien) geboten. Damit solle ermöglicht werden, dass Leistungen, die aufgrund
einer ärztlichen Verordnung angeordnet würden und unaufschiebbar seien, bis zur Entscheidung über die Genehmigung im Vertrauen
auf die Richtigkeit der Verordnung erbringbar seien.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Es mangele an vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der Klägerin. Zudem
sei für die häusliche Krankenpflege in Berlin allenfalls ein Stundensatz von 28,50 Euro ortsüblich.
Mit Urteil vom 16. Mai 2012 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die bestandskräftige Ablehnung der begehrten Leistung gegenüber dem Versicherten stehe einem Anspruch der Klägerin als Leistungserbringerin
grundsätzlich nicht entgegen. Diese Leistungsablehnung wirke sich allein auf das Versicherungsverhältnis aus, habe aber keine
Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse. Nach §
132a Abs.
2 SGB V bestehe der geltend gemachte Anspruch nicht; vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten auf der Grundlage
dieser Vorschrift bestünden nicht. Die Beklagte habe mit der Klägerin auch keinen Einzelvertrag über den einzelnen Leistungsfall
des Versicherten geschlossen. Die Beklagte habe sämtliche Anträge der Klägerin auf Vergütung jeweils ablehnend behandelt.
Allein aus der Versorgung von Versicherten einer Kasse entstehe kein Vertragsschluss zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse.
Die Beklagte müsse einen Vertragsschluss auch nicht nach Treu und Glauben gegen sich gelten lassen, weil sie zu keinem Zeitpunkt
durch ihr tatsächliches Verhalten einen Vertragsschluss herbeigeführt habe. Sie habe zu jeder Zeit deutlich erklärt, dass
sie die Leistungen selbst für nicht angemessen halte. Zu keinem Zeitpunkt habe die Beklagte gegenüber dem Versicherten oder
der Klägerin einen Auftrag in Gestalt einer Genehmigung erteilt, auf dessen Grundlage die Klägerin einen Ersatz ihrer Aufwendungen
verlangen könne. Einen Vergütungsanspruch habe die Klägerin auch nicht auf der Grundlage der Richtlinien über die häusliche
Krankenpflege. Insbesondere sei Ziffer 26 der HKP-Richtlinien vom 17. Januar 2008 nicht einschlägig. Danach übernehme die
Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst
erbrachten Leistungen entsprechend den vereinbarten Vergütungen nach §
132a Abs.
2 SGB V, wenn die Verordnung spätestens am dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt werde. Die zitierte
Vorschrift beinhalte nämlich keinen Vertrauenstatbestand für den (wie die Klägerin) vertragslosen Leistungserbringer. Ebenso
wenig bestehe ein Anspruch auf Vergütung auf Grundlage des öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruches oder der öffentlich-rechtlichen
Geschäftsführung ohne Auftrag. Zweifelhaft sei schon die Anwendbarkeit dieser Rechtsinstitute. Selbst wenn sie aber zur Anwendung
kämen, scheitere ein Anspruch auf Wertersatz entsprechend §
818 Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) daran, dass die Beklagte die erbrachte Leistung als nicht zweckmäßig behandelt und gegenüber der Versicherten sogar bestandskräftig
abgelehnt habe und für sie die Leistung daher als aufgedrängte Bereicherung erscheinen müsse. Die objektiv erfolgte Wertsteigerung
habe für sie subjektiv kein Interesse. Die Beklagte habe deutlich gemacht, dass sie weder ein Interesse an der erbrachten
Leistung habe noch daran, dass gerade die Klägerin sie erbringe. Offen bleiben könne bei alledem, ob die erbrachte Leistung
nach §
37 SGB V notwendig gewesen sei. Allerdings bestünden insoweit erhebliche Zweifel, ob die Leistung nach Art und Umfang medizinisch
indiziert gewesen sei. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin vom 1. Oktober 2008 sei bei dem
Versicherten auf Krampfanfälle zu achten, bei Auffälligkeiten habe eine neue Vorstellung in der Klinik erfolgen sollen, um
eine langzeit-antikonvulsive Einstellung vorzunehmen. Damit habe zum Zeitpunkt der Entlassung am 1. Oktober 2008 keine schwerwiegende
akute Verschlechterung des Krankheitsverlaufs vorgelegen, der eine Kontrolle der Vitalfunktionen erforderlich gemacht hätte.
Darüber hinaus sei mit der vorliegenden Pflegedokumentation eine kontinuierliche Prüfung bzw. Dokumentation der Vitalfunktionen
des Versicherten wie Puls, Blutdruck, Temperatur, Haut und Schleimhaut nicht nachgewiesen. Dokumentiert seien (lediglich)
umfangreiche Maßnahmen der Säuglingspflege sowie die Hautfarbe des Kindes, punktuell auch die Herzfrequenz. Soweit die häusliche
Krankenpflege mit der besonderen sozialen Situation der Mutter begründet werde, sei nicht erkennbar, dass es für deren Unterstützung
und Anleitung in einer betreuten Mutter-Kind-Einrichtung in der Säuglingspflege der 24-stündigen Anwesenheit einer ausgebildeten
Kinderkrankenschwester bedurft hätte.
Gegen das ihr am 25. Juni 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Juli 2012 Berufung eingelegt, zu deren Begründung
sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft und ergänzend ausführt: Zutreffend habe das Sozialgericht darauf abgestellt, dass Klägerin
und Beklagte in keiner Vertragspartnerschaft stünden. Allerdings habe das Sozialgericht die Reichweite eines Anspruchs aus
öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag sowie die Bedeutung der HKP-Richtlinien verkannt. Erst mit Schreiben
vom 17. November 2008 habe die Beklagte erklärt, die Kosten für die erbrachten Leistungen von Anfang an nicht übernehmen zu
können. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ergebe sich daraus ein Vertrauenstatbestand, der zu einem Vergütungsanspruch
für die bis zur Ablehnung erbrachten Leistungen führe. Bei Erbringung der Leistungen aufgrund der ärztlichen Anordnungen habe
die Klägerin im mutmaßlichen Interesse der Beklagten gehandelt. Die Leistungen der Krankenbeobachtung seien nach ärztlicher
Anordnung unaufschiebbar und zur Vermeidung einer vitalen Gefährdung des Neugeborenen sofort zu erbringen gewesen. Dass sich
im Nachhinein durch eine MDK-Überprüfung heraus gestellt habe, dass die Leistung medizinisch möglicherweise nicht notwendig
gewesen sei, habe die Klägerin nicht erkennen können. Sie habe auf die Richtigkeit der ärztlichen Anordnungen des Krankenhausarztes
und der Kinderärztin M vertraut. Sie habe daher für ihre Aufwendungen einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.
"Aufgedrängt" sei diese Bereicherung nicht. Weil die Beklagte über keine eigenen Vertragspartner in Berlin verfüge, hätte
sie die Leistung nicht durch solche erbringen lassen können. Für einen Vergütungsanspruch spreche auch Ziffer 26 der seinerzeit
geltenden HKP-Richtlinien. Hierin liege eine Schutzvorschrift für den Pflegedienst und den Versicherten. Im Schreiben der
Klägerin vom 29. September 2008 liege die Aufforderung, eine Einzelvereinbarung über die Vergütung in Höhe von 35,- Euro pro
Stunde zu schließen. Zwar sei eine Einigung hierüber nicht erzielt worden, es handele sich jedoch nach Aussage des Bundesverbandes
häuslicher Kinderkrankenpflege um einen üblichen Preis. Hilfsweise werde die Vergütung in ortsüblicher Höhe für die Versorgung
mit spezieller Krankenbeobachtung bei Erwachsenen, also in Höhe von 28,50 Euro je Stunde, begehrt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Vergütungen
für im Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 19. November 2008 erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege für das bei der
Beklagten krankenversicherte Kind A zu einem Stundensatz von 35,- Euro,
hilfsweise zu einem Stundensatz von 28,50 Euro,
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ergänzend bringt sie vor: Weder gebe es Vertragsbeziehungen zwischen
den Beteiligten, noch könne die Klägerin sich auf einen Vertrauenstatbestand für einen vertragslosen Leistungserbringer beziehen.
Zu Recht habe das Sozialgericht in Zweifel gezogen, dass die erbrachte Leistung häuslicher Krankenpflege überhaupt notwendig
gewesen sei.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges
der Beklagten Bezug genommen wird, der soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der
Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage vollständig abgewiesen.
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 29.041,50 Euro.
1. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass sich ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung von Leistungen der häuslichen
Krankenpflege zugunsten des Versicherten nicht aus vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der Beklagten ergeben kann.
Denn ein Vertrag nach §
132a Abs.
2 Satz 1
SGB V bestand zwischen den Beteiligten ebenso wenig wie ein auf die Pflege des Versicherten bezogener Einzelvertrag. Auf die Ausführungen
im erstinstanzlichen Urteil (Umdruck Bl. 7 unten bis 10 oben) nimmt der Senat insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
(§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
2. Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts folgt der Vergütungsanspruch der Klägerin aber unmittelbar aus Nr. 26 der
Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 und Abs.
7 SGB V in der Fassung vom 16. Februar 2000, zuletzt geändert am 17. Januar 2008, in Kraft getreten am 11. Juni 2008 (heute: § 6
Abs. 6 der HKP-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Neufassung vom 17. September 2009).
a) Nr. 26 Satz 1 der HKP-Richtlinien kann grundsätzlich als Anspruchsnorm fungieren.
Der Erlass von Richtlinien über die häusliche Krankenpflege fällt nach §
92 Abs.
1 Nr.
6 SGB V in die Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dessen Richtlinien nach §
92 Abs.
1 SGB V sind in der Rechtsprechung seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt; ihre Bindungswirkung gegenüber allen
Systembeteiligten steht außer Frage (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20; Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21 [sortis]; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 7. Senat, Urteil vom 21. Dezember 2011,
L 7 KA 137/10 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 72 [Mindestmenge Perinatalzentren]).
Nach §
92 Abs.
7 SGB V sind in den HKP-Richtlinien (u.a.) insbesondere zu regeln die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche
Zielsetzung, Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und
dem Krankenhaus sowie die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege.
Im Rahmen dieser Richtlinienermächtigung bewegt sich Nr. 26 der HKP-Richtlinien. Danach übernimmt die Krankenkasse bis zur
Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen
entsprechend der vereinbarten Vergütung nach §
132a Absatz
2 SGB V, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag (Montag bis Freitag, wenn diese nicht
gesetzliche Feiertage sind) der Krankenkasse vorgelegt wird (Satz 1). Das Nähere regeln die Partner der Rahmenempfehlungen
nach §
132a Absatz
1 SGB V (Satz 2).
Die Regelung steht in Zusammenhang mit Nr. 21 der HKP-Richtlinien, wonach Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach §
37 Abs.
1 und
2 SGB V grundsätzlich der vorherigen Beantragung durch den Versicherten (durch Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung) und der
vorherigen Bewilligung durch die zuständige Krankenkasse bedürfen (siehe auch §
27 Abs.
3 Satz 1 Bundesmantelvertrag - Ärzte [BMV-Ä]; vgl. BeckOK SozR/Knispel
SGB V §
37 Rn. 45-46).
Nr. 26 der HKP-Richtlinien dient in erster Linie als Schutzvorschrift für den Pflegedienst und für die Versicherten. Sinn
und Zweck der Regelung ist es, dem Leistungserbringer (Pflegedienst) eine Vergütung von Leistungen zu erhalten, die er als
unaufschiebbar im Interesse und zum Wohle des Versicherten tatsächlich erbringt. Zugleich soll für den Versicherten gewährleistet
sein, dass Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege nach ärztlicher Verordnung umgehend erbracht werden und bei Beginn der Pflege
keine Verzögerung durch ein Abwarten der Genehmigung durch die Krankenkasse eintritt. Zudem will die Regelung Möglichkeiten
zum Missbrauch sowie zur Umgehung des vorgesehenen Genehmigungsverfahrens ausschließen: Die Frist zur Vorlage der ärztlichen
Verordnung "spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag" dient dem Schutz der Krankenkasse davor, dass
sie unwirtschaftliche, medizinisch nicht notwendige Maßnahmen unnötig lange finanzieren muss. Um eine derartige unwirtschaftliche
Leistungserbringung möglichst zeitnah ausschließen zu können, muss die Krankenkasse auch unverzüglich nach Ausstellung der
ärztlichen Verordnung das Bewilligungsverfahren einleiten können. Denn ansonsten könnten Versicherte oder Leistungserbringer
die Verordnung zurückhalten und hätten es in der Hand, das Vergütungsrisiko der Krankenkasse auch für unwirtschaftliche Maßnahmen
zeitlich auszudehnen.
Angesichts der Bindungswirkung von Nr. 26 der HKP-Richtlinien als untergesetzliches Recht sowie nach Wortlaut und Zweck der
Vorschrift kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Regelung im Konfliktfall bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen
als Anspruchsgrundlage für einen Vergütungsanspruch eines Pflegeunternehmens gegen eine Krankenkasse dienen kann.
b) Auf der Grundlage von Nr. 26 der HKP-Richtlinien liegen die Voraussetzungen für eine Vergütung der erbrachten Leistungen
der häuslichen Krankenpflege für die Zeit vom 8. Oktober 2008 bis zum 19. November 2008 dem Grunde nach vor.
Die Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme der Kosten für bis zur Entscheidung über die Genehmigung erbrachte Leistungen
der häuslichen Krankenpflege hängt von zwei Tatbestandsvoraussetzungen ab:
aa) Erstens bedarf es einer vertragsärztlichen Verordnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege; diese wurde am 8. Oktober
2008 von der Vertragsärztin M auf dem nach Nr. 12 der HKP-Richtlinien erforderlichen Vordruck für die Zeit vom 1. Oktober
2008 bis zum 30. November 2008 ausgestellt und enthält alle notwendigen Angaben zur Begründung der Verordnung über einen Zeitraum
von mehr als 14 Tagen und zu den durchzuführenden Maßnahmen. Allerdings kann diese Verordnung nur für die Zeit ab ihrer Ausstellung,
8. Oktober 2008, Rechtswirkungen entfalten, denn nach Nr. 15 Satz 2 der HKP-Richtlinien sind rückwirkende Verordnungen grundsätzlich
nicht zulässig, abgesehen von besonders zu begründenden Ausnahmefällen. An einer solchen Begründung für die auf den 1. Oktober
2008 rückwirkende Verordnung fehlt es auf dem Verordnungsformular, so dass Nr. 26 der HKP-Richtlinien erst für die Zeit ab
8. Dezember 2008 als Grundlage für die Kostenübernahme durch die Beklagte heranziehbar ist.
bb) Auch die zweite in Nr. 26 der HKP-Richtlinien enthaltene Voraussetzung ist erfüllt, denn die Verordnung ging am dritten
der Ausstellung folgenden Arbeitstag bei der Beklagten ein. Erstellt wurde die Verordnung Mittwoch, den 8. Oktober 2008. Der
dritte auf diese Verordnung folgende Arbeitstag war Montag, der 13. Oktober 2008; an diesem Tag ging die Verordnung bei der
Beklagten ein.
cc) Unerheblich ist indessen, dass Klägerin und beklagte Krankenkasse über keine vertraglichen Beziehungen nach §
132a Abs.
2 SGB V verfügten, die Klägerin also als "vertragsloser" Leistungserbringer anzusehen ist. Dies gebieten Sinn und Zweck der Regelung
in Nr. 26 der HKP-Richtlinien als Schutzvorschrift für den Pflegedienst und für die Versicherten.
Die Beklagte unterhält als niedersächsische Ortskrankenkasse keine vertraglichen Beziehungen nach §
132a Abs.
2 SGB V zu in Berlin tätigen Pflegeunternehmen. Nr.
26 der HKP-Richtlinien verlöre seinen Schutzzweck zugunsten der Pflegedienste und der Versicherten, die Erbringung und die Finanzierung
von häuslicher Krankenpflege in der Übergangsphase zwischen Ausstellung der vertragsärztlichen Verordnung und Entscheidung
der Krankenkasse über die Genehmigung zu garantieren, wenn Versicherte "auswärtiger" Krankenkassen von der Vorschrift ausgenommen
wären.
Grundsätzlich hat die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege als Sachleistung zu gewähren (§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V); sie unterliegt insoweit einem Sicherstellungsauftrag. Sie kann hierzu entweder eigenes Personal einstellen (§
132a Abs.
2 Satz 10
SGB V) oder Verträge mit geeigneten Leistungserbringern abschließen, §
132a Abs.
2 Satz 1
SGB V; diese Verträge regeln Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und
die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung. Durch diese auf Landesebene abzuschließenden Verträge soll die Versorgung
der Versicherten mit häuslicher Krankenpflege möglichst einheitlich und wirtschaftlich geregelt werden (vgl. Hess in Kasseler
Kommentar, Rdnr. 2 zu §
132a SGB V). Die Versicherten haben auf dieser Grundlage ein Wahlrecht unter den zur Verfügung stehenden Leistungserbringern. Zugleich
haben alle Träger von geeigneten, wirtschaftlich arbeitenden Pflegediensten nach §
132a Abs.
2 Satz 1
SGB V i.V.m. Art.
12 Grundgesetz (
GG) einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags; ein gesondertes Zulassungsverfahren und eine Bedarfsprüfung finden
nicht statt. Dieses Pluralitätsgebot ist Ausfluss der gesetzlich garantierten Wahlfreiheit der Versicherten unter den verschiedenen
Leistungsanbietern, und es sichert zugleich diese Wahlfreiheit (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. September 2002, B 3 A 1/02 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; s.a. BeckOK SozR/Knispel
SGB V §
37 Rdnr. 37).
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Klägerin um einen "geeigneten und wirtschaftlich arbeitenden Pflegedienst"
in diesem Sinne handelt; sie hat mit der AOK Berlin am 26. Juli 2004 einen Vertrag nach §
132 a Abs.
2 SGB V über die Erbringung häuslicher Krankenpflege abgeschlossen und kann als qualifizierte Leistungserbringerin angesehen werden.
Sie war zur Leistungserbringung grundsätzlich berechtigt und bewegte sich nicht außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung,
anders etwa als ein nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt, der Versicherte gesetzlicher Krankenkassen
behandelt und von letzteren hierfür Vergütung begehrt (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 28. März 2000, B 1 KR 21/99 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30; Urteil vom 26. Januar 2000, B 6 KA 59/98 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26).
Zugleich besaß der Versicherte gegenüber der Beklagten grundsätzlich einen Anspruch auf Erbringung vertragsärztlich verordneter
Sachleistungen.
In dieser Situation - nach Ausstellung der Verordnung häuslicher Krankenpflege am 8. Oktober 2008 - blieb dem Versicherten,
einem kurz zuvor in Berlin entbundenen Säugling mit in Berlin wohnhafter Mutter, krankenversichert bei einer auswärtigen Ortskrankenkasse,
nichts anderes übrig als sich wegen der Erbringung der Pflege an ein in Berlin tätiges Pflegeunternehmen zu wenden; der Beklagten
war es tatsächlich unmöglich, ihn an ein Pflegeunternehmen zu verweisen, mit dem sie vertragliche Beziehungen nach §
132a Abs.
2 SGB V unterhielt.
In einer solchen Konstellation ist Nr. 26 der HKP-Richtlinien zur Überzeugung des Senats in dem Sinne auszulegen, dass auch
ein vertragsloses Pflegeunternehmen die Kostenübernahmegarantie für sich beanspruchen kann, bis die Krankenkasse über den
Genehmigungsantrag entschieden hat. Für die Zeit danach gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Krankenkasse genehmigt die
verordnete und vom vertragslosen Pflegeunternehmen erbrachte häusliche Krankenpflege und einigt sich einzelvertraglich mit
diesem über die zu leistende Vergütung; oder die Krankenkasse lehnt die Genehmigung der häuslichen Krankenpflege ab, weil
sie die Voraussetzungen aus §
37 SGB V als nicht gegeben ansieht, so dass für das Pflegeunternehmen - wie hier am 19. November 2008 - mit Bekanntgabe der Ablehnung
die Vergütungsgarantie aus Nr. 26 der HKP-Richtlinien entfällt und der Versicherte sich gegebenenfalls mit seiner Krankenkasse
wegen der Genehmigung auseinander zu setzen hat. Jede andere Sichtweise verstieße gegen den Anspruch des Versicherten auf
zumindest vorübergehende häusliche Krankenpflege nach vertragsärztlicher Verordnung sowie gegen den Anspruch des Pflegeunternehmens
auf Vergütung erbrachter Leistungen im Übergangsstadium zwischen vertragsärztlicher Verordnung und Entscheidung der Krankenkasse
über die Genehmigung.
dd) Ob die Erbringung der häuslichen Krankenpflege für den Versicherten medizinisch notwendig im Sinne von Nr. 1 der HKP-Richtlinien
war bzw. ob die Voraussetzungen von §
37 SGB V vorlagen, kann der Senat im Ergebnis offen lassen. Dies spielt bei Prüfung der Voraussetzungen von Nr. 26 der HKP-Richtlinien
keine entscheidende Rolle.
Für rechtlich bedenklich hält der Senat insoweit die Regelung in §
2 Nr.
5 der Rahmenempfehlungen nach §
132a Abs.
1 SGB V zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege vom 10. Dezember 2013, wonach sich auf die vorläufige Kostenzusage im Sinne von
Nr. 26 der HKP-Richtlinien nicht berufen kann, wer Leistungen erbringt, die nicht entsprechend der HKP-Richtlinie - etwa wegen
fehlender medizinischer Notwendigkeit - verordnungsfähig sind. Denn eine solche Sichtweise unterliefe den Zweck von Nr. 26
der HKP-Richtlinie, die Finanzierung der erbrachten Pflegeleistungen im Interesse des handelnden Pflegeunternehmens jedenfalls
so lange zu garantieren, bis die Krankenkasse über den Genehmigungsantrag entschieden hat. Immerhin setzt die Vorschrift voraus,
dass ein Vertragsarzt innerhalb enger rechtlicher Rahmenbedingungen (vgl. etwa § 27 BMV-Ä) durch eine Verordnung die Verantwortung für die medizinische Notwendigkeit der zu erbringenden Leistung übernimmt. Daher
ist ein Pflegeunternehmen bei Übernahme der Pflege einer eingehenden Prüfung der medizinischen Notwendigkeit ärztlich verordneter
häuslicher Krankenpflege enthoben; anderes könnte höchstens gelten in Fällen, in denen eine medizinische Notwendigkeit auf
den ersten Blick offensichtlich nicht erkennbar ist, so dass pflegerische Leistungen gleichsam missbräuchlich erbracht würden.
Zugleich hat die Krankenkasse es in der Hand, den Zeitraum bis zu einer verbindlichen Entscheidung über die Genehmigung so
kurz wie möglich zu halten.
Hieran gemessen gilt: Von einer offensichtlichen Entbehrlichkeit der schon von den Krankenhausärzten für notwendig gehaltenen
und später auch vertragsärztlich verordneten 24-stündigen häuslichen Behandlungspflege musste die Klägerin bei Übernahme der
Pflege am 1. Oktober 2008 nicht ausgehen. Zwingend ist hier eine ex-ante-Sicht, die den Gesundheitszustand des zu Pflegenden
in den Blick nimmt. Verfehlt wäre es, aus ex-post-Perspektive zu behaupten, häusliche Krankenpflege sei medizinisch nicht
erforderlich gewesen, weil sich während der Pflege bei dem Versicherten keine medizinische Krise zeigte.
Der Versicherte wurde nach seiner Geburt am 10. August 2008 aufgrund der im Tatbestand aufgeführten gesundheitlichen Probleme
neun Tage lang beatmet und befand sich 17 Tage lang in intensivneonatologischer Behandlung. Notwendig war insbesondere eine
antiepileptische Therapie zur Verhinderung weiterer lebensbedrohlicher Krampfanfälle. Nach dem Entlassungsbericht vom 1. Oktober
2008 war im weiteren Verlauf insbesondere auf das Auftreten neuer Krampfanfälle zu achten; bei Auffälligkeiten sollte eine
Vorstellung in der Klinik zur antikonvulsiven Einstellung erfolgen.
Der Senat hat keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der bei Entlassung aus stationärer Behandlung etwa sieben Wochen alte
Versicherte der besonderen Beobachtung bedurfte, um sein Überleben zu sichern. Hiervon durfte auch die Klägerin ausgehen,
die die gesundheitlichen Belange des Versicherten spätestens seit dem 29. September 2008 kannte. Die notwendige Beobachtungspflege
diente der Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung im Sinne von §
37 Abs.
2 Satz 1
SGB V.
Vor diesem Hintergrund hat die Gesundheit des Versicherten in dem hier streitigen Zeitraum einen sehr positiven Verlauf genommen,
weil es zu keinen weiteren Krampfanfällen kam. Allein hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Beobachtungspflege
von Beginn an (offensichtlich) nicht medizinisch notwendig gewesen wäre.
c) Der Vergütungsanspruch der Klägerin besteht nur in Höhe von 29.041,50 Euro und nicht in Höhe der mit der Klage geltend
gemachten 41.545,- Euro.
Die vom 1. bis 7. Oktober 2008 erbrachten Leistungen sind nicht vergütungsfähig, weil es für diesen Zeitraum an einer vertragsärztlichen
Verordnung der häuslichen Krankenpflege mangelte [s.o. 2. b) aa)]. Danach bleiben auf der Grundlage von Nr. 26 der HKP-Richtlinien
für Oktober 2008 565 vergütungsfähige Stunden (733 abgerechnete Stunden abzüglich [7 x 24 =] 168 Stunden). Zusammen mit 454
für November 2008 abgerechneten Stunden ergibt dies 1.019 vergütungsfähige Stunden.
Als Stundensatz sieht der Senat einen Wert von 28,50 Euro als angemessen an. Dieser Stundensatz ist dem Senat aus anderen
Berliner Fällen der häuslichen Krankenpflege als unstreitig bekannt (L 9 KR 493/12, beigelegt am 11. Februar 2015 durch Vergleich; L 1 B 346/08 KR ER, Beschluss vom 23. Oktober 2008, zitiert nach juris, dort Rdnr. 43 f.). Zudem hat die Beklagte bei der AOK Berlin ermittelt,
dass ein Stundensatz von 28,50 Euro ortsüblich (gewesen) sei. Bei Zuerkennung einer Vergütung über Nr. 26 der HKP-Richtlinien
an ein vertragsloses Pflegeunternehmen ist die Vergütung an den ortsüblichen Wert gebunden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil
vom 13. Mai 2004, B 3 KR 2/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21), so dass sich aus der Multiplikation von 1.019 geleisteten Stunden mit 28,50 Euro der
Stattgabebetrag von 29.041,50 Euro errechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 der
Verwaltungsgerichtsordnung. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Anwendungsbereich von Nr.
26 [heute §
6 Abs. 6] der HKP-Richtlinien) hat der Senat nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG die Revision zugelassen.