Arzneimittelrecht
Schiedsspruch der gemeinsamen Schiedsstelle
Arzneimittel Eperzan®
Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit
Gründe:
I.
Der Antragsteller, der GKV Spitzenverband, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch der Antragsgegnerin,
der gemeinsamen Schiedsstelle nach §
130b Abs.
5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (
SGB V).
Die Beigeladene zu 1. (GSK) brachte als pharmazeutische Unternehmerin am 1. Oktober 2014 das GLP-1-Analogon Eperzan® (Wirkstoff:
Albiglutid, 30 mg bzw. 50 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung; einmal wöchentlich zu injizieren)
in Deutschland in den Verkehr. Eperzan® verfügt seit März 2014 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung für
folgende Anwendungsgebiete (vgl. Fachinformation mit Stand Dezember 2014):
Eperzan ist bei erwachsenen Patienten mit Typ 2 Diabetes zur Verbesserung der Blutzuckereinstellung indiziert als:
Monotherapie Wenn Diät und Bewegung allein zur Blutzuckereinstellung nicht ausreichen bei Patienten, für die die Anwendung
von Metformin aufgrund von Kontraindikationen oder Unverträglichkeit als ungeeignet angesehen wird.
Kombinationstherapie In Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Basalinsulin, wenn diese
zusammen mit Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senken.
Durch Beschluss vom 19. März 2015, in Bezug auf die Patientenzahl geändert durch Beschluss vom 16. Juli 2015, hat der Beigeladene
zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), auf der Grundlage von §
35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Albiglutid bewertet. Die Nutzenbewertung führte der Beigeladene zu 2. durch, indem Albiglutid in
fünf Konstellationen in Beziehung zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie gesetzt wurde:
Gruppe Therapie und Vergleichstherapie (Patientengruppe) Patientenzahl (epidemiologisches Marktpotential für die zugelassene
Indikation) Anteil in Prozent an der Gesamtpatientenzahl, Schwankungen durch die Spanne in d) Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen
Vergleichstherapie
a) In der Monotherapie; zweckmäßige Vergleichstherapie: Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 522.500
27,42 - 30,64 (Mittelwert: 29,03) Glibenclamid: 13,03 bis 78,17 Euro
Glimeperid: 29,67 bis 152,29 Euro
b1) In der Zweifachkombination mit Metformin; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Sulfonylharnstoff (Glibenclamid
oder Glimeperid)
ca. 634.500
33,30 - 37,21 (Mittelwert: 35,26) Glibenclamid + Metformin: 46,27 bis 177,88 Euro
Glimeperid + Metformin: 62,91 bis 252,00 Euro
b2) In der Zweifachkombination mit einem anderen blutzuckersenkenden Arzneimittel außer Metformin und Insulin; zweckmäßige
Vergleichstherapie: Metformin + Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 35.900
1,88 - 2,11 (Mittelwert: 2,0) Glibenclamid + Metformin: 46,27 bis 177,88 Euro
Glimeperid + Metformin: 62,91 bis 252,00 Euro
c) In Kombination mit mindestens zwei anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln, wenn diese den Blutzucker zusammen mit einer
Diät und Bewegung nicht ausreichend senken; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Humaninsulin
ca. 62.500
3,28 - 3,66 (Mittelwert: 3,47)
Metformin + Humaninsulin (NPH-Insulin): 412,22 bis 857,68 Euro
d) In Kombination mit Insulin (mit oder ohne orale Antidiabetika); zweckmäßige Vergleichs-therapie: Metformin + Humaninsulin
ca. 450.000 bis 650.000 26,38 - 34,12 (Mittelwert: 30,26)
Summe der Mittelwerte:
100,01 Metformin + Humaninsulin (NPH-Insulin): 412,22 bis 857,68 Euro
Bei seiner Bewertung sah der Beigeladene zu 2. ausschließlich in der Fallgruppe b1 (Kombinationstherapie mit Metformin gegenüber
der Vergleichstherapie mit Metformin + Sulfonylharnstoff [Glibenclamid oder Glimeperid]) einen "Hinweis für einen geringen
Zusatznutzen".
Hierauf führten der Antragsteller und die Beigeladene zu 1. von April bis August 2015 Verhandlungen nach §
130b Abs.
1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag und die darüber zu schließende Vereinbarung.
Eine Einigung kam über viele vertragliche Regelungen zustande, jedoch nicht in Bezug auf die Höhe des Erstattungsbetrages.
Am 18. September 2015 rief der Antragsteller die Antragsgegnerin als Schiedsstelle an und beantragte, die streitig gebliebenen
Inhalte der Vereinbarung (insbesondere die Höhe des Erstattungsbetrages) durch Schiedsspruch festzusetzen.
In dem Schiedsverfahren beantragte die Beigeladene zu 1. die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 21,41 Euro je Bezugsgröße.
Auf der anderen Seite beantragte der Antragsteller die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 6,7079 Euro je Bezugsgröße;
dabei setzte er in seinem "konkretisierenden Antrag" vom 30. Oktober 2015 in Bezug auf die mit einem Zusatznutzen belegte
Patientengruppe b1 "für die Monetarisierung des Zusatznutzens einen Wert von 1.000 Euro pro Patient pro Jahr" an. Die verschiedenen
Positionen resultierten aus einem unterschiedlichen Umgang mit dem Umstand, dass der Beigeladene zu 2. Albiglutid einen Zusatznutzen
nur in einer von fünf Patientengruppen zuerkannt hatte, sowie auf unterschiedlichen Vorstellungen zu den Elementen der Preisbildung
wie Monetarisierung des Zusatznutzens, Stellenwert europäischer Vergleichspreise und Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.
Nach Verhandlung am 6. April 2016 und mit Schiedsspruch vom selben Tage (schriftliche Fassung vom 14. April 2016) entschied
die Antragsgegnerin mit den Stimmen der unabhängigen Mitglieder und der Vertreter der Beigeladenen zu 1. wie folgt über die
bislang nicht konsentierten Teile der Vereinbarung: Den Erstattungsbetrag für das Arzneimittel Albiglutid setzte die Antragsgegnerin
pauschal und auch für die Patientengruppen, für die der GBA keinen Zusatznutzen anerkannt hatte, ab dem 1. Oktober 2015 auf
20,01 Euro je Bezugsgröße fest. Außerdem (§ 2a der Vereinbarung) unterwarf die Antragsgegnerin die Beigeladene zu 1. der Verpflichtung,
"Albiglutid ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1) in der Kombination mit Metformin gemäß GBA-Beschluss vom 19.
März 2015 zu bewerben und jegliche Bewerbung von Albiglutid außerhalb dieser Patientenpopulation zu unterlassen". Dem Antragsteller
wurde insoweit ein Überprüfungsrecht sowie ein Sonderkündigungsrecht für den Fall eingeräumt, dass die Beigeladene zu 1. gegen
diese Regelung verstoße. Als § 2b Abs. 2 der Vereinbarung setzte die Antragsgegnerin fest: "Albiglutid soll durch den Vertragsarzt
ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1 in der Kombination mit Metformin gemäß GBA-Beschluss vom 19.03.2015 zulasten
der Krankenversicherung verordnet werden." Dem Vertrag wurde eine Laufzeit von zwei Jahren beigemessen (§ 7 der Vereinbarung).
Wegen der Einzelheiten der im Schiedsspruch getroffenen Regelungen wird auf Bl. 2 bis 5 der Ausfertigung (Gerichtsakte Blatt
40 bis 43) Bezug genommen.
Zur Begründung heißt es in dem Schiedsspruch im Wesentlichen wörtlich:
"(...) Bei Arzneimitteln mit Zusatznutzen finden bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages auf der Basis von §
130b SGB V gem. §
5 Abs.
2 und §
6 der Rahmenvereinbarung die folgenden Kriterien Anwendung: - Ausmaß es Zusatznutzens gemäß GBA-Beschluss und weitere dort
getroffene Festlegungen sowie die Nutzenbewertung und das Dossier des Herstellers - tatsächliche Abgabepreise in anderen europäischen
Ländern - Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel (...) Nach § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung wird (der Erstattungsbetrag)
bei Arzneimitteln mit vom GBA anerkanntem Zusatznutzen als Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zVT (zweckmäßige Vergleichstherapie)
vereinbart. (...)
Die Monetarisierung des Ausmaßes des Zusatznutzens bedarf auf Basis des GBA-Beschlusses zur Nutzenbewertung wertender Entscheidungen
zur Zahlungsbereitschaft der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Regelungsgefüge das AMNOG bei Nicht-Einigung er Vertragspartner
der Schiedsstelle überantwortet sind. Hier sind arzneimittelindividuelle Wertentscheidungen zu treffen, die auch sozialgerichtlich
materiell nicht nachzuprüfen sein dürften. Dass diese Wertentscheidungen nicht algorithmisch erfolgen, sondern den Besonderheiten
des Einzelfalles Rechnung tragen sollen, hat der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien explizit ausgeführt. Die Wertentscheidungen
zur monetären Bewertung des Zusatznutzens müssen vor dem Hintergrund der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie, der europäischen
Vergleichspreise und der Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel getroffen werden, wobei das Gewicht dieser Faktoren
wiederum ebenfalls nach Auffassung der Schiedsstelle nicht algorithmisch bestimmt, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten
des Einzelfalles entschieden werden sollte. Dabei berücksichtigt die Schiedsstelle im vorliegenden Fall, dass nur die Patientenpopulation
b1 vom GBA mit einem Zusatznutzen beschieden worden ist. Sie geht grundsätzlich davon aus, dass im Rahmen eines Mischpreiskonzepts
für diese Patientengruppe die genannten Kriterien zu berücksichtigen sind, hingegen nicht für die Patientengruppe ohne Zusatznutzen.
Die Schiedsstelle hat sich vor diesem Kontext ausführlich mit der Frage befasst, zu welchen Anteilen die Verordnungen in dieser
Patientengruppe b1 sein werden. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass GSK bereit ist sich zu verpflichten, nur in dieser Patientengruppe
das Arzneimittel bei den Ärzten zu bewerben und dem Spitzenverband Bund diesbezüglich ein Überprüfungsrecht und ein Sonderkündigungsrecht
im Verstoßfalle einzuräumen bereit ist. In diesem Zusammenhang nimmt die Schiedsstelle auch zur Kenntnis, dass der Hersteller
das Präparat bislang nicht vermarktet hat, daher eine gezielte Ausrichtung des Marketing auf die Gruppe mit Zusatznutzen von
Beginn an erfolgen kann. Die entsprechenden Verpflichtungen und Berechtigungen hat die Schiedsstelle daher übernommen. Die
Schiedsstelle hält es vor diesem Hintergrund für zumindest vertretbar, davon auszugehen, das 80 % der Patienten für das vertragsgegenständliche
Arzneimittel in b1 sein werden. Der Spitzenverband Bund hat Konstellationen angeführt, in denen eine weit überwiegende Verordnung
in der Patientengruppe mit Zusatznutzen nicht zu beobachten war. Allerdings hat sich der Hersteller in diesen Konstellationen
nicht zu Beginn seiner Vertriebsaktivitäten auf eine Beschränkung auf die Population mit Zusatznutzen verpflichtet; diese
Konstellation liegt hier jedoch vor, da GSK das Arzneimittel bislang nicht aktiv beworben hat. Vor diesem Hintergrund hat
die Schiedsstelle einen Mischpreis angesetzt, der von einem Einsatz zu 80 % in der Patientenpopulation b1 ausgeht. Diese Erwartung
ist mit dem Prognosespielraum, der der Schiedsstelle zusteht, vereinbar. Sie bewertet den Zusatznutzen in b1 mit 1200 Euro.
Ebenso wie der Spitzenverband Bund setzt sie die europäischen Vergleichspreise bei 1.088 Euro an. Unterschiedlich zu beiden
Seiten bewertet sie die Preise vergleichbarer Arzneimittel mit 1.326 Euro. Denn anders als der Spitzenverband Bund geht sie
wie GSK davon aus, dass nur GLP-1-Analoga als vergleichbar anzusehen sind und legt die von GSK plausibel vorgetragenen Annahmen
zu den Dosierungen zugrunde. (...) Von den drei Kriterien in b1 hat für die Schiedsstelle der Zusatznutzen das höchste Gewicht,
gefolgt von den Preisen vergleichbarer Arzneimittel und den europäischen Vergleichspreisen. In der Summe trägt die Patientengruppe
b1 mit 972,34 Euro anteilig zu den Jahrestherapiekosten für Albiglutid bei. In den Patientengruppen ohne Zusatznutzen ist
die Schiedsstelle der Argumentation des GKV-Spitzenverbandes gefolgt; aufgrund des ihnen im Schiedsspruch zukommenden Gewichts
von 20% tragen sie zu den Jahrestherapiekosten mit 7,76 Euro bei. Insgesamt ergeben sich damit nach Abzug des Herstellerrabatts
zu berücksichtigende Jahrestherapiekosten von Albiglutid in Höhe von 980,10 Euro. Wird berücksichtigt, dass der Herstellerrabatt
konsensual nicht abgelöst werden soll, ergibt sich nach Umrechnung auf die Bezugsgröße ein Erstattungsbetrag in Höhe von 20,01
Euro. (...)
Die Schiedsstelle geht in Fortsetzung ihrer Spruchpraxis der jüngeren Zeit zudem davon aus, dass die Festsetzung des Erstattungsbetrages
nicht nur im Rahmen des weiten Ermessens sachgerecht zu sein hat, sondern zugleich es der Intention des Gesetzgebers entspräche,
dass auch ein fairer Interessenausgleich bewirkt werden solle: Einerseits soll das festzusetzende Reimbursement eine angemessene
Würdigung der zu einem Arzneimittel mit Zusatznutzen geführt habenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der pharmazeutischen
Herstellers für Eperzan® führen, andererseits ist den berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft nach bezahlbaren
Arzneimittelpreisen Rechnung getragen. (...)"
Ihrer Berechnung des Erstattungsbetrages legte die Antragsgegnerin folgende Elemente zugrunde: Auf der Grundlage des konkretisierenden
Antrages des GKV-Spitzenverbandes vom 30. Oktober 2015 wurden für die Patientengruppen ohne Zusatznutzen die Kosten der zweckmäßigen
Vergleichstherapie mit vereinheitlichend (bei unterschiedlichen auf die vier einzelnen Gruppen entfallenden Beträgen) 38,80
Euro beziffert (20 Prozent davon = 7,76 Euro). Zugrunde lagen dem angenommene Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie
in folgender Höhe:
Patientengruppe Jahrestherapiekosten a 12,00 Euro b2 23,00 Euro c 607,00 Euro d 0 Euro
Die Jahrestherapiekosten in der Gruppe mit Zusatznutzen b1 ermittelte die Antragsgegnerin wie folgt:
Beträge Gewicht Produkt Zusatznutzen 1.200 Euro 50 Prozent 600 Euro Abgabepreise in anderen Länden 1.088,03 Euro 20 Prozent
217,61 Euro Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel 1.326,06 Euro 30 Prozent 397,82 Euro 1.215,42 Euro bezogen auf
80 Prozent 972,34 Euro
Am 3. Mai 2016 hat der Antragsteller Klage gegen den Schiedsspruch erhoben, über die noch nicht entschieden ist (L 9 KR 213/16 KL). Am 12. September 2016 hat er die Gewährung von Eilrechtsschutz beantragt. Zur Begründung trägt der Antragsteller im
Wesentlichen vor: Zu Recht sei die Antragsgegnerin in ihrer Gesamtkonzeption davon ausgegangen, dass hier ein Mischpreis habe
gebildet werden müssen, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetze, nämlich aus Patientengruppen mit und solchen ohne
Zusatznutzen. Die sich für die einzelnen Patientengruppen ergebenden Teilerstattungsbeträge seien unter Berücksichtigung der
Größe der jeweiligen Gruppe zu einem Erstattungsbetrag zusammenzuführen. Allerdings habe die Antragsgegnerin keine andere
Verteilung der Patientenpopulation vornehmen dürfen als im Beschluss des GBA zur Nutzenbewertung vorgegeben. Es sei nicht
nachvollziehbar, auf welche Tatsachen die Antragsgegnerin ihre Annahme stütze, dass 80 % der ärztlichen Verordnungen im Zusatznutzenbereich
zu erwarten seien. Weder aus dem GBA-Beschluss zum Zusatznutzen noch aus dem Parteivorbringen im Schiedsverfahren sei die
Quote herleitbar. Selbst die Beigeladene zu 1. gehe davon aus, dass auf die Patientengruppe b1 noch nicht einmal 40 % der
Verordnungen entfielen. Mit ihrer willkürlichen Heranziehung einer Verordnungsquote von 80% im Zusatznutzenbereich lege die
Antragsgegnerin einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde, treibe den Erstattungsbetrag so in die Höhe und weiche rechtswidrig
vom Beschluss des GBA zum Zusatznutzen von Albuglutid ab, der der Patientengruppe b1 nur ein Patientenaufkommen von 33,3 %
bis 37,21 % beimesse und als Bestandteil der Arzneimittel-Richtlinie gerade auch für die Antragsgegnerin normative Wirkung
entfalte. Die bloße Verpflichtung zur zielgerichteten Bewerbung eines Produkts lasse keinen Rückschluss darauf zu, dass sich
eine Versorgungsrealität ergebe, in der gerade 80 % der Verordnungen auf den Zusatznutzenbereich entfielen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (L 9 KR 213/16 KL) gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 6. April 2016 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Eilantrag zurückzuweisen.
Ob der Weg der Mischpreisbildung in einer Konstellation wie der vorliegenden der richtige sei, sei in der Rechtsprechung bislang
ungeklärt und werde insbesondere von den pharmazeutischen Herstellern im Hinblick auf die in §
130b Abs.
3 SGB V getroffene Regelung bestritten. Ein rechtlicher Zwang zur Mischpreisbildung bestehe sicher nicht. Im Übrigen werfe der Antragsteller
epidemiologische Feststellungen des GBA zur Patientenverteilung in der Erkrankung mit der Verordnung des Arzneimittels durcheinander.
Der GBA habe keine Feststellungen dazu getroffen, wie das Arzneimittel in den einzelnen Patientengruppen verordnet werde.
Hier sei die Diskrepanz besonders deutlich, denn das Arzneimittel sei vor dem Schiedsspruch noch nicht ernsthaft in Deutschland
vertrieben worden und die Beigeladene zu 1. habe sich verpflichtet, es nur für den Zusatznutzenbereich zu bewerben. Die Annahme
eines Versorgungsanteils von 80 % im Zusatznutzenbereich sei von der Einschätzungsprärogative der Antragsgegnerin gedeckt
und spiegele, dass in den Preisverhandlungen stets freie Überlegungen zu den jeweiligen Versorgungsanteilen anzustellen seien.
Auch die Beigeladene zu 1. beantragt, den Eilantrag zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor: Der im Schiedsverfahren festgesetzte Erstattungsbetrag liege schon unterhalb der Minimalgrenze,
die ihr eine Vermarktung von Eperzan® in Deutschland unter Beachtung der rechtlichen und konzerninternen Vorgaben erlaube.
Deshalb sei damit zu rechnen, dass der Vertrieb von Eperzan® eingestellt werde. Es werde in Deutschland ohnehin so gut wie
gar nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet. Werbung finde nicht statt. Schon von daher habe der Antragsteller
kein Rechtsschutzinteresse. Ob und wie in Fallkonstellationen wie der vorliegenden ein Mischpreis gebildet werden dürfe, sei
hochkomplex und einer Klärung nur im Hauptsacheverfahren zugänglich. Die Vorstellungen des Antragstellers zur Berechnung des
Erstattungsbetrags seien zu schematisch. Er verkenne auch die normative Bindungswirkung des GBA-Beschlusses in Bezug auf das
dort ermittelte Patientenaufkommen. Mit der abstrakten Festlegung der Größe des vom Zusatznutzen potentiell profitierenden
Patientenkollektivs durch den GBA sei nichts darüber gesagt, wie hoch der zu erwartende konkrete Verordnungsanteil für Eperzan®
in dieser Gruppe sein werde. Im Rahmen ihrer prognostischen Betrachtung habe die Antragsgegnerin maßgeblich darauf abstellen
dürfen, dass das Produkt bislang nicht beworben worden sei und in Zukunft nur für die Patientengruppe b1 beworben werden dürfe.
Die Annahme eines Versorgungsanteils von 80 % sei auch nicht willkürlich, sondern sei von der Einschätzungsprärogative der
Antragsgegnerin gedeckt. Es sei nachvollziehbar und betriebswirtschaftlich belegt, dass ein Arzneimittel gerade für die Indikation
verordnet werde, für die es beworben worden sei; umgekehrt dürfe es wohl kaum zu Verordnungen in nicht beworbenen Bereichen
kommen. Der Sicherheitsabschlag von 20 % sei vom Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle gedeckt.
Der Beigeladene zu 2. hat vorgebracht: Sein Beschluss zur Nutzenbewertung entfalte Bindungswirkung insbesondere auch in Bezug
auf die festgestellte Anzahl der Patienten bzw. die Patientengruppen. Denn auch diese Feststellung sei nach §
35a Abs.
1 Satz 3 Nr.
4 SGB V vorgeschrieben und werde gemäß §
35a Abs.
3 Satz 6
SGB V Teil der Arzneimittel-Richtlinie nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V. Dem entsprächen die Regelungen in §
4 Abs.
1 Nr.
4 der AM-NutzenV und in im 5. Kapitel, § 20 Abs. 3 Nr. 2 der Verfahrensordnung des GBA. Diese Bindungswirkung müsse die Antragsgegnerin
bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte zum Eil- und zum
Hauptsacheverfahren, auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin und auf den Inhalt der Normsetzungsdokumentation
des Beigeladenen zu 2. zur Nutzenbewertung Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
II.
A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig nach §
29 Abs.
4 Nr.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), weil sich der Eilantrag gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach §
130b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) richtet. Die Streitsache ist als eine Angelegenheit des Krankenversicherungsrechts und damit als "Angelegenheit der Sozialversicherung"
im Sinne der §§
10 Abs.
1 Nr.
1,
31 Abs.
1 SGG zu behandeln (siehe Abschnitt B II 2 b [5] des "zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts
zu §
10 Abs.
2 SGG").
B. Der Eilantrag ist zulässig und begründet.
1. Er ist nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG in Verbindung mit §
130b Abs.
4 Satz 5
SGB V statthaft, denn die gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 6. April 2016 erhobene Klage (L 9 KR 213/16 KL) entfaltet keine aufschiebende Wirkung, so dass im Wege vorläufigen Rechtsschutzes das Ziel verfolgt werden kann, die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erreichen. Der Eilantrag ist auch im Übrigen zulässig. Der GKV-Spitzenverband
ist als Partner der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag nach §
130b Abs.
1 SGB V antragsbefugt (§
54 Abs.
1 Satz 2
SGG analog). Er verfügt auch über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis: Richtige Klageart ist eine Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1 Alternative 1
SGG, weil in der Festsetzung eines Erstattungsbetrags ein Verwaltungsakt nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) liegt (vgl. Luthe in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
130b Rdnr. 73; Baierl in jurisPK
SGB V, 2. Aufl., §
130b Rdnr. 134f)Ein vorheriges Widerspruchsverfahren findet nach §
130b Abs.
4 Satz 6
SGB V nicht statt. Die Klagefrist von einem Monat (§
87 Abs.
1 Satz 1
SGG) ist mit Klageerhebung am 3. Mai 2016 gewahrt. Zugleich unterliegt der Eilantrag nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG keiner Fristbindung.
2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist auch begründet, denn der Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom
6. April 2016 erweist sich bei der im Eilverfahren anzustellenden summarischen Prüfung als rechtswidrig, so dass es nicht
bei der gesetzgeberisch in §
130b Abs.
4 Satz 5
SGB V angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs bleiben kann; das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt
das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs.
a) Ein nach §
130b Abs.
4 SGB V ergangener Schiedsspruch unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit. Er stellt seiner Natur nach
einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung
und dem Mehrheitsprinzip (vgl. §
130b Abs.
5 Satz 2
SGB V) ist bezweckt, die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer
sachgerechten Entscheidungsfindung zu nutzen. Dieser spezifische Gestaltungsspielraum hat direkte Auswirkungen auf die gerichtliche
Kontrolldichte: In formeller Hinsicht ist zu prüfen, ob die Schiedsstelle nach §
130b Abs.
5 SGB V den von ihr zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und
ihr Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf
beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum
eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Verfahrensbeteiligten
gelten (zu den entwickelten Maßstäben für Schiedsentscheidungen vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 27/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69; Urteil vom 14. Dezember 2000, B 3 P 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; s.a. Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 [Mirabegron]).
Der Senat weist aus gegebenem Anlass eindringlich darauf hin, dass die Antragsgegnerin im Gegensatz zu der von ihr im Verfahren
ausdrücklich vertretenen Auffassung als Prozessbeteiligte und preisfestsetzendes Gremium einschränkungslos verpflichtet ist,
auf entsprechende Anfragen des Gerichts (§
103 SGG) Berechnungswege im Hinblick auf die Ermittlung des Erstattungsbetrages und seine Implikationen - und damit den relevanten
Sachverhalt - offen zu legen. Die Untersuchungsmaxime nach §
103 SGG ist kennzeichnendes Element und Grundprinzip der Sozialgerichtsbarkeit wie auch der anderen öffentlich-rechtlichen Gerichtszweige.
Der Senat kann effektiven Rechtsschutz im Sinne von Art.
19 Abs.
4 des
Grundgesetzes nur gewährleisten, wenn er von den Beteiligten in die Lage versetzt wird, den Berechnungsweg für den festgesetzten Erstattungsbetrag
nachvollziehen zu können. Die Folgen mangelnder Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts hätte grundsätzlich derjenige
Prozessbeteiligte zu tragen, an den das Gericht eine Frage zum Sachverhalt herangetragen hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Aufl. 2014, Rdnr. 1 und 13 zu §
103).
b) Der angefochtene Schiedsspruch der Antragsgegnerin ist materiell rechtswidrig. Die Bildung eines "Mischpreises" verstößt
jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation gegen die in §
130b Abs.
3 SGB V enthaltene und zwingend zu beachtende Vorgabe zur Höhe des Erstattungsbetrages (unten bb). Unabhängig davon verstößt die
von der Antragsgegnerin vorgenommene Ermittlung des Erstattungsbetrages gegen §
130b Abs.
9 Satz 2
SGB V in Verbindung mit §
5 Abs.
2 der "Rahmenvereinbarung nach §
130b Abs.
9 SGB V" (unten cc).
aa) Nach §
130b Abs.
1 SGB V vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern im Benehmen mit dem Verband der privaten
Krankenversicherung auf Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Nutzenbewertung nach §
35a Abs.
3 SGB V mit Wirkung für alle Krankenkassen Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die mit diesem Beschluss keiner Festbetragsgruppe
zugeordnet wurden. Weiter gehende materielle Vorgaben für die Kriterien, anhand derer der Erstattungsbetrag zu vereinbaren
ist, enthält das Gesetz in §
130b Abs.
3 SGB V für Arzneimittel, die nach dem Beschluss des GBA nach §
35a Abs.
3 SGB V keinen Zusatznutzen haben und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden können: Für diese ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren,
der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach §
35a Abs.
1 Satz 7
SGB V bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie; sind nach §
35a Abs.
1 Satz 7
SGB V mehrere Alternativen für die zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, darf der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten
führen als die wirtschaftlichste Alternative. Damit soll das von dem am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz
(AMNOG) verfolgte Ziel erreicht werden, die Versorgung mit Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu angemessenen Kosten sicherzustellen.
Zu diesem Zweck soll über den Erstattungsbetrag bewirkt werden, dass neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen keine Mehrkosten
gegenüber der Vergleichstherapie entstehen lassen (Gesetzesbegründung vom 6. Juli 2010, BT-Drs. 17/2413, S. 31). Grundlegend
ergibt sich dieses Erfordernis aus §
12 Abs.
1 SGB V; danach dürfen Krankenkassen keine Leistungen übernehmen, die unwirtschaftlich sind. Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie
bilden somit eine rechtliche Obergrenze (vgl. zu dieser Konstellation den Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, juris [Mirabegron]).
Weniger abschließende Regelungen enthält §
130b SGB V dazu, woran sich die Vereinbarung des Erstattungsbetrages für ein Arzneimittel orientieren soll, das nach dem Beschluss des
GBA nach §
35a Abs.
3 SGB V einen Zusatznutzen aufweist. Nach §
130b Abs.
1 Satz 1
SGB V ist der Erstattungsbetrag "auf der Grundlage des Beschlusses des GBA über die Nutzenbewertung nach §
35a Abs.
3 SGB V" zu vereinbaren.
Die Einzelheiten überantwortet der Gesetzgeber den am Vertragsschluss Beteiligten: Nach §
130b Abs.
9 Satz 1
SGB V treffen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten
maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene eine Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe
für Vereinbarungen nach §
130b Abs.
1 SGB V. Darin legen sie insbesondere Kriterien fest, die neben dem Beschluss nach §
35a SGB V und den Vorgaben nach §
130b Abs.
1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags heranzuziehen sind (Satz 2). Für Arzneimittel, für die der GBA nach §
35a Abs.
3 SGB V einen Zusatznutzen festgestellt hat, sollen die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen
Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt
werden (Satz 3). In der Rahmenvereinbarung nach Satz 1 ist auch das Nähere zu Inhalt, Form und Verfahren der jeweils erforderlichen
Auswertung der Daten nach §
217f Abs.
7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden
Kosten zu vereinbaren (Satz 4).
Die Rahmenvereinbarung nach §
130b Abs.
9 SGB V regelt in §§
5 und
6 dementsprechend Kriterien für die Ermittlung des Erstattungsbetrages: Nach § 5 Abs. 2 wird der Erstattungsbetrag bei einem
Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, "durch einen Zuschlag auf die
Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" vereinbart. Der Zuschlag richtet sich "unter freier Würdigung aller
Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes nach dem im Beschluss
des GBA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens (§ 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV) und einer Berücksichtigung der sonstigen
Kriterien in § 6". Kriterien zur Vereinbarung des Erstattungsbetrages sind nach §
6 der Rahmenvereinbarung "insbesondere der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach §
35a Abs.
3 SGB V mit den darin getroffenen Feststellungen gemäß §
20 Abs.
3 des 5. Kapitel der Verfahrensordnung des GBA" sowie das vom pharmazeutischen Unternehmer erstellte Dossier nach §
35a Abs.
1 Satz 3
SGB V, die von dem pharmazeutischen Unternehmer mitgeteilten tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern und die
Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.
Welche Feststellungen der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss nach §
35a Abs.
3 SGB V trifft, ist sowohl in der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) als auch im 5. Kapitel der auf §
91 Abs.
4 Satz 1 Nr.
1 SGB V beruhenden Verfahrensordnung des GBA geregelt. Dort bestimmt §
20 Abs. 3, dass der GBA auf der Grundlage der Nutzenbewertung "mit dem Beschluss nach §
35a Abs.
3 SGB V Feststellungen in der Arzneimittel-Richtlinie zur wirtschaftlichen Verordnungsweise des Arzneimittels" trifft, "insbesondere
zum Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, zur Anzahl der Patienten bzw. Abgrenzung
der für die Behandlung in Frage kommenden Patientengruppen, zu Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung und zu
den Therapiekosten auch im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie". Gemäß § 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV quantifiziert
der GBA den angenommenen Zusatznutzen eines Arzneimittels als "erheblich", "beträchtlich" oder "gering". Dem Beschluss des
GBA über die Nutzenbewertung nach §
35a Abs.
3 SGB V kommt als Teil der Arzneimittel-Richtlinie (§
35a Abs.
3 Satz 6
SGB V) normative Wirkung zu, die die an der Preisbildung Beteiligten ebenso bindet wie - sofern sie angerufen wird - die Schiedsstelle
nach §
130b Abs.
5 SGB V. Die Genannten haben im Rahmen der Preisvereinbarung oder -festsetzung keine Kompetenz, den Nutzenbewertungsbeschluss des
GBA inhaltlich zu überprüfen oder zu verwerfen, auch nicht im Rahmen einer bloßen Evidenzkontrolle. Dies liefe dem Normcharakter
der Arzneimittel-Richtlinie zuwider. Einer Rechtmäßigkeitsprüfung unterliegt der Nutzenbewertungsbeschluss, der nach §
35a Abs.
8 Satz 1
SGB V nicht gesondert anfechtbar ist, allein in einem gerichtlichen Verfahren, dessen Gegenstand in einer Überprüfung des durch
Schiedsstellenentscheidung festgesetzten Erstattungsbetrages besteht.
bb) Die Antragsgegnerin sah sich vor dem Hintergrund dieses rechtlichen Instrumentariums vor der tatsächlichen Situation,
dass der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss zum neuen Wirkstoff Albiglutid fünf Patientengruppen gebildet hatte, von
denen er nur bei einer (b1) einen (geringen) Zusatznutzen erkannte. Die Unterscheidung nach einzelnen Patientengruppen ist
in §
35a Abs.
1 Satz 3 Nr.
4 SGB V und Kapitel 5, §
18 Abs.
1 der Verfahrensordnung des GBA vorgesehen und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der pharmazeutische Hersteller hat danach
in dem von ihm im Rahmen der Nutzenbewertung vorzulegenden Dossier auch Angaben zu machen zur "Anzahl der Patienten und Patientengruppen,
für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht". Auf dieser Grundlage soll ermittelt werden können, inwieweit
die Versicherten quantitativ von dem fraglichen Arzneimittel profitieren können; die Anzahl der Patienten steht in Bezug zu
dem zu ermittelnden therapierelevanten Nutzen (vgl. AMNOG, Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/2413, S. 20 r. Sp.).
Bei dieser konkreten Sachlage verstößt die Festsetzung eines Mischpreises gegen §
130b Abs.
3 SGB V. Mischpreisbildung ist rechtswidrig, wenn der GBA bei einer Patientengruppe einen Zusatznutzen erkannt und zugleich bei einer
oder mehreren Patientengruppen einen Zusatznutzen verneint hat.
(1) Die Antragsgegnerin ist bei der Festsetzung des Mischpreises wie folgt vorgegangen: Sie hat zunächst einen auf die Patientengruppe
mit Zusatznutzen entfallenden Erstattungsbetrag (1.215,42 Euro) sowie einen auf die Patientengruppen ohne Zusatznutzen entfallenden
(niedrigeren) Erstattungsbetrag (38,80 Euro) errechnet. Die beiden ermittelten Werte sind in einem nächsten Schritt zu einander
ins Verhältnis gesetzt worden, und zwar je nach Größe der jeweiligen Patientengruppen, um das tatsächliche Verordnungsverhalten
der Vertragsärzteschaft einzubeziehen. Die von der Antragsgegnerin praktizierte Mischpreisbildung stellt sich danach modellhaft
wie folgt dar:
Patientengruppe Patientenaufkommen Erstattungsbetrag 1 (mit Zusatznutzen) 50 Prozent 1.000 Euro 2 (ohne Zusatznutzen) 50 Prozent
100 Euro
In einer solchen Situation bewirkt Patientengruppe 1 den Erstattungsbetrag zu 50 Prozent, Patientengruppe 2 bewirkt ihn ebenfalls
zu 50 Prozent, so dass sich über die Mischpreisbildung ein Erstattungsbetrag von 500 Euro + 50 Euro = 550 Euro ergibt. Im
vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin (vereinfacht dargestellt) konkret folgende Berechnung angestellt:
Patientengruppe Patientenaufkommen Erstattungsbetrag Anteiliger Erstattungsbetrag 1 (mit Zusatznutzen) 80 Prozent 1.215,43
Euro 80 Prozent = 972,34 Euro 2 (ohne Zusatznutzen, vier Untergruppen) 20 Prozent 38,80 Euro 20 Prozent = 7,76 Euro
Die Summe der beiden anteiligen Erstattungsbeträge ergibt zu berücksichtigende Jahrestherapiekosten von 980,10 Euro. Hieraus
ergibt sich der festgesetzte Erstattungsbetrag von 20,01 Euro: 980,10 Euro: 365 Tage = 2,67 (Tagestherapiekosten) x 7 = 18,83
(wöchentliche Therapiekosten als Bezugsgröße) + 1,18 Euro (netto Herstellerabschlag) = 20,01 Euro.
(2) Der Senat muss nicht über den im vorliegenden Eilverfahren zentral von den Beteiligten diskutierten Aspekt entscheiden,
welches Gewicht den jeweiligen Patientengruppen bei der Mischpreisbildung zukommt. Es liegt auf der Hand, dass diese Frage
bei der Ermittlung des Erstattungsbetrages im Rahmen der skizzierten Mischpreisbildung entscheidende Auswirkungen auf die
Höhe des gewonnenen Ergebnisses hat. Denn jedenfalls ist die Methode der Mischpreisbildung in einer Sachverhaltskonstellation
wie der vorliegenden kein mit dem Gesetz zu vereinbarender Weg zur Festlegung des Erstattungsbetrages nach §
130b Abs.
1 SGB V.
Der von der Antragsgegnerin festgelegte Mischpreis führt zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen in den einzelnen Anwendungsbereichen
bzw. Patientengruppen und damit zu nicht nutzengerechten Preisen (zu unkritisch insoweit Baierl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl. 2016, §
130b SGB V Rdnr. 107). Er trägt damit nicht der vom Gesetzgeber mit dem AMNOG verfolgten Grundidee Rechnung, wonach der Preis eines
Arzneimittels seinem Nutzen bzw. Zusatznutzen folgen solle. Vorliegend müssten auf die Patientengruppe b1, für die der GBA
einen geringen Zusatznutzen beschlossen hat, (hier unterstellt: beanstandungsfrei hergeleitete) Jahrestherapiekosten in Höhe
von 1.215,42 Euro entfallen. Isoliert betrachtet durften die (unterstellt: beanstandungsfrei hergeleiteten) Jahrestherapiekosten
in den anderen ohne Zusatznutzen gebliebenen Patientengruppen maximal 12,00 Euro (Gruppe a), 23,00 Euro (Gruppe b2), 607,00
Euro (Gruppe c) bzw. 0 Euro (Gruppe d) betragen. Dieses differenzierte Gefüge nivelliert ein Mischpreis, dem die Antragsgegnerin
hier über alle fünf Patientengruppen Jahrestherapiekosten von pauschal 980,10 Euro zugrunde legte. Rechtswidrig ist dies,
weil sich für die Patientengruppen a, b2, c und d damit Jahrestherapiekosten ergeben, die entgegen §
130b Abs.
3 Satz 1
SGB V höher sind als die Jahrestherapiekosten der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie; zum Beispiel übersteigt der Mischpreis
im Falle von Patientengruppe a die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie um mehr als das Achtzigfache.
Eine vertragsärztliche Verordnung des Arzneimittels in diesen Patientengruppen ist grundsätzlich möglich, denn auch für diese
Patientengruppen bzw. Indikationen ist es arzneimittelrechtlich zugelassen. Zu beachten bleibt aber, dass aus dem Vorhandensein
eines Erstattungsbetrages nicht automatisch auf die Wirtschaftlichkeit einer jeden Verordnung des betroffenen Arzneimittels
in all seinen Anwendungsbereichen geschlossen werden darf. Dies zieht folgende Weiterung nach sich, die der Gesetzgeber bei
Einführung von Nutzenbewertung und Erstattungsbetrag sicher nicht beabsichtigt haben kann: Würden Vertragsärzte Albiglutid
in den Patientengruppen a, b2, c und d verordnen, würden sie sich im Regelfall unwirtschaftlich verhalten (§
12 Abs.
1 SGB V) und der Gefahr eines Arzneimittelkostenregresses im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen (vgl. Bundessozialgericht,
Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44 [Clopidogrel]); der "global" als wirtschaftlich geltende Erstattungsbetrag wäre unter
Umständen im Einzelfall unwirtschaftlich (vgl. dazu Bauer u.a., IBES Diskussionsbeitrag, "Analyse und Beschreibung des AMNOG-Umsetzungsproblems
in die Versorgungspraxis", Januar 2016, S. 8; Bickel in Arzneiverordnung in der Praxis, Heft 1 Januar 2016, "Frühe Nutzenbewertung
nach AMNOG und Auswirkungen auf die Vertragsärzte", S. 43 [46]). Umso schwerer wiegt dieser Umstand, wenn man berücksichtigt,
dass für einen Vertragsarzt im Praxisalltag nicht immer erkennbar sein dürfte, ob der Patient, für den das fragliche Arzneimittel
verordnet wird, in eine Gruppe mit oder ohne Zusatznutzen fällt.
Auf der anderen Seite - aus der Warte des pharmazeutischen Herstellers - ist der als Mischpreis festgelegte Erstattungsbetrag
nicht tragfähig, weil er durch die kostendämpfende Einbeziehung der Patientengruppen ohne Zusatznutzen niedriger ausfällt
als notwendig. Dies verletzt Rechte des pharmazeutischen Herstellers.
Die Lösung liegt in solchen Fällen praktisch in den Händen des GBA: Denn dieser darf zur Klarstellung die Verordnungsfähigkeit
eines Arzneimittels in Bereichen ohne Zusatznutzen (wie hier in Patientengruppen a, b2, c und d) schon nach bisheriger Rechtslage
auf der Grundlage von §
92 Abs.
1 Satz 1
SGB V einschränken oder ausschließen oder mit einem Therapiehinweis belegen. Die in §
92 Abs.
2 Satz 11
SGB V getroffene Regelung steht dem nicht entgegen. Danach kann der GBA "die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder
ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages
nach § 130b hergestellt werden kann". Dieser Fall ist in einer Konstellation wie der vorliegenden gegeben, denn die Wirtschaftlichkeit
kann gerade nicht durch Bildung eines einheitlichen Erstattungsbetrages im Sinne eines Mischpreises für alle Patientengruppen
hergestellt werden. Würde der GBA von seiner Befugnis Gebrauch machen, anlässlich der Nutzenbewertung die Verordnungsfähigkeit
eines Arzneimittels in Indikationen einzuschränken, für die kein Zusatznutzen erkennbar war, würde er die Bildung eines nutzengerechten
Erstattungsbetrages erleichtern. Denn dieser müsste sich ausschließlich an derjenigen Indikation orientieren, für die der
GBA einen Zusatznutzen zugebilligt hat.
Dieser Problematik soll das gegenwärtig im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung
in der GKV (AMVSG, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. November 2016, BT-Drs. 18/10208) dadurch Rechnung tragen, dass
der GBA im Rahmen des Nutzenbewertungsbeschlusses "eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Abs. 1 Satz 1 beschließen (kann),
soweit ein Zusatznutzen nicht belegt ist und die Verordnungseinschränkung zur Sicherstellung der Versorgung von einzelnen
Patientengruppen erforderlich ist" (§ 35a Abs. 3 Satz 5 n.F., Entwurf). Dies trifft ersichtlich Nutzenbewertungskonstellationen
wie diejenige von Albiglutid (eine Patientengruppe mit und vier Patientengruppen ohne Zusatznutzen). Denn es soll ermöglicht
werden, einen Erstattungsbetrag so zu vereinbaren, dass das Arzneimittel nur für eine bestimmte Patientengruppe verordnet
wird (Gesetzesbegründung a.a.O., S. 26).
Sämtliche vorangegangenen Erwägungen betreffen - das stellt der Senat klar - nur die vorliegende Fallkonstellation, in der
der Nutzenbewertungsbeschluss des GBA zwei unterschiedliche Grade des Zusatznutzens erkennt, nämlich für eine Patientengruppe
einen Zusatznutzen und für andere keinen Zusatznutzen. Nichts gesagt ist damit zu Fallgruppen, in denen der GBA einem Arzneimittel
im Rahmen der Nutzenbewertung gemäß 5. Kapitel, § 5 Abs. 7 seiner Verfahrensordnung für einzelne Patientenpopulationen verschiedene
Grade eines Zusatznutzens zuerkennt (beträchtlich, erheblich, gering, nicht quantifizierbar). Sofern ein Arzneimittel einen
Zusatznutzen auf unterschiedlichen Niveaus besitzt, hält der Senat eine Mischpreisbildung nicht von vornherein für ausgeschlossen,
so lange nicht Patientengruppen ohne jeden Zusatznutzen in die Bildung des Mischpreises einfließen.
cc) Unabhängig von alldem verstößt der angefochtene Schiedsspruch gegen §
130b Abs.
9 Satz 2
SGB V in Verbindung mit §
5 Abs.
2 der "Rahmenvereinbarung nach §
130b Abs.
9 SGB V" (im Folgenden: "Rahmenvereinbarung").
Der Senat hätte dem Eilantrag auch stattgegeben, wenn er keine rechtlichen Bedenken gegen die Bildung eines Mischpreises gehabt
hätte. Denn der Kern der von der Antragsgegnerin für die Zusatznutzenindikation b1 vollzogenen Preisbildung ist intransparent
und verstößt gegen die für die Festsetzung des Erstattungsbetrages geltenden rechtlichen Regelungen.
(1) Zentraler rechtlicher Ansatzpunkt ist insoweit die in §
5 Abs.
2 Rahmenvereinbarung enthaltene Regelung, die die in §
130b Abs.
9 SGB V vorgesehene Vorgehensweise verwirklicht: Danach wird der Erstattungsbetrag bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen
gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, "durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen
Vergleichstherapie" vereinbart. Zu begreifen ist sie im Gesamtzusammenhang des AMNOG, das die Jahrestherapiekosten eines Arzneimittels
in ein angemessenes Verhältnis zum festgestellten Nutzen setzen wollte (BT-Drs. 17/2413, S. 31, li.Sp.).
§ 5 Abs. 2 Rahmenvereinbarung kann mit der Formulierung des "Zuschlag(es) auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie"
im Lichte der Grundidee des AMNOG nur so verstanden werden, dass der "Zuschlag" umso höher ausfallen darf, je höher der Zusatznutzen
vom GBA auf der Grundlage von § 5 Abs. 7 der AM-NutzenV taxiert wurde (erheblich, beträchtlich, gering). Hieran musste sich
auch die Antragsgegnerin bei der Findung ihres Schiedsspruchs orientieren, denn die Rahmenvereinbarung nach §
130b SGB V dient insgesamt dem Zweck, für die an den Verhandlungen über den Erstattungsbetrag Beteiligten verbindliche Maßstäbe zu bilden
(vgl. Abs. 1 der Präambel); der Senat hat insoweit keinen Zweifel, dass die in der Rahmenvereinbarung enthaltenen Maßstäbe
der Preisbildung auch die Antragsgegnerin als Schiedsstelle binden, denn sie setzt den Vertragsinhalt an Stelle der Beteiligten
fest (§
130b Abs.
4 Satz 1
SGB V) und darf sich daher nicht von den zwischen den Beteiligten geltenden allgemeinen Maßstäben lösen.
Das Merkmal des "Zuschlag(es) auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" ist zentrales Element der
Preisbildung und daher von der Antragsgegnerin in einem Schiedsspruch besonders sorgsam zu bedenken. Dies muss sich auch auf
die Güte der schriftlichen Begründung eines Schiedsspruchs auswirken. Denn wenn nicht transparent wird, mit welchen Erwägungen
und aufgrund welcher Implikationen die Antragsgegnerin den "Zuschlag" gebildet hat, ist nicht gerichtlich überprüfbar, welchen
Sachverhalt die Schiedsstelle ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat; dies muss zur Suspendierung bzw. Aufhebung eines solchen
Schiedsspruchs führen, denn er setzt sich dem Einwand der Intransparenz und Willkür aus.
(2) So liegt es hier: Zwar ist mit der schriftlichen Stellungnahme der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nachvollziehbar
geworden, wie der im Schiedsspruch festgesetzte Erstattungsbetrag arithmetisch ermittelt wurde. Zu Jahrestherapiekosten von
1.215,42 Euro gelangte die Antragsgegnerin, indem sie den "Zusatznutzen" mit 1.200 Euro bezifferte, die Abgabepreise in anderen
Ländern mit 1.088,03 Euro und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel mit 1.326,06 Euro und diese Werte prozentual
gewichtet zu einander ins Verhältnis setzte (vgl. Tabelle Bl. 7 dieses Beschlusses).
Die nach § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung erforderliche Bildung eines "Zuschlages" zur zweckmäßigen Vergleichstherapie hat
die Antragsgegnerin dabei aber aus den Augen verloren. Stattdessen wird ein "Zusatznutzen" mit 1.200 Euro beziffert, ohne
eine Beziehung zu den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie herzustellen und den Betrag daraus abzuleiten.
Der Betrag scheint aus der Luft gegriffen und ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Er mag der im konkretisierenden Antrag
des Antragstellers vom 31. Oktober 2015 angesteuerten Größenordnung (dort: 1.000 Euro) nahe kommen, weicht aber immerhin um
200 Euro vom genannten Betrag ab und begründet dies ebenso wenig. Das Nutzbarmachen einer preisentscheidenden Monetarisierung
von 1.200 Euro erscheint nach dem Inhalt der Akten willkürlich und der Höhe nach in keiner Weise plausibel.
Insbesondere löst sich eine solche Preisbildung von den in § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung als Ausgangspunkt vorausgesetzten
Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie. In Bezug auf diesen Ausgangspunkt muss sich der Zuschlag nachvollziehen lassen.
Daran fehlt es vorliegend. Die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen nach dem insoweit verbindlichen Beschluss
des GBA zur Nutzenbewertung in einer Spanne zwischen 46,27 Euro und 252 Euro. Der Senat lässt offen, wo bei Bildung des "Zuschlages"
anzusetzen ist, wenn die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie nur in Form einer Preisspanne beziffert werden konnten;
allerdings wird die Antragsgegnerin in einem Schiedsspruch hier eine Entscheidung zum Ausgangswert zu treffen haben, denn
dieser determiniert die statthafte Höhe des "Zuschlages". Selbst wenn man hier den höchsten Spannenwert heranzieht, 252 Euro,
läge schon die Bezifferung des Zusatznutzens (1.200 Euro) um fast das Fünffache über diesem Ausgangswert. Das wäre nur beanstandungsfrei,
wenn die Antragsgegnerin hierfür eine tragfähige Begründung geliefert hätte, an der es aber vollständig fehlt. Denn im Falle
eines (wie hier) nur geringen Zusatznutzens wird die Bildung des "Zuschlages" umso intensiver begründungsbedürftig, je weiter
er über den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt. Mit anderen Worten: Bewegt sich der von der Antragsgegnerin
festgesetzte "Zuschlag" im Falle geringen Zusatznutzens etwa beim Doppelten der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie
oder darunter, sieht der Senat keinen besonders hohen Begründungsaufwand. Je weiter die Antragsgegnerin aber bei der Bildung
des Zuschlages über die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie hinausgeht, umso intensiver wird ihre Begründungslast,
denn sie hat nach der Intention des zugrunde liegenden Rechts einen nutzengerechten Preis zu bilden. Dass dieser im Falle
nur geringen Zusatznutzens um ein Vielfaches über dem Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt, ist nicht von vornherein
plausibel. Im Gegenteil entsteht in einem Fall wie dem vorliegenden der Eindruck, dass die Antragsgegnerin ohne jede rechtliche
Bindung zu einer "freien" Preisbildung gegriffen hat, die sie "gefühlt" für richtig und mehrheitsfähig hält. Dass dies einer
gerichtlichen Kontrolle nicht Stand hält, liegt auf der Hand. Die Antragsgegnerin hat es ihrerseits in der Hand, gerichtsfeste
Schiedssprüche zu treffen, die eine nachvollziehbare Begründung enthalten und in der alle rechnerischen Elemente plausibel
nachvollzogen werden können; dann muss sie aber herausarbeiten, warum auch ein geringer Zusatznutzen, wie vom Vorsitzenden
der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführt, bei Bildung des "Zuschlages" ganz unterschiedlich
zu bewerten sein kann.
(3) Hinzu tritt ein Weiteres: Nach §
130b Abs.
9 Satz 3
SGB V sollen bei der Preisbildung für Arzneimittel, für die der GBA einen Zusatznutzen festgestellt hat, die Jahrestherapiekosten
vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen
Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt werden. Dies hat die Rahmenvereinbarung in § 6 aufgegriffen: "Insbesondere"
soll der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach §
35a Abs.
3 SGB V mit den darin getroffenen Feststellungen als Kriterium zur Vereinbarung des Erstattungsbetrages fungieren; daneben treten
das vom pharmazeutischen Unternehmer erstellte Dossier nach §
35a Abs.
1 Satz 3
SGB V, die von dem pharmazeutischen Unternehmer mitgeteilten tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern und die
Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.
Die Antragsgegnerin hat diese Elemente mit 50 Prozent (Zusatznutzen), 20 Prozent (Abgabepreise in anderen Ländern) und 30
Prozent (Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel) gewichtet. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob diese Gewichtung
den gesetzlichen Vorgaben durch das AMNOG gerecht wird. Denn sie gibt dem vom Gesetzgeber zentral betonten Nutzenaspekt bei
der Preisbildung nur hälftiges Gewicht, während der Auslandsmarkt und die Preise anderweitiger Arzneimittel genau so stark
ins Gewicht fallen sollen. Diese Gewichtung birgt die Gefahr, die Grundidee des Gesetzgebers (teilweise) leer laufen zu lassen,
dass nämlich die sich im Erstattungsbetrag verkörpernden Jahrestherapiekosten in einem angemessenen Verhältnis zum festgestellten
Nutzen stehen.
Abschließend weist der Senat darauf hin: Bei der für die Festlegung des Erstattungsbetrages vorzunehmenden Würdigung aller
Umstände des Einzelfalles und der Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebiets (vgl. §
130b Abs.
4 Satz 2
SGB V) ist es nicht ausgeschlossen, auch Kostengesichtspunkte (etwa Skaleneffekte und bekannte Herstellungspreise) und erst recht
die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne der Erhaltung einer Therapiealternative
zu berücksichtigen.
D. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
E. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).