Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem
in Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Kläger) die Zeit vom 01.09.1976 bis 31.12.1982 als
Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der am 1953 geborene Kläger absolvierte ein Studium in der Sektion Informationselektronik an der Ingenieurhochschule D und
erwarb mit Urkunde vom 27.02.1975 das Recht, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur für Informationstechnik zu führen. Im
hier noch streitigen Zeitraum 01.09.1976 bis 31.12.1982 war er als Revisionsingenieur beim damaligen VEB Fernmeldeanlagenbau
D (FAD) beschäftigt. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) ist er nicht beigetreten; eine Versorgungszusage wurde
ihm zu DDR-Zeiten nicht erteilt.
Mit Bescheid vom 13.09.2005 erkannte die Beklagte im Zusammenhang mit einem früheren sozialgerichtlichen Verfahren die Anwendbarkeit
des § 1 Abs. 1 AAÜG im Falle des Klägers an und sagte die Feststellung berücksichtigungsfähiger Zeiten nach § 5 AAÜG zu. Daraufhin stellte sie mit Feststellungsbescheid vom 06.02.2006 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 19.04.2006
fest, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt seien und stellte nachgewiesene Zeiten von 01.03.1975 bis 30.06.1990 fest allerdings u.a. mit Ausnahme der jetzt
noch streitigen Zeit, weil der Kläger in dieser Zeit nicht ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 19.05.2006 beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben und geltend gemacht, die erforderliche Qualifikation
und der Betrieb seien unstreitig. Als Revisionsingenieur sei er in der technischen Revision im Bereich 18 des VEB FAD tätig
gewesen. Dort sei Technik neu entwickelt und durch den Revisionsingenieur abgenommen worden. Ferner seien Umbauarbeiten innerhalb
der Anlagen vorgenommen und durch Fehlerdiagnose aktiv auf die Produktion Einfluss genommen worden. Die Inbetriebnahme der
Fernmeldeanlagen sei grundsätzlich durch den Revisor erfolgt. Dem ist die Beklagte entgegen getreten und hat zusätzlich geltend
gemacht, dass auch die betrieblichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Sie hat auf die Systematik der Volkswirtschaftszweige
der DDR verwiesen, wonach der Beschäftigungsbetrieb der Wirtschaftsgruppe 16629 (Reparatur und Montagebetriebe der elektronischen
Industrie) zugeordnet gewesen sei. Dagegen hat der Kläger eingewandt, dass es sich beim VEB FAD um ein Unternehmen gehandelt
habe, dessen Aufgabe die Entwicklung, serienmäßige Herstellung und Wartung von ihm produzierte Telekommunikationsanlagen und
fernmeldetechnischer Geräte gewesen sei. Die industrielle Produktion elektrotechnischer und zum Teil auch elektronischer Geräte
habe dem Betrieb das Gepräge gegeben. Die Beklagte hat vorgetragen, dass es sich bei den Aufgaben des Betriebes um Reparatur-
und Montageleistungen gehandelt habe, die als Dienstleistungsaufgaben zu bewerten seien. Entscheidend sei, welches Produkt
im Ergebnis erstellt worden sei, nicht die "Hilfsgeschäfte", die im Zusammenhang mit diesem Produkt getätigt worden seien.
Dem Sozialgericht haben Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zum VEB FAD (HR C 247) sowie zum Nachfolgebetrieb
des VEB Nachrichtenanlagenbau L, der am 25.07.1990 eingetragenen NAL - Telecom GmbH L (HR B 383; dann Bosch Telecom GmbH L,
2002 verschmolzen zu Bosch Sicherheitssysteme GmbH St) und ein Auszug aus dem Statistischen Betriebsregister für 1978 und
1982 sowie aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige vorgelegen.
Mit Schreiben vom 13.03.2008 hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger als Revisionsingenieur die sachlichen Voraussetzungen
erfülle; sie gehe weiterhin davon aus, dass die betrieblichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, weil der VEB FAD kein volkseigener
Produktionsbetrieb gewesen sei.
Mit Urteil vom 13.02.2009 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, für
die Zeit vom 01.09.1976 bis 31.12.1982 die Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz
der DDR sowie die nachgewiesenen Entgelte gemäß §§ 5, 8 AAÜG für diesen Zeitraum festzustellen. Die zulässige Klage sei begründet. Der Kläger habe Anspruch auf Feststellung von Zeiten
der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nach Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG. Nach Darstellung der Rechtsprechung des damaligen 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) zur fiktiven Einbeziehung in
die AVItech hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Kläger am 30.06.1990 einen fiktiven Anspruch auf Erteilung einer
Versorgungszusage nach den insoweit maßgeblichen Vorschriften der AVItech aus bundesrechtlicher Sicht gehabt habe. Entgegen
der Auffassung der Beklagten lägen bei ihm auch die betrieblichen Voraussetzungen tatsächlich vor. Nach Auffassung der Kammer
habe der VEB FAD - gerichtsbekannt - massenhaft, d.h. serienmäßig standardisierte Bauwerke insbesondere in Form von entsprechenden
Freileitungen und dazugehörigen technischen Einrichtungen (Zusammenlöten von Schaltschränken usw.) hergestellt. Dies werde
durch die dargestellte Tätigkeit der Bosch Telecom L GmbH bekräftigt. Die Kammer könne sich in diesem Zusammenhang nicht der
Rechtsauffassung des Sächsischen Landessozialgerichts im vergleichbaren Fall des VEB Energiebau anschließen.
Gegen das ihr am 23.02.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.02.2009 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegte
Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, dem betrieblichen Anwendungsbereich der Altersversorgung der technischen Intelligenz
i.S.d. Rechtsprechung des BSG unterlägen nur VEB der Industrie, d.h. solche VEB, die die industrielle Fertigung von Sachgütern
betrieben hätten. Die Montage und Reparatur von Industrieanlagen und die Verlegung von Rohrleitungen in Kraftwerken sei eine
Dienstleistung. Das "verarbeitende Gewerbe" umfasse neben der Herstellung von Waren im engeren Sinne auch verschiedene Dienstleistungen.
Hierzu zählten u.a. die Installation, Reparatur und Instandhaltung von Investitionsgütern. Für die Bestimmung des wirtschaftlichen
Hauptzwecks eines Betriebes sei das statistische Betriebsregister der DDR ein geeignetes Indiz.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 13.02.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er tritt der Berufung entgegen und macht u.a. geltend, beim VEB FAD habe es sich um einen Betrieb gehandelt, der in Massenproduktion
Telekommunikationsanlagen gebaut habe.
Dem Senat lagen u.a. Auszüge aus den Registerunterlagen zum VEB Nachrichtenanlagenbau L, die notarielle Umwandlungserklärung
vom 19.06.1990 nebst beigefügten Unterlagen (Abschlussbilanz, Eröffnungsbilanz, Rechtsnachfolgeerklärung u.Ä.), der Geschäftsbericht
I/90 vom 30.04.1990, das technisch-ökonomische Konzept der NAL - Telecom GmbH vom 20.04.1990, der Bericht über die Ermittlung
des Gesamtwertes der NAL - Telecom GmbH zum 01.07.1990, die Anweisung des Generaldirektors des VEB Kombinat Nachrichtenelektronik
zur Gründung des VEB Nachrichtenanlagenbau vom 22.12.1983, die Jahresanalyse zum Geschäftsjahr 1986 vom 10.02.1987 und die
Informationsvorlage für das Sekretariat der Bezirksleitung der SED L vom 30.06.1983 zum geplanten Zusammenschluss der Kombinatsbetriebe
VEB FAD und VEB Fernmeldeanlagenbau L vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte der Beklagten,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann durch die Berichterstatterin als Einzelrichter entscheiden, weil sich die Beteiligen hiermit einverstanden
erklärt haben (§
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 149,
151 SGG) ist zulässig und in der Sache begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Denn der Bescheid der
Beklagten vom 06.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von weiteren Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz mit entsprechenden Arbeitsentgelten. Denn er gehörte in der Zeit vom 01.09.1976 bis zum 31.12.1982
nicht dem Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG an. Somit sind für ihn ungeachtet der Geltung des AAÜG für diese Zeiten keine Daten festzustellen.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gelten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungsträger, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist,
als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Ob eine derartige Zeit vorliegt, ist nach objektiven Auslegungskriterien
des Bundesrechts in faktischer Anknüpfung an die Texte der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten Versorgungsordnungen zu entscheiden, ohne dass es dabei auf die praktische Durchführung und Auslegung der Versorgungsordnungen
durch die DDR ankommt (vgl. ausführlicher hierzu z.B. Urteile vom 24.03.1998 - B 4 RA 27/97 R, RdNr. 12 und 14, 04.08.1998 - B 4 RA 63/97 R, RdNr. 17, 29.06.2000 - B 4 RA 63/99 R, RdNr. 14, 12.06.2001 - B 4 RA 117/00 R, RdNr. 24 und 18.10.2007 - B 4 RS 28/07 R, RdNr. 18ff; alle zitiert nach Juris).
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. zusammenfassend z.B. Urteil vom 24.08.2008 - B 4 RS 31/07 R, RdNr. 16) ist eine Zeit der Zugehörigkeit im Bereich der Altersversorgung der technischen Intelligenz gemäß §§ 1, 5 der
Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten
Betrieben vom 17.08.1950 (DDR-GBl. I Nr. 93, 844f AVItech) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der hierzu ergangenen Zweiten
Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 (DDR-GBl. Nr. 62, 487f 2. DB) unter drei Voraussetzungen gegeben, die kumulativ vorliegen
müssen, 1. Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. Ausübung einer entsprechenden
Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des
Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Dabei hat sich nach Auffassung des BSG die Auslegung der abstrakt-generellen Regelungen des Versorgungsrechts - hier der AVItech
- streng am Wortlaut zu orientieren und eine erweiternde Auslegung scheidet aus (vgl. z.B. Beschluss vom 13.02.2008 - B 4 RS 133/07 B, RdNr. 14).
Keiner Entscheidung bedarf, ob die o.g. persönliche und sachliche Voraussetzung erfüllt sind. Denn jedenfalls ist die betriebliche
Voraussetzung nicht gegeben. Denn der Kläger war in der vorgenannten Zeit nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im
Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt.
Beim VEB FAD handelte es sich - entgegen der Auffassung des Klägers und des Sozialgerichts - nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens. Ein solcher Betrieb lag nämlich nur dann vor, wenn es sich erstens um einen VEB handelte,
der organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet war, und zweitens der verfolgte
Hauptzweck des VEB auf die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw.
Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern oder die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen ausgerichtet
war (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6).
Der VEB FAD hatte zwar die Rechtsform eines VEB, war jedoch kein Produktionsbetrieb. Maßgebend ist hierbei auf den Hauptzweck
abzustellen. Die genannte Produktion muss dem Betrieb das Gepräge gegeben haben, also überwiegend und vorherrschend gewesen
sein (vgl. BSG, Urteile vom 10.04.2002 - B 4 RA 10/02 R -, 18.12.2003 - B 4 RA 14/03 R, 06.05.2004 - B 4 RA 44/03 R - und 27.07.2004 - B 4 RA 11/04 R). Der Hauptzweck wird dabei nicht durch die Art der Hilfsgeschäfte und -tätigkeiten geändert oder beeinflusst, die zu seiner
Verwirklichung zwangsläufig mit ausgeführt werden müssen oder daneben verrichtet werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2003 -
B 4 RA 14/03 R). Besteht das Produkt nach dem Hauptzweck des Betriebs in einer Dienstleistung, so führen auch produkttechnische Aufgaben,
die zwangsläufig, aber allenfalls nach- bzw. nebengeordnet anfallen, nicht dazu, dass ein Produktionsbetrieb vorliegt (vgl.
Urteile des BSG vom 18.12.2003 - B 4 RA 14/03 R, 06.05.2004 - B 4 RA 44/03 R - und 27.07.2004 - B 4 RA 11/04 R). Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse des Betriebs, die auf der Grundlage der tatsächlich übernommen Aufgaben,
der Organisation und der Mittelverwendung zu bestimmen sind. Als Hilfstatsachen bei der Beweiswürdigung können insbesondere
Eintragungen in die Liste der volkseigenen Betriebe, Statuten und Geschäftsunterlagen wie auch die Zuordnung zu bestimmten
Ministerien von Bedeutung sein (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2003 - B 4 RA 18/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 1).
Das LSG Berlin-Brandenburg hat zu dem seit 1979 auch dem VEB FAD übergeordneten VEB Kombinat Nachrichtenelektronik Folgendes
ausgeführt (Urteil vom 24.07.2009 - L 3 R 650/06, RdNr. 34): "können einige Eintragungen in dem Statut des übergeordneten Betriebs VEB Kombinat N vom 23.01.1979 zur Würdigung
des Betriebszwecks herangezogen werden. Dort ist unter § 4 ausgeführt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des Kombinats "alle
Phasen des Reproduktionsprozesses, insbesondere die Entwicklung, Produktion und den Absatz von Erzeugnissen der Haupterzeugnislinien
Funktechnik, Vermittlungstechnik, Übertragungstechnik, Fernschreibetechnik, angewandte Fernsehtechnik, elektroakustische Übertragungstechnik,
Wechselsprechtechnik, elektrische Sicherheits- und Signaltechnik, medizinische Elektronik, Mess- und Prüftechnik für die Nachrichtenelektronik"
umfassen sollte. Nach § 5 des Statuts oblag dem Kombinat die "Sicherung der einheitlichen Leitung von Export und Import auf
dem Gebiet der Nachrichtenelektronik, die Sicherung der Produktion und der industriellen Instandsetzung von Geräten und Anlagen
der Nachrichtenelektronik für Sonderbedarfsträger, die Entwicklung und Produktion von Konsumgütern für die Bevölkerung, die
Sicherung der Produktion von Mess- und Prüfungseinrichtungen sowie der Bau von Rationalisierungsmitteln für die Forschung
und Entwicklung, die Produktion und Inbetriebsetzung von Geräten und Anlagen, der Abschluss internationaler Wirtschaftsverträge
über Forschungskooperation, Spezialisierung und Kooperation der Produktion und Lohnveredelung". Diese Aufgaben wurden einer
Vielzahl von zugeordneten Kombinatsbetrieben (laut Statut 24 VEB'e), ihrerseits ökonomisch selbständige und rechtsfähige Wirtschaftseinheiten
(§ 7 des Statuts), zugewiesen. Dass in dieser umfassenden Tätigkeitsbeschreibung des Kombinats auch die Produktion von Konsumgütern,
Mess- und Prüfungseinrichtungen sowie weiteren funktechnischen Erzeugnissen erwähnt ist, lässt noch nicht den Schluss zu,
der VEB FAB sei ein Produktionsbetrieb gewesen."
Dem entsprechend hat auch der 5. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts (Urteil vom 22.03.2011 - L 5 RS 506/09 - noch nicht veröffentlicht) entschieden, dass der VEB Nachrichtenanlagenbau L nicht dem industriellen Produktionssektor
der Planwirtschaft der DDR organisatorisch zugeordnet war und auch keine massenhafte industrielle Güterproduktion betrieben
hat. Es handelte sich bei ihm vielmehr um einen dienenden Dienstleistungsbetrieb, der Projektierungs-, Liefer-, Montage-,
Inbetriebnahme-, Reparatur- und Wartungsleistungen erbracht hatte.
Der Informationsvorlage für das Sekretariat der Bezirksleitung der SED L vom 30.06.1983 lässt sich entnehmen, dass es Zielstellung
der wirtschaftsorganisatorischen Maßnahme (Zusammenlegung der beiden VEB Fernmeldeanlagenbau D und L) war, eine hohe Leistungssteigerung
auf den Gebiet der Nachrichtentechnik durch den Einsatz der Mikroelektronik zu erreichen und einen hohen Zuwachs im Export
zu sichern. In der Beschreibung der Ausgangssituation wird der VEB FAD als territorial zuständig für die Bezirke D, K ...-M
...-St und C ... und die Spezialleistungsrichtungen Hauptauftragnehmer (HAN) indirekter Anlagenexport, e/e-Sicherungstechnik
und Nachrichtentechnik in Waggons beschrieben. In der Vorlage heißt es (Bl. 101 f. der Gerichtsakte): "Durch diese Betriebe
werden stationäre und mobile nachrichtentechnische Ausrüstungen, wie Fernsprech- und Fernschreibanlagen, Übertragungstechnik,
Funkanlagen, Rohrpostanlagen, Wechselsprechtechnik, e/e-Sicherungstechnik (...) für die Aufgaben der Landesverteidigung und
der von Partei und Regierung beschlossenen Investitionsprogramme und Rekonstruktionen in der DDR projektiert, geliefert, montiert
und in Betrieb gesetzt." und (Bl. 104 der Gerichtsakte) "Da die Errichtung von Nachrichtenanlagen eine bedarfsspezifische
Dienstleistung ist, muss auch beim Einsatz digitaler Nachrichtenvermittlungs- und Übertragungsanlagen die periphere Netz-
und Endgerätetechnik sowie die sonstige Informationstechnik dem jeweiligen Anwendungsfall entsprechend durch den Fernmeldeanlagenbau
projektiert, montiert und in Betrieb gesetzt werden. Die vorgesehene wirtschaftsorganisatorischen Maßnahme einspricht dieser
perspektivischen Entwicklung der Nachrichtenelektronik.".
Daraus ergibt sich, dass der VEB FAD nicht massenhaft Telekommunikationsanlagen oder fernmeldetechnischer Geräte als Sachgüter
selbst serienmäßig herstellte, sondern auch nach dem Sprachgebrauch der damaligen DDR in erster Linie (bedarfsspezifische)
Dienstleistungen erbrachte. Denn der Betrieb montierte aus den Erzeugnissen anderer (Kombinats-)Betriebe komplette Fernmeldeanlagen
in den von den Auftraggebern vorgesehenen Anlagen und ggf. Gebäuden, indem er die dazu benötigten Einzelteile und Materialien
(z.B. Kabel und Telefone oder Sicherungssysteme) von anderen Kombinatsbetrieben bezog und vor Ort zu einer Anlage zusammenfügte
und in Betrieb setzte. Demzufolge ist Gegenstand der Betriebstätigkeit des VEB FAD die Zusammenstellung von Fernmeldeanlagen
aus vorgefertigten Komponenten nach Kundenwünschen gewesen. Die dafür nötigen Komponenten wurden als Einkäufe von anderen
Kombinatsbetrieben, von Betrieben anderer Industriezweige oder aus dem Import als Zulieferung bezogen (vgl. Bl. 129 ff. der
Gerichtakte; z.B. vom VEB Carl Zeiss J oder VEB Tontechnik B u.v.m.). Soweit für die Aufträge bei Bürogebäuden, Verwaltungen,
Betrieben bzw. in Waggons der Deutschen Reichsbahn etc. auf standardisierte Erzeugnisse oder Baugruppen zurückgegriffen wurde
und immer die gleichen Materialien und Bestandteile eingebaut wurden, stellt dies keine serienmäßige Produktion dar. Dass
für den jeweiligen Auftrag womöglich zunächst im Betrieb Vorbereitungsarbeiten durchgeführt worden sind, also Anlagenteilen
oder Kabelbäume/-schächte u.U. objektunabhängig vorgefertigt wurden, stellt keine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells
dar, da damit nur Hilfstätigkeiten für die eigentliche Montagetätigkeit unternommen wurden. Wesentliches Kennzeichen der industriellen
Fertigung fordistischer Prägung ist der Massenausstoß von Produkten, die durch Wiederholung von gleichartigen Bearbeitungsvorgängen
unter Einsatz von Maschinen, die an die Stelle menschlicher Arbeitskraft treten, hergestellt worden sind. Der VEB FAD nahm
hingegen die (endgültige) Zusammensetzung der komplexen Anlagen beim Kunden vor. Die vom VEB FAD erbrachten Leistungen bestanden
nicht lediglich in der Lieferung von selbstgefertigten Sachgütern, sondern die eigentliche Aufgabe bestand darin, die erforderlichen
Montageleistungen in Form der handwerklichen Leistungen einschließlich der Prüfung und Sicherstellung der Funktionsfähigkeit
sowie der Inbetriebnahme nach Fertigstellung als Dienstleistungen beim Kunden zu erbringen.
In der Jahresanalyse zum Geschäftsjahr 1986 wird deutlich, dass die Hauptaufgabe des VEB Nachrichtenanlagenbau L, dem Rechtsnachfolger
des zum 01.01.1864 erloschenen VEB FAD, Montageleistungen beim Auftraggeber waren (vgl. Bl. 94 der Gerichtsakte). So wurden
die "Leistungen der ökonomischen Sicherstellung der Landesverteidigung" und der "Leistungsumfang an der Erdgastrasse in der
UdSSR" hervorgehoben. Die "Vorfertigungs- und Montagekollektive des VEB" hatten die Ausrüstung der Deutschen Reichsbahn mit
Signal und Sicherungstechnik unternommen. Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit des VEB waren danach die Entwicklung,
Projektierung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von kompletten Fernmeldeanlagen und Nachrichten- oder Sicherungstechnik
sowie weiterer Komponenten des Fernmeldeanlagenbaus. Gegen eine "Massenproduktion" spricht somit auch, dass der VEB FAD für
die Errichtung komplexer Anlagen, die nach den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Auftraggebers gefertigt wurden, zuständig
war. Letztlich handelt es sich bei der Errichtung von Fernmeldeanlagen, Sicherungs- und Nachrichtentechnik um eine Mischung
von unterschiedlichen Dienstleistungs- und Montagetätigkeiten. So umfasste dies insbesondere die Bereiche Planung, Projektierung,
Materialbeschaffung, Bauleitung, Ausführung, Überwachung und Wartung. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers erbrachte damit
unterschiedliche Dienstleistungen in Form der Projektierung, der Organisation, Leitung und Überwachung der Realisierung des
Anlagenbaus und in der Abnahme und Übergabe der fertig gestellten Anlagen sowie die Überführung der neuen Anlagen in die Hand
der Investitionsauftraggeber. Die Errichtung von Anlagen der Fernmelde- und Nachrichtentechnik für die Landesverteidigung
und Sicherungstechnik für die Deutsche Reichsbahn beinhaltete ebenfalls die Planung der Anlage, Organisation, Beschaffung
von Materialien, Koordinierung und Überwachung der Errichtung und die Inbetriebnahme. Dass dieser Betriebszweck des VEB vermutlich
gesamtgesellschaftlich wichtig und die hierfür erforderlichen Ingenieurleistungen anspruchsvoll und bedeutsam waren, führt
nicht zu einer Qualifizierung als Produktionsbetrieb i.S.d. o.g. Rechtsprechung des BSG.
Dass keine Unterlagen zum Betriebszweck des VEB FAD speziell in der hier streitigen Zeit ermittelt werden konnten, führt zu
keiner anderen Entscheidung. Das Gericht hat nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Betriebszweck des Beschäftigungsbetriebes
des Klägers im hier noch streitigen Zeitraum sich so wesentlich von dem des Nachfolgebetriebes unterschieden hätte, dass er
entgegen den hier für die Zeit ab 1983 getroffenen Feststellungen als Produktionsbetrieb im Sinne der maßgeblichen Rechtsprechung
des BSG zu qualifizieren wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich nicht, weil die Beurteilung der Geschäftstätigkeit
des VEB FAD Tatsachenfragen betrifft.