LSG Chemnitz, Urteil vom 12.07.2006 - 1 KR 57/03
Krankenhausbehandlung, Wahl des Krankenhauses durch den Versicherten, Beachtung der religiösen Überzeugung
1. §
39 Abs.
2 SGB V überlässt es nicht der Krankenkasse, das nächsterreichbare geeignete Krankenhaus zu bestimmen, in dem sich der Versicherte
behandeln darf, ohne Mehrkosten befürchten zu müssen. Vielmehr ist die Wahl des Krankenhauses Sache des Versicherten, der
bei seiner Wahl auf die Angaben in der ärztlichen Verordnung vertrauen darf. Die Krankenkasse ist an die Verordnung des Vertragsarztes
gebunden. Die ärztliche Verordnung entfaltet damit im Rahmen der Mehrkostenregelung rechtliche Wirkungen gegenüber der Krankenkasse.
2. Kollidieren die Belange der Solidargemeinschaft der Versicherten an einer funktionsfähigen Krankenversicherung, indem sie
eine möglichst kostengünstige Krankenhausbehandlung im nächsterreichbaren Krankenhaus verlangt, mit dem Wunsch nach der Behandlung
entsprechend ihrer religiösen Überzeugung (hier: Zeuge Jehovas nach einer Behandlung ohne Bluttransfusion), so sind diese
miteinander kollidierenden Verfassungsgüter in einer nach beiden Seiten hin schonenden Weise zum Ausgleich zu bringen. Dabei
trifft die Krankenkasse die Pflicht, von Amts wegen zu ermitteln, wo eine der Gewissensentscheidung eines Versicherten entsprechende
Behandlung wohnortnah und kostengünstig durchführbar ist und ihn auf solche Behandlungsmöglichkeiten hinzuweisen. [Amtlich
veröffentlichte Entscheidung]
Fundstellen: NJ 2007, 384
Normenkette: GG Art.
4 Abs.
1 Art.
4 Abs.
2
,
,
SGB X § 20
,
,
SGB V §
1 S. 3 §
11 Abs.
1 Nr.
4 §
13 Abs. 3 §
2 Abs. 3 S. 2 §
27 Abs. 1 S. 1 § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 § 39 Abs. 1 § 39 Abs. 2 § 73 Abs. 4 S. 3
Vorinstanzen: SG Dresden 24.04.2003 S 16 KR 195/01