Summenbeitragsbescheid
Zuordnung von Vergütungen als Arbeitsentgelt
Zuordnung zu einem individuellen Versichertenkonto
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen durch einen
Summenbeitragsbescheid im Streit.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger i. Nationalität. Er pachtete durch Vertrag vom 31. Mai 2002 von E., welcher zuvor
die erforderliche Konzession wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit entzogen worden war, die Hotelpension A., S. in H.
mit elf Zimmern, zwei Duschen, einem Aufenthaltsraum, sowie vier Gästetoiletten, einer Personaltoilette und einem Lagerraum,
die Pension W., S. in H., 2. Etage rechts mit fünf Hotelzimmern, einer Toilette, einem Solarium, einem Aufenthaltsraum und
einer Waschküche sowie die Hotelpension K., S. in H., 2. Etage links mit sieben Hotelzimmern, einer Toilette, einem Werkzeug-
und Materialraum und einer Dusche. Der Pachtzins betrug bei Vertragsschluss 15.000,00 EUR monatlich. Für alle drei Betriebe
erhielt der Kläger am 11. Juli 2002 eine einheitliche gaststättenrechtliche Konzession als Beherbergungsbetrieb mit Abgabe
von Frühstück an Hausgäste sowie Schankwirtschaft mit Ausschank von Getränken aller Art mit insgesamt 17 Fremdenzimmern. Anmeldungen
zur Sozialversicherung für im Betrieb beschäftigte Personen nahm der Kläger seit 1. August 2002 über den Betrieb des Hotels
A. unter dessen Betriebsnummer 15310057 vor.
Das Hotel A. ist der Polizei H. als so genannte "Steige", d.h. als ein Beherbergungsbetrieb bekannt, der im 24-Stunden-Betrieb
von Prostituierten mit ihren Freiern stundenweise aufgesucht wird. Er ist seit Jahren Ziel polizeilicher Aufklärungs- und
Einsatzmaßnahmen. Hiervon erlangte das Hauptzollamt H.-Stadt - Finanzkontrolle Schwarzarbeit - Kenntnis, glich die für den
Betrieb sozialversicherungsrechtlich gemeldeten Personen mit dem aufgrund der Betriebsart vermuteten Personalbedarf ab und
leitete gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Arbeitsentgelten ein. Aufgrund
Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Hamburg vom 13. April 2006 wurden die Wohn- und Geschäftsräume des Klägers, sein
Kraftfahrzeug sowie auch er selbst durchsucht und es wurden diverse Geschäftsunterlagen des Hotels A. beschlagnahmt. Ferner
wurden diejenigen Personen als Zeugen vernommen, welche als Beschäftigte des Beherbergungsbetriebes - entweder aufgrund der
abgegebenen Meldungen zur Sozialversicherung oder aufgrund polizeilicher Erkenntnisse - namhaft gemacht werden konnten. Das
Hauptzollamt H.-Stadt - Finanzkontrolle Schwarzarbeit - legte das Ergebnis seiner Ermittlungen der Beklagten vor, welche ihrerseits
die Bauakte für das Grundstück S. in H. beizog. Dort heißt es in einer von dem Kläger unter dem 2. März 2005 auf Veranlassung
der zuständigen Bauprüfabteilung des Bezirksamts H.-Mitte abgegebenen formlosen Betriebsbeschreibung, es handele sich um einen
Beherbergungsbetrieb mit 22 Betten mit Betriebszeiten von 00.00 - 24.00 Uhr täglich, die Arbeitszeiten verteilten sich auf
fünf Schichten zu je acht Stunden täglich, beschäftigt würden eine Vollzeitkraft und acht Teilzeitkräfte, jeweils fünf Personen
gleichzeitig in der stärksten Schicht. Die Beklagte wertete diese Unterlagen aus und errechnete aufgrund Abgleichs der gemeldeten
Personen mit Art und Umfang des Beherbergungsbetriebes, welche Beiträge zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung
der Kläger in den Jahren 2002 - 2006 unter Berücksichtigung des aus der Betriebsart folgenden Personalbedarfs nicht abgeführt
hatte. Dabei legte sie eine Anzahl von 150 Mitarbeiterschichten, hiervon 60 "Läuferschichten", monatlich (fünf Schichten täglich)
zu je 50,00 Euro zugrunde, ging davon aus, dass der Kläger selbst auch 22 Schichten abgeleistet und dass der täglich ausgezahlte
Nettolohn 250,00 Euro betragen habe. Auf die Schadensberechnung der Beklagten (Blatt 104 ff. der Sachakte der Beklagten) wird
ergänzend Bezug genommen. Sie errechnete ferner, dass der Umfang der gemeldeten Beschäftigung zu einer Unterdeckung von 34
Schichten monatlich geführt hätte.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts H.- S. vom 17. April 2008 (951 Ds 5602 Js 123/06 - 631/07) wurde gegen den Kläger wegen Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung im Zeitraum Januar 2004 bis Dezember
2006 eine Geldstrafe von 4.500,00 EUR verhängt. Gegenstand des Strafausspruches waren nur die für die namentlich bekannten
Beschäftigten errechneten Beträge. Der Strafbefehl erlangte am 15. August 2008 Rechtskraft. Auf den Strafbefehl (Blatt 45
ff. der Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug genommen.
Nach Anhörung des Klägers forderte die Beklagte mit am 16. November 2007 zur Post gegebenem Bescheid vom 19. März 2007 Gesamtsozialversicherungsbeiträge
in Höhe von 227.490,16 EUR nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 76.476,00 DM EUR (insgesamt 303.966,16 EUR) für den Zeitraum
vom 7. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2006 nach. Zur Begründung heißt es, der Kläger habe Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt,
ohne sie zur Sozialversicherung anzumelden und Beiträge zu entrichten. Auch habe er Beschäftigte als geringfügig gemeldet,
obwohl er sie als Vollzeitkraft eingesetzt und über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus entlohnt habe. Unter Zugrundelegung
der sichergestellten Unterlagen und der Betriebsbeschreibung habe ein Personalbedarf von 150 Arbeitsschichten monatlich bestanden,
welcher mit den gemeldeten Arbeitnehmern nicht habe abdeckt werden können. Vielmehr habe selbst bei günstigster Betrachtungsweise
eine Personalunterdeckung von 34 Schichten pro Monat bestanden. Da das Entgelt pro Mitarbeiterschicht 50,00 Euro/Tag betragen
habe, sei von einem täglichen Nettolohn von 250,00 Euro auszugehen, welcher der Lohnsummenberechnung zugrunde gelegt worden
sei. In Abzug gebracht seien die an die gemeldeten Arbeitnehmer gezahlten Entgelte sowie das Entgelt einer Beschäftigten,
hinsichtlich der ein gesondertes Verfahren geführt werde. Auf den Bescheid vom 19. März 2007 (Blatt 232 ff. der Sachakte der
Beklagten) wird ergänzend Bezug genommen. Den hiergegen fristgerecht erhobenen Widerspruch, welchen der Kläger mit der Behauptung
begründete, die der Bauakte entnommene Betriebsbeschreibung habe nur für einen seinerzeit beabsichtigten Umbau gelten, nicht
aber den laufenden Betrieb beschreiben sollen, im Übrigen sei der Personalbedarf des Betriebes durch die Beklagte zu hoch
angesetzt worden, aus den aufgefundenen Unterlagen könne nicht auf die Personalstärke geschlossen werden und schließlich müsse
auch berücksichtigt werden, dass er selbst sich täglich 12 Stunden im Betrieb aufhalte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 25. Juni 2008 zurück, nachdem der Kläger seiner mit dem Widerspruch vorgebrachten Ankündigung zur Vorlage der vollständigen
Aufstellung aller angemeldeten und tatsächlichen Mitarbeiter sowie der jeweiligen Schichtbesetzung bis zu dem von ihm genannten
Zeitpunkt - Ende März 2008 - nicht nachgekommen war. Zur Begründung heißt es, die angekündigte Aufstellung liege noch immer
nicht vor. Es habe eine Schätzung zu erfolgen, da die Aufzeichnungspflicht nicht erfüllt worden sei. Die Äußerungen gegenüber
dem Bezirksamt seien zu berücksichtigen, weil sie auf die Forderung des Bezirksamtes um Hergabe einer aktuellen Betriebsbeschreibung
erfolgt seien. Schließlich seien den Zeugenaussagen hinreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger Entgelte
gezahlt und nicht ordnungsgemäß abgerechnet habe.
Daraufhin hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, es sei zwar von einem
höheren Personalbedarf auszugehen, als es sich in den sozialversicherungsrechtlichen Anmeldungen widerspiegele. Jedoch müsse
mit Nachdruck betont werden, dass bis auf eine einzige Ausnahme jede Person, die bei ihm beschäftigt gewesen, tatsächlich
angemeldet gewesen sei, wenn auch gegebenenfalls unter der nicht zutreffenden Voraussetzung der Anmeldung als Mini-Jobber
anstatt als Teilzeitkraft. Darüber hinaus habe es nicht-angemeldete Beschäftigte bei ihm zu keinem Zeitpunkt gegeben. Auch
treffe der sozialversicherungsrechtliche Vorwurf zu, dass er seiner Pflicht der Dokumentation der gearbeiteten Zeiträume der
bei ihm Beschäftigten nicht nachgekommen sei, weshalb eine Rekonstruktion der Beschäftigungszeiten im Einzelnen schwer möglich
sei. Jedoch lasse sich die von der Beklagten getroffene Schätzung mit den vorhandenen Dokumenten widerlegen. Auch lasse sich
von der aktuellen Betriebssituation auf die Vergangenheit schließen. Nach allem sei lediglich von 88 Schichten zuzüglich der
Reinigungskraft pro Monat auszugehen, womit die Schätzung ins Leere gehe. Dies werde sich bei einer Betriebsbesichtigung herausstellen.
Durch Urteil vom 18. April 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen
für den Erlass eines Summenbeitragsbescheides lägen vor, weil der Kläger seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung
von Lohnunterlagen nicht nachgekommen sei. Der Erlass eines solchen Bescheides könne in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren
nur beanstandet werden, wenn dieser bei Abschluss des Widerspruchsverfahrens angesichts einer Gesamtwürdigung des zu beurteilenden
Sachverhalts als unverhältnismäßig erscheinen musste und deshalb eine personenbezogene Feststellung der im einzelnen nachzufordernden
Beiträge geboten war. Eine derartige Unverhältnismäßigkeit lasse sich unabhängig davon nicht feststellen, dass der Kläger
die von ihm angekündigte Aufstellung nicht spätestens bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens vorgelegt habe. Denn auch
die von ihm im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen seien nicht hinreichend plausibel, um als Grundlage personenbezogener
Feststellungen zu dienen. Dies habe namentlich mit Blick auf die in der Bauakte enthaltene Betriebsbeschreibung zu gelten,
aus welcher sich ein erheblich höherer Personalbedarf ergebe, als von dem Kläger im gerichtlichen Verfahren angegeben. Zu
beanstanden sei auch nicht die vorgenommene Schätzung der Beiträge, denn lasse sich die Summe der Arbeitsentgelte nicht ermitteln,
sei die Entgeltsumme - gegebenenfalls auch auf der Grundlage einer Schätzung der Anzahl der Beschäftigten und des ortsüblichen
Entgelts - auf diesem Wege festzustellen. Auf die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 5. Mai 2011 zugestellte Entscheidung
wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat am 6. Juni 2011, einem Montag, Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Klageverfahren
und trägt im Einzelnen vor, die Annahmen des Sozialgerichts seien unzutreffend. Vielmehr sei sein Sachvortrag so hinreichend
präzise, dass dieser die Zeugenaussagen erschüttert habe. Es hätten alle Zeugen vernommen und dazu auch noch die Örtlichkeit
in Augenschein genommen werden müssen. Unrichtig sei auch die Bewertung seines Schreibens an das Bezirksamt vom 16. Februar
2005. Hierbei könne dahinstehen, was nun genau der Anlass für dieses Schreiben gewesen sei. Jedenfalls mache die Angabe gleichzeitiger
Anwesenheit von fünf Personen nur Sinn, wenn es sich bei dem Betrieb nicht um einen Beherbergungsbetrieb einfachster Kategorie
nebst Betrieb eines billigen Stundenhotels, sondern um den Betrieb eines Fünf-Sterne-Hotels handeln würde. Insoweit ergebe
sich aus den vorliegenden Grundrissen, dass der Beherbergungsbetrieb sieben, das Stundenhotel 13 Zimmer habe. Mit dieser Anzahl
an Zimmern könne man sowohl praktisch als auch wirtschaftlich keine fünf Personen gleichzeitig beschäftigen. Vielmehr sei
es zutreffend, wenn davon ausgegangen werde, dass nur einmal am Tag eine Schicht für 50 EUR belegt werde. Dies ergebe sich
daraus, dass für das Hotel bei einer Betriebszeit von 24 Stunden von 706 Öffnungsstunden monatlich ausgegangen werden müsse,
von denen der Kläger selbst im Schnitt 10 Stunden täglich ableiste. Dies ergebe durchschnittlich 240 Stunden im Monat, so
dass eine durchschnittliche Monatsarbeitszeit von 466 Stunden verbleibe, welche durch Angestellte abzudecken sei. Da Frau
M. sowie ein weiterer Mitarbeiter ausweislich des streitgegenständlichen Ausgangsbescheides herauszurechnen seien, diese beiden
Angestellten eine reguläre Vierzigstundenwoche hätten, verblieben pro Monat noch 130, pro Woche 31 Stunden, welche abzudecken
seien. Dies sei mit einer Schicht pro Tag möglich. Bestritten werde auch, dass es so genannte Läufer gebe. Auch der zu treibende
Aufwand für Reinigung und Wäschepflege sei deutlich geringer als veranschlagt. Nach allem sei es gerechtfertigt von lediglich
4 Arbeitsstunden am Tag auszugehen, für welche lediglich 50 EUR täglich anzusetzen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. April 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen, verweist darauf, dass dieser von der Darstellung in früheren Schriftsätzen,
wo er selbst von drei Schichten täglich gesprochen habe, nunmehr abweiche. Auch stehe seine Darstellung im Widerspruch zu
den Zeugenaussagen. Hingewiesen werde auch noch einmal auf sein Schreiben vom 16. Februar 2005 an das Bezirksamt, in dem Arbeitszeiten
in fünf Schichten angegeben sein. Dies sei die Grundlage des streitbefangenen Bescheides. Es sei demnach erwiesen, dass täglich
fünf Schichten zu jeweils 8 Stunden gearbeitet würden. Darauf hingewiesen werde auch noch, dass der Kläger seine eigenen Anwesenheitszeiten
wechselnd und völlig unterschiedlich darstelle.
Das Berufungsgericht hat die Gewerbeakte für den von dem Kläger betriebenen Hotelbetrieb beigezogen und die Beteiligten hiervon
in Kenntnis gesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der
Niederschrift über die öffentliche Senatssitzung zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten ist § 28p SGB Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für
die Sozialversicherung - (
SGB IV) i.V.m. §
28f Abs.
2 SGB IV. Nach § 28p Abs.
1 Satz 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; insbesondere
prüfen sie auch die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Sie erlassen nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe gegenüber den Arbeitgebern. Nach §
28f Abs.
2 Satz 1
SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten
Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nach §
28f Abs.
1 SGB IV nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt
werden können. Dies gilt nach § 28f Abs. 2 Satz 2 nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt
werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann.
Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen
Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese nach Satz 3 zu schätzen. Dabei ist nach Satz 4 für das monatliche Arbeitsentgelt
eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen.
Diese Vorschriften hat die Beklagte rechtsfehlerfrei angewandt.
Nach §
28f Abs.
1 SGB IV hat der Arbeitgeber für jeden Arbeitgeber getrennt nach Kalenderjahren Entgeltunterlagen in deutscher Sprache zu führen.
Diese Pflicht hat der Kläger verletzt. Zwar hat es über den Steuerberater eine Lohnbuchhaltung gegeben. Diese hat aber die
wahre Beschäftigungssituation im Prüfzeitraum nicht abgebildet. Vielmehr waren tatsächlich mehr Personen im Betrieb beschäftigt,
als den vom Steuerberater an die Beklagte übermittelten Meldungen zur Sozialversicherung entspricht, bzw. es waren die gemeldeten
Personen in größerem Umfange tätig, als es den Meldungen entspricht. Dies hat der Kläger im ersten Rechtszug selbst eingeräumt,
indem er angegeben hat, dass der Personalbedarf höher war, als es die Meldungen widerspiegelten. In diesem Zusammenhang hat
der Kläger beschäftigte Personen überhaupt nicht - was der Kläger im ersten Rechtszug in dem Fall des Beschäftigten R.D. ebenfalls
eingeräumt hat, was nach Aktenlage aber darüber hinaus noch wenigstens in einem weiteren Fall geschehen ist, zur Sozialversicherung
gemeldet, d.h. "schwarz" beschäftigt. Denn ausweislich der Gewerbeakte ist neben Herrn D. auch ein H.J. als Verantwortlicher,
d.h. als diejenige Person, die an der Rezeption tätig war und die Zimmerschlüssel herausgab, von der Polizei angetroffen und
von dem Kläger später auf Anweisung der Gewerbeaufsicht entlassen worden, weil dieser wie Herr D. die Prostitution Minderjähriger
durch Herausgabe von Zimmerschlüsseln an Minderjährige gefördert hatte. Der Kläger hat darüber hinaus - was er ebenfalls einräumt
- Personen in zu geringem Umfange gemeldet. Dies ergibt sich unabhängig von dem Eingeständnis des Klägers aus dem im Ermittlungsverfahren
vorgenommenen Vergleich zwischen den aufgefundenen Unterlagen einerseits und den Zeugenaussagen der als Beschäftigte angetroffenen
Personen sowie der Auswertung der Bauakte andererseits. Indessen muss nicht im Einzelnen aufgeklärt werden, wie sich die Beschäftigungssituation
tatsächlich darstellte, nachdem jedenfalls feststeht, dass im Prüfzeitraum mehr Personal beschäftigt wurde, als bei der Beklagten
gemeldet und damit die Aufzeichnungspflichten jedenfalls verletzt wurden.
Mit Blick auf die Verletzung der Aufzeichnungspflichten war die Beklagte berechtigt, die Lohnsumme nach §
28f Abs.
2 Satz 3
SGB IV zu schätzen. Zu den Schätzmethoden enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Der Rentenversicherungsträger muss von
sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgehen, ist aber letztlich in der Wahl seiner Mittel frei, selbst wenn das Ergebnis
für den Beitragsschuldner nicht das Günstigste ist (Werner in: jurisPK-
SGB IV §
28f Rn. 63). Ausgeschlossen sind nur Schätzungen, die willkürlich von vollkommen lebensfremden Verhältnissen ausgehen. Diesen
Anforderungen genügt das Vorgehen der Beklagten. Denn sie hat ihren Berechnungen einerseits den durch die Ermittlungen des
Hauptzollamts zutage getretenen Netto-Schichtlohn, den auch der Kläger nicht bestreitet, und andererseits den sich aus den
ermittelten betrieblichen Verhältnissen ergebenden Arbeitskräftebedarf, der sich in der Anzahl der Schichten abbildet, zugrunde
gelegt. Die Anzahl der Schichten hat die Beklagte zu Recht in Gestalt der von dem Kläger abgegebenen Betriebsbeschreibung
aus den Unterlagen des Bauamtes entnommen. Als Betreiber der Hotels war der Kläger verpflichtet, Unterlagen zur Überprüfung
der Übereinstimmung seines Betriebes mit dem Bauplanungs- und Bauordnungsrecht einzureichen. Hierzu gehört nach der Bauvorlagenverordnung auch eine Betriebsbeschreibung, weil erst sie die Überprüfung der Übereinstimmung des laufenden Betriebes mit dem Baurecht
ermöglicht. Wenn der Kläger dort selbst von fünf Schichten zu acht Stunden spricht, so kann er nicht mehr damit gehört werden,
der Personalbedarf sei geringer. Denn das Bauamt hatte ausweislich der von der Beklagten beigezogenen Bauakte diese Beschreibung
zur Überprüfung der Übereinstimmung des laufenden Betriebes mit dem Baurecht angefordert und der Kläger hatte sie daraufhin
abgegeben. Damit aber ist sie von der Beklagten zu Recht zur Grundlage ihrer Schätzung gemacht worden. Ebenfalls zu Recht
ist die Beklagte bei ihrer Schätzung von dem besonderen Personalbedarf einer "Steige" ausgegangen, welcher sich vor allem
in der Beschäftigung zusätzlichen Personals als "Läufer" abbildet, welche aus Gründen der Aufrechterhaltung der Sicherheit
in diesem der Ermöglichung Prostitution dienenden Betrieb Prostituierte und deren Freier auf den Wegen im Hotel begleiten.
Das weitere Vorbringen des Klägers, welches sich in dem Versuch erschöpft, den Nachweis dafür zu erbringen, es seien jedenfalls
weniger Stunden geleistet worden bzw. zu leisten gewesen, als von der Beklagten angesetzt, vermag dieses Vorgehen nicht als
unverhältnismäßig erscheinen zu lassen. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. Urt. vom 7. Februar 2002 - B 12 KR 12/01 R) abzustellen auf den Zeitpunkt, zu dem das Vorverfahren abgeschlossen wurde, d.h. auf das Datum des Widerspruchsbescheides
(aaO. Rn. 28). Sämtliche Behauptungen des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt ermöglichen aber nicht die Zuordnung geleisteter
Arbeitsstunden zu den entsprechenden Personen. Darauf, ob das Vorbringen für sich betrachtet plausibel macht, dass die Annahme
von fünf Schichten pro Tag zu je 50,00 EUR unzutreffend ist, kommt es nicht an. Unverhältnismäßigkeit liegt nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts nämlich nur dann vor, wenn sich entgegen der Behauptung der Beklagten in ihrem angefochtenen Bescheid
die Lohnsummen ohne großen Aufwand einzelnen Personen zuordnen ließen. Hierfür hätte es etwa der Vorlage der namensbezogenen
Dienstpläne für jeden Tag des gesamten Prüfzeitraums bedurft. Dies hätte unter Einschluss der erwiesenermaßen nicht gemeldeten
Beschäftigten geschehen müssen. Durch den Vergleich der gemeldeten Löhne mit den geleisteten Stunden wäre dann die Gesamtlohnsumme
zu berechnen und den einzelnen Personen zuzuordnen gewesen. Indessen erschöpfte sich das Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren
darin, die Feststellungen des Hauptzollamts zu bestreiten, pauschale Angaben zu einem angeblich geringeren Arbeitsaufwand
bei Zimmerwechsel zu machen und die Beweiskraft der gefundenen Aufzeichnungen in Abrede zu nehmen. Dass sich hieraus angesichts
der gesamten Aktenlage nicht die Unverhältnismäßigkeit der Schätzung ergibt, weil schon die aktenkundigen Ermittlungen des
Hauptzollamts in Gestalt der Zeugenaussagen zu der Behauptung einer geringeren Lohnsumme in Widerspruch stehen, hat bereits
die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt. Das Ergebnis des Strafverfahrens und auch die beigezogene Gewerbeakte legen
weiteres Zeugnis von dem Verstoß des Klägers gegen seine Aufzeichnungspflichten ab. Aus den zahlreich bei der Gewerbeakte
befindlichen Einsatzberichten der Polizei ergibt sich auch, dass der Kläger selbst praktisch nie anwesend war, wenn die Polizei
erschien, so dass nicht von einer über das von der Beklagen angenommen Maß hinausgehenden Mitarbeit des Klägers ausgegangen
werden kann. Hieraus ergibt sich ferner, dass neben dem Verantwortlichen gleichzeitig jeweils auch andere Personen Dienst
taten.
Ungeachtet des Vorstehenden ist aber auch das gesamte Vorbringen des Klägers bis zum Tage der Entscheidung in der Berufungsinstanz
nicht glaubhaft und vermag deshalb das Vorgehen der Beklagten auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als unverhältnismäßig
erscheinen zu lassen. So passt er seinen Vortrag der jeweiligen Prozesssituation an und macht gegenüber unterschiedlichen
staatlichen Stellen jeweils unterschiedliche Angaben zu seinem Betrieb. Hierauf hat die Beklagte im Berufungsverfahren zu
Recht hingewiesen. Auch der Schluss von der Höhe des vereinbarten Pachtzinses auf den erzielten Umsatz lässt erkennen, dass
der tatsächliche Personalaufwand weitaus höher ist, als es der Kläger Behörden und Gerichte glauben machen will.
Dass der Bescheid zu Zweifeln hinsichtlich der Höhe der berechneten Beiträge oder der festgesetzten Säumniszuschläge Anlass
gäbe, hat weder der Kläger vorgebracht noch ist sonst etwas hierfür erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache. Hierbei hat der Senat davon abgesehen, außergerichtliche
Kosten der Beigeladenen gemäß §
197a SGG in Verbindung mit §
162 Abs.
3 VwGO dem unterliegenden Kläger oder der Staatskasse aufzuerlegen, weil dies mit Blick auf ihre lediglich passive Beteiligung am
Verfahren nicht der Billigkeit entsprochen hätte.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.