Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.
Mit Bewilligungsbescheid vom 12. Oktober 2016 wurden der Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 31. Oktober 2017 in Höhe von 852,85 Euro bewilligt. Mit Änderungsbescheid
vom 2. November 2016 wurden Stromabschläge ab 1. Dezember 2016 direkt an den Energieversorger der Klägerin überwiesen. Mit
Änderungsbescheid vom 26. November 2016 wurde die Höhe des Regelbedarfs ab dem 1. Januar 2017 angepasst und der Klägerin insoweit
monatlich um 5 Euro höhere Leistungen bewilligt (857,85 Euro). Einkommen aus einer Beschäftigung der Klägerin bei der Firma
R. GmbH & Co KG, die ausweislich ihrer Verdienstabrechnung für November 2016 am 22. November 2016 begonnen hatte, wurde nicht
angerechnet.
Die am 7. Dezember 2016 erstellte Verdienstabrechnung für November 2016 wies einen Bruttolohn von 274,40 Euro sowie einen
Nettolohn von 216,84 Euro aus, die Verdienstabrechnung für Dezember 2016 einen Bruttolohn von 862,40 Euro sowie einen Nettolohn
von 681,51 Euro, die Verdienstabrechnung für Januar 2017 einen Bruttolohn von 790 Euro brutto sowie einen Nettolohn von 623,50
Euro, die Verdienstabrechnung für Februar 2017 einen Bruttolohn von 718,40 Euro sowie einen Nettolohn von 566,99 Euro und
die Verdienstabrechnung für März 2017 einen Bruttolohn von 120 Euro und einen Nettolohn von 92 Euro. Zum 3. März 2017 wurde
der Klägerin seitens der Arbeitgeberin gekündigt. Das Erwerbseinkommen für November 2016 floss der Klägerin am 13. Dezember
2016, für Dezember 2016 am 12. Januar 2017, für Januar 2017 am 13. Februar 2017 und für Februar 2017 am 13. März 2017 zu.
Nach Anhörung der Klägerin vom 27. April 2017 wurde mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. Mai 2017 das von der Klägerin
erzielte Erwerbseinkommen angerechnet, die Bewilligungsbescheide vom 12. Oktober 2016, 2. November 2016 und 22. November 2016
wurden teilweise aufgehoben und die Klägerin zur Erstattung überzahlter Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1.239,80 Euro verpflichtet. Für Dezember 2016 wurde eine Erstattung von 81,96 Euro, für Januar 2017
von 429,03 Euro, für Februar 2017 von 385,50 Euro und für März 2017 von 343,31 Euro verlangt.
Auf den Widerspruch der Klägerin erging folgende Entscheidung: In Abänderung des Bescheids (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid)
vom 15. Mai 2017 werde der Bescheid vom 12. Oktober 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 2. November 2016 und 26.
November 2016 für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 31. März 2017 nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ganz aufgehoben. Im Übrigen werde der Widerspruch kostenfrei zurückgewiesen.
Die Klägerin hat hiergegen am 25. August 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Sie habe die Verdienstabrechnungen
ihrer Arbeitsgeberin umgehend an den Beklagten übersandt und im Vertrauen auf die Richtigkeit der Leistungsberechnung die
Leistungen verbraucht. Des Weiteren habe der Beklagte den Zuflusszeitpunkt ihres Gehaltes nicht beachtet. Ihr sei nur der
Lohn für Dezember 2016 am 12. Januar 2017 zugeflossen. Weitere Zahlungen habe sie von der Arbeitgeberin nicht erhalten. Auf
Vorhalt hat sie dann jedoch eingeräumt, dass das Geld auf das Konto einer Freundin überwiesen worden sei, da ihr Konto gesperrt
gewesen sei. Ihre Freundin habe ihr das Geld gegeben.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Schreiben vom 13. Januar 2020 darauf hingewiesen, dass entgegen der Tenorierung im
Widerspruchsbescheid die ursprünglichen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Juli 2017 nicht
vollständig hätten aufgehoben werden dürfen. Der Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 17. Januar 2020 mitgeteilt, dass
er folgendes Anerkenntnis abgebe: Die Tenorierung im Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2017 – in Abänderung des Bescheides
vom 15. Mai 2017 der Bescheid vom 12. Oktober 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 2. November 2016 und 26. November
2016 für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 31. März 2017 nach § 45 SGB X ganz aufgehoben werden – werde aufgehoben.
Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis mit Schreiben vom 6. März 2020 angenommen und vorgetragen, dass es ihrer Auffassung
nach ein volles Anerkenntnis gewesen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2020 abgewiesen. Die Klage habe sich durch das von der Klägerin
angenommene Anerkenntnis des Beklagten nicht in der Hauptsache vollständig erledigt. Der Beklagte habe entgegen der Auffassung
der Klägerin kein vollständiges, sondern lediglich ein teilweises Anerkenntnis abgegeben. Lediglich soweit durch den Widerspruchsbescheid
der Ausgangsbescheid vom 15. Mai 2017 – insbesondere im Hinblick auf eine vollständige Aufhebung der Bewilligungsbescheide
für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. März 2017 – abgeändert worden sei, habe der Beklagte den Klageanspruch anerkannt.
Hinsichtlich der Zurückweisung des Widerspruches im Übrigen habe der Beklagte kein Anerkenntnis abgegeben, so dass es insoweit
bei der Zurückweisung des Widerspruchs verblieben sei. Streitgegenständlich sei damit der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom 15. Mai 2017 in seiner ursprünglichen Fassung.
Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung seien hinsichtlich der Bewilligungsbescheide vom 12. Oktober 2016 und 2. November
2016 § 40 Abs. 2 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, §
330 Abs.
3 Satz 1 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III). Danach sei ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn nach Erlass des
Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hätte. Dies sei hier
der Fall, nachdem der Klägerin mit Bewilligungsbescheid vom 12. Oktober 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 2. November
2016 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen bewilligt worden seien und die Klägerin sodann Erwerbseinkommen bei der Firma R. GmbH
& Co KG erzielt habe. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Änderungsbescheides vom 26. November 2016 betreffend den Zeitraum
vom 1. Januar 2017 bis 31. Januar 2017 seien § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 SGB X, §
330 Abs.
2 Satz 1
SGB III, weil die Klägerin ausweislich der Verdienstbescheinigung für November 2016 bereits am 22. November 2016 ihre Erwerbstätigkeit
aufgenommen habe und sich der Änderungsbescheid vom 26. November 2016 daher als anfänglich rechtswidrig erweise. Dabei sei
es unschädlich, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. Mai 2017 lediglich auf § 48 SGB X gestützt worden sei. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar bis 31. Januar 2017 sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom 15. Mai 2017 – ungeachtet der teilweise im Rahmen des Klageverfahrens aufgehobenen Tenorierung des Widerspruchsbescheides
vom 31. Juli 2017 – ausweislich der Begründung des Widerspruchs durch ihn bereits in eine Rücknahme nach § 45 SGB X umgedeutet worden.
Nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 SGB X, §
330 Abs.
2 Satz 1
SGB III sei ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat
(begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4
ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Klägerin könne sich gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr.3 SGB X auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie die Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheides vom 26. November 2016 zumindest
infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Der Änderungsbescheid vom 26. November 2016 sei ersichtlich ohne Anrechnung
von Einkommen erfolgt und der Klägerin seien noch höhere Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden als mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 12. Oktober 2016 zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch
keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Sofern die Klägerin vorgetragen habe, sie habe ihre Verdienstabrechnungen stets
beim Beklagten eingereicht und auf die Berechnungen des Beklagten vertraut, so treffe auch dies nicht zu. Denn die erste Verdienstabrechnung
für den Monat November 2016 sei durch die Arbeitgeberin der Klägerin erst am 7. Dezember 2016 und damit zeitlich erst im Anschluss
an den streitigen Änderungsbescheid vom 26. November 2016 erstellt worden. Im Übrigen habe die Klägerin schon nicht behauptet,
dem Beklagten die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit umgehend und im Vorfeld des Änderungsbescheides vom 26. November 2016 mitgeteilt
zu haben. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der zutreffende Zuflusszeitpunkt im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II berücksichtigt und auch die Freibeträge nach § 11b SGB II seien zutreffend berechnet worden. Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung über insgesamt 1.239,80 Euro sei § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach seien erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei.
Gegen den ihr am 13. Mai 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12. Juni 2020 Berufung eingelegt. Sie ist
der Auffassung, dass der Beklagte im Schreiben vom 17. Januar 2020 ein vollumfängliches Anerkenntnis abgegeben habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg 7. Mai 2020 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Mai 2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 10. September 2020 den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nach der Berufungsbegründung
der Klägerin gehe es ihr ersichtlich nicht mehr um die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Erstattungsforderung
des Beklagten, die im Übrigen vom Sozialgericht mit zutreffender Begründung bestätigt worden sei, sondern vielmehr um Inhalt
und Umfang des vom Beklagten mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020 abgegebenen prozessualen Anerkenntnisses. Es erschließe sich
klar, dass der Beklagte mit dem Anerkenntnis nicht hinter seine ursprüngliche Forderung aus dem Bescheid vom 15. Mai 2017
zurückgehen wollte. Die Klägerin hält weiterhin daran fest, dass der Beklagte ein vollumfängliches Anerkenntnis abgegeben
habe.
Mit Übertragungsbeschluss vom 21. Dezember 2020 hat der Senat der Berichterstatterin, die zusammen mit den ehrenamtlichen
Richtern entscheidet, das Verfahren nach §
153 Abs.
5 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte ergänzend
Bezug genommen.
Soweit die Klägerin weiterhin der Auffassung ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 17. Januar 2020 ein volles Anerkenntnis
abgegeben hat, ist der Senat dem bereits im Beschluss über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe entgegengetreten. Die Anerkenntniserklärung
ist im Zusammenhang mit der umfänglich begründeten Aufforderung des Sozialgerichts an den Beklagten vom 13. Januar 2020 zu
lesen, ein Teilanerkenntnis abzugeben. Zudem gibt der Beklagte – wenn auch lückenhaft – den Inhalt der durch Anerkenntnis
aufzuhebenden Tenorierung des Widerspruchsbescheides in Parenthese wieder. Es ergibt sich daraus klar, dass der Beklagte nur
die ganze statt der teilweisen Aufhebung der genannten Bewilligungsbescheide rückgängig machen wollte, nicht aber hinter seine
ursprüngliche Forderung aus dem Bescheid vom 15. Mai 2017 zurückgehen wollte. Ansonsten hätte der Beklagte auch die Tenorierung
der Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen aufgehoben.