Unzulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren nach Nichtwahrung der Berufungsfrist
Anforderungen an eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Bildungsgutscheins für eine Weiterbildungsmaßnahme streitig.
Am 9. Februar 2015 stellte die am xxxxx 1966 geborene Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Weiterbildungsmaßnahme
zur Alltagsbegleiterin und Betreuungskraft für Demenzkranke. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass der TÜV-Nord bereits
im Juni 2013 ihre Eignung für diese Fortbildung festgestellt habe.
Mit Bescheid vom 8. März 2017 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme
ab. Da bereits in der jüngeren Vergangenheit ein Rehabilitationsbedarf festgestellt und allein aufgrund der fehlenden Mitwirkung
der Klägerin nicht habe durchgeführt werden können, sei weiterhin von einem Rehabilitationsbedarf auszugehen. Dieses sei aufgrund
der Vorrangigkeit einer Rehabilitation unbedingt vor einer Förderung über Weiterbildung zu prüfen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 29. März 2017 wies der Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2017 als
unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für die Gewährung eines Bildungsgutscheins für die Teilnahme an der Weiterbildung
nicht vorlägen. Die beantragte Weiterbildung sei nicht notwendig. Das Verfahren für die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben
zur beruflichen Rehabilitation nach dem
Neunten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) sei zu dem Verfahren zur Bewilligung einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorrangig zu durchlaufen und könne durch erneute Antragstellung bei der zuständigen Agentur für Arbeit wieder aufgenommen
werden.
Die Klägerin hat am 17. August 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Entscheidung des Beklagten sei ermessenfehlerhaft
erfolgt. Anders als von dem Beklagten angenommen sei das Rehabilitationsverfahren am 28. Oktober 2011 beendet gewesen, so
dass es zum Zeitpunkt der Antragstellung keine vorrangige Rehabilitationsmaßnahme gegeben habe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2020 abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch
auf die Erteilung des Bildungsgutscheins für eine Weiterbildungsmaßnahme zur Alltagsbegleiterin und Betreuungskraft für Demenzkranke
noch einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags. Es fehle an der Notwendigkeit der Weiterbildungsmaßnahme für die berufliche
Eingliederung aufgrund der bestehenden Arbeitslosigkeit.Notwendigkeit sei gegeben, wenn die Erwartung bestehe, dass die Eingliederungschancen
nach der Maßnahme besser seien als vorher (positive Beschäftigungsprognose). Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Kammer
gehe davon aus, dass die Weiterbildungsmaßnahme zur Alltagsbegleiterin und Betreuungskraft die Fähigkeiten der Klägerin überfordere.
Der Gerichtsbescheid ist der Bevollmächtigten der Klägerin am 8. September 2020 zugestellt worden. Diese hat der Klägerin
den Gerichtsbescheid mit Anschreiben vom 8. September 2020 weitergeleitet. Sie hat hierbei ausgeführt, dass die Klägerin gegen
das Urteil bis zum 8. Oktober 2020 Berufung einlegen könne. Sie weise darauf hin, dass der Schriftsatz mit der Berufungseinlegung
an diesem Tag beim Sozialgericht oder Landessozialgericht Hamburg unter Angabe des Aktenzeichens eingehen müsse. Falls die
Klägerin für das Berufungsverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen möchte, sei sie hierzu nicht bereit. Die Klägerin
müsse sich dann eine andere Anwaltskanzlei suchen.
Am Dienstag, den 13. Oktober 2020 hat die Klägerin im Rechtsantragsdienst des Gerichts vorgesprochen und Berufung gegen den
Gerichtsbescheid eingelegt. Sie habe den Gerichtsbescheid von ihrer Rechtsanwältin etwa am 11. oder 12. September 2020 bekommen.
Demnächst gehe sie zu einer kostenlosen Rechtsberatung. Anschließend werde sie eine Berufungsbegründung bei Gericht einreichen.
Die Klägerin stellt keinen Antrag.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin mit Beschluss vom 12. Januar 2021 abgelehnt. Die Berufung sei unzulässig,
weil die Klägerin mit ihrer Berufung die einmonatige Berufungsfrist gegenüber dem ihrer Prozessbevollmächtigten am 8. September
2020 zugestellten Gerichtsbescheid nicht eingehalten habe. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §
67 Abs.
1 SGG seien nicht ersichtlich. Wenn die Klägerin zur Begründung der Fristversäumnis geltend mache, dass sie zunächst keine rechtliche
Beratung habe einholen können, so hätte sie dies an der rechtzeitigen Berufungseinlegung jedenfalls nicht gehindert. Eine
solche Beratung habe sie auch bei Aufsuchen des Rechtsantragsdienstes am 13. Oktober 2020 noch nicht erfahren.
Die Klägerin trägt daraufhin vor, dass sie das Schreiben ihrer Bevollmächtigten erst am 13. September 2020 erhalten habe und
legt einen am 10. September 2020 in Lübeck abgestempelten Briefumschlag vor.
Mit Übertragungsbeschluss vom 1. März 2021 hat der Senat der Berichterstatterin, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern
entscheidet, das Verfahren nach §
153 Abs.
5 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift
vom 7. April 2021 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat gemäß §
153 Abs.
5 SGG durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.
Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, weil die Klägerin die Berufungsfrist nicht gewahrt hat. Nach §
151 Absatz
1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts einzulegen.
Diese Frist hat die Klägerin versäumt, denn sie hat die Berufung gegen den am 8. September 2020 zugestellten und mit ordnungsgemäßer
Rechtsmittelbelehrung versehenen Gerichtsbescheid erst am 13. Oktober 2020 und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am
8. Oktober 2020 (§
64 Abs.
1 und
2 SGG) eingelegt.
Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Klägerin hat keinen Wiedereinsetzungsgrund
schlüssig vorgetragen und glaubhaft gemacht. Die Klägerin hat sich zunächst darauf berufen, dass sie nicht rechtzeitig eine
rechtliche Beratung habe einholen können. Eine solche fehlende Beratung hat sie allerdings auch nicht gehindert, am 13. Oktober
2020 Berufung einzulegen. Im weiteren Verfahren stützt sie sich darauf, dass ihr selbst der Gerichtsbescheid erst am 13. September
2020 zugegangen sei und daher die Frist von ihr gewahrt worden sei. Der bloße Irrtum über den Beginn der Berufungsfrist begründet
jedoch ebenfalls keinen Wiedereinsetzungsgrund, zumal die Bevollmächtigte der Klägerin diese auf den Ablauf der Frist unter
Angabe des korrekten Datums hingewiesen hat und damit ein Irrtum nicht glaubhaft ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.