Tatbestand
Im Streit ist ein Anspruch auf (Teil-)Erstattung der Vergütung wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung und dabei die Frage
der Kodierung der Hauptdiagnose bei der Behandlung einer Schwangeren wegen Leukämie.
Die Beklagte betreibt ein nach §
108 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem die 1971 geborene, bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte B.S. (im Folgenden: Versicherte)
im Zeitraum 9. Mai 2009 bis zum 8. Juli 2009 vollstationär behandelt wurde. Die Einweisung der sich zu diesem Zeitpunkt in
der errechneten 21. Schwangerschaftswoche befindenden Versicherten erfolgte durch die betreuende Frauenärztin, nachdem neben
schneller Hämatombildung seit Wochen ein Leistungsabfall sowie eine Belastungsdyspnoe bestanden hatten. Nach einer gynäkologischen
Untersuchung in der zentralen Notaufnahme, bei der eine intakte Schwangerschaft festgestellt wurde, wurde die Versicherte
mit dem sich dann bestätigenden Verdacht auf das Vorliegen einer Leukämie in der Abteilung Innere Medizin/Onkologie des Krankenhauses
der Beklagten aufgenommen. Am 12. Mai 2009 wurde eine stationäre Chemotherapie eingeleitet, welche bis zur Entlassung der
Versicherten fortgeführt wurde. Am 18. Mai 2009 endete die Schwangerschaft – wie bereits zwei vorherige Schwangerschaften
der Versicherten – durch einen Spontanabort.
Die Beklagte stellte der Klägerin unter Kodierung der Hauptdiagnose C92.00 (Akute myeloische Leukämie) nach der Internationalen
statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision German Modification Version 2009
(ICD-10) die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2009 <DRG>) R60A (Akute myeloische Leukämie mit hochkomplexer Chemotherapie)
in Rechnung. Die Klägerin zahlte den Rechnungsbetrag von 48.741,68 Euro unter Vorbehalt und beauftragte den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern mit der Überprüfung des Behandlungsfalles. Dieser kam in seinem Gutachten vom
3. November 2010 (Gutachter: Dr. S1) zu dem Ergebnis, dass die Hauptdiagnose durch die Beklagte falsch kodiert worden sei.
Richtige Hauptdiagnose nach ICD-10 sei die O99.1 (Sonstige Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte
Störungen mit Beteiligung des Immunsystems, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren); die C92.00 sei lediglich
als Nebendiagnose zu kodieren. Dies führe in die DRG O65A (Andere vorgeburtliche stationäre Aufnahme mit äußerst schweren
oder schweren CC oder komplexer Diagnose, Schwangerschaftsdauer 20 bis 33 vollendete Wochen). Die Beklagte habe die spezielle
Kodierrichtlinie 1510b der Deutschen Kodierrichtlinien 2009 (DKR) nicht beachtet. Nach einem Widerspruch der Beklagten hielt
der MDK in einem weiteren Gutachten vom 14. März 2011 (Gutachterin: Dr. W.) im Wesentlichen an seiner Einschätzung fest. Das
Krankenhaus habe nicht entsprechend der DKR kodiert. Richtige Hauptdiagnose nach ICD-10 sei jedoch die O99.8 (Sonstige näher
bezeichnete Krankheiten und Zustände, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren), da diese die Krankheitszustände
C00 bis D48 enthalte, womit die C92 erfasst sei. Die Beklagte legte gegen dieses Gutachten erneut Widerspruch ein. Ursache
für den Krankenhausaufenthalt sei die Leukämie gewesen, weshalb diese nach der speziellen DKR 0201f als Hauptdiagnose zu kodieren
sei. Der MDK blieb bei seiner Ansicht (Gutachten vom 23. September 2013 <Gutachterin: Dr. W.>).
Daraufhin nahm die Klägerin nach entsprechender Ankündigung im Zeitraum vom 6. November bis zum 20. Dezember 2013 Aufrechnungen
gegenüber unstreitigen Forderungen der Beklagten vor, bis der aufgrund der von ihr für zutreffend gehaltenen und geringer
vergüteten DRG ermittelte Differenzbetrag von 22.799,53 Euro erreicht war.
Die Beklagte erhob im April 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Augsburg Zahlungsklage, die durch angenommenes, von der hiesigen Klägerin „aus formalen Gründen“ abgegebenes Anerkenntnis
erledigt wurde. Der verrechnete Betrag wurde wieder ausgekehrt.
Am 25. Juni 2014 hat die Klägerin beim SG Hamburg Klage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Betrags
von 22.799,53 Euro nebst Zinsen beantragt. Hierbei handele es sich um die Differenz zwischen den für die unterschiedlichen
Fallpauschalen anfallenden Krankenhausvergütungen. Richtigerweise sei die Behandlung mit der DRG O65A abzurechnen gewesen,
da die Diagnose O99.8 als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Dies ergebe sich aus der speziellen DKR 1510b. Die Versicherte sei
während einer bestehenden Schwangerschaft im Rahmen der gynäkologischen Betreuung mit Anämie, Thrombopenie und Leukozytose
auffällig gewesen. Zur Abklärung dieser Auffälligkeiten sei die Versicherte eingewiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die
akute Leukämie nicht bekannt gewesen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat gemeint, die Kodierung müsse hier nach der speziellen DKR 0201f erfolgen, wonach
der Malignom-Kode als Hauptdiagnose anzugeben sei, wenn die Aufnahme – wie hier auf der Onkologie – zur Diagnostik und Therapie
des Malignoms erfolgt sei. Zum gleichen Ergebnis führe die allgemeine DKR D002 bei der danach geforderten retrospektiven Betrachtung.
Die vorübergehende Mitbetreuung von Schwangerschaft und Abort sei lediglich als Nebendiagnose zu kodieren. Eine Komplizierung
der lediglich beobachteten Schwangerschaft durch die Leukämie sei nicht nachgewiesen, die Ursache für den Abort unklar, zumal
es in der Vorgeschichte der Versicherten bereits zwei gegeben habe. Die Kodierung der vom MDK geforderten Hauptdiagnose werde
dem Behandlungsregime und dem damit verbundenen Aufwand und Ressourcenverbrauch nicht annähernd gerecht und vermöge den Fall
nicht adäquat abzubilden.
Das SG hat die Verwaltungsakten der Klägerin und die Krankenakten der Versicherten beigezogen und sodann Beweis erhoben durch Einholung
eines unter dem 17. Juli 2017 nach Aktenlage erstellten gynäkologischen Sachverständigengutachtens von Dr. T., auf das wegen
dessen Einzelheiten Bezug genommen wird.
Am 23. September 2019 hat das SG über die Klage mündlich verhandelt und diese mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe gegen
die Beklagte keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen der streitigen Behandlung.
Voraussetzung für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sei, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses
Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden seien.
Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liege vor. Die sich aus der Erbringung von Leistungen für nach dem
SGB V Versicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und als Leistungserbringer zugelassenen Krankenhäusern seien
öffentlich-rechtlicher Natur. Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen trete an die Stelle des zivilrechtlichen
Bereicherungsanspruchs nach §
812 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R).
In dieser öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung aufgrund der Behandlung der Versicherten habe die Klägerin den Rechnungsbetrag
von insgesamt 48.741,68 Euro nicht ohne rechtlichen Grund an die Beklagte geleistet. Denn die Beklagte habe die Behandlung
der Versicherten korrekt abgerechnet und einen entsprechenden Vergütungsanspruch gegen die Klägerin erworben. Die konkrete
Anspruchshöhe ergebe sich aus der zu Recht von der Beklagten kodierten DRG R60A und nicht aus der von der Klägerin angesetzten
DRG O65A.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Beklagten für die Behandlung seien §§
109 Abs.
4 S. 3, 112 Abs.
2 S. 1
SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 in Verbindung mit dem Versorgungsvertrag der Beklagten nach §
109 SGB V. Nach der Rechtsprechung des BSG entstehe die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme
einer Leistung durch den Versicherten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R).
Die Höhe der Vergütung für Krankenhausbehandlung bemesse sich bei DRG-Krankenhäusern nach vertraglichen Fallpauschalen auf
gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen
ergebe sich aus §
109 Abs.
4 S 3
SGB V i.V.m. § 7 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) in der Fassung vom 17. März 2009 und § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) in der Fassung vom 17. März 2009. Der Anspruch werde auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen
<FPV>) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam
vereinbarten nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene"
mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen
sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden
Abschläge. Ferner vereinbarten sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG (Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 34/15 R). Die vertraglichen Fallpauschalen ergäben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen
Vertragspartner eine FPV mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien
für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren, die DKR vereinbart hätten. DKR und FPV bildeten den konkreten vertragsrechtlichen
Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folge (Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R). Welche DRG-Position abzurechnen sei, ergebe sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem
automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiere. Das oben geschilderte Regelungssystem
setze die generelle Kodierfähigkeit und damit Abrechnungsrelevanz der Haupt- und Nebendiagnosen voraus.
Im hiesigen Fall habe die Beklagte die Diagnose C92.00 im Ergebnis zu Recht als Hauptdiagnose in den Grouper eingegeben. Demnach
sei sie berechtigt gewesen, die DRG- Position R60A abzurechnen.
Die DKR bestimmten, welche Diagnose als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Die Definition der Hauptdiagnose ergebe sich aus Abschnitt
D002f. Nach dem Wortlaut werde die Hauptdiagnose definiert als: „Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt
wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Der
Begriff 'nach Analyse' bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit
festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei
evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen
Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen
Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden.“
Zusätzlich zu den allgemeinen Kodierrichtlinien enthielten die DKR noch spezielle Kodierrichtlinien. Nach der Einleitung der
DKR 2009 würden in diesen speziellen Kodierrichtlinien besondere Fallkonstellationen beschrieben, die entweder der konkreten
Festlegung dienten oder bei denen aus Gründen der DRG-Logik von den Allgemeinen Kodierrichtlinien abgewichen werden müsse.
Die DKR 1510b enthalte spezielle Kodierrichtlinien für Komplikationen in der Schwangerschaft und sei nach hiesigem Verständnis
in zwei Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt – betreffend die Kodierung von Komplikationen in der Schwangerschaft –
stelle zunächst klar, dass das Kapitel XV des ICD-10 zwei Bereiche zur Kodierung von Komplikationen der Schwangerschaft enthalte.
In Wiedergabe der Bereichsüberschriften werde unterschieden zwischen O20-O29 „Sonstige Krankheiten der Mutter, die vorwiegend
mit der Schwangerschaft verbunden sind“ und O94-O99 „Sonstige Krankheitszustände während der Gestationsperiode, die anderenorts
nicht klassifiziert sind“. Im Hinblick auf die hier streitigen Diagnosen O99 werde aufgeführt: „Um andere Komplikationen in
der Schwangerschaft (oder Zustände, die sich in der Schwangerschaft verschlimmern oder die hauptsächlicher Anlass für die
geburtshilfliche Maßnahmen sind) zu kodieren, stehen die Kategorien O98 Infektiöse und parasitäre Krankheiten der Mutter,
die anderenorts klassifizierbar sind, die jedoch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren und O99 Sonstige Krankheiten
der Mutter, die anderenorts klassifizierbar sind, die jedoch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren zur Verfügung,
die zusammen mit einem Nebendiagnosekode aus anderen Kapiteln der ICD-10-GM zur Bezeichnung der jeweils vorliegenden Erkrankung
anzugeben sind (siehe die Beispiele 2 und 3).“ Das folgende Beispiel 2 führe insoweit eine Schwangerschaft, kompliziert durch
Eisenmangelanämie, auf, welche mit der Hauptdiagnose O99.0 (Anämie, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert)
und der Nebendiagnose D50.9 (Eisenmangelanämie, nicht näher bezeichnet) zu kodieren sei. Beispiel 3 stelle auf eine Patientin
in der 30. Schwangerschaftswoche ab, die wegen eines allergischen Asthma bronchiale aufgenommen werde, das die Schwangerschaft
kompliziere. Zu kodieren sei als Hauptdiagnose O99.5 (Krankheiten des Atmungssystems, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
komplizieren) und als Nebendiagnosen J45.0 (Vorwiegend allergisches Asthma bronchiale) und O09.4! (Schwangerschaftsdauer 26.Woche
bis 33 vollendete Wochen). Der Zweite Abschnitt, überschrieben mit „Schwangerschaft als Nebenbefund“, regele die Kodierung
einer Aufnahme zur Behandlung einer Erkrankung, die weder die Schwangerschaft kompliziere noch durch die Schwangerschaft kompliziert
werde. Als Beispiel 4 enthalte dieser Abschnitt den Fall einer Patientin in der 30. Schwangerschaftswoche, die mit einer Mittelfraktur
aufgenommen werde. Hauptdiagnose sei die S62.32 (Fraktur eines sonstigen Mittelhandknochens, Schaft), Nebendiagnosen die Z34
(Überwachung einer normalen Schwangerschaft) und O94.4! (Überwachung einer normalen Schwangerschaft Schwangerschaftsdauer
26. Woche bis 33 vollendete Wochen).
Das Gericht sei der Ansicht, das im hiesigen Fall der erste Abschnitt der DKR 1510b nicht zu der von der Klägerin und dem
MDK vertretenen Kodierung der Diagnose O99.8 (Sonstige näher bezeichnete Krankheiten und Zustände, die Schwangerschaft, Geburt
und Wochenbett komplizieren) als Hauptdiagnose führe, sondern sich im Ergebnis aus der DKR D002f die Kodierung C92.00 (Akute
myeloische Leukämie) als Hauptdiagnose ergebe.
Zunächst stehe für die Kammer fest, dass der Krankenhausaufenthalt hauptsächlich durch die Leukämie verursacht worden sei.
Die Versicherte sei zwar von der betreuenden Frauenärztin eingewiesen, jedoch nach einer gynäkologischen Untersuchung in der
Zentralen Notaufnahme, bei der eine intakte Schwangerschaft festgestellt worden sei, in die Abteilung Innere Medizin/Onkologie
der Beklagten aufgrund des Verdachts der Leukämie verlegt worden, eine Integration in das spezifische Versorgungssystem des
Krankenhauses sei damit zur Behandlung der Leukämie erfolgt. Der Spontanabort sei sodann nach Einleitung der Chemotherapie
zur Behandlung der Leukämie erfolgt. Insoweit sei das Gericht auch davon überzeugt, dass die Versicherte auch dann stationär
behandelt worden wäre, wenn sie nicht schwanger gewesen wäre. Ebenfalls ist das Gericht davon überzeugt, dass die Leukämie
hier die Schwangerschaft der Versicherten kompliziert habe. Dies habe der Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt, wenn
er ausgeführt habe, dass eine Leukämie in der Schwangerschaft selbstredend immer ein komplexes Problem für Mutter und werdendes
Kind sei. Diagnostik und Behandlung der unzweifelhaft führenden Diagnose werde durch die gleichzeitig bestehende Schwangerschaft
komplexer, Komplikationen der Schwangerschaft und Einschränkungen der Leukämietherapie durch die bestehende Schwangerschaft
ebenfalls. Das Gericht sei damit davon überzeugt, dass neben der unstreitig kodierbaren C92.00 grundsätzlich auch die Voraussetzungen
für die Kodierbarkeit von O99.8 gegeben seien. Nach den Hinweisen zum Unterkapitel „O99.- Sonstige Krankheiten der Mutter,
die anderenorts klassifizierbar sind, die jedoch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren“, zu dem auch die Klassifikation
O99.8 gehöre, schließe die Kategorie Zustände ein, die die Schwangerschaft komplizierten, durch die die Schwangerschaft verschlechtert
würden oder den Hauptgrund für eine geburtshilfliche Betreuung darstellten. Eine Verschlechterung der Leukämie sei durch den
Sachverständigen bestätigt worden. Die C92.00 sei bei den in den Hinweisen zu O99.8 genannten Krankheitszuständen enthalten.
Damit seien die Voraussetzungen für die grundsätzliche Kodierbarkeit der O99.8 erfüllt.
Als Hauptdiagnose sei die O99.8 im hiesigen Fall jedoch nicht zu kodieren, es komme lediglich eine Kodierung als Nebendiagnose
in Betracht. Vielmehr sie die Leukämie C92.00 als Hauptdiagnose zu kodieren. Dies folge aus der Anwendung der DKR D002f, da,
wie bereits ausgeführt, hier unstreitig sei, dass die Leukämie hauptsächlich für die stationäre Krankenhausbehandlung verantwortlich
gewesen sei. Entscheidend sei in diesem Fall die Besonderheit, dass die Versicherte hier unstreitig und vom Sachverständigen
bestätigt unabhängig von der Schwangerschaft in jedem Fall krankenhausbehandlungsbedürftig gewesen wäre. Derartige Fälle seien
vom Anwendungsbereich des ersten Abschnitts der DKR 1510b nicht erfasst. Dies ergebe eine Auslegung des Wortlautes und der
Systematik der Vorschrift. Bei einer Analyse des Wortlautes des zitierten Abschnitts der 1510b falle zunächst auf, dass keine
explizite Anweisung bezüglich der Kodierung des jeweiligen Komplikationskodes der Schwangerschaft (O98 bzw. O99) als Hauptdiagnose
getroffen werde. Vielmehr werde ausgeführt, dass für andere Komplikationen in der Schwangerschaft bestimmte Kategorien zur
Verfügung stünden, die zusammen mit einem Nebendiagnose-Kode aus anderen Kapiteln anzugeben seien. Insoweit unterscheide sich
der Wortlaut der 1510b erheblich von anderen speziellen Kodierrichtlinien, wie etwa dem von der Beklagten genannten 0201f,
der etwa ausführe: „Erfolgt die Aufnahme zur Diagnostik/Behandlung des primärem Malignoms, ist das primäre Malignom als Hauptdiagnose-Kode
zuzuweisen“. Dass die DKR insoweit ausdrückliche Wortlaut-Regelungen zur Zuweisung von bestimmten Kodes als Hauptdiagnose
bereithalte, eine solche ausdrückliche Formulierung für die 1510b jedoch nicht gewählt worden sei, könne zunächst nicht von
der Hand gewiesen werden. Gleichzeitig sei dem Wortlaut eindeutig zu entnehmen, dass in den von der Kodieranweisung erfassten
Fällen die Komplikationen der Schwangerschaft als Hauptdiagnose zusammen mit einem Nebendiagnosekode aus anderen Kapiteln
zu kodieren seien.
Dem Gericht erschlössen sich damit zumindest zwei mögliche Auslegungen des Wortlauts der Regelung. Entweder die Norm wolle
entsprechend dem Vortrag der Klägerin die Kodierung der Komplikation der Schwangerschaft als Hauptdiagnose in jedem Fall der
Krankenhausbehandlung einer Schwangeren vorschreiben, in dem die behandelte Krankheit die Schwangerschaft kompliziere, unabhängig
von dem tatsächlichen Grund des Krankenhausaufenthaltes. Alternativ wäre jedoch auch denkbar, dass die Kodieranweisung voraussetze,
dass der Krankenhausaufenthalt gerade aufgrund der Kombination von Schwangerschaft und Krankheit notwendig sei, und setze
für diesen Sonderfall die Kodierungsweise fest.
Erklärend solle an diesem Punkt noch einmal auf die Besonderheit der die Komplikationen in der Schwangerschaft bezeichnenden
OPS O98 und O99 eingegangen werden. Diese Klassifikationen bildeten grundsätzlich das Zusammenspiel einer Krankheit mit einer
Schwangerschaft ab und schafften nach Ansicht des Gerichts insoweit eine Doppelkodierbarkeit der komplizierenden Krankheit.
Diese werde zum einen als Komplikation der Schwangerschaft kodierbar und zum anderen als eigenständige Krankheit. Im Hinblick
auf die Krankenhausbehandlung einer derartigen, die Schwangerschaft komplizierenden Krankheit seien nach Ansicht der Kammer
zwei mögliche Szenarien denkbar. Entweder die Krankenhausbehandlung sei notwendig, weil die Kombination aus Schwangerschaft
und Krankheit – sprich die Komplikation der Schwangerschaft – zu einer Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung führe. Nach
der zweiten Denkmöglichkeit sei die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung allein aufgrund der komplizierenden Krankheit
gegeben, die Krankenhausbehandlung also völlig unabhängig von der Schwangerschaft notwendig. Der Fall der eine Schwangerschaft
nicht komplizierenden Krankheit sei daneben ebenfalls denkbar und gesondert geregelt. Bezogen auf die oben geschilderten zwei
Auslegungsmöglichkeiten führe der zweite Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen, da der Anwendungsbereich der speziellen Kodierrichtlinie
nicht eröffnet wäre. Da im hier zu entscheidenden Fall nach der Überzeugung die zweite Möglichkeit gerade erfüllt sei, sei
die Leukämie hier doch unabhängig von der Schwangerschaft für den Krankenhausaufenthalt verantwortlich gewesen, solle in der
Folge dargelegt werden, warum das Gericht der zweiten Auslegungsmöglichkeit der Vorschrift gefolgt sei. Insoweit sei, wie
die Klägerin ausgeführt habe und bereits oben dargelegt worden sei, eine Auslegung strikt nach dem Wortlaut, welcher zu unterschiedlichen
Auslegungsmöglichkeiten führe, und der Systematik vorzunehmen.
Systematische Gesichtspunkte sprächen nach Ansicht des Gerichts dafür, der zweiten Auslegungsmöglichkeit zu folgen und damit
den Anwendungsbereich der 1510b Komplikation nicht für eröffnet zu halten. Hierfür sprächen insbesondere die Beispiele 2 und
3, die der Regelung folgten. Nach der Einleitung der DKR 2009 dienten die Fallbeispiele der Veranschaulichung der Kodieranweisungen.
Die der streitigen Kodieranweisung folgenden Fallbeispiele bildeten nach Ansicht der Kammer jeweils zwei Sachverhalte ab,
in denen eine stationäre Krankenhausbehandlung ausschließlich aufgrund der Kombination von Schwangerschaft und komplizierender
Krankheit (Beispiel 2: Eisenmangelanämie D50.9; Beispiel 3; vorwiegend allergisches Asthma bronchiale J45.0) notwendig werde.
Dies sei relevant, weil die Möglichkeit bestanden hätte, Beispiele bewusst so zu wählen und eindeutig zu gestalten, dass auch
die zweite Denkmöglichkeit (Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung allein aufgrund der komplizierenden Krankheit) eindeutig
erkennbar abgebildet würde. Denkbar wäre etwa die Einlieferung einer Schwangeren auf die Intensivstation eines Krankenhauses
wegen eines akuten Herzinfarktes. Derartige Beispiele seien jedoch nicht gewählt worden, womit systematisch gesehen vieles
dafür spreche, dass derartige Fälle vom Wortlaut nicht erfasst sein sollten.
Nach Ansicht der Kammer werde damit deutlich, dass die Kodieranweisung ausschließlich die Fälle habe abbilden wollen, in denen
die Komplikation der Schwangerschaft die Krankenhausbehandlung gerade notwendig mache. Die Anweisung setze demnach voraus,
dass die Komplikation der Schwangerschaft zur Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung geführt habe. Die Kodierungsanweisung
diene in diesem Fall der konkreten Festlegung der Hauptdiagnose für den anhand der Allgemeinen Kodierrichtlinien schwer lösbaren
Fall, in dem nur eine Kombination von Krankheit und Schwangerschaft und damit also gerade die Komplikation der Schwangerschaft
zu der stationären Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit führe. Gerade ein derartiger Fall bedürfe der Regelung durch eine spezielle
Kodierrichtlinie, da im Ergebnis ein Fall der kumulativen Kausalität für die Krankenhausbehandlung bestehe. Weder Krankheit
noch Schwangerschaft könnten hinweggedacht werden, ohne dass die Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit entfiele. Für einen derartigen
Fall sei eine gesonderte konkrete Festlegung der Kodierung notwendig, da die allgemeinen Kodierrichtlinien im Ergebnis nicht
weiterhülfen. Dies gelte nicht für den Fall, in dem bereits aufgrund der allgemeinen Kodierrichtlinie eine Bestimmung der
Krankheit als Hauptdiagnose vorgenommen werden könne, da die Schwangerschaft für die Krankenhausbehandlung im Ergebnis nicht
kausal gewesen sei.
Der zweite Abschnitt der 1510b regele nach Ansicht der Kammer einen weiteren Sonderfall, nämlich den der Schwangerschaft als
Nebenbefund, also gerade nicht den Fall der Komplikation einer Schwangerschaft, sodass diese Kodieranweisung nach hiesigem
Verständnis nicht gegen die oben dargelegte Auslegung der 1510b spreche.
Gegen dieses ihr am 4. September 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. September 2019 eingelegte Berufung der Klägerin.
Die Auffassung des SG sei mit dem Wortlaut der DKR 1510b nicht vereinbar, verkenne die medizinischen Grundlagen und sei auch systemwidrig. Soweit
das SG meine, die spezielle DKR 1510b greife dann nicht, wenn die zugrundeliegende Krankheit unabhängig von der Schwangerschaft
behandlungsbedürftig sei, und sich hierzu auf das Beispiel 3 (Aufnahme einer in der 30. Schwangerschaftswoche befindlichen
Patientin wegen eines allergischen Asthma bronchiale) beziehe, übersehe es, dass auch der vom SG gehörte Sachverständige in seinem Gutachten vom 17. Juli 2017 hierzu beispielhaft ausführe, es sei medizinisch ziemlich egal,
ob die Patientin schwanger sei oder nicht, das Asthma müsse behandelt werden, die Patientin würde sonst ersticken. Auch das
Beispiel 2 könne nicht als Begründung der Auffassung des SG angeführt werden. Die darin genannte Eisenmangelanämie werde in fast allen Fällen (auch in der Schwangerschaft) ambulant
behandelt und nur dann, wenn sich der Eisenwert nicht ambulant einstellen lasse, erfolge – unabhängig davon, ob eine Schwangerschaft
vorliege – eine akutstationäre Behandlung. Wenn man die Ansicht des SG als einschlägig erachtete, würde sich die Frage stellen, welchen Sinn der Diagnose-Kode O99.8 nach ICD-10 überhaupt hätte.
Die vorliegend behandelte akute myeloische Leukämie (C 92.00) sei explizit als Inklusivum in O99.8 erfasst. Sämtliche dort
genannten Krankheiten aus C00 bis D48 seien ohne Berücksichtigung der Schwangerschaft behandlungsbedürftig. Sie seien daher
gemäß der DKR 1510b als Nebendiagnose zu dem O99-Kode zu kodieren. Das SG übersehe, dass es sich bei der Abrechnung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse um ein Massengeschäft handele und daher eine
strikt am Wortlaut orientierte Auslegung der Abrechnungsvorschriften elementar wichtig sei. Wenn man der Auffassung des SG folge, müsste bei jedem stationären Behandlungsfall mit Schwangeren zwischen den Parteien eruiert werden, ob die Erkrankung
alleine oder erst die Kombination der Schwangerschaft mit der Erkrankung eine akutstationäre Behandlung notwendig mache. Wenn
das Gericht die allgemeine Kodierrichtlinie vor der speziellen anwende, dann hebele es die gesamte Systematik der DKR aus,
weil es den Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ nicht beachte (Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin –
22.799,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe zutreffend in ausführlicher Würdigung der DKR sowohl bezüglich der Definition der Hauptdiagnose (D002) als auch bezüglich
der – gegebenenfalls konkurrierenden – speziellen DKR 0201 (wonach der Malignom-Kode – hier C92.00 – als Hauptdiagnose anzugeben
sei, wenn die Aufnahme zur Diagnostik bzw. Therapie einer malignen Erkrankung erfolge) sowie 1510 abgeleitet, dass im vorliegenden
Fall die DKR 1510 jedenfalls dann nicht die Kodierung der Hauptdiagnose O99.8 rechtfertige, soweit die Leukämie der Versicherten
doch gerade unabhängig von der Schwangerschaft für den Krankenhausaufenthalt initial verantwortlich gewesen sei. Das SG habe weiter unter systematischen Gesichtspunkten rechtsfehlerfrei dargelegt, dass dort ausschließlich Fälle abgebildet werden
sollten, in denen die Komplikation der Schwangerschaft die Krankenhausbehandlung gerade notwendig mache. Hier seien – im Sinne
einer conditio sine qua non – Fälle gemeint, in denen weder Krankheit noch Schwangerschaft hinweggedacht werden könnten, ohne
dass die Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit entfiele. Tatsächlich sei vorliegend die Schwangerschaft der Versicherten für
die Krankenhausbehandlung im Ergebnis weder kausal noch im Sinne eines dominanten Ressourcenverbrauchs bestimmend gewesen.
Am 25. März 2021 hat der Senat über die Berufung mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift
und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten und Unterlagen
Bezug genommen.
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung. Zwar lässt
der Wortlaut der DKR 1510b für sich betrachtet auch eine Auslegung im Sinne der Klägerin zu. Systematische Erwägungen lassen
aber nur den Schluss zu, dass diese spezielle Kodierregel ausschließlich dann anzuwenden ist, wenn nur eine Kombination von
Krankheit und Schwangerschaft die stationäre Krankenhausbehandlung bedingt, also gerade die Komplikation der Schwangerschaft
zu der stationären Behandlungsnotwendigkeit führt.
Die DKR 1510b bezieht sich im ersten Teil auf die Kodierung von Komplikationen in der Schwangerschaft gemäß Kapitel XV des
ICD-10 (Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett <O00-O99>). Die vorliegend einschlägige Diagnosegruppe O99.- (Sonstige Krankheiten
der Mutter, die anderenorts klassifizierbar sind, die jedoch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren) ist nach
ihrem Wortlaut nur einschlägig, wenn Komplikationen auftreten. Der dortige Hinweis, wonach diese Kategorie Zustände einschließe,
die die Schwangerschaft komplizierten, durch die Schwangerschaft verschlechtert würden oder den Hauptgrund für eine geburtshilfliche
Betreuung darstellten, macht deutlich, dass ein bloßes Nebeneinander von Erkrankung und Schwangerschaft nicht ausreicht (s.
hierzu auch SG Rostock, Urteil vom 24. Juni 2020 – S 17 KR 942/18, juris). Insbesondere wird dies klar, wenn man die dem Kapitel XV des ICD-10 vorangestellten Exklusiva betrachtet, zu denen
die Überwachung bei normaler Schwangerschaft (Z34) und auch bei Risikoschwangerschaft (Z35.-, worunter wiederum unter anderem
die Überwachung einer Schwangerschaft bei Abortanamnese – wie vorliegend – fällt <Z 35.1>) gehören. Allein der Umstand der
Überwachung einer Schwangerschaft, derjenige, dass eine Vielzahl von Erkrankungen und Verletzungen ein potentielles Risiko
für eine Schwangerschaft darstellen können, und derjenige, dass das Vorliegen einer Schwangerschaft bei so ziemlich jeder
ärztlichen Behandlungsmaßnahme wegen möglicher Auswirkungen auf die Mutter und/oder das ungeborene Kind zu beachten ist, wie
der vom SG gehörte Sachverständige anschaulich dargelegt hat, begründen nicht die Kodierung von Diagnosen aus dem Kapitel XV des ICD-10.
Dann liegt ein Sachverhalt vor, der vom zweiten Teil der DKR 1510b (Schwangerschaft als Nebenbefund) im Sinne einer Klarstellung
erfasst wird. So liegt der Fall auch hier. Die Aufnahme der Versicherten erfolgte ausschließlich zur Behandlung der Leukämie.
Die daneben bestehende (Risiko-)Schwangerschaft war nur zu überwachen und wurde nur überwacht. Ein Zusammenhang des während
der stationären Behandlung aufgetretenen Spontanaborts mit der Leukämiebehandlung lässt sich nach den sachverständigen Ausführungen
im sozialgerichtlichen Verfahren nicht feststellen; die Ursache der Fehlgeburt ist gerade vor dem Hintergrund zweier weiterer
Aborte in der Anamnese unklar.
Demnach beschränkt sich der Anwendungsbereich der speziellen Kodierregel 1510b auf die Fälle, in denen nach der allgemeinen
Kodierregel D002f grundsätzlich zwei Hauptdiagnosen – einerseits die verkomplizierte oder komplizierende Schwangerschaft,
andererseits der sonstige Krankheitszustand im Sinne des Kapitels XV des ICD-10 (der vorliegend auch nach der ebenfalls speziellen
Kodierregel 0201f als Hauptdiagnose anzugeben war), die beide wesentlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes
der Patientin verantwortlich sind – zu kodieren wären, was nach den DKR aber nicht möglich ist und objektivierbare Kriterien
erfordert, die zur Festlegung nur einer Hauptdiagnose herangezogen werden können. Diese Funktion erfüllt vorliegend systemgerecht
die DKR 1510b. Gäbe es diese spezielle Kodierregel nicht, müsste im Fall von zwei oder mehr Diagnosen, die gleichermaßen der
Definition der Hauptdiagnose entsprechen, nach der allgemeinen Kodierregel D002f der behandelnde Arzt diejenige auswählen,
die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Diagnose-Kode O99.8 nach ICD-10 nebst der DKR 1510b bei dieser Sichtweise nicht
obsolet. Zwar ist es zum einen nicht zwingend, dass die dort genannten, tatsächlich stets behandlungsbedürftigen Krankheiten
aus C00 bis D48 eine bestehende Schwangerschaft, Geburt oder das Wochenbett im oben dargestellten Sinn komplizieren – vielmehr
dürfte – wie vorliegend – häufig eine „bloße“ Überwachung der Schwangerschaft angezeigt sein –, zum anderen sind Behandlungsmaßnahmen
im Zusammenhang mit diesen Krankheiten nicht ausschließlich stationär, sondern vielfach auch ambulant und damit in einem Bereich
denkbar, in denen diese Diagnosegruppe bzw. die DKR 1510b keine Rolle spielen. In anderen Konstellationen mit stationärer
Behandlungsnotwendigkeit, bedingt sowohl durch die Schwangerschaft als auch durch die sonstige Erkrankung, steht einer Kodierung
der Diagnose O99.8 sowie einer Anwendung der DKR 1510b jedoch nichts entgegen. Es ist vielmehr so, dass bei der Sichtweise
der Beklagten kein Anwendungsbereich für den klarstellenden Teil 2 der DKR 1510b (Schwangerschaft als Nebenbefund), mithin
für das dem Kapitel XV des ICD-10 vorangestellte Exklusivum „Überwachung bei normaler Schwangerschaft (Z34) oder Risikoschwangerschaft
(Z35.-)“ mehr ersichtlich wäre.
Auch soweit die Klägerin darauf verweist, dass Massengeschäfte wie vorliegend bei der vom SG vertretenen Rechtsmeinung nicht mehr handhabbar wären, vermag dies nicht zu überzeugen. Zum einen gehören medizinische Ermittlungen
im Einzelfall zum täglichen Geschäft der Krankenkassen, für das sie regelmäßig Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes einholen,
zum anderen bleibt es den Vertragspartnern unbenommen, im Rahmen des lernenden Vergütungssystems die fraglichen Regelungen
in den DKR anzupassen.