Tatbestand
Im Streit ist ein Anspruch auf Vergütung wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung bei geglückter äußerer Wendung nebst
Aufwandspauschale.
Die Klägerin betreibt ein nach §
108 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem die 1983 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte M.B. (im Folgenden:
Versicherte) am 19. April 2013 behandelt wurde. Die sich zu diesem Zeitpunkt in der errechneten 36. Schwangerschaftswoche
befindende Versicherte wurde am Vormittag gegen 10.30 Uhr zur Vornahme einer äußeren Wendung bei Beckenendlage des Fötus aufgenommen.
Gegen Mittag wurde sie im Kreißsaal an das CTG (Gerät zur Aufzeichnung der Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und der
Wehentätigkeit bei der werdenden Mutter, Kardiotokograf) angeschlossen und es erfolgte eine Tokolyse (Gabe wehenhemmender
Medikation). Anschließend wurde ein Wendungsversuch beim ungeborenen Kind der Versicherten vorgenommen, der erfolgreich war.
Nach Kontrolle der fetalen Herzfrequenz wurde die Versicherte noch am Nachmittag desselben Tages in ihre Häuslichkeit entlassen.
Am 29. April 2013 stellte die Klägerin der Beklagten für eine vollstationäre Behandlung der Versicherten insgesamt 698,37
EUR in Rechnung (Fallpauschale < Diagnosis related group <<DGR>>> O65C < Andere vorgeburtliche stationäre Aufnahme ohne äußerst
schwere oder schwere CC, ohne komplexe Diagnose, Schwangerschaftsdauer bis 25 oder mehr als 33 vollendete Wochen> mit Kurzliegerabschlag).
Die Beklagte zahlte den Betrag zunächst, teilte der Klägerin aber mit, dass sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
(MDK) mit der Prüfung der Notwendigkeit stationärer Behandlung beauftragt habe. Dieser kam in seinem Gutachten vom 24. Oktober
2013 zu dem Ergebnis, dass zu keinem Zeitpunkt ein stationärer Behandlungsbedarf bestanden habe und eine Einbindung auf die
Station nicht erfolgt sei. Zwar werde ein derartiger Eingriff wegen des zu hohen Risikos grundsätzlich nicht in ambulanten
vertragsärztlichen Praxen durchgeführt, es bestehe jedoch eine Analogie zum ambulanten Operieren im Krankenhaus (AOP) mit
mehrstündiger Überwachung im Bett auf der Station und der Möglichkeit zur stationären Aufnahme für den Fall des Auftretens
von Komplikationen. Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) enthalte auch eine diesbezügliche Abrechnungsziffer.
Am 28. März 2014 verrechnete die Beklagte den vollen Betrag mit einer anderen, unstreitigen Forderung der Klägerin.
Die Klägerin hat am 26. August 2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 698,37 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von
5 Prozent seit dem 28. März 2014 für die Krankenhausbehandlung sowie zur Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 300,00
Euro zu verurteilen.
Das Ungeborene habe sich in einer Beckenendlage befunden. Dies stelle eine Gefährdung sowohl für die Mutter als auch das Kind
dar. Daher habe eine Indikation zur Vornahme einer äußeren Wendung vorgelegen. Der Eingriff bedürfe aufgrund seiner speziellen
Risiken der Mittel eines Krankenhauses. Insbesondere könne es zu einem Abfall der Herztöne von Kind und/oder Mutter, zur Atemnot
der Mutter bis hin zum Kreislaufstillstand, zur Plazentalösung, zum Plazentariss, zum Platzen der Fruchtblase oder zur Nabelschnurstrangulation
des Kindes kommen. In diesen Fällen sei eine sofortige Intervention mit intensivmedizinischen und/oder chirurgischen Maßnahmen
notwendig, um das Leben von Mutter und Kind zu erhalten. Daher müsse der Eingriff der äußeren Wendung zwingend unter Vorhaltung
und Verfügbarkeit der intensivmedizinischen Ressourcen eines Krankenhauses unter stationären Bedingungen und durch speziell
ausgebildete Ärzte durchgeführt werden und bedürfe der engmaschigen Überwachung. Ein rückblickend komplikationsloser Verlauf
rechtfertige es nicht, die Aufnahmeentscheidung der Klägerin für null und nichtig zu erklären. Eine Abrechenbarkeit nach der
GOÄ für Selbstzahler sei unerheblich. Weder finde sich die streitige Maßnahme im AOP-Katalog noch im Einheitlichen Bewertungsmaßstab
(EBM). Die Klägerin hat eine Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) eingereicht, wonach es sich bei
der isolierten äußeren Wendung um Krankenhausbehandlung im Sinne von §
39 SGB V auf Einweisung handele.
Die Beklagte hat gemeint, der Klägerin stehe das geforderte Entgelt für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nicht zu.
Maßgeblich sei die geplante Dauer der Behandlung. Eine vollstationäre Behandlung liege vor, wenn sich die Eingliederung des
Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecke oder erstrecken
solle. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Im Übrigen werde das Bereithalten und die Inanspruchnahme der
besonderen Mittel des Krankenhauses bestritten.
Das SG hat über die Klage am 25. August 2020 mündlich verhandelt und dieser mit Urteil vom selben Tag in vollem Umfang stattgegeben.
Der Zahlungsanspruch stehe der Klägerin in voller Höhe zu. Hieran vermöge auch die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung
nichts zu ändern, da die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches nicht vorgelegen hätten.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs seien §
109 Abs.
4 S. 3
SGB V, § 17b Abs. 1 S. 10 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2013
sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002
zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und u.a. der Beklagten (Vertrag nach §
112 SGB V). Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entstehe unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme
einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt werde und im Sinne
von §
39 Abs.
1 S. 2
SGB V erforderlich sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R). So liege der Fall hier. Vorliegend habe eine vollstationäre und erforderliche Krankenhausbehandlung in einem zugelassenen
Krankenhaus stattgefunden.
Gemäß §
39 Abs.
1 S. 1
SGB V werde die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Wann eine Krankenhausbehandlung
vollstationär erfolge, werde im Gesetz nicht definiert. Die stationäre Krankenhausbehandlung zeichne sich aber gegenüber der
ambulanten Versorgung durch eine besondere Intensität der Betreuung aus, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher
Hinsicht. In sachlicher Hinsicht erfordere die stationäre Krankenhausbehandlung die physische und organisatorische Eingliederung
des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses mit den Interventionsmöglichkeiten, die bei ambulanter
Behandlung nicht gegeben seien. In zeitlicher Hinsicht dürfe sich die stationäre Betreuung nicht nur auf einen unbedeutenden
Teil des Tages beschränken (Hinweis auf Wahl in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage 2016, § 39 Rn. 30). Das Bundessozialgericht (BSG) habe insoweit zur Abgrenzung ambulant und stationär erbrachter Operationen in einem Krankenhaus darauf abgestellt, dass
eine vollstationäre Versorgung augenfällig jedenfalls dann vorliege, wenn sich die physische und organisatorische Eingliederung
des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecke.
Dabei werde die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt
getroffen, könne aber im Einzelfall, z.B. bei Komplikationen, auch noch später erfolgen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R; BSG, Urteil vom 8. September 2004 – B 6 KA 14/03 R).
Entgegen der Auffassung der Beklagten schließe die Aufenthaltsdauer der Versicherten in der Klinik der Klägerin von 6,5 Stunden
eine vollstationäre Behandlung nicht von vornherein aus (Hinweis auf Urteile des erkennenden Senats vom 19. Dezember 2019
– L 1 KR 62/18 und L 1 KR 43/18 ).
Eine 24-stündige Mindestaufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus oder ein Aufenthalt über Nacht sei für eine vollstationäre
Behandlung nicht erforderlich. Auch aus der Rechtsprechung des BSG lasse sich eine derartige starre Mindestaufenthaltsdauer nicht entnehmen. Bei seiner Abgrenzung der stationären von der ambulanten
Behandlung habe das BSG vielmehr nur eine besonders „augenfällige“ Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses angenommen,
sofern der Aufenthalt über Nacht andauere (Hinweis auf BSG, Urteil vom 4. März 2004, a.a.O., juris-Rn. 27), ebenso aber eingeräumt, dass es auch weniger augenfällige Sachverhalte einer
vollstationären Behandlung geben könne, zumal einige Fallpauschalen exakt für die Behandlung an einem Behandlungstag kalkuliert
worden seien. Des Weiteren habe das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf eine Aufenthaltsdauer von mindestens einem Tag und einer Nacht weniger
geeignet sei, wenn es nicht um die Abgrenzung eines stationären Eingriffs vom ambulanten Operieren gehe, sondern – wie hier
– um die Abgrenzung einer nicht operativen stationären Behandlung von einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus, etwa bei
einer Notfallversorgung. Zwar sei auch hier die vollständige Eingliederung in den Krankenhausbetrieb und damit das Vorliegen
einer stationären Behandlung augenfällig, wenn der Patient mindestens einen Tag und eine Nacht bleibe. Sei dies nicht der
Fall, folge daraus aber nicht im Gegenschluss, dass es sich nur um eine ambulante Behandlung handeln könne. Entscheidend komme
es hier vielmehr darauf an, ob der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses – also insbesondere die typische intensive
ärztliche Betreuung sowie die Hilfe von jederzeit verfügbarem Pflegepersonal – in Anspruch genommen habe (Hinweis auf Urteile
des erkennenden Senats vom 19. Dezember 2019, a.a.O.). Dies sei zur Überzeugung des Gerichts vorliegend der Fall.
Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die äußere Wendung bei Beckenendlage, bei welcher durch äußere Manipulation
am Bauch der Schwangeren manuell versucht werde, das Kind in die „richtige“ Geburtsposition, also die Schädellage, zu wenden,
ein potentiell mit hohen Risiken behafteter Vorgang sei, der in niedergelassenen Arztpraxen aus diesem Grund nicht durchgeführt
werde. Die von der Klägerin benannten und auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Risiken seien insbesondere Abfall
der Herztöne von Kind und/oder Mutter, Atemnot der Mutter bis hin zum Kreislaufstillstand, Plazentalösung, Plazentariss sowie
Platzen der Fruchtblase oder Nabelschnurstrangulation des Kindes. Es stehe weiterhin nicht im Streit, dass diese Risiken selten
aufträten bzw. selten in einem Umfang persistierten, der ein schnelles Handeln erfordere. Wenn dieser Umstand allerdings eintrete,
sei – und auch das sei unstreitig – die Durchführung eines Kaiserschnitts innerhalb kürzester Zeit erforderlich. Das Gericht
sehe vorliegend keinen Anlass, am Vortrag der Klägerin zu zweifeln, soweit sie ausführe, dass aufgrund der Sectio-Bereitschaft
sowohl räumliche (OP) als auch personelle Ressourcen (Gynäkologe, Anästhesist etc.) während des Eingriffs geblockt gewesen
seien und nicht anderweitig hätten verwendet werden können.
Bei dieser im Wesentlichen unstreitigen Sachlage ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts, dass der Eingriff auch bei einer
Entlassung der Patientin am Tag der Behandlung nicht ambulant, sondern vielmehr unter vollstationären Bedingungen ausgeführt
worden sei. Die besonderen Vorkehrungen, die für eine Sectiobereitschaft zu treffen seien (Blockierung des an den Kreißsaal
angeschlossenen OP-Saales nebst Bereitstellung eines kompletten OP-Teams) seien bereits vor bzw. bei Aufnahme der Patientin
in der Behandlungsplanung zu berücksichtigen, sodass die Patientin in den Krankenhausbetrieb unter Verbrauch der hierfür spezifischen
vollstationären Ressourcen eingegliedert werde und die spezifischen Leistungen, die nur im Krankenhaus erbracht werden könnten,
für die Patientin und nur für diese vorgehalten würden. Der nach außen hin aus Sicht der Patientin eher ambulante Charakter
der Maßnahme werde durch die im Hintergrund ausschließlich für sie bereitgestellte Infrastruktur eines hochentwickelten Klinikbetriebes
überlagert und begründe auch im Falle der Aufenthaltsdauer der Versicherten in der Klinik von 6,5 Stunden eine stationäre
Aufnahme (Hinweis auf Urteile des erkennenden Senats vom 19. Dezember 2019, a.a.O.).
Es liege auch weder ein Fall der teilstationären noch der vorstationären Behandlung vor. Auf dieser Grundlage sei dem klägerischen
Antrag in voller Höhe zu entsprechen gewesen.
Der Zinsanspruch folge aus §§
12,
14 des Vertrags nach §
112 SGB V, der Anspruch auf die Aufwandspauschale aus §
275 Abs.
1c S. 3
SGB V a.F., dessen Voraussetzungen auch vorlägen, wenn sich erst im Laufe des Gerichtsverfahrens ergebe, dass die Abrechnung ordnungsgemäß
erfolgt sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R).
Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 15. September 2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Oktober 2020 eingelegte
Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Ansicht vertritt, dass der Klägerin der eingeklagte Entgeltanspruch nicht
zustehe und diese dementsprechend auch nicht die zusätzlich geltend gemachte Aufwandspauschale verlangen könne.
Das bloße Bereithalten eines Kreißsaales nebst OP-Saal plus Team könne nicht hinreichend sein, um die Behandlung zu einer
vollstationären zu machen. Dies sei nicht mit dem vom BSG entschiedenen Fall gleichzusetzen, in dem ein Patient mit Verdacht einer lebensbedrohlichen Erkrankung in eine vorgehaltene
Intensivstation eingeliefert werde und in dieser ein Höchstmaß an Behandlungsintensität erfahre und ihm eine Rund-um-Betreuung
zuteil werde. Auch beim ambulanten Operieren im Krankenhaus werde dem Patienten ein Operationssaal zugewiesen, ohne dass diese
Zuweisung die ambulante Behandlung in eine vollstationäre umwandele. Ebenso wenig könne dies die von der Klägerin ins Feld
geführte „Sectiobereitschaft“ bewirken, die überhaupt nur in den allerwenigsten Fällen zum Tragen komme und auch vorliegend
nicht habe beansprucht werden müssen. Eine solche Sichtweise würde zu einer uferlosen Überdehnung des Begriffs der vollstationären
Behandlung führen und könnte auch auf zahlreiche ambulante Operationen übertragen werden. Dabei sei schon nicht klar, was
unter den Begriff der „Sectiobereitschaft“ zu fassen sei; es gebe die relative und die absolute „Sectiobereitschaft“ sowie
Fälle, in denen das Team über die durchzuführende äußere Wendung nur informiert sei. Im Übrigen könne man in den Fällen, in
denen es zu Komplikationen komme, ohnehin von ambulant zu einheitlich vollstationär übergehen.
Es bedürfe höchstrichterlicher Klärung, wie eine ambulante Behandlung von einer stationären Behandlung sowie von einer teilstationären
Behandlung, deren Nichtvorliegen das SG nicht einmal erläutert habe, abzugrenzen sei, wenn der Patient sich deutlich unter 24 Stunden im Krankenhaus aufhalte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. August 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin, die auf gerichtlichen Hinweis ihre Klage hinsichtlich des ihr vom SG zugesprochenen Zinsanspruchs für den Tag der Verrechnung am 28. März 2014 zurückgenommen hat, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und nimmt hierauf sowie auf die rechtskräftig gewordenen Urteile des erkennenden
Senats zur äußeren Wendung vom 19. Dezember 2019 ( L 1 KR 62/18 und L 1 KR 43/18 ) Bezug. Sie betont erneut, dass die äußere Wendung bei Beckenendlage wie im vorliegenden Fall ein potentiell mit hohen Risiken
behafteter Vorgang sei, der in Praxen niedergelassener Ärzte aus diesem Grund nicht durchgeführt werde. Die von ihr benannten
und auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Risiken seien insbesondere Abfall der Herztöne von Kind und/oder Mutter,
Atemnot der Mutter bis hin zum Kreislaufstillstand, Plazentalösung, Plazentariss sowie Platzen der Fruchtblase oder Nabelschnurstrangulation
des Kindes. Unstreitig sei, dass in einem Fall, in dem diese Risiken aufträten, die Durchführung eines Kaiserschnitts innerhalb
kürzester Zeit erforderlich sei. Im Rahmen der deshalb bestehenden Sectiobereitschaft seien sowohl räumliche (OP) als auch
personelle Ressourcen (Gynäkologe, Anästhesist etc.) während des Eingriffs geblockt und nicht anderweitig verwendbar, wie
auch in diesem Fall. Die Klägerin legt unter Bezugnahme auf die Oberärztin in ihrer Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin,
Dr. H., die Abläufe im individuellen Behandlungsfall dahingehend dar, dass die Versicherte nach vorheriger Beratung und Aufklärung
am 19. April 2013 um 10:36 Uhr in der Patientenaufnahme stationär für den Kreißsaal aufgenommen worden sei. Nach Anschluss
an das CTG und Infusion sei die äußere Wendung dann standardmäßig in einem eigenen Kreißsaal in Anwesenheit einer Hebamme
und zweier Ärzte (Oberarzt und diensthabender Kreißsaalarzt), von denen einer die Wendung in Echtzeit mit dem Ultraschall
überwacht habe, durchgeführt worden. Während des Wendemanövers sei – wie stets in diesen Fällen – Kaiserschnittbereitschaft
hergestellt gewesen, d. h. es habe ein freier und gereinigter Sectio-OP einsatzbereit zur Verfügung gestanden. Das komplette
Team, welches für die Durchführung der Sectio benötigt werde (zwei Ärzte und eine Hebamme), sei während des Manövers anwesend
gewesen, bis dieses abgeschlossen gewesen sei und die vitale Herzfrequenz eindeutig angezeigt habe, dass das Kind nicht akut
kompromittiert gewesen sei. Die Kollegen der Anästhesie, die sich während der Tagschicht stets im Kreißsaalbereich aufhielten,
seien über den durchzuführenden Wendungsversuch informiert und im Kreißsaalbereich in Narkosebereitschaft gewesen. Der eigentliche
Wendungsversuch bei der Versicherten habe von etwa 12:06 Uhr bis 12:11 Uhr gedauert. Die anschließende Überwachung und Nachbereitung
habe bis kurz vor 13 Uhr gedauert. Am folgenden Tag sei am frühen Nachmittag die Verlaufskontrolle durchgeführt worden.
Am 25. März 2021 hat der Senat über die Berufung mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift
und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten und Unterlagen
Bezug genommen.
Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung. Der Senat
hält nach Überprüfung an seiner in den rechtskräftig gewordenen Urteilen zur äußeren Wendung vom 19. Dezember 2019 ( L 1 KR 62/18 und L 1 KR 43/18 , jeweils juris) zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung fest. Der dort jeweils festgestellte Sachverhalt, wonach die mit
der im hiesigen Verfahren identischen Klägerin bei Vornahme einer äußeren Wendung in ihrem Krankenhaus stets und so auch im
vorliegenden Fall einen Kreißsaal, einen daneben liegenden OP-Saal und das für eine etwaige Notsectio erforderliche Personal
bereithält, hat sich auch nach weiteren Ermittlungen hierzu bestätigt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, findet der Wendungsversuch
nicht statt. Bei einem solchen Setting liegt jedoch eine vollstationäre Behandlung unabhängig von der Frage vor, ob mit der
tatsächlich – wie auch hier – erfolgten Aufnahme der Patientin beabsichtigt war, diese auch über Nacht zu behandeln oder nach
Abschluss des Versuchs zur äußeren Wendung ohne nachfolgendes Auftreten von Komplikationen noch am Aufnahmetag wieder zu entlassen.
Eine derartige Versorgung, zu der auch die vorsorglich und exklusiv für die jeweilige Patientin vorgehaltenen personellen
und räumlichen Ressourcen gehören, erfordert stets die besonderen Mittel des Krankenhauses. Entsprechend finden äußere Wendungen
bei Beckenendlage in niedergelassenen Arztpraxen nach dem unwidersprochenen, von der KVH und auch vom MDK in dem Gutachten
vom 24. Oktober 2013 bestätigten Vortrag der Klägerin nicht statt, sondern ausschließlich auf Einweisung im Krankenhaus, obwohl
es entgegen den Angaben der Klägerin im EBM eine Abrechnungsziffer hierfür gibt, nämlich die GOP 08413 (wobei sich im Kapitel 8.4 Geburtshilfe allerdings auch u.a. die GOP 08415 Zuschlag Schnittentbindung findet, die grundsätzlich auch vollstationär im Krankenhaus und nur in Notfällen in einem
ambulanten Setting erfolgen dürfte). Dass die Prozedur aus Sicherheitsgründen grundsätzlich vollstationär vorgenommen wird,
erscheint unmittelbar schlüssig und wird durch eine – nicht repräsentative, in der mündlichen Verhandlung kurz dargestellte
– Online-Recherche des Senats bestätigt, wonach die Behandlung tatsächlich häufig mit einer Übernachtung nach dem Wendungsversuch
einhergeht (www.marienkrankenhaus.org/patienten-angehoerige/erfahrungsberichte/aeussere-wendung -in-hamburg/; www.ukbonn.de/42256BC8002AF3E7/
direct/beckenendlage; www.helios-gesundheit.de/kliniken/niederberg/unser-haus/aktuelles/ detail/news/eine-rolle-rueckwaerts-aeussere-wendung-bei-beckenendlage/),
jedenfalls aber stets im Krankenhaus mit Aufnahme der Patientin und unter Sectiobereitschaft erfolgt (www. eltern.de/aeussere-wendung;
www. hjk-muenster.de/unsere-kompetenzen/gynaekologie-und-geburtshilfe/klinik-fuer-geburtshilfe/ beckenendlage.html; www.ksa.ch/sites/default/files/cms/frauenklinik/docs/rl-gebs/wendung-aeussere-rl-frauenklinik-ksa.pdf;
abgerufen am 11. Februar bzw. <hjk-muenster> am 4. März 2021). Dass die Klägerin eines der wenigen Krankenhäuser betreibt,
die die Patientinnen nach dem Wendungsversuch nur für wenige Stunden desselben Tages überwachen und den Zustand von Mutter
und ungeborenem Kind nach einer Entlassung über Nacht nach Hause erst am Folgetag wieder kontrollieren, vermindert nicht die
mit der Bereithaltung personeller und räumlicher Ressourcen exklusiv für die Patientin für den Fall des Auftretens von Komplikationen
sowie – vorsorglicher – Aufnahme gegebene Intensität der Einbindung in die besondere Struktur des Krankenhauses, dessen besonderer
Mittel es auch grundsätzlich in Fällen der äußeren Wendung bedarf.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie die auch nach Auffassung der Beklagten bzw. des MDK aus medizinischen Gründen zu Recht
regelmäßig im Krankenhaus durchgeführten äußeren Wendungen als ambulante Behandlungen vergütet werden könnten, da diese weder
Gegenstand des AOP-Vertrags sind, noch sämtlichen Geburtsabteilungen von den zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen Ermächtigungen
zur vertragsärztlichen Leistungserbringung erteilt worden sein dürften. Derartige Ermächtigungen der Krankenhäuser dienen
der sicherstellenden Ergänzung der vertragsärztlichen Versorgung durch niedergelassene Ärzte, nicht der kompletten Abdeckung
eines Versorgungsbereichs ausschließlich durch Krankenhäuser.
Eine Vergütung als teilstationäre Leistung kommt unabhängig von der Frage, ob das behandelnde Krankenhaus eine geburtshilfliche
Tagesklinik mit entsprechender Abrechnungsbefugnis betreibt, schon deshalb nicht in Betracht, weil die stationäre Aufnahme
der Patientin nicht im Rahmen eines Konzepts erfolgt, das eine – in der Regel wiederkehrende – Behandlung am Tag ohne Übernachtung
vorsieht, sondern deshalb, weil die Behandlung mit einer Gefahr einhergeht, die ein sofortiges Handeln und eine anschließende,
auch nach dem Begriffsverständnis der Beklagten vollstationäre Weiterbehandlung mit Übernachtung, in der Regel wohl über mehrere
Tage und Nächte, erfordern würde.
Die Beklagte hat weder dargelegt, wie nach ihrer Auffassung eine im Krankenhaus vorgenommene äußere Wendung ohne anschließende
Übernachtung der Patientin im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu vergüten wäre, noch hat sie der Klägerin eine
auch nur teilweise Vergütung für die erbrachte Behandlungsleistung angeboten.