Erstattung von Heilbehandlungskosten nach einem Unfall eines professionellen Eishockeyspielers
Ausschluss des Erstattungsanspruchs
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der der Klägerin durch die Heilbehandlung des Beigeladenen aus Anlass des Unfalls
vom 13. September 2009 in der Zeit ab 7. Dezember 2009 entstandenen Kosten in Höhe von 19.006,78 Euro streitig.
Der 1982 geborene Beigeladene war als professioneller Eishockeyspieler beim Eishockey Club D. beschäftigt, für den die Klägerin
der zuständige Unfallversicherungsträger ist. Bei der Beklagten ist der Beigeladene krankenversichert. Während seiner beruflichen
Tätigkeit erlitt er am 13. September 2009 einen Unfall, als er beim Kampf um den Puck stürzte und auf die linke Hand fiel.
Der erstbehandelnde Chirurg Dr. O. diagnostizierte eine schwere Verstauchung des linken Handgelenks und wies in seinem Durchgangsarztbericht
vom 16. September 2009 darauf hin, dass eine Schädigung im Bereich Mond-/Kahnbein möglich sei. Anlässlich einer am 24. September
2009 durchgeführten Computer-Tomographie wurde ein Bandausriss zwischen Mond- und Kahnbein festgestellt. Der Radiologe Dr.
F. äußerte den Verdacht auf eine schon ältere Genese dieser Verletzung. Während eines stationären Aufenthaltes in der Unfallklinik
des Universitätsklinikums Würzburg vom 1. bis 3. Oktober 2009 wurde der Bandausriss operativ mittels einer Bandplastik versorgt.
Der Beratungsarzt der Klägerin Dr. G. teilte unter dem 19. Oktober 2009 mit, er halte die Kausalität zwischen Unfall und Bandriss
für eindeutig. Erst im Rahmen der von der Klägerin veranlassten Heilverlaufskontrolle äußerte der Chirurg Prof. Dr. S. Zweifel
an einem ursächlichen Zusammenhang. Die Klägerin veranlasste daraufhin die Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens. In diesem
Gutachten vom 10. November 2010 gelangte der Chirurg Dr. P. zu dem Ergebnis, dass die Instabilität der Handwurzel beim Beigeladenen
nicht ursächlich auf das Unfallereignis vom 13. September 2009 zurückzuführen sei, sondern schon vor dem Unfall bestanden
habe. Der Unfall habe lediglich zu einer Verstauchung geführt, welche unter entsprechender Behandlung nach spätestens 6 Wochen
ausgeheilt gewesen sei. Daraufhin erkannte die Klägerin mit Bescheid vom 2. Dezember 2010 gegenüber dem Beigeladenen zwar
den Unfall vom 13. September 2009 als Arbeitsunfall mit daraus folgender unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit
bis längstens 24. Oktober 2009 sowie als Folgen des Arbeitsunfalls eine "Distorsion des linken Handgelenks, welche spätestens
am 24. Oktober 2009 ohne Folgen zu hinterlassen ausgeheilt war" an, jedoch lehnte sie eine Leistungsgewährung über den 24.
Oktober 2010 genauso ab, wie die Anerkennung von "Beschwerden, Beeinträchtigungen und Instabilität der linken Handwurzel bzw.
im linken Handgelenk mit altem knöchernen Ausriss aus dem streckseitigen Mondbeinpol, welcher operativ versorgt wurde" als
weitere Arbeitsunfallfolgen. Der vom Beigeladenen gegen diese Entscheidung eingelegte Widerspruch wurde bestandkräftig mit
Widerspruchsbescheid vom 29. April 2011 zurückgewiesen.
Bereits unter dem 6. Dezember 2010 hatte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch bezüglich der von
ihr ab dem 25. Oktober 2009 für die Behandlung des Beigeladenen aufgewendeten Kosten im Umfang von 23.371,56 Euro geltend
gemacht. Die Beklagte wartete zunächst den Ausgang des Widerspruchsverfahrens zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin ab
und ließ dann durch den Chirurgen Dr. H. vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen B. die gutachterliche Stellungnahme vom
8. Juni 2011 erstellen, in welcher der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangte, dass der von Dr. P. im Gutachten vom 10.
November 2010 vorgenommenen Einschätzung der Kausalitätsfrage zuzustimmen sei und die "Instabilität linke Handwurzel/Handgelenk
mit knöchernem Ausriß aus dem streckseitigen Mondbeinpol" nicht Folge des Unfalls vom 13. September 2009 sei. Dabei habe der
Versicherte lediglich eine "Distorsion des linken Handgelenks" erlitten. Die Dauer der dadurch bestandenen Arbeitsunfähigkeit
sei am zutreffendsten danach zu bemessen, wie lange der Versicherte im Rahmen der durchgeführten Behandlung aufgrund gerade
dieser Diagnose von den behandelnden Ärzten krankgeschrieben worden sei. Trotz dieser ärztlichen Stellungnahme lehnte die
Beklagte mit Schreiben vom 21. Juli 2011 die Erstattung der von der Klägerin geltend gemachten Kosten unter Hinweis darauf
ab, dass diese jeden einzelnen (Verletztengeld-)Auszahlungsschein mit oder ohne Diagnose erhalten und ohne Äußerung jeglicher
Zweifel Monat für Monat bis Ende August 2010 der Zahlung von Verletztengeld zugestimmt habe.
Nachdem weitere Bemühungen der Klägerin, Leistungen von der Beklagten zu erhalten, erfolglos geblieben waren, und nachdem
die Klägerin intern festgestellt hatte, dass ein Teil ihres geltend gemachten Erstattungsanspruchs außerhalb der Frist des
§ 111 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) lag, hat sie am 26. Juli 2012 Klage gegen die Beklagte auf Erstattung des (geminderten) Betrages von 19.006,78 Euro erhoben.
Ein Leistungsanspruch des Beigeladenen wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. September 2009 habe nur bis zum 24. Oktober
2009 bestanden. Für die Zeit danach sei die Beklagte zuständiger Leistungsträger.
Die Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass die gesamte Arbeitsunfähigkeit vom 16. September 2009 bis einschließlich
31. August 2010 durch den zuständigen Unfallarzt bescheinigt worden sei. Entgegen den bei einem Generalauftrag geltenden Gepflogenheiten
habe die Klägerin jeden Auszahlungsschein für die Zahlung von Verletztengeld abschnittsweise bewilligt. Es sei daher von einem
schuldhaften Handeln der Klägerin als unzuständigem Leistungsträger auszugehen, da sie es grob fahrlässig missachtet habe,
dass die Zuständigkeit ab dem 25. Oktober 2009 bei der Beklagten gelegen habe. Dadurch sei ihr, der Beklagten, jede Möglichkeit
eines medizinischen Fallmanagements genommen worden.
Durch sein Urteil vom 23. Mai 2014 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin 19.006,78 Euro "nach Maßgabe
der für die Beklagte geltenden gesetzlichen Bestimmungen" zu erstatten. Zwischen den Beteiligten stehe unstreitig fest, dass
beim Beigeladenen über den 24. Oktober 2009 hinaus keine Unfallfolgen mehr vorgelegen hätten und damit die Klägerin ab diesem
Zeitpunkt Sozialleistungen als unzuständiger Leistungsträger im Sinne des § 105 SGB X erbracht habe. Weder habe die Klägerin trotz Kenntnis ihrer Unzuständigkeit Leistungen erbracht, noch solche, die der zuständige
Leistungsträger nicht erbringen würde. Das Argument der Beklagten, sie habe nicht die eigene Heilverfahrenssteuerung übernehmen
können, sei unbeachtlich, da die Klägerin nicht schuldhaft in die Behandlungsherrschaft der Beklagten eingegriffen habe und
die Beklagte nicht dargelegt habe, dass ihre Behandlung besser bzw. kürzer und damit wirtschaftlicher gewesen wäre.
Gegen das am 5. Juni 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Juni 2014 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung
des Sozialgerichts sei es ihr nicht möglich gewesen, die korrekte Leistungserbringung zu überprüfen. Im Übrigen wäre es ihres
Erachtens bei einem engmaschigen Fallmanagement möglich gewesen, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit erheblich zu verkürzen.
Die Beweislast zur Klärung der Frage, ob die Dauer der Arbeitsunfähigkeit hinausgezögert oder medizinisch typisch verlaufen
sei, liege bei der Klägerin. Im vorliegenden Fall finde auch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Februar 2012 - B 9 VG 1/10 R - Anwendung, da zwischen der Berufsgenossenschaft und der Krankenkasse eine Gesamtgläubigerschaft im Sinne des §
428 Bürgerliches Gesetzbuch bestehe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Beklagte zu Recht und mit zutreffenden Gründen zur Erstattung verurteilt.
Das von der Beklagten in Bezug genommene BSG-Urteil beziehe sich auf ein auf diesen Fall nicht übertragbares, völlig abweichendes Rechtsproblem.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag und führt in der Sache unter anderem aus, dass sein Handgelenk immer noch nicht voll
funktionsfähig sei und leider auch nicht mehr werde.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift
vom 17. Februar 2015 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt worden.
Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht der auf Erstattung der der Klägerin durch die Heilbehandlung
des Beigeladenen ab 25. Oktober 2009 entstandenen Aufwendungen durch die Beklagte gerichteten Leistungsklage stattgegeben.
Das Sozialgericht hat mit seinem Urteil vom 23. Mai 2014 unter vollständiger Darlegung der Sach- und Rechtslage und mit zutreffenden
Gründen entschieden, dass die Beklagte der Klägerin unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X die von dieser aufgewendeten Beträge gemäß § 105 SGB X zu erstatten hat, weil unstreitig bei dem Beigeladenen nach dem 24. Oktober 2009 keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.
September 2009 mehr behandelt wurden. Zu Recht hat es dabei dargelegt, dass die Klägerin Leistungen nicht in Kenntnis ihrer
Unzuständigkeit erbracht und nicht schuldhaft zu Lasten der Beklagten gehandelt hat, dass keine Anhaltspunkte für eine unnötig
verlängerte und damit unwirtschaftliche Behandlung ersichtlich sind, und dass die Klägerin zutreffend unter Beachtung der
Ausschlussfrist des § 111 SGB X ihre Forderung auf 19.006,78 Euro begrenzt hat. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil
für überzeugend und nimmt vollen Umfangs auf sie Bezug (§
153 Abs.
2 SGG).
Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ein Erstattungsanspruch wäre nur
dann ausgeschlossen, wenn die Klägerin bewusst in Kenntnis ihrer Unzuständigkeit Leistungen erbracht hätte. Zutreffend hat
schon das Sozialgericht dargelegt, dass der Sachverhalt dafür nichts hergibt. Zwar hat es schon im Computer-Tomographie-Bericht
vom 24. September 2009 einen ersten Hinweis auf eine möglicherweise bereits ältere Genese der Gesundheitsstörungen gegeben,
jedoch ist der beratende Arzt der Klägerin noch am 19. Oktober 2009 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kausalität zwischen
Unfall und Bandausriss eindeutig gegeben sei. Die Klägerin hat daher nicht bewusst in Kenntnis ihrer Unzuständigkeit über
den 24. Oktober 2009 hinaus Leistungen erbracht. Darauf, dass sie die Kenntnis bei weiterer Nachprüfung hätte vielleicht erlangen
können, kommt es nicht an, da es unerheblich ist, ob den unzuständigen Träger für seine Leistungserbringung ein Verschulden
trifft. Soweit die Beklagte meint, bei eigener Heilverfahrenssteuerung wäre die Zeit der Arbeitsunfähigkeit erheblich kürzer
gewesen, kann dies nur die Höhe des Erstattungsanspruchs betreffen. Allerdings ergeben sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens
keine Hinweise dafür, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch gesonderte Heilbehandlungsmaßnahmen zu verkürzen gewesen
wäre. Dies gilt umso mehr, als Arbeitsfähigkeit als Eishockeyspieler auch bei Abschluss der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung
im Dezember 2010 noch nicht wieder hergestellt war und nach den Angaben des Beigeladenen auch nicht zu erwarten ist, dass
dieser jemals wieder als Eishockeyspieler wird tätig sein können. Hinsichtlich der Beweislast verkennt die Beklagte, dass
sie bei ihren Einwendungen gegen die Höhe des Erstattungsanspruchs beweisen müsste, dass bei eigener Heilverfahrenssteuerung
niedrigere Kosten entstanden wären. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Der Hinweis der Beklagten auf die BSG-Entscheidung vom 16. Februar 2012 geht ins Leere. Das BSG hatte einen Fall zu entscheiden, in welchem die Krankenkasse gegenüber dem Haftpflichtversicherer eines Schädigers auf einen
Teil des Anspruchs verzichtet und die Versorgungsverwaltung diesen dann von ihr rückerstattet haben wollte. In einem derartigen
Fall hat das BSG Ausführungen zur Anwendung des Rechtsinstituts der "positiven Vertragsverletzung" auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse
gemacht, auf die es in diesem Fall in keiner Weise ankommt, zumal die Klägerin ihrer sich aus Abschnitt 7 der Verwaltungsvereinbarung
über die generelle Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes
nach § 189 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - in Verbindung mit §§ 88 ff SGBX (VV Generalauftrag
Verletztengeld) ergebenden Verpflichtung zur Mitteilung des Zeitpunktes des Abbruchs der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung
unverzüglich nachgekommen ist.
Die sich aus § 105 Abs. 2 SGB X ergebende Beschränkung der Höhe des Erstattungsanspruchs hat schon das Sozialgericht zutreffend berücksichtigt, indem es
in seinem Tenor die Erstattungspflicht auf das beschränkt hat, was die Beklagte nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften
zu leisten gehabt hätte.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG nicht vorliegen.