Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsrecht
im Streit.
Die 57-jährige Klägerin besuchte im Mai 2004 zur Vorbereitung einer freiberuflichen Tätigkeit als Künstlerin in den Genres
Tanz und Gesang ein vom Arbeitsamt angebotenes Seminar für Existenzgründer, welches im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit
von dem beratenden Betriebswirt, Einzelhandels- und Bürokaufmann B. B1 betreut wurde. Im Juni 2004 nahm sie auch an zwei öffentlichen
Fragestunden für Existenzgründer teil, die ebenfalls von B. B1 angeboten wurden. In der Folgezeit übertrug die Klägerin an
B. B1 - zum Teil in bar, zum Teil durch Überweisung auf das Konto seiner Ehefrau - Geldbeträge in einer Gesamthöhe von 175.350,00
EUR. Sie händigte B. B1 ferner Goldmünzen und Goldbarren im Werte von 122.091,50 EUR aus. Dieser hatte der Klägerin jeweils
erklärt, dass er Geld bzw. Gold für sie anlegen und hierbei für sie erhebliche Gewinne realisieren könne, die erhaltenen Werte
hatte er jedoch für sich verwendet. In gleicher Weise brachte B. B1 unter Vorspiegelung gewinnträchtiger Vermögensanlagen
vier weitere Geschädigte dazu, ihm Geldbeträge in Höhe von 135.800,00 EUR zu übertragen, welche er ebenfalls für sich verwendete.
Im September 2006 unternahm B. B1 den Versuch, die Klägerin zu überreden, auf ihre bis dahin weitgehend unbelastete Eigentumswohnung
unter der im Rubrum angegebenen Adresse ein Darlehen aufzunehmen, weil die bei einer Anlage des darlehensweise erhaltenen
Geldes durch ihn zu erzielenden Zinsen wesentlich höher ausfallen würden, als der zu entrichtende Darlehenszins. Bei der Abwicklung
des Darlehensgeschäfts offenbarte die Klägerin, die bis dahin nur geringe Rückzahlungen auf ihr eingezahltes Kapital erhalten
hatte und misstrauisch geworden war, gegenüber der bearbeitenden Bank die mit B. B1 bis dahin getätigten Geschäfte und es
wurde ihr von dort empfohlen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie ließ daraufhin mit anwaltlicher Hilfe Strafanzeige
gegen B. B1 wegen "aller in Betracht kommender Delikte" erstatten. Auf das am 22. November 2006 bei dem Landeskriminalamt
Hamburg eingegangene anwaltliche Anzeigeschreiben (Sonderband I "FinErm I" der Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht
Hamburg XXXXXXX, Blatt 3 ff.) wird Bezug genommen. Weitere Geschädigte erstatteten ebenfalls Strafanzeige. Die Ansprüche der
Klägerin auf Rückgewähr der übertragenen Vermögenswerte wurden in der Folgezeit tituliert. Rückzahlungen konnten jedoch wegen
der Insolvenz des Schädigers und der Vermögenslosigkeit seiner Ehefrau nicht erlangt werden.
Am 13. November 2007 beantragte die Klägerin bei dem Versorgungsamt Hamburg, ihr Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung
für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz -
OEG) zu gewähren. Als verletzende Handlung gab sie "arglistige Täuschung, Betrug, Lüge, Unterschlagung von Geldern und Gold"
und als erlittene Gesundheitsstörungen "mehrere Nervenzusammenbrüche, Angstzustände und Panikanfälle, Depressionen, Selbstmordgedanken,
Platzangst und Klaustrophobie" an. Zum Zeitpunkt der Antragstellung bestünden als Verletzungsfolgen noch immer "Angstzustände
mit Anfällen von panischer Angst, Herzrasen und Zittern am ganzen Körper, Depressionen, Selbstmordgedanken, Klaustrophobie,
schwere Albträume".
Mit Bescheid vom 28. November 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff
nicht vorliege. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Geschädigte fristgerecht Klage erhoben.
Mit Anklageschrift vom 11. November 2008 wurde B. B1 mit Blick auf die angezeigten Vorfälle wegen Betruges in sechs Fällen
angeklagt und nach Ablegung eines umfassenden Geständnisses durch Urteil des Amtsgerichts St. Georg vom 27. April 2009 wegen
des angeklagten Delikts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf
das genannte Urteil (Blatt 461 ff. der Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg XXXXXXX wird ergänzend Bezug
genommen. Das Urteil erlangte Rechtskraft.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2009 abgewiesen, weil mangels Vorliegen eines tätlichen
Angriffs die Voraussetzungen, unter denen das Gesetz eine Entschädigung vorsehe, nicht vorlägen. Auf die am 4. Juli 2009 zugestellte
Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 30. Juli 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Täter habe sehr genaue
Kenntnisse ihres privaten und beruflichen Lebens gehabt. Er habe gewusst, dass sie wegen ihrer Kindheitserlebnisse nur wenig
belastbar gewesen sei und niemanden gehabt habe, der ihr hätte helfen können. Der völlige Entzug ihrer finanziellen Grundlage
und der Versuch, sich auch noch die Eigentumswohnung anzueignen, bewiesen in dieser Situation seine feindlich gesonnene Absicht,
ihr psychische und physische Verletzungen anzutun. Bei seinem Tun habe er sich der Hilfe einer Angestellten bedient, die er
bezahlt habe, damit diese sie - etwa bei Zahnarztbesuchen oder auch in ihrer Wohnung - betreue. Dies stelle einen tätlichen
Angriff dar, der sehr wohl auf ihre körperliche Integrität gerichtet gewesen sei.
Das Berufungsgericht hat den Schädiger B. B1 als Zeugen vernommen. Dieser hat gegenüber dem seinerzeitigen Berichterstatter
im Wesentlichen bekundet, dass ihm die Klägerin zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten, derentwegen er verurteilt wurde,
nicht irgendwie angeschlagen vorgekommen sei. Zwar habe er gewusst, dass sie im Fahrstuhl häufig Beklemmungen gehabt habe,
und auch, dass ihre Mutter gestorben war, jedoch habe er nicht gewusst, dass sich die Klägerin deswegen besonders belastet
gefühlt habe. Inzwischen sei ihm klar geworden, dass die Klägerin durch sein Tun auch einen gesundheitlichen Schaden hätte
erleiden können. Seinerzeit sei das noch nicht der Fall gewesen. Auf das Protokoll der Vernehmung des B. B1 in dem vorliegenden
Verfahren am 12. Mai 2010 (GA Blatt 121 ff.) wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 31. Januar 2011 hat das Berufungsgericht den auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung
des Berufungsverfahrens gerichteten Antrag der Klägerin wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt. Auf den Beschluss wird
Bezug genommen.
In einer danach abgegebenen weiteren Stellungnahme bekräftigt die Klägerin ihre Behauptung, der Täter habe sie vorsätzlich
körperlich und nicht nur am Vermögen geschädigt. Dies folge schon daraus, dass er gewusst habe, dass sie weiteres Vermögen
nicht besitze und so in Armut verfallen würde. Dieses Verbrechen habe letztlich die Bundesagentur ihr gegenüber begangen,
die den Täter auch noch bezahlt habe. Dessen Ehefrau und Bruder hätten Beihilfe zu dem Betrug geleistet und der Täter habe
seine psycho-sadistische Veranlagung durch die Taten befriedigt. Aus dem Strafverfahren lasse sich nichts Gegenteiliges entnehmen,
denn dieses Verfahren habe unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, um die Schuld der Bundesagentur zu vertuschen.
Sie selbst habe nicht aussagen dürfen. Auf der Grundlage gerichtlicher Falschaussagen sei der Täter dann letztlich nicht wirklich
bestraft worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids
vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2008 zu verurteilen, ihr wegen der gesundheitlichen
Folgen der durch die Eheleute B. und Ute B1 ihr gegenüber vorgenommenen Handlungen Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung
für Opfer von Gewalttaten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich
der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nach §§
105 Abs.
2,
143, 144
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§
105 Abs.
1 Satz 1
SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Vielmehr hat das Sozialgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung
abgewiesen, weil mit Blick auf die zum Nachteil der Klägerin begangenen Betrugsdelikte kein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher
Angriff im Sinne von §
1 OEG vorliegt. Für einen solchen Angriff bedarf es nach ständiger Rechtsprechung einer in feindlicher Willensrichtung verübten
gewaltsamen Einwirkung, die unmittelbar auf den Körper des Geschädigten abzielt. Hingegen reichen gewaltlose, insbesondere
psychische Einwirkungen auf das Opfer nicht aus. Dies hat das Bundessozialgericht in seiner jüngst hierzu ergangenen Entscheidung
vom 7. April 2011 (B 9 VG 2/10 R) erneut bestätigt und die anderslautende Entscheidung der Vorinstanz (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. März
2010 - L 12 VG 2/06 - juris), die auch gewaltlose Einwirkungen auf das Opfer als tätlichen Angriff gewertet hatte, aufgehoben.