Anhörungsrüge
Gehörsverletzung in entscheidungserheblicher Weise
Substantiierungspflicht
Gründe
Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin mit dem sinngemäß gestellten Antrag,
das unter dem Aktenzeichen L 2 R 93/16 B ER geführte Beschwerdeverfahren unter Aufhebung des Beschlusses des Senats vom 2. Mai 2016 fortzuführen,
ist bereits unzulässig. Ein Gehörsverstoß im genannten Verfahren ist nicht hinreichend substantiiert dargetan.
Auf die Anhörungsrüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren (nur dann) fortzuführen,
wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§
178a Abs.1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Bereits die Zulässigkeit der Anhörungsrüge setzt vor diesem Hintergrund nach §
178a Abs.
2 Satz 5
SGG voraus, dass eine Gehörsverletzung substantiiert dargelegt wird (vgl. ausfl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG - Kommentar, 11. Aufl. 2014, §
178a Rn. 6a und 6b).
Das ist hier nicht geschehen; im Kern wiederholt die Antragstellerin nur ein weiteres Mal ihre Rechtsauffassung, aus der sich
aber nach der Auffassung des Senats - wie bereits zuvor nach der des SGs - kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
ergibt. Dass und welchen entscheidungserheblichen Teil ihres Vorbringens der Senat in der angefochtenen Entscheidung vom 2.
Mai 2016 nicht zur Kenntnis genommen hätte, hat die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert dargetan.
Soweit die Antragstellerin rügt, der Senat habe ihr die Beschwerdeerwiderung ohne irgendwelche Hinweise übersandt, ist nicht
erkennbar, warum der Senat dazu zwingend Anlass gehabt hätte. Eine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts, durch die es gehalten
wäre, den Beteiligen vor einer Entscheidung seine vorläufige Rechtsauffassung mitzuteilen, existiert entgegen dem Vorbringen
der Antragstellerin nicht; anders wäre dies nur, wenn sich das Gericht überraschend auf einen bisher nicht thematisierten
Streitpunkt gestützt hätte; das war aber vorliegend nicht der Fall. Insbesondere war ein gesonderter Hinweis darauf, dass
die Antragstellerin ihre wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen müsse, um einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen, nicht
geboten, nachdem schon das SG gerade auf diesen Gesichtspunkt abgestellt und ausgeführt hatte, dass das Existenzminimum der Antragstellerin gesichert sei
und daher ein Anordnungsgrund nicht vorliege.
Im Übrigen ist die Antragstellerin auch in ihrer Anhörungsrüge den Ausführungen des Senats insbesondere zum fehlenden Anordnungsgrund
zwar wortreich, aber wenig konkret und weiter ohne jeden Beleg entgegengetreten; welches entscheidungserhebliche Vorbringen
er bei Erlass der Entscheidung übersehen hätte, ist nicht substantiiert dargetan. Konkret hat sie (nur) vorgetragen, keine
Leistungen aus der Unfallversicherung zu erhalten - was der Senat aber auch nur als möglich bezeichnet hatte; die Entscheidung
tragend war diese Erwägung ersichtlich nicht. Weiter hat die Antragstellerin darauf aufmerksam gemacht, dass Schmerzensgeld
nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen sei, und hat hierzu auf Rechtsprechung des BSG zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende verwiesen - was aber eine ganz andere Frage darstellt als die, ob es unzumutbar
ist, auf entsprechende Beträge vorübergehend zurückzugreifen, wenn es um das Vorliegen eines Anordnungsgrundes geht. Abgesehen
davon bringt die Antragstellerin auch hier nur eine von der des Senats abweichende Rechtsauffassung zum Ausdruck; dies kann
eine Anhörungsrüge von vornherein nicht tragen. Gleiches gilt hinsichtlich des Arguments, sie dürfe nicht auf Grundsicherungsleistungen
verwiesen werde - was der Senat im Übrigen in der genannten Entscheidung auch gar nicht getan hat. Zum Verbrauch der Rentennachzahlung
in Höhe von immerhin über 70.000 Euro hat sie (aber auch erst jetzt im Anhörungsrügeverfahren, was von vornherein nicht ausreicht)
geltend gemacht, diese habe sie zur Tilgung von Schulden verwendet, die in der Zeit vom 25. November 2002 bis Juni 2010 wegen
kompletter Leistungsverweigerung aller Sozialleistungsträger aufgelaufen seien. Konkreter hat sie dazu selbst in der Anhörungsrügeschrift
nicht vorgetragen; die Nachvollziehbarkeit im Einzelnen und Mittel der Glaubhaftmachung fehlten (und fehlen auch weiterhin)
völlig. Umso weniger ist erkennbar, dass der Senat diesbezügliches Vorbringen bei Erlass des Beschlusses vom 2. Mai 2016 übersehen
hätte.
Der weitere Vortrag der Antragstellerin, zum Beispiel zur Bedarfsgemeinschaft und der damit vermeintlich verbundenen Sippenhaft,
zum Regresssystem der §§ 116 ff. SGB X und der Einbeziehung schadensersatzrechtlicher Prinzipien, zum vermeintlich eingetretenen rechtswidrigen Schaden durch den
10,8%-Abzug bei der Berechnung ihrer Rente, zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft, zum Prüfungsmaßstab im Eilverfahren,
zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts und zur Vorlagepflicht nach Art.
100 GG, ist ersichtlich nicht geeignet, einen Gehörsverstoß erkennbar werden zu lassen. Soweit diese Gesichtspunkte überhaupt einen
Zusammenhang mit den im hiesigen Verfahren zu prüfenden Fragen haben, ist nicht substantiiert dargetan (und auch sonst nicht
ersichtlich), dass der Senat entscheidungserheblichen Vortrag übergangen hätte; wie die Antragstellerin dabei darauf kommt,
dass die "persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin seit dem Jahr 2003 lückenlos sämtlichen Hessischen
Sozialgerichten bekannt" seien, ist unerfindlich; jedenfalls dem Senat waren und sind diese nicht - und schon gar nicht lückenlos
- bekannt. Im Übrigen hat der Senat nur - etwa zur Bedeutung des Anordnungsgrundes und zur Bedeutung der von der Antragstellerin
angeführten völkerrechtlichen Vorschriften für das hiesige Verfahren - eine andere Auffassung vertreten als diese; das führt
nicht zu einem Gehörsverstoß.
Schließlich ist die Rüge, eine sachgerechte Befassung des Senats mit dem Streitstoff innert 14 Tagen sei angesichts des äußerst
komplexen Verfahrens nicht möglich gewesen, erkennbar nicht hinreichend konkret, um einen Gehörsverstoß erkennbar werden zu
lassen; dies gilt nur umso mehr, als es sich hier um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelte, so dass eine
rasche Entscheidung schon aus diesem Grunde geboten war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.