Rente wegen voller Erwerbsminderung
Verfassungskonformität der Minderung des Zugangsfaktors
Error in procedendo
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der der Klägerin zu gewährenden Rente.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 2009 bewilligte die Beklagte der 1961 geborenen Klägerin ab dem 1. Juni 2007 eine Rente wegen
voller Erwerbsminderung befristet bis zum 31. Dezember 2011 auf Grundlage eines Zugangsfaktors von 0,892. Die Höhe der Rente
betrug ab dem 1. Dezember 2009 monatlich 1.034,34 €. Außerdem wurde der Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von etwa 30.000,00
€ gewährt. In dem Rentenbescheid wurde ausgeführt, dass die Anspruchsvoraussetzungen der Rente wegen voller Erwerbsminderung
ab dem 17. November 2006 erfüllt seien. Die Rentenzahlungen seien ab dem 7. Kalendermonat nach Eintritt der Minderung der
Erwerbsfähigkeit zu leisten, weil die Rente befristet sei.
Dagegen legte die Klägerin am 16. November 2009 Widerspruch ein. Sie wandte sich dagegen, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung
mit einem Rentenabschlag (Minderung des Zugangsfaktors) gezahlt würde. Das Bundessozialgericht habe in 2006 entschieden, dass
bei solchen Personen, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres eine volle Erwerbsminderung oder eine teilweise Erwerbsminderung
hätten und Rente bezögen, eine Minderung des Zugangsfaktors rechtswidrig sei. §
77 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (
SGB VI) schließe ausdrücklich einen Rentenabschlag bei einem Recht auf eine Erwerbsminderungsrente für Bezugszeiten vor Vollendung
des 60. Lebensjahres aus.
Nachdem das Verfahren zunächst im Hinblick auf anhängige Verfahren beim Bundesverfassungsgericht geruht hatte, wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2012 den Widerspruch zurück. Die im angefochtenen Bescheid bewilligte Rente sei zutreffend
unter Berücksichtigung eines geminderten Zugangsfaktors mit einem Abschlag berechnet worden. Renten wegen einer verminderten
Erwerbsfähigkeit könnten bei einem Rentenbeginn vor Vollendung des 63. Lebensjahres um einen Abschlag gemindert werden. Dieser
Abschlag bestimme sich über den sog. Zugangsfaktor. Der Zugangsfaktor von 1,0 werde um 0,3 % pro Monat der Inanspruchnahme
der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres höchstens jedoch um 10,8 % gemindert. Dies
ergebe sich aus §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB VI. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
nach §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB VI mit dem
Grundgesetz vereinbar sei. Es komme zu dem Ergebnis, dass die Minderung geeignet sowie erforderlich sei, die Finanzierung der gesetzlichen
Rentenversicherung sicherzustellen und die Betroffenen im Übrigen nicht übermäßig belaste. Außerdem werde bei einem Rentenbeginn
vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht nur der Zugangsfaktor vermindert, sondern auch die Zurechnungszeit zeitgleich aufgewertet.
Die Minderung belaste die Versicherten damit nicht übermäßig. Die Berücksichtigung des geminderten Zugangsfaktors bei der
Rentenberechnung der Klägerin sei insgesamt rechtmäßig.
Der Widerspruchsbescheid war mit der folgenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen: "Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb
eines Jahres nach Bekanntgabe bei dem für Sie zuständigen Sozialgericht schriftlich Klage erheben. Sie können sich aber auch
an den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts wenden und ihre Klage schriftlich aufnehmen lassen."
Mit Schreiben vom 12. Juli 2013, eingegangen am selben Tag, erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Kassel. Es sei nicht
rechtens, dass ihre Rente mit dem Höchstabschlag von 10,8 % berechnet werde. Das Bundessozialgericht habe bereits am 16. Mai
2006 entschieden, dass Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten gesetzes- und verfassungswidrig seien. Insbesondere wies die
Klägerin darauf hin, dass der Abschlag von 10,8 % ungerechtfertigt sei, weil der Zeitpunkt des Rentenbezuges bzw. der Erwerbsminderungsrente
in keiner Weise selbst bestimmt gewesen sei. Gleiches gelte für die mittlerweile dokumentierte Schwerbehinderung. Bei der
Erwerbsminderungsrente dürfe keine Gleichsetzung mit Früh-/Altersrentnern stattfinden, weil dies menschenunwürdig sei. Denn
eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei unter diesen Umständen nicht möglich. Zur Stützung ihres Klagebegehrens legte
die Klägerin einen Bescheid des Versorgungsamtes vom 16. Oktober 2013 vor, mit dem ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt
wurde.
Die Beklagte berief sich dagegen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und machte außerdem geltend, sie sei als Körperschaft
des öffentlichen Rechts verpflichtet, den Vorgaben des Gesetzgebers Folge zu leisten. Es sei allein Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts,
zu prüfen, ob die von der Klägerin beanstandeten Normen verfassungsgemäß seien. Die Minderung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten
sei Gegenstand mehrerer sozialgerichtlicher Verfahren und zweier Verfahren beim Bundesverfassungsgericht gewesen. Das Bundesverfassungsgericht
habe entschieden, dass die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB VI mit dem
Grundgesetz vereinbar sei (Beschluss vom 11. Januar 2011, 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09). Bei Versicherten mit einem Rentenbeginn ab dem vollendeten 60. Lebensjahr sei die Minderung des Zugangsfaktors gerechtfertigt,
weil sonst zu befürchten gewesen wäre, dass anstelle einer mit Abschlägen behafteten Altersrente eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente
in Anspruch genommen worden wäre. Das Bundesverfassungsgericht habe abschließend entschieden. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
binde alle Behörden und Gerichte nach § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG).
Mit Gerichtsbescheid vom 6. November 2015 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klage sei zwar zulässig, es gelte für die
Klageerhebung wegen der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid die Jahresfrist gemäß §
66 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die Klage sei aber unbegründet. Das Sozialgericht verwies auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und führte ergänzend
aus, sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundessozialgericht (z.B. in der Entscheidung vom 28. September 2011,
B 5 R 18/11 R) hätten festgestellt, dass im Ergebnis der Zugangsfaktor bei der Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
vor Vollendung des 60. Lebensjahres mit dem
Grundgesetz vereinbar sei, auch wenn der Rentenbezug vor der Vollendung des 60. Lebensjahres beginne. Dem schließe sich die Kammer an.
Dafür, dass die Beklagte bei der Ermittlung des Zugangsfaktors bei der Rentenberechnung der Klägerin eine falsche Berechnung
angestellt habe, sei in der Akte und nach dem Vortrag der Klägerin nichts ersichtlich.
Gegen den ihr am 11. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Dezember 2015 beim Sozialgericht
Kassel Berufung eingelegt. Sie macht im Wesentlichen dasselbe geltend wie in erster Instanz und weist außerdem darauf hin,
dass zum Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrages am 17. November 2006 und auch noch zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses am
19. Oktober 2009 angesichts der damals geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, namentlich des Urteils vom 16. Mai
2006, keine Rechtsgrundlage für eine Minderung des Zugangsfaktors bestanden habe. Im Übrigen sei der Rentennachzahlungsbetrag
von ursprünglich etwa 30.000,00 € nur in Höhe von 7154,72 € zur Auszahlung gekommen, weil der Rest an den Hartz IV-Träger
erstattet worden sei. Außerdem entspreche auch die Rentenberechnung nicht den Tatsachen, da in der Zeit des Bezugs von Leistungen
nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), für den die Erstattung erfolgt sei, eine Vielzahl von Pflichtversichertenbeiträgen in die Rentenversicherung eingeflossen
sei. Diese Zeiten seien aber im Versicherungsverlauf nur als Zurechnungszeiten notiert. Schließlich sei ihr aufgefallen, dass
auch der zweijährige Berufsfachschulbesuch vor der Lehre nicht im Versicherungsverlauf enthalten sei.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 6. November 2015 aufzuheben und den Bescheid vom 19. Oktober 2009 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Rente wegen voller
Erwerbsminderung ohne Rentenabschlag, das heißt mit einem Zugangsfaktor von 1,0, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die erstinstanzliche Entscheidung, die ihrer Auffassung nach zutreffend sei.
Mit Beschluss vom 20. September 2016 hat der Senat die Berufung gem. §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen
auf die gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte und die Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, denn diese ist ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 14. Oktober
2016 geladen und in der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens im Termin verhandelt
und entschieden werden kann. Die Klägerin hat selbst mitgeteilt, den Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen
zu können, und bat um eine Entscheidung unter Berücksichtigung ihres bisherigen Vortrags.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegte Berufung, über die die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern nach §
153 Abs.
5 SGG entscheiden kann, ist statthaft und zulässig.
Die Berufung ist aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 6. November 2015, mit dem die auf Gewährung
einer höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Klage abgewiesen wurde, ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid
vom 19. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2012 (§
95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Rentenabschlag bzw.
mit einem Zugangsfaktor von 1,0. Die Beklagte hat zurecht die Erwerbsminderungsrente der Klägerin ab 1. Juni 2007 mit einem
Zugangsfaktor von 0,892 berechnet.
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß §
63 Abs.
6, §
64 Nr.
1 bis
3 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (EP), der Rentenartfaktor und
der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Der Zugangsfaktor ist ein Berechnungselement der persönlichen EP, dessen Höhe in §
77 SGB VI näher geregelt ist. Nach §
77 Abs.
1 richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang
Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor
ist nach §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB VI bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf
des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres (bis zum 31. Dezember 2007 des 63. Lebensjahres) in Anspruch genommen
wird, um 0,003 niedriger als 1,0.
Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente vor Vollendung des 62. (bis zum 31. Dezember
2007 des 60. Lebensjahres), ist die Vollendung des 62. Lebensjahres (bis zum 31. Dezember 2007 des 60. Lebensjahres) für die
Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend (§
77 Abs.
2 Satz 2
SGB VI). Nach §
264d SGB VI tritt bei Beginn einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 1. Januar 2023 an die Stelle des 65. Lebensjahres
das Lebensalter 63 Jahre und an die Stelle des 62. Lebensjahres das Lebensalter 60 Jahre.
Im Ergebnis ist die Reduzierung des Zugangsfaktors - gleich unter welcher der ab 2007 geltenden Rechtslagen - auf maximal
0,108 begrenzt (36 Monate x 0,003).
Im Fall der 1961 geborenen Klägerin kommt die Reduzierung des Zugangsfaktors in der maximalen Höhe zum Tragen. Sie bezieht
seit dem 1. Juni 2007 und damit seit Vollendung des 48. Lebensjahres eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (zur Auslegung
des Begriffs "Rentenbeginn" im Sinne des Rentenzahlbeginns BSG SozR 4-2600 § 72 Nr 2).
§
77 Abs.
2 Satz 2
SGB VI (ggf. i.V.m. §
264d SGB VI) ist als Berechnungsregel zur Umsetzung der allgemeinen Grundsätze zur Rentenhöhe im Sinne des §
63 Abs.
5 i.V.m. §
64 Nr.
1 SGB VI zu verstehen (so auch stellvertr: Bredt, NZS 2007, 192; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, §
77 SGB VI RdNr. 1, Stand 1/2009; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, §
77 SGB VI Anm 1, Stand 1/2008; Stahl in Hauck/Noftz,
SGB VI, K §
77 RdNr 4, Stand 2/2002). Dafür sprechen Wortlaut und systematische Stellung des §
77 SGB VI wie auch Sinn und Zweck, systematischer Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte der Norm (BSG, Urteil vom 14. August 2008 - B 5 R 32/07 R - BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5; zustimmend 13. Senat des BSG, Beschlüsse vom 26. Juni 2008 - B 13 R 9/08 S und B 13 R 11/08 S -, der auf Anfrage die Rechtsprechung des vorher für die allgemeine Rentenversicherung zuständigen 4. Senats des BSG aufgegeben hat; so BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 5 R 18/11 R -, Rn. 14, juris).
Die Kürzung des Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung nach §
77 SGB VI ist mit dem
Grundgesetz vereinbar, auch wenn der Rentenbezug vor der Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 5 R 18/11 R -, juris Rnr. 14 unter Bezugnahme auf BVerfG SozR 4-2600 § 77 Nr. 9).
Das BVerfG hat dies bzw. die Verfassungskonformität der Kürzung des Zugangsfaktors um maximal 10,8 % ausdrücklich bestätigt
(BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011, 1 BvR 3588/08 u.a., juris Rnr. 33 ff.). Es handele sich um eine den Umfang einer Rentenanwartschaft reduzierende Inhaltsbestimmung im Schutzbereich
des Art.
14 Grundgesetz (
GG), die einem Gemeinwohlzweck diene und verhältnismäßig sei. Sie sei zur Erreichung des angestrebten Zieles, die Finanzierung
der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und damit die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung
im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, geeignet und erforderlich.
Insbesondere belaste sie den Betroffenen nicht übermäßig und sei für ihn deswegen zumutbar.
Diesen Ausführungen des Bundesverfassungs- und Bundessozialgerichts ist nichts hinzuzufügen. Die vorherige anderslautende
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2006 (BSG, Urteil vom 16. Mai 2006, B 4 RA 22/05 R) ist damit überholt. Die Klägerin kann daraus keine Rechtsposition mehr herleiten. Nach § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte
und Behörden.
Dafür, dass die Berechnung der der Klägerin gewährten Rente aus anderen Gründen rechtswidrig sein könnte, ist nichts ersichtlich.
Insbesondere kann sie sich nicht mit Erfolg auf eine unrichtige Berücksichtigung der Zeiten ab dem 17. November 2006 im Versicherungsverlauf
nur als Zurechnungszeiten berufen. Der Versicherungsfall, das heißt die Minderung der Erwerbsfähigkeit, ist zum 17. November
2006 eingetreten. Gemäß §
59 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB VI beginnt die Zurechnungszeit bei einer Rente wegen Erwerbsminderung mit dem Eintritt der hierfür maßgebenden Erwerbsminderung.
Außerdem werden nach § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 für Beitrags- und Anrechnungszeiten, die nach Eintritt der hierfür maßgebenden
Minderung der Erwerbsfähigkeit liegen, Entgeltpunkte grundsätzlich nicht ermittelt.
Auch das Vorbringen der Klägerin, wonach der 2jährige Berufsfachschulbesuch vor der Lehre noch im Versicherungsverlauf berücksichtigt
werden müsse, kann keinen Anspruch auf eine höhere Rente begründen. Die im Rentenantrag angegebene Zeit der Berufsausbildung
vom 1. August 1977 bis 5. Juli 1979 ist als Pflichtbeitragszeit wegen schulischer Ausbildung berücksichtigt. Unabhängig davon,
ob weitere davor liegende Schulzeiten nachgewiesen sind, scheidet eine weitergehende Berücksichtigung bei der Rentengewährung
aus, weil Zeiten des Besuchs einer Schule, Fachschule oder Hochschule erst nach dem vollendeten 17. Lebensjahr zu berücksichtigen
sind (§
58 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 SGB VI).
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind. Der Ausspruch zur (fehlenden) Zulassung der Revision ist zwar versehentlich nicht in die Urteilsformel
aufgenommen worden. Dies ist allerdings unschädlich. Fehlt es an einem solchen Ausspruch, folgt daraus die Nichtzulassung
der Revision (BSG, B. v. 25. Januar 1984, 9a BVs 26/83, juris Rnr. 2). Die fehlende Aufnahme der Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision
in die Urteilsformel ist kein wesentlicher Mangel im Verfahren (error in procedendo), der die Zulassung der Revision ermöglicht
(BSG, a.a.O. m.w.N.; Leitherer, in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., Rnr. 21).