LSG Hessen, Urteil vom 06.04.2016 - 6 AS 464/13
Kosten der Unterkunft; Verjährung der Mietzinsforderung
Hat ein Hilfebedürftiger Anspruch auf Kosten der Unterkunft (Mietzins) nach dem SGB II, so ist es ihm zumutbar, sich wie eine wirtschaftlich vernünftig handelnde Person zu verhalten, die ihre Kosten der Unterkunft
selbst tragen muss. Es ist dem Hilfebedürftigen daher zumutbar, gegen verjährte Mietzinsansprüche die Einrede der Verjährung
zu erheben (entgegen Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. März 2014 - L 3 AS 343/10 ZVW).
Fundstellen: NZS 2016, 477
Vorinstanzen: SG Kassel 17.04.2013 S 4 AS 903/11
Tenor I.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. April 2013 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist noch die Gewährung von Leistungen für Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum 1. Dezember 2010 bis 16. Juni 2011 in Streit.
Die 1981 in Kenia geborene, verheiratete Klägerin lebte zuletzt bis Juni 2009 in D-Stadt, bis 22. November 2010 in E-Stadt.
Dort betrieb sie bis 25. Oktober 2010 ein Gewerbe "An- und Verkauf von Mode- und Gebrauchsartikeln sowie Promotion". Bis 30.
November 2010 bezog die Klägerin Leistungen nach dem SGB II des für E-Stadt zuständigen Jobcenters F.
Im Herbst 2010 suchte die Klägerin für sich und ihre beiden in den Jahren 2001 und 2007 geborenen Kinder eine Wohnung, da
sie aus dem Haus in E-Stadt, das nach den Maßstäben des SGB II laut Jobcenter F. hinsichtlich Größe und Miethöhe unangemessen war, ausziehen musste. lm September 2010 lernte die Klägerin
über eine Partnervermittlung den 1965 geborenen, von seiner Ehefrau getrennt lebenden G. kennen. Er ist Maschinenbaumeister
und erzielte im Jahr 2010 als Angestellter bei H. eine Bruttomonatsverdienst von ca. 4.800,- €. Es kam zwischen der Klägerin
und Herrn G. zu einer sexuellen Beziehung. Im Oktober oder November 2010 waren die Klägerin und der Zeuge G. für zehn Tage
gemeinsam im Heimatland Kenia der Klägerin. Am 22. November 2010 zog die Klägerin in das dem Zeugen G. gehörende Haus in der
J-Straße in J-Stadt (JX.) (Meldebescheinigung vom 3. Dezember 2010, Verwaltungsakte Blatt 4).
Ausweislich der Mietbescheinigung vom 28. Dezember 2010 hatte die Klägerin die 70 qm große Wohnung im Dachgeschoss ab 1. Dezember
2010 zu einem monatlichen Mietzins von 410,- € (280,- € Kaltmiete zzgl. Betriebskostenvorauszahlung von 130,- €) gemietet.
Das Haus bestand aus einer von Herrn G. und seinem Kind bewohnten Wohnung im Erdgeschoss sowie einer abgeschlossenen Wohnung
im Dachgeschoss ohne Küche und einer an ein Paar vermieteten Souterrainwohnung. Die Klägerin nutzte die Küche in der von Herrn
G. bewohnten Erdgeschosswohnung. Sie hielt sich regelmäßig abends in der Wohnung von Herrn G. auf und übernachtete auch regelmäßig
in dessen Wohnung. Ausnahmsweise, wenn ein Kind krank war, tat sie dies nicht. Herr G. bezahlte in der Zeit von Dezember 2010
bis Februar 2011 die Krankenversicherungsbeiträge der Klägerin an deren private Krankenversicherung in Höhe von 786,88 € (Kontoauszug,
Verwaltungsakte Blatt 139), eine Rechnung der Frauenärztin K. der Klägerin i.H.v. 123,07 € (Verwaltungsakte Blatt 137) sowie
Rechnungen der Rechtsanwältin L. i.H.v. 696,15 € sowie 1.588,65 € sowie 438,00 € (Verwaltungsakte Blatt 140, 143), die die
Klägerin auch später im Widerspruchsverfahren vertrat (zusammen: 3.632,75 €). Für Einkäufe bei M1., M2. und dem M3. SB Warenhaus
gab Herr G. im Zeitraum 3. Dezember 2010 bis 6. März 2011, soweit durch Abbuchungsvorgänge auf den Kontoauszügen nachvollziehbar
(Verwaltungsakte Blatt 137- 145), mindestens 1.097,98 € aus.
Die Klägerin beantragte am 6. Dezember 2010 die Gewährung von SGB II Leistungen bei dem Beklagten. Der dem Beklagten vorgelegte Mietvertrag und das Übergabeprotokoll vom 29. November 2010 geben
unzutreffend eine Küche als Teil der Dachgeschosswohnung an [Verwaltungsakte Blatt 13]. Am 24. Januar 2011 legte die Klägerin
außerdem einen zwischen ihr und Herrn G. am 23. Januar 2011 geschlossenen Mietvertrag ab 15. Februar 2011 über die von Herrn
G. bewohnte Erdgeschosswohnung in dem Haus J-Straße vor.
Der Ermittlungsaußendienst des Beklagten führte am 25. und 26. Januar 2011 einen Hausbesuch bei der Klägerin in der Dachgeschoss-
und in der Erdgeschosswohnung durch. Zum Ergebnis des Hausbesuchs wird auf Blatt 62, 63 der Verwaltungsakte des Beklagten
verweisen. Mit Bescheid vom 30. März 2011 lehnte der Beklagte eine Leistungsgewährung ab, da die Klägerin wie auch ihre Kinder
nicht hilfebedürftig seien [Verwaltungsakte Blatt 152]. Sie lebe mit Herrn G. in einer Bedarfsgemeinschaft und ihnen stünden
ausreichend finanzielle Mittel zur Finanzierung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Bei der Bedarfsberechnung ging der Beklagte
von gemeinsam genutztem Wohneigentum aus.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 2. Mai 2011 anwaltlich vertreten Widerspruch ein und führte aus, dass mit
Herrn G. keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II vorliege. Sie und Herr G. hätten getrennte Bankkonten, und es bestehe auch keine gegenseitige Kontovollmacht. Sie bewohne
mit ihren Kindern eine abgeschlossene Wohnung. Die Hilfe, die ihr von Herrn G. zu Teil werde, könne nicht als Wille interpretiert
werden, Verantwortung für die Klägerin und deren alleinige Kinder zu übernehmen. Die Tatsache, dass hier eine Wohnung zur
Verfügung gestellt worden sei, sei lediglich der Hilfsbereitschaft von Herrn G. zu verdanken. Allerdings sei dieser auch auf
die Mieteinnahmen angewiesen, so dass nunmehr ein Mietvertrag zwischen den Beteiligten gefertigt worden sei.
Am xx. xxx 2011 gebar die Klägerin in Anwesenheit des Zeugen G. eine Tochter. Ob der Zeuge G. der Vater dieses Kindes ist,
ist nach dem Kenntnisstand des Gerichts bislang nicht rechtswirksam festgestellt worden.
Zum 1. Juli 2011 zog die Klägerin mit ihren drei Kindern nach N-Stadt und zum 1. Juli 2012 weiter nach O-Stadt, wo sie mit
ihrem dortigen Freund zusammenlebt und von diesem finanziell unterstützt wird (Angaben im Prozesskostenhilfe-Erklärungsbogen).
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Unter Berücksichtigung des
Einkommens von Herrn G. bestehe mangels Bedürftigkeit kein Anspruch auf SGB II Leistungen. Die - unwiderlegte - Vermutung, dass zwischen der Klägerin und Herrn G. ein wechselseitiger Wille bestehe Verantwortung
füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, gründe sich auf das gemeinsame Zusammenleben der beiden mit dem gemeinsamen,
noch ungeborenen Kind. Die Vermutungsregel in § 7 Abs. 3a Nr. 2 SGB Il sei auch dann erfüllt, wenn das gemeinsame Kind noch
nicht geboren sei. Der Hausbesuch bei der Klägerin habe ergeben, dass mit Herrn G. ein gemeinsamer Haushalt vorgelegen habe.
lm Weiteren seien die Angaben der Klägerin nicht glaubhaft, dass sie seit Antragstellung am 6. Dezember 2010 bescheiden ohne
Geld allein "von Freunden". gelebt habe.
Die Klägerin hat am 25. August 2011 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Sie hat vorgetragen, eine Einstandsgemeinschaft
zwischen ihr und Herrn G. bestehe nicht. Mietzahlungen an Herrn G. habe sie nicht getätigt, da sie nicht über ausreichend
Geld verfügt habe. Sie habe ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Kinder durch Kindergeld bzw. Unterhaltsvorschussleistungen
und Zuwendungen durch Bekannte und Freunde finanziert.
Der Beklagte hat vorgetragen, er sei weiterhin der Auffassung, dass zwischen der Klägerin und Herrn G. eine Einstandsgemeinschaft
vorliege. Die Klägerin sei in finanzieller Hinsicht von Herrn G. im streitigen Zeitraum unterhalten worden. Herr G. habe Lebensmittel
gekauft und auch die Kosten der Krankenversicherung der Klägerin gezahlt.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung von Herrn G. als Zeugen mit Urteil vom 17. April 2013 wie
folgt für Recht erkannt: "Der Bescheid des Beklagten vom 30. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli
2011 wird aufgehoben. Der Beklagte wird unter Maßgabe, dass eine Einstandsgemeinschaft der Klägerin mit dem Zeugen G. nicht
besteht, verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 16. Juni 2011 SGB II-Leistungen nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren."
Zur Begründung hat es ausgeführt, der angefochtene Bescheid vom 30. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
25. Juli 2011 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin habe in der streitigen Zeit vom 1.
Dezember 2010 bis 16. Juni 2011 Anspruch auf Gewährung von SGB Il-Leistungen dem Grunde nach, weil sie im Sinne des § 9 SGB II bedürftig sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin sei die Kammer letztendlich
zur Überzeugung gelangt, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen G. keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II bestanden habe. Dies habe zur Folge, dass das vom Zeugen G. erzielte monatliche Entgelt aus seiner Beschäftigung nicht der
Klägerin als Einkommen angerechnet werden dürfe.
In der Gesamtschau hätten die Bekundungen des Zeugen G. und die glaubhaften Angaben der Klägerin nicht das Bild einer eheähnlichen
Gemeinschaft ergeben, bei der davon ausgegangen werden könne, dass ein Wille beider Partner bestehe, für einander einstehen
zu wollen. Die Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen G. sei von beiden Partnern unterschiedlich erlebt und bewertet
worden. Ein einheitliches Bild, einer Ehe vergleichbar, habe sich gerade nicht ergeben. Berücksichtige man ausschließlich
die äußeren tatsächlichen Umstände, so sprächen zwar auch Indizien für das Vorliegen eines eheähnlichen Verhältnisses. So
habe der Zeuge G. bekundet, dass die Klägerin regelmäßig, im Sinne von ständig, in seiner Wohnung übernachtet habe und dass
dies nur dann ausnahmsweise nicht der Fall gewesen sei, wenn ein Kind krank gewesen sei. Dies habe die Klägerin auch nicht
bestritten. Aus in der Akte befindlichen Kontoauszügen des Zeugen gehe hervor, dass er Krankenversicherungsbeiträge an die
Krankenversicherung, bei der die Klägerin versichert ist, gezahlt habe. lm Weiteren habe der Zeuge angegeben, die Lebensmittel
überwiegend selbst eingekauft und auch bezahlt zu haben. Was eingekauft werden sollte, sei vorher abgesprochen worden. Dieser
Darstellung habe die Klägerin jedoch widersprochen und angegeben, dass Lebensmittel immer getrennt eingekauft worden seien.
Nach dem Eindruck der Kammer habe - unter Beachtung der differenten Darstellung - ein klassisches gemeinsames Hauswirtschaften
zwischen der Klägerin und dem Zeugen G. jedenfalls nicht stattgefunden. Gemeinsame Freizeitgestaltung im Sinne von Ausflügen/Unternehmungen
mit Kindern hätten nach übereinstimmender Darstellung der Klägerin und des Zeugen G. zwischen Dezember und Juli nur zweimal
stattgefunden. Als weiterer Umstand für ein eheähnliches Verhältnis möge sprechen, dass der Vater des dritten Kindes vermutlich der Zeuge G. sei. Trotz dieser Umstände habe sich die Kammer insbesondere aufgrund der Darstellung
der Klägerin nicht davon überzeugen können, dass "wechselseitig" der Wille bestanden habe, füreinander einzustehen. Aus Sicht
der Klägerin habe es keine Liebesbeziehung und keine eheähnliche Gemeinschaft gegeben. So habe die Klägerin dargelegt, dass
sie sich aus der Not heraus entschieden habe, in das Haus des Zeugen G. zu ziehen, da sie ihr Haus in E-Stadt habe räumen
müssen. lhr vordringliches Interesse sei es nach ihren Angaben damals gewesen, dass sie und ihre Kinder "ein Dach über dem
Kopf" hatten. Bei dem Zeugen G. einzuziehen, sei für die Klägerin eine reine Zweckbeziehung gewesen. Sie habe klargestellt,
dass es aus ihrer Warte heraus keine Liebesbeziehung gewesen sei. Für die Kammer habe sich hieraus das Bild ergeben, dass
die Klägerin aus einer Notlage heraus in das Haus des Zeugen G. gezogen sei und sexuelle Handlungen mit dem Zeugen G. als
eine Art von "Gegenleistung" dafür stattgefunden hätten. In diesem Zusammenhang habe die Klägerin von einem "Leidensweg" gesprochen,
ohne dies detailliert auszuführen. Ihre Erklärungen hätten auf die Kammer glaubhaft und überzeugend gewirkt. Der Eindruck
der Kammer, dass es hier nicht um eine Liebesbeziehung oder eheähnliche Gemeinschaft gegangen sei, werde gestützt durch das
Protokoll über einen Hausbesuch des Ermittlungsaußendienstes des Beklagten bei der Klägerin. Bei den Mitarbeitern des Beklagten
habe die Klägerin dabei einen verzweifelten Eindruck gemacht, so dass die Mitarbeiter die Telefonnummer des Diakonischen Werkes
und des Frauenhauses auf den Anrufbeantworter der Klägerin gesprochen hätten. Dazu passe auch das Verhalten der Klägerin,
bereits kurz nach der Geburt das Haus des Zeugen G. zu verlassen. Hierin komme zur Überzeugung der Kammer auch nicht eine
gescheiterte Beziehung zum Ausdruck, sondern es sei von Anfang an nur eine "einseitige" Beziehung gewesen, die nur vom Zeugen
G. als auf Dauer angelegte Liebesbeziehung empfunden worden sei. Der Zeuge G. habe die Beziehung offenbar ganz anders erlebt.
Er habe die Beziehung zwischen ihm und der Klägerin als Liebesbeziehung beschrieben. Er habe sich mit ihr eine gemeinsame
Zukunft vorgestellt und gemeint, sie seien ein Paar gewesen.
Nach alledem habe die Kammer das Vorliegen einer die Bedürftigkeit der Klägerin ausschließenden Bedarfsgemeinschaft im Sinne
des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II nicht positiv festzustellen vermocht. Demzufolge sei der Beklagte nicht befugt, das Einkommen des Zeugen G. bei der Prüfung
der Hilfebedürftigkeit der Klägerin (§ 9 SGB II) zu berücksichtigen. Der Beklagte werde jedoch zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt - außerhalb
von Kosten der Unterkunft - entweder mit den ihr zur Verfügung stehenden begrenzten Mitteln des Unterhaltsvorschusses und
des Kindergeldes selbst finanziert habe oder - wie der Zeuge vorgetragen habe - ihren Lebensunterhalt vom Zeugen G. finanziert
bekommen habe. Die Klägerin habe hingegen nicht vorgetragen, dass sie sich von Freunden zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes
Geld geliehen habe, welches sie nun zurückgeben müsse. Bei beiden in Betracht kommenden Varianten sei der Bedarf der Klägerin
im streitigen Zeitraum gedeckt gewesen. Eine diesbezügliche Verpflichtung des Beklagten zur Hilfeleistung bestehe daher nicht.
Anders sei dies im Hinblick auf die von der Klägerin nicht getätigten Mietzahlungen zu sehen. Der Zeuge G. habe nicht erklärt,
auf die ausstehenden Mietzahlungen zu verzichten, habe aber auch nicht ausdrücklich erklärt, diese bei der Klägerin noch durchsetzen
zu wollen. Sofern der Zeuge G. von der Klägerin die ausstehenden Mietzahlungen für den streitigen Zeitraum noch verlange -
Verjährung einer Mietzinsforderung trete erst nach drei Jahren ein (§ 195 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) - bestehe auch ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten der Unterkunft. Die Höhe der sich
aus der Mietbescheinigung vom 28. Dezember 2010 ergebenden Monatsmiete in Höhe von 410,- € (280,- € Kaltmiete zzgl. 130,-
€ Betriebskostenvorauszahlung) liege auch innerhalb der von dem Beklagten für drei Personen in Anlehnung an das Wohngeldgesetz als angemessen angesehenen Mietobergrenzen. Nach alledem sei der Klage mit der dargestellten Maßgabe stattzugeben gewesen.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 3. Juni 2013 zugestellte Urteil am 1. Juli 2013 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht
eingelegt und vorgetragen, er sei weiter der Auffassung, dass zwischen dem Zeugen G. und der Klägerin eine Bedarfsgemeinschaft
bestanden habe. Die Angaben der Klägerin seien nicht glaubhaft. Aus dem Akteninhalt sei zunächst ersichtlich, dass die Klägerin
behaupte, durch Bekannte und Freunde, nicht jedoch durch den Zeugen G. finanziell unterstützt worden zu sein. In der öffentlichen
Sitzung vom 17. April 2013 habe sie sodann angegeben, vom Kindergeld und dem Unterhalt des Sohnes gelebt zu haben. Bereits
aus dem Akteninhalt, hier den Kontoauszügen des Zeugen G., ergebe sich jedoch, dass der Zeuge G. die Klägerin finanziell unterstützt
habe (wird im Einzelnen ausgeführt). Auch seien der Zeuge G. und die Klägerin mit deren Kindern im Oktober oder November 2010
für ca. 10 Tage in Kenia bei den Eltern der Klägerin gewesen und hätten dort den Urlaub gemeinsam verbracht. Auf die Frage
in der öffentlichen Sitzung, ob die Klägerin mit dem Zeugen G. etwas unternommen oder Urlaube verbracht habe, habe die Klägerin
diesen gemeinsamen Urlaub in Kenia nicht erwähnt. Nach Überzeugung des Beklagten habe der Zeuge mit der Klägerin Tisch, Bett
und Geld geteilt. Der Zeuge habe die Kinder der Klägerin sowie sein eigenes Kind in seinem Haushalt versorgt, und die Klägerin
habe nach eigenen Angaben ein Kind von ihm erwartet. Dass die Klägerin finanziell nichts zur Beziehung beitragen gekonnt habe,
sei allein dem Umstand geschuldet, dass sie (ggf.) über keinerlei Mittel verfügte. Dies allein könne jedoch einer Einstands-
und Verantwortungsgemeinschaft nicht entgegenstehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3a Nr. 2 und 3 SGB II ebenfalls gegeben seien. Auch sei zu berücksichtigen, dass gegen die Behauptung der Klägerin, es habe sich nicht um eine
Beziehung gehandelt und es sei ein Leidensweg für sie gewesen, spreche, dass der Zeuge G. angebe, die Beziehung habe noch
über den Auszug der Klägerin aus der Wohnung des Zeugen G. hinaus bis ca. März/April 2012 fortbestanden. Den Ausführungen
der Klägerin könne insgesamt kein Glauben geschenkt werden. Mithin habe im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund der Vermutung
einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft eine Bedarfsgemeinschaft bestanden, so dass das Einkommen des Lebensgefährten
G. zu berücksichtigen sei.
Sollte jedoch von der Auffassung des Sozialgerichts, es habe keine Bedarfsgemeinschaft mit dem Zeugen G. bestanden, ausgegangen
werden, scheitere ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II bereits am Fehlen der Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 Abs. 1 SGB II. Der Tenor des angegriffenen spreche der Klägerin einen Anspruch auf SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis 16. Juni 2011 zu. In der Begründung werde dann jedoch ausgeführt, dass
der Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft, mithin der Klägerin und ihrer beider Kinder, gedeckt sei und nur die Kosten der
Unterkunft vom Beklagten zu tragen seien. Dabei werde außer Acht gelassen, dass der Mietvertrag tatsächlich nicht durchgeführt
worden sei. Die Mietkosten seien seitens des Zeugen G. weder eingefordert, angemahnt noch gerichtlich oder außergerichtlich
geltend gemacht worden. Das Urteil berücksichtige auch nicht die lndividualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
So habe der Sohn P. der Klägerin ein Einkommen aus Unterhalt in Höhe von 225,00 € und Kindergeld in Höhe von 184,00 € gehabt,
welches seinen Bedarf (Regelbedarf 215.00 € und Kosten der Unterkunft 136,67 €) vollständig gedeckt habe. Hier wäre der Überschuss
in Höhe von 57,33 € aus dem Kindergeld der kindergeldberechtigten Klägerin als Einkommen anzurechnen. Da das Gericht davon
ausgehe, der Lebensunterhalt, hier wohl in Form der Regel- bzw. Mehrbedarfe, sei entweder durch eigene Mittel - nicht nachgewiesen
- oder durch die Finanzierung des Zeugen G. gedeckt gewesen, blieben jedenfalls nur noch anteilige Kosten der Unterkunft von
136,67 € abzüglich 57,33 €, mithin 79,34 € als Bedarf übrig. Insofern wäre hier dem Klageantrag nicht voll stattzugeben gewesen,
sondern es hätte nur eine teilweise Stattgabe unter Abweisung der Klage im Übrigen mit entsprechender Kostenentscheidung erfolgen
dürfen. Unabhängig davon bleibe im Urteil völlig die Frage offen, ob die Klägerin nicht den gesamten Bedarf, mithin auch die
verbleibenden Kosten der Unterkunft i.H.v. 79,34 € selbst habe decken können, da sie angeben habe, durch Freunde und Bekannte
ebenfalls finanziell unterstützt worden zu sein. Insofern sei auch vor diesem Hintergrund nicht nachzuvollziehen, wie das
Gericht zu der Einschätzung gelangt sei, hinsichtlich der Kosten der Unterkunft habe ein zu deckender Bedarf bestanden. Im
Ergebnis sei nicht nachgewiesen und seitens des Gerichts nicht ermittelt worden, in welcher Höhe (wenn überhaupt) Hilfebedürftigkeit
bestanden habe. Außerdem werde die Auffassung des Gerichts, der streitgegenständliche Zeitraum ende am 16. Juni 2011, nicht
geteilt. Wenn das Gericht zu der Überzeugung gelange, den Zeitraum auf den 16. Juni 2011 zu begrenzen, da die Mutter die Klägerin
im Juni 2011 finanziell unterstützte und dies ggf. als Einkommen zu berücksichtigen wäre, lasse es völlig die im SGB II geltende und nunmehr auch im Gesetz geregelte Zuflusstheorie außer Acht. Der streitgegenständliche Zeitraum wäre damit auf
den 31. Mai 2011 zu beschränken. Nach Ansicht des Beklagten sei der Urteilstenor unklar, wenn nicht sogar widersprüchlich,
so dass das Urteil im Sinne von § 136 SGG wirkungslos sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. April 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das angegriffene sozialgerichtliche Urteil gehe zutreffend davon aus, dass zwischen ihr und dem Zeugen
G. keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bestanden habe. Die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II greife nicht. Sie habe mit dem Zeugen G. nicht länger als ein Jahr zusammengelebt, sie hätten auch nicht mit einem gemeinsamen
Kind zusammengelebt und keiner sei befugt gewesen, über Einkommen und Vermögen des anderen zu verfügen. Auch ein Fall nach
§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II habe nicht vorgelegen. Zwar möge das eine oder andere Einzelkriterium für Zusammenleben ım gemeınsamen Haushalt sprechen.
In der Gesamtschau ergebe sich ein anderes Ergebnis. Gegen ein "Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt" spreche schon, dass
sie und Herr G. überhaupt schriftliche Mietverträge mit entsprechender Mietzinsverpflichtung abgeschlossen hätten. Entscheidend
sei, dass sie sogar zwei Mietverträge abgeschlossen hätten, den zweiten nur deshalb, weil hinsichtlich des ersten Mietvertrages
gar keine Küchenbenutzung möglich gewesen sei (man habe die Wohnungen tauschen wollen). Das dokumentiere, dass sie sehr wohl
habe eigenständig sein sollten. Der Zeuge G. habe am Ende seiner uneidlichen Aussage selbst beantragt, dass ihm Mietzahlungen
direkt überwiesen werden. Das zeige, dass gerade keine Versorgung im Sinne von unentgeltlicher Zurverfügungstellung einer
Wohngelegenheit vorgelegen habe. Ein Verzicht des Zeugen G. auf die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Mietzinsforderungen
sei nicht erfolgt. Was die Küchenmitbenutzung anbelange, sei auch hier das Kriterium des Zusammenlebens im gemeinsamen Haushalt
nicht erfüllt. Der Zeuge G. habe ausgeführt, dass er eigentlich nicht koche. Sie selbst habe oft gekocht und das Essen mit
nach oben genommen und dort mit ihren Kindern gegessen. Zusammen sei nur selten gegessen worden. Gemeinsame Aktivitäten habe
man so gut wie gar keine unternommen. Zwar habe der Zeuge G. im gewissen Umfang an sie adressierte Rechnungen gezahlt, und
er habe die Beträge für Einkäufe zum Teil getragen. Dies sei aber nur geschehen, weil sie keine ausreichenden finanziellen
Mittel gehabt habe. Der Zeuge habe nicht ausgeführt, dass dies zur Aufrechterhaltung oder Stabilisierung der Partnerschaft
gedacht gewesen sei. Aus ihrer Sicht habe sie mit dem Zeugen G. keine Paarbeziehung geführt, sondern es sei ein Leıdensweg
gewesen. Es habe eine Notsituation vorgelegen, und es habe eine Zweckbeziehung, keine Liebesbeziehung bestanden. Deshalb fehle
es an dem Tatbestandsmerkmal des "wechselseitigen Willens". Zusammenfassend könne nicht von einer gemeinsamen Haushaltsführung
ausgegangen werden. Das Urteil werde in der Weise verstanden, dass die Beklagte verpflichtet sei, die gemäß der Mietbescheinigung
vom 28. Dezember 2010 geschuldeten Beträge von monatlich 410,00 € (280,00 € Kaltmiete plus 130,00 € Betriebskostenvorauszahlung)
für den Zeitraum 1. Dezember 2010 bis 16. Juni 2011 an sie zu zahlen. Sie schließe sich ausdrücklich den Würdigungen in dem
sozialgerichtlichem Urteil an, dass ihre sonstigen Lebensunterhaltskosten von dritter Seite bzw. auch durch staatliche Stellen
gedeckt waren. lnsofern habe ein Anspruch nicht bestanden. Nicht beigepflichtet werden könne den Ausführungen in der Berufungsbegründung,
wonach überschießende Anteile auf die Wohnkosten angerechnet werden könnten. Der Anspruch auf Übernahme der Mietkosten bestehe
in vollem Umfang gerade deshalb, weil der Zeuge G. diese Zahlungen begehre, unstreitig hierauf bislang keine Zahlungen erhalten
habe und auf sie auch nicht verzichtet habe. Insofern bestehe durchaus noch die Gefahr, dass der Zeuge G. die Mietforderungen
realisiere, zumal bislang auch keine Verjährung eingetreten sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Leistungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
durch Urteil einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. April 2013 ist aufzuheben. Der mit der Klage angegriffene Bescheid
vom 30. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2011 ist jedenfalls im Ergebnis rechtlich nicht zu
beanstanden.
Streitgegenständlich sind in der Berufungsinstanz, da allein der Beklagte Berufung eingelegt hat, Ansprüche der Klägerin auf
Übernahme der Kosten der Unterkunft (§ 22 SGB II) für sie im Zeitraum 1. Dezember 2010 bis 16. Juni 2011. Nicht streitgegenständlich sind Ansprüche der Kinder der Klägerin,
da in deren Namen keine Klage erhoben worden ist.
Auch nicht streitgegenständlich sind Ansprüche der Klägerin auf Leistungen zum Lebensunterhalt. Das sozialgerichtliche Urteil
spricht zwar in seinem Tenor unter der Maßgabe, dass eine Einstandsgemeinschaft der Klägerin mit dem Zeugen G. nicht bestehe,
die Verurteilung des Beklagten aus, der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 16. Juni 2011 SGB II-Leistungen nach den gesetzlichen Vorschiften zu gewähren. Auch ist die Klage hinsichtlich der Leistungen zum Lebensunterhalt
nicht abgewiesen worden. Aus den Urteilsgründen geht indessen eindeutig hervor, dass das Sozialgericht den Regelbedarf der
Klägerin im streitigen Zeitraum wegen der Finanzierung durch den Zeugen G. als gedeckt sieht. Auch die Klägerin selbst versteht
das Urteil entsprechend. Damit kann sich der zu weit geratene Tenor nur auf die auf die Klägerin entfallenden Kosten der Unterkunft
(also auf ein Drittel der Gesamtkosten der Unterkunft) beziehen, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
auch einen separaten Streitgegenstand darstellen können (vgl. etwa BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R).
Die Klägerin selbst hat mit Schriftsatz vom 19. März 2014 deutlich gemacht, dass ein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt
gegen den Beklagten auch aus ihrer Sicht nicht bestanden habe, weil ihr Bedarf anderweitig von dritter Seite (Zeuge G., Kindergeld,
Unterhalt des getrennt lebenden Ehemanns) gedeckt gewesen sei. Wollte man das Urteil des Sozialgerichts dahingehend auslegen,
dass es den Beklagten auch zur Zahlung des Regelbedarfes an die Klägerin verurteilte, wäre es, weil dieser Bedarf unstreitig
und auch aus Sicht des Senats offensichtlich anderweitig gedeckt war, insoweit aufzuheben.
Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft kommt es darauf an, ob die Klägerin hilfebedürftig im Sinne der § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II in der bei Antragstellung geltenden Fassung war. Dies ist zur Überzeugung des Senats zu verneinen.
Folgt man dem Sozialgericht in seiner Einschätzung, dass zwischen der Klägerin und Herrn G. keine Einstandsgemeinschaft bestanden
hat, so ist gleichwohl ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme ihrer angeblichen Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen
Zeitraum zu verneinen.
Der Senat ist der Überzeugung, dass eine Mietzinsforderung des Zeugen G. aus dem Mietvertrag vom 29. November 2010 nicht wirksam
entstanden ist. Der zwischen der Klägerin und dem Zeugen am 29. November 2010 unterzeichnete Mietvertrag stellt sich nämlich
als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB dar, welches nur dazu gedient hat, Leistungen des Beklagten zu erlangen. Ein Anspruch gegen den Beklagten auf Tragung der
anteilig auf die Klägerin entfallenden 1/3 der vereinbarten Mietzahlungen besteht daher wegen des fehlenden Rechtsbindungswillens
der Parteien hinsichtlich der Anmietung der Wohnung nicht. Für ein Scheingeschäft spricht erstens, dass die Klägerin die Wohnung
schon vor Anmietung zum 1. Dezember 2010 am 22. November 2010 bezogen hatte und der Mietvertrag nachgefertigt wurde. Zweitens
gibt der dem Beklagten bei Beantragung der Leistungen vorgelegte Mietvertrag vom 29. November 2010 wahrheitswidrig eine Küche
als Teil der Dachgeschosswohnung an. Drittens wurde ein weiterer dem Beklagten vorgelegter, am 23. Januar 2011 unterschriebener
Mietvertrag über die Anmietung der Erdgeschosswohnung - die Klägerin gibt hierzu an, Herr G. und sie hätten die Wohnungen
tauschen wollen - offenbar deshalb nicht umgesetzt, weil die Erdgeschosswohnung grundsicherungsrechtlich nicht angemessen
war. Der Vorgang zeigt, dass die Klägerin und der Zeuge leichthin zur Vorlage bei dem Beklagten einen Vertrag miteinander
unterzeichneten, ohne sich selbst rechtlich binden zu wollen. Viertens hat der Zeuge seine Forderungen aus dem Mietvertrag
über die Dachgeschosswohnung nicht ernstlich weiter verfolgt, sondern lediglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht
erklärt, für den Fall, dass die Klägerin rückwirkend vom Jobcenter Geld erhalten sollte, solle die Mietzahlung direkt an ihn
überwiesen werden. Die Gesamtschau ergibt, dass der Mietvertrag über die Dachgeschosswohnung zur Erlangung von Leistungen
des Beklagten, aber nicht mit Rechtsbindungswillen der Vertragsparteien geschlossen wurde.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass unterstellt, ein Mietzinsanspruch des Zeugen G. wäre entstanden, es nicht unberücksichtigt
bleiben könnte, dass dieser zwischenzeitlich verjährt wäre. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
ist bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Zeitpunkt der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (Keller in:
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, § 54 Rn. 35). Wäre der (unterstellte) Mietzinsanspruch des Vermieters gegen
die Klägerin untergegangen, bspw. durch Verzicht des Vermieters oder weil ein Dritter den geschuldeten Betrag für die Klägerin
schenkungsweise an den Vermieter bezahlt hätte, so wäre klar, dass die Klägerin keinen Anspruch mehr auf Zahlung gegen den
Beklagten hätte, weil ihr Bedarf im streitgegenständlichen Zeitraum entfallen ist. Hier wäre der Mietzinsanspruch, unterstellt
er wäre wirksam entstanden, nicht untergegangen. Allerdings wäre der Mietzinsanspruch, unterstellt er wäre wirksam entstanden,
für den Zeitraum 1. bis 31. Dezember 2010 zum 31. Dezember 2013 und der Anspruch vom 1. Januar 2011 bis 16. Juni 2011 ist
zum 31. Dezember 2014 verjährt (§§ 195, 199 BGB). Die Klägerin könnte die Einrede der Verjährung erheben. Zwar ist die Einrede der Verjährung nicht von Amts wegen zu berücksichtigen,
sondern muss vom Schuldner erhoben werden. Indessen wäre die Möglichkeit ihrer Erhebung hier zu berücksichtigen, denn es wäre
der Klägerin zumutbar, diese Einrede zu erheben. Maßgeblich für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist, wie sich eine Person
verhalten würde, deren Kosten der Unterkunft von ihr selbst getragen werden und die diese nicht aus Fürsorgeleistungen des
Staates finanziert bekommt. Ein Mieter, der im Jahr 2016 von einem Vermieter aus einem seit Jahren beendeten Mietverhältnis
wegen zum 31. Dezember 2013 bzw. zum 31. Dezember 2014 verjährter Mietzinsforderungen in Anspruch genommen wird, würde bei
wirtschaftlich vernünftiger Handlungsweise die Einrede der Verjährung gegen den früheren Vermieter erheben. Von der Klägerin
wäre daher, unterstellt ein Mietzinsanspruch des Zeugen G. wäre entstanden, zu verlangen, dass sie sich wie ein wirtschaftlich
vernünftig handelnder Mieter verhält. Vermieter tragen stets das Risiko eines Zahlungsausfalls der Mieter. Wird der Mietzins
von einer Mietpartei nicht gezahlt, muss der Vermieter seinen Anspruch rechtzeitig bei Gericht geltend machen, um die Verjährung
zu verhindern. Dass man Vermieter von diesem Risiko freistellen sollte, wenn hinter dem Mietschuldner als nicht rechtlicher,
aber wirtschaftlicher Schuldner ein Jobcenter steht, leuchtet nicht ein (a.A. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 25. März 2014 - L 3 AS 343/10 ZVW, juris in einem anders gelagerten Fall, in dem langjährig zwischen den Klägern und dem Jobcenter über die Angemessenheit
der geschuldeten Mietzinshöhe als Kosten der Unterkunft gestritten wurde).
Für die Erhebung der Einrede der Verjährung gegen eine Mietzinsforderung aus einem (unterstellt) seit Jahren abgelaufenen
Mietverhältnis, bedarf es auch keiner besonderen Rechtskenntnisse. Bis heute hat Herr G. nicht versucht, die (angebliche)
Mietzinsforderung gegen die Klägerin durchzusetzen. Sollte er dies noch versuchen, ergibt sich für die Klägerin aus dem vorliegenden
Urteil, wie sie sich hiergegen wehren kann.
Da mangels wirksamem Mietvertrag Kosten der Unterkunft für die Klägerin nicht entstanden oder, unterstellt sie wären entstanden,
Mietzinsforderungen gegen sie jedenfalls nicht mehr durchsetzbar sind, kommt es vorliegend auf die Frage, ob zwischen der
Klägerin und dem Zeugen G. eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II bestand, nicht mehr an.
Eine Bedarfsgemeinschaft würde voraussetzen, dass die Klägerin mit Herrn G. in einem gemeinsamen Haushalt so zusammengelebt
hat, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander
einzustehen. Zwar spricht der äußere Anschein einer tatsächlich gelebten Lebensgemeinschaft (Zusammenwohnen, sexuelle Beziehung,
gemeinsamer Urlaub, teilweise bzw. überwiegende Finanzierung des einen Teils durch den anderen) für den wechselseitigen Willen,
Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Der Einstandswille des Zeugen G., der emotional und finanziell
in der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft in die Beziehung investiert und ganz überwiegend den Lebensunterhalt der Klägerin
bestritten hat, ist auch von diesem bestätigt worden. Die Klägerin hat dagegen angegeben, sie habe in dem Zusammenleben eine
bloße Zweckbeziehung gesehen und die finanziellen Vorteile dieser Zweckbeziehung für sich in Anspruch genommen. Bloßen Erklärungen,
nicht für den anderen einstehen zu wollen, obwohl dies objektiv so erkennbar ist, kommt keine maßgebliche Bedeutung zu (Leopold
in jurisPK-SGB II, § 7 Rn. 184 m.w.N.). Weitere Ermittlungen dazu, ob die Klägerin tatsächlich keinen Willen hatte, in der Beziehung zu dem Zeugen
ihrerseits Verantwortung für diesen zu tragen, erübrigen sich indessen, weil tatsächlich alle grundsicherungsrechtlich relevanten
Bedarfe der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gedeckt waren.
Ebenso kann dahinstehen, ob die Einschätzung des Sozialgerichts, dass für die Unterhaltsleistungen und das Obdach des Zeugen
G. im Gegenzug sexuelle Leistungen der Klägerin zu erbringen waren, zutrifft. Daraus dass die Klägerin kurz nach der Geburt
ihrer Tochter wieder - wie der Zeuge es ausdrückte "Knall auf Fall" - auszog, kann jedenfalls nichts für einen Leidensweg
im Sinne einer sexuellen Ausbeutung der Klägerin hergeleitet werden. Der Auszug der Klägerin folgt vielmehr einem zu beobachtenden
Verhaltensmuster. Denn die Klägerin hat seit 2009 fast jährlich die Wohnung gewechselt (D-Stadt, E-Stadt, J-Stadt, N-Stadt,
O-Stadt, wo sie wiederum von ihrem dortigen Freund finanziell unterstützt wurde). Auch wenn es zu der (konkludenten oder ausdrücklichen)
Absprache "Unterkunft gegen sexuelle Leistungen" gekommen wäre, so wäre doch, ungeachtet der Frage der Sittenwidrigkeit einer
solchen Vereinbarung, kein ungedeckter Bedarf der Klägerin für Kosten der Unterkunft zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionszulassungsgründe nicht ersichtlich sind.
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