Eilrechtsschutz für die Genehmigung einer Ortsabwesenheit einer Schülerin
Vorbeugender Rechtsschutz
Gründe
Die Antragstellerin begehrt im Wege des Eilrechtschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, die Genehmigung für eine Ortsabwesenheit
während der Herbstferien in Hessen zu erteilen.
Die am 30. September 2013 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin mit dem sinngemäßen
Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 27. September 2013 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die für die
bevorstehenden Herbstferien des Landes Hessen beantragte Ortsabwesenheit zu genehmigen,
ist nicht begründet, denn dem Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Er ist damit, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden
hat, unzulässig.
Mit dem Eilantrag verfolgt die Antragstellerin letztlich das Ziel, einem Leistungsausschluss im Hinblick auf den Bezug von
Arbeitslosengeld II auf der Grundlage von § 7 Abs. 4a S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vorzubeugen. Vorbeugender (Eil-) Rechtsschutz, wie er mithin von der Antragstellerin mit dem Eilantrag begehrt worden ist,
setzt jedoch ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse dergestalt voraus, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz
verwiesen werden kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG Kommentar, 10. Aufl., vor §
51, Rn. 17a und §
54 Rn. 42a m.w.N.). Insofern hat einstweiliger Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Aufgabe, Rechtsfragen zu beantworten, die
mit einer gegenwärtigen Notlage nichts zu tun haben. Für ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse sind vorliegend Anhaltspunkte
nicht ersichtlich. Vielmehr ist es der Antragstellerin im Falle einer nicht genehmigten Ortsabwesenheit (und ggf. rechtswidrig
unterlassener vorheriger Genehmigung) grundsätzlich zuzumuten, (Eil-) Rechtsschutz gegen einen Leistungsausschluss in Anspruch
zu nehmen. Insofern steht der Antragstellerin im Falle der Leistungsentziehung effektiver Rechtsschutz durch Widerspruch,
Klage und Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§
86b Abs.
1 SGG) bzw. im Falle der Leistungsablehnung Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§
86b Abs.
2 SGG) zur Verfügung (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 3. Juli 2012, L 6 AS 135/12 B ER zum vorbeugenden Eilrechtsschutz gegen eine Eingliederungsvereinbarung). Dies gilt hier umso mehr, als nicht ersichtlich
ist, dass der Antragsgegner aus einer nicht genehmigten Ortsabwesenheit der Antragstellerin Konsequenzen ziehen wird. Zumindest
ist dies offen, wovon das Sozialgericht zutreffend ausgegangen ist. Auch im Beschwerdeverfahren liegen keine gegenteiligen
Erkenntnisse vor.
In diesem Zusammenhang erteilt der Senat den Hinweis, dass die Anwendung von § 7 Abs. 4a SGB II auf die Antragstellerin als Schülerin durchaus Zweifeln begegnet. Zunächst ist davon auszugehen, dass die Vorschrift mit
Wirkung zum 1. April 2011 neu gefasst wurde und der bisherige Bezug auf die Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685 u. 2001,1476) entfallen und zugleich in § 13 Abs. 3 SGB II das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt worden ist, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zum zeit-
und ortsnahen Bereich bzw. zu den Voraussetzungen einer Ortsabwesenheit zu treffen, ohne den Leistungsanspruch zu verlieren.
Bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden Rechtsverordnung gilt § 7 Abs. 4a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a. F.) weiter (§ 77 Abs. 1 SGB II). So liegt der Fall hier, die angesprochene Verordnung liegt bislang noch nicht vor, so dass weiterhin nach § 7 Abs. 4a SGB II a. F. bzw. den Maßstäben der Erreichbarkeits-Anordnung zu entscheiden ist. Sinn und Zweck der Regelung werden durch die Gesetzesmaterialien erhellt, wonach insbesondere bei einem
länger andauernden Aufenthalt im Ausland eine Leistungsabsenkung um lediglich 30 % als nicht geeignet angesehen wurde, den
Hilfebedürftigen zu einer Rückkehr nach Deutschland und der aktiven Mitwirkung an seiner Eingliederung in den Arbeitsmarkt
zu bewegen (Bundestags-Drucks. - BT- Drucks. - 16/1696, S. 26). Insofern war es nach der zuvor geltenden Rechtslage nur möglich,
sanktionsbewehrte Regelungen über eine Ortsabwesenheit in der Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 SGB II zu treffen. Dies ist als nicht ausreichend angesehen worden, um die missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen bei einer
nicht genehmigten Ortsabwesenheit zu vermeiden (BT-Drucks a.a.O.). In der Begründung des Gesetzesentwurfes vom 26. Oktober
2010 betreffend die zum 1. April 2011 in Kraft getretene Neuregelung wird ausgeführt, dass der Verlust des Leistungsanspruches
neben der unerlaubten Ortsabwesenheit voraussetzt, dass der Leistungsberechtigte für Eingliederungsleistungen nicht zur Verfügung
steht, und damit im Umkehrschluss Leistungsberechtigte, die vorübergehend und mit Einverständnis des Trägers ausnahmsweise
keine Eingliederungsbemühungen nachzuweisen haben (bspw. in Vollzeit Beschäftigte, nicht erwerbsfähige Person) keine besondere
Zustimmung der persönlichen Ansprechpartnerin oder des persönlichen Ansprechpartners zu Ortsabwesenheit benötigen (BT-Drucks,
17/3403, S. 92). Davon ausgehend stellt sich die Frage, warum eine Schülerin dem Zustimmungserfordernis im Hinblick auf eine
Ortsabwesenheit unterliegen sollte, obwohl sie keinen Eingliederungsleistungen unterliegt bzw. keine Eingliederungsbemühungen
nachzuweisen hat. In der Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten, dass im Einzelfall zu entscheiden ist, ob die Regelung
des § 7 Abs. 4a SGB II anwendbar ist (vgl. Hackethal in: juris-PK-SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn. 70).
Der Senat geht nach allem davon aus, dass die Anwendung von § 7 Abs. 4a SGB II auf eine Schülerin zumindest zweifelhaft ist. Dem stehen die von dem Antragsgegner in der erstinstanzlichen Antragserwiderung
zitierten Entscheidungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 14. Juli 2010, L 3 AS 3552/09) und des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 30. August 2011, L 19 As 1339/11 B) nicht entgegen.
Mit der erstgenannten Entscheidung ist lediglich im Wesentlichen ausgeführt, dass § 7 Abs. 4a SGB II (a. F.) nur auf Arbeitslosengeld II-Bezieher und nicht auf Bezieher von Sozialgeld anzuwenden ist, weil die arbeitsmarktpolitischen
Zwecksetzungen nicht für Bezieher von Sozialgeld gelten. Eine weitere Differenzierung im Hinblick auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte,
die das 16. Lebensjahr vollendet haben und noch Schüler sind, findet jedoch nicht statt und war auch nicht Gegenstand der
zu entscheidenden Streitfragen. Auch die zweitgenannte obergerichtliche Entscheidung enthält keine weitergehende Differenzierung
-lediglich im Hinblick auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte einerseits und nicht erwerbsfähige Personen andererseits), verweist
die Entscheidung doch im Wesentlichen auf die vorangegangene Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg.
Einer weiteren Vertiefung bedarf es jedoch nicht, denn die abschließende rechtliche Klärung der vorstehenden Fragestellungen
hat nicht im Eilverfahren zu erfolgen, sondern bleibt einem entsprechenden Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Im Ergebnis hat es dabei zu verbleiben, dass dem Antrag der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht
zur Seite steht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).