Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Selbstständiger der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
unterliegt.
Der 1963 geborene Kläger war ausweislich der Kontoübersicht der Beklagten erstmalig im Jahr 1983 und - nach seinem Studium
- zuletzt vom 1. November 1990 bis 31. Januar 1991 abhängig beschäftigt. Ferner ist der Kontoübersicht zu entnehmen, dass
nach einem Aufklärungsersuchen der Beklagten vom Dezember 2005 im Hinblick auf die Ausstellung eines Versicherungsverlaufs
und einer Erinnerung des Klägers die Beklagte am 3. August 2006 ein Bescheid gegenüber dem Kläger erließ.
Der Kläger ist seit 1993 als Versicherungsvermittler für die D. Finanz Beratungs- und Vermittlungs AG in D-Stadt tätig. Dort
fand am 12. September 2011 eine Betriebsprüfung durch die Beklagte statt. Im Rahmen dieser Prüfung wurde der Beklagten eine
Namens- und Adressenliste aller Versicherungsvermittler übermittelt.
Mit Schreiben vom 28. November 2011 wandte die Beklagte sich (unter der Adresse in E-Stadt) an den Kläger im Hinblick auf
eine Prüfung seiner Versicherungspflicht als selbstständig tätiger Handelsvertreter. Trotz Erinnerung durch die Beklagte erfolgte
keine Rückmeldung seitens des Klägers.
Mit Bescheid vom 5. März 2012 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Eintritt der Versicherungspflicht nach §
2 S. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) und die Verpflichtung zur Zahlung des Regelbeitrags ab dem 28. Juni 2011 fest. Er beschäftige im Rahmen seiner selbstständigen
Tätigkeit regelmäßig keinen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer und sei auf Dauer im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber
tätig. Sie forderte eine Zahlung in Höhe von rückständigen Beiträgen ab dem 28. Juni 2011 in Höhe von 4.645,05 € und laufende
Beiträge ab dem 1. April 2012 in Höhe von monatlich 514,50 €.
Am 17. April 2012 erließ die Beklagte einen weiteren Beitragsbescheid und setzte zusätzlich zu den bereits mit Bescheid vom
5. März 2012 festgesetzten Beiträgen - Säumniszuschläge für die Zeit vom 26. Juni 2011 bis 31. März 2012 in Höhe von 4.877,05
€ fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Er verwies darauf, dass die Beklagte die Adresse seiner Eltern
genutzt habe, unter welcher er seit dem Jahr 1987 nicht mehr lebe. Er habe nach seinem Studium im Jahr 1993 eine selbstständige
Tätigkeit als Handelsvertreter aufgenommen und vermittle seitdem Versicherungen. Dies habe er der Bundesanstalt für Angestellte
(BfA) mitgeteilt. Ferner habe er darüber informiert, dass er sich privat gegen Berufsunfähigkeit absichere und für das Alter
vorsorge. Er habe sich auch nach den Gesetzesänderungen im Jahr 1998 erneut bei der Beklagten gemeldet, von dieser jedoch
nie etwas gehört. Er sei immer davon ausgegangen, dass er wirksam von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Die entsprechenden
Unterlagen lägen ihm nicht mehr vor.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2012 hob die Beklagte "die Forderungsbescheide vom 17. April 2012" sowie die darauffolgenden Mahnungen
auf.
Am 9. Juli 2012 schrieb die Beklagte den Kläger (unter der aktuellen Adresse in A-Stadt) erneut wegen seiner selbstständigen
Tätigkeit und der Versicherungspflicht an. Trotz Erinnerung reagierte der Kläger nicht.
Mit Bescheid vom 12. September 2012 stellte daraufhin die Beklagte das Vorliegen von Versicherungspflicht ab dem 1. Januar
1999 gemäß §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI fest. Der Kläger habe ab dem 1. Januar 2008 den Regelbeitrag zu zahlen. Ferner forderte sie einen rückständigen Beitrag in
Höhe von 28.785,30 € für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. September 2012 und einen laufenden Beitrag in Höhe von 514,50
€ ab dem 1. Oktober 2012.
Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 Widerspruch ein und verwies erneut darauf, dass er seinerzeit
einen Antrag auf Befreiung gestellt habe, über welchen die Beklagte nicht entschieden habe. Er sei davon ausgegangen, dass
er damit wirksam von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Ferner sei zwar richtig, dass er nur für einen Auftraggeber
tätig sei, er arbeite jedoch selbstständig und sei in keiner Weise abhängig. Es sei seine unternehmerische Entscheidung, dass
er nur für einen Auftraggeber tätig sei.
Am 8. Januar 2013 beantragte der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht. Er sei seit dem Jahre 1993 als Versicherungsvermittler
selbstständig tätig und erziele regelmäßig ein Einkommen über 400 € monatlich. Er habe eine private Vorsorge abgeschlossen.
Ferner habe er Grundvermögen im Wert von ca. 120.000 €, auf welche noch Schulden in Höhe von ca. 40.000 € lasteten. Zudem
habe er ein Finanzvermögen in Höhe von ca. 40.000 €. Er legte Unterlagen über private Lebensversicherungen vor.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab und verwies den Kläger darauf, dass die Versicherungspflicht
bereits am 1. Januar 1999 eingetreten sei. Der Antrag hätte gemäß §
231 Abs.
5 SGB VI binnen Jahresfrist und daher bis zum 31. März 1999 gestellt werden müssen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und
verwies darauf, dass er seinerzeit einen Antrag gestellt habe. Dieser Antrag sei unbearbeitet geblieben. Dies sei nicht sein
Verschulden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12. September
2012 zurück und verwies darauf, dass ein früherer Befreiungsantrag nicht vorliege. Die Befreiung sei zu Recht abgelehnt worden,
so dass Versicherungspflicht vorliege. Die Bescheide vom 12. September 2012 und 25. Januar 2013 seien nicht zu beanstanden.
Am 23. Mai 2013 erließ die Beklagte einen weiteren Beitragsbescheid und setzte Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1. Januar
2008 bis 30. April 2013 fest (Gesamtforderung 42.846,37 €).
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er verwies darauf, dass er im Jahre
1998 einen Befreiungsantrag gestellt habe. Er habe eine private Rentenversicherung und eine private Lebensversicherung mit
Berufsunfähigkeitsschutz abgeschlossen. Er erziele seit dem Jahr 2009 nur noch geringere Umsätze, da er seine schwer kranke
und voll erwerbsunfähige Frau pflege. Letztlich bestehe noch ein Darlehen für die gemeinsam bewohnte Immobilie in Höhe von
85.000 €. Er sei auch nicht in der Lage, die geforderten Rentenbeiträge ratenweise zu zahlen.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2013 nahm die Beklagte den Bescheid vom 23. Mai 2013 hinsichtlich der geforderten Säumniszuschläge
zurück. Ferner setzte sie das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens aus.
Am 3. Juni 2013 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2013 erhoben
und einen Eilantrag gestellt (S 19 R 223/13 ER). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er private Vorsorge betreibe. Ferner habe er mit Gesellschaftsvertrag vom 27.
Februar 1996 zum 27. Januar 1997 die F. Finanzberatungs GmbH B-Stadt mitgegründet. Er halte 25 % des Stammkapitals. Vom 18.
Juni 1997 bis Mai 2008 sei er Geschäftsführer dieser GmbH (seit 19. September 1997 alleiniger Geschäftsführer) gewesen. Er
habe einen Monatslohn von 8.000 DM bezogen (§ 5 des Geschäftsführervertrages vom 18. Juni 1997). Diese GmbH habe im Mai 2008
wegen Zahlungsschwierigkeiten ihre geschäftlichen Aktivitäten eingestellt. Er sei dann bis Mai 2012 - dem Zeitpunkt der Löschung
der GmbH - als Liquidator tätig gewesen. Es sei hiernach selbstständig sowohl für die G. Versicherung als auch die D. Finanz
AG tätig gewesen. Er hat eine Courtage-Zusage der G. von 1997, eine Gehaltsabrechnung für Dezember 2007 für eine Mitarbeiterin
und Nachweis der GmbH für die Jahre 2005 bis 2008 vorgelegt. Zudem ist er der Auffassung, dass der Widerspruchsbescheid mangels
eigenhändiger Unterschrift nichtig sei.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die selbstständige Tätigkeit für einen Auftraggeber auch im Rahmen einer gesellschaftlichen
Verbindung ausgeübt werden könne. Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages sei daher nicht maßgeblich. Der Kläger sei ausweislich
der von ihm vorgelegten Nachweise zu 83,33 % für die D.versicherung tätig gewesen. Abrechnungen aus dem Jahr 2001 bzw. von
Mitarbeitern aus dem Jahr 2002 seien nicht relevant, da die Beiträge aus dem Jahr 2002 schon verjährt seien. Der Widerspruchsbescheid
vom 24. Mai 2013 beziehe sich aufgrund der Bezugnahme am Ende des Bescheides auch auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom
25. Januar 2013.
Mit Urteil vom 7. Oktober 2014 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 insoweit aufgehoben, als eine Beitragspflicht des Klägers von Januar bis Mai 2008
festgestellt worden sei. Im Übrigen hat sie die Klage abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid sei formell rechtmäßig. Das Fehlen
einer eigenhändigen Unterschrift der Mitglieder des Widerspruchsausschusses begründe keinen Formfehler. Gemäß § 33 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) könne ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. §
85 Abs.
3 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ordne als Sonderregelung hierzu an, dass ein Widerspruchsbescheid schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten
bekannt zu geben sei. Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt müsse die erlassende Behörde erkennen lassen und
die Unterschrift oder die Wiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten, § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Der Widerspruchsbescheid sei schriftlich erlassen worden, lasse als Absender ohne Weiteres die erlassende Behörde erkennen
und gebe auf Seite drei auch die Namen der Mitglieder des Widerspruchsausschusses, welche die Entscheidung über den Widerspruch
des Klägers getroffen hätten, und damit auch den Namen des Mitarbeiters, welcher als Vertreter des Direktoriums der Beklagten
an der Entscheidung beteiligt gewesen sei, wieder. Ausweislich des Wortlauts des § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestünden Unterschrift und Wiedergabe in einem Alternativverhältnis und sollten gewährleisten, dass für den Empfänger nachvollziehbar
sei, wer verantwortlicher Urheber der betroffenen Entscheidung sei. Die Namenswiedergabe müsse denjenigen bezeichnen, der
für das Ergebnis des behördeninternen Entscheidungsprozesses und damit für den Erlass des schriftlichen Verwaltungsaktes die
Verantwortung trage. Dies sei vorliegend der Fall. Eine Beglaubigung der Wiedergabe sei nicht erforderlich. Selbst wenn ein
Verstoß gegen § 33 Abs. 3 SGB X bestünde, so wäre der Bescheid nach § 42 SGB X nicht aufzuheben. Hiernach könne die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig sei, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form
oder die Zuständigkeit zu Stande gekommen sei, wenn offensichtlich sei, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache
nicht beeinflusst haben. Wie aus der Akte der Beklagten zu entnehmen sei, hätten die Mitglieder des Widerspruchsausschusses
der Beklagten den Widerspruch bereits in ihrer Sitzung vom 18. April 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Es sei daher offensichtlich,
dass die endgültige Form des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 auf die Entscheidung des Widerspruchsausschusses, welcher
bereits zuvor getroffen worden sei, keinen Einfluss gehabt habe. Nichtigkeit des Widerspruchsbescheids gemäß § 40 SGB X liege ebenfalls nicht vor. Der Bescheid vom 12. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 sei
auch materiell rechtmäßig. Der Kläger sei in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis Mai 2008 als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer
rentenversicherungspflichtig gewesen, §
1 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI. Der Kläger habe 1996 gemeinsam mit zwei weiteren Gesellschaftern die F. Finanzberatungs GmbH B Stadt mit dem Geschäftszweck
der Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen gegründet. Ausweislich des Gesellschaftsvertrages habe der Kläger
über keine beherrschende Position verfügt. Er habe gesellschaftsrechtlich die Geschicke der GmbH nicht alleine bestimmen können.
Insbesondere habe er nicht über eine Sperrminorität verfügt. Dies habe sich auch nicht mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters
im Jahr 2001 geändert. Daher sei er als Geschäftsführer abhängig beschäftigt gewesen. Mit Einstellung der Tätigkeit der GmbH
im Mai 2008 habe die Versicherungspflicht als Versicherungsmakler nicht mehr auf eine abhängige Beschäftigung gegründet. Rechtsgrundlage
für die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit sei sodann §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI gewesen. Der Kläger übe seit 2008 eine Tätigkeit als Versicherungsmakler aus, ohne ein weiteres Arbeitsverhältnis bezüglich
dieser Tätigkeit eingegangen zu sein. Dass er zunächst noch weiterhin als Liquidator für die GmbH tätig gewesen sei, sei irrelevant.
Er sei auch ausschließlich für einen Auftraggeber tätig gewesen, nämlich die D. Finanzberatungs- und Vermittlung AG. Er habe
keinerlei Unterlagen vorgelegt, aus denen sich etwas anderes ergebe. Da der Kläger in seiner selbstständigen Tätigkeit zudem
keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, seien alle Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI erfüllt. Der Kläger habe die Tätigkeit mehr als nur geringfügig ausgeübt und übe sie auch weiterhin aus. Der Kläger sei auch
nicht von der Versicherungspflicht als Selbstständiger zu befreien. Gemäß §
231 Abs.
5 SGB VI könne unter bestimmten Voraussetzungen zwar eine Befreiung der Versicherungspflicht erfolgen. Dies setze jedoch voraus, dass
am 31. Dezember 1998 eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Tätigkeit
als Selbstständiger erst im Jahr 2008 begonnen habe. Darüber hinaus hätte der Kläger bis zum 30. Juni 2000 einen Befreiungseintrag
stellen müssen, §
231 Abs.
5 SGB VI. Der Kläger habe jedoch ausweislich der Verwaltungsakte einen Befreiungsantrag erstmals am 8. Januar 2013 gestellt. Soweit
er eine frühere Antragstellung behaupte, habe er dies nicht nachweisen können. Er habe keine Kopie des Antrags oder der Nachfrage
zur Bearbeitung des Antrags bei der Beklagten oder Sendenachweise vorgelegt. Mithin bestünden keinerlei objektivierbare Anhaltspunkte
für die behauptete Antragstellung. Auch im Zusammenhang des Konten-Aufklärungsverfahrens im Jahr 2006 habe der Kläger keine
Nachfragen zu seinem Status und einer Befreiung angebracht. Das Gericht habe sich daher nicht davon überzeugen können, dass
der Kläger schon zu einem früheren Zeitpunkt einen Befreiungsantrag gestellt habe. Der Kläger trage für eine frühere Antragstellung
die Beweislast. Er sei auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er den Antrag
rechtzeitig gestellt. Denn es sei weder ein Beratungsfehler der Beklagten ersichtlich, noch könne ein solcher ursächlich geworden
sein. Denn der Kläger trage selbst vor, dass er Kenntnis vom Versicherungspflichttatbestand gehabt habe. Ebenso scheide eine
Befreiung nach §
6 Abs.
1a SGB VI wegen Fristversäumnis aus, da der Befreiungsantrag aus dem Jahr 2013 nicht innerhalb der ersten zwei Jahre nach Aufnahme
der selbstständigen Tätigkeit gestellt worden sei. Der Bescheid vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24. Mai 2013 sei aber insoweit aufzuheben, als der Kläger zur Beitragszahlung im Zeitraum von Januar bis Mai 2008 verpflichtet
worden sei. Die Pflicht zur Zahlung und Tragung der Beiträge als Selbstständiger ergebe sich aus den §§
169 Nr. 1 und
173 SGB VI. Als Arbeitnehmer sei der Kläger jedoch nicht verpflichtet, die Beiträge zur Rentenversicherung selbst abzuführen. Diese
würden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (§§ 28d, 28e Sozialgesetzbuch Viertes Buch -
SGB IV) und könnten bei Arbeitnehmern nur durch Lohnabzug geltend gemacht werden (§
28g Satz 2 und
3 SGB IV).
Der Kläger hat gegen das ihm am 7. November 2014 zugestellte Urteil am 8. Dezember 2014 (einem Montag) vor dem Hessischen
Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung erneut auf den Mangel der Schriftform des Widerspruchsbescheids
hingewiesen. § 33 SGB X finde keine Anwendung, da diese Norm durch die Spezialvorschrift des §
85 Abs.
3 Satz 1
SGG verdrängt werde. Die Unterschrift diene auch nicht nur der Sicherstellung der Urheberschaft. Vielmehr solle diese zugleich
Aufschluss darüber geben, dass es sich bei dem Widerspruchsbescheid um die getroffene Entscheidung und nicht lediglich um
einen Entwurf handele. Darüber hinaus sei das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger als Geschäftsführer
der F. Finanzberatungs GmbH B-Stadt keine beherrschende Position innegehabt habe. In § 7 Abs. 10 des Gesellschaftsvertrages
sei geregelt, dass die Gesellschafterversammlung grundsätzlich mit einer Einstimmigkeit aller Gesellschafter beschließt. Dies
bedeute, dass der Kläger regelmäßig trotz einer Stammeinlage von lediglich 25 % jeden Beschluss hätte verhindern können, insbesondere
seine Abberufung als Geschäftsführer. Er sei demnach nicht abhängig beschäftigt gewesen, so dass er durchaus einen Befreiungsantrag
hätte stellen können. Dass ein solcher der Beklagten nicht vorliege, sei nicht feststellbar, weil diese den diesbezüglichen
Aktenbestand offensichtlich vernichtet habe. Im erstinstanzlichen Verfahren habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juli
2013 erklärt, über keine weiteren Aktenteile zu verfügen. Mithin habe sie für den Zeitraum vor dem Jahr 2011 die Akten des
Klägers vernichtet. Damit liege ein Fall der Beweisvereitelung vor, auf dessen Folgen der Kläger das Sozialgericht hingewiesen
habe. Es sei unzutreffend, dass der Kläger in Bezug auf das Kontoklärungsverfahren untätig geblieben sei. Vielmehr habe die
Beklagte nach wie vor die seit vielen Jahren nicht mehr gültige Adresse des Klägers verwendet, um diesen zu erreichen. Er
sei also lediglich über seine Eltern informiert worden und das zu einer Zeit, als seine Frau mit ihrer Krebserkrankung habe
kämpfen müssen. Gleichwohl habe er sich im August 2006 mehrfach telefonisch an die Beklagte gewandt, ohne dass seine Sicht
über die Versicherungsfreiheit in Frage gestellt worden wäre. Allerdings könne die Dokumentation dieser Telefonate aufgrund
des vernichteten Aktenbestandes ebenfalls nicht mehr der Behördenakte entnommen werden. Da das Kontenklärungsverfahren im
Jahr 2006 vor dem Sozialgericht erst im Urteil thematisiert worden sei, habe sich der Kläger im Vorfeld nicht gehalten gesehen,
entsprechende Nachweise über erfolgte Telefonate beizubringen. Er verweist auf die nunmehr vorgelegten Einzelverbindungsnachweise
(Bl. 144 der Akte). Ferner habe durchaus eine Beratungspflicht im Hinblick auf Fristen bestanden. Auch eine Spontanberatung
sei insbesondere mit Beendigung der Geschäftsführertätigkeit unter Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsmakler
im Jahre 2008 angezeigt gewesen. Für diesen Zeitpunkt sei aber ebenfalls keine Beratung durch die Beklagte erkennbar. Weiterhin
sei fraglich, ob das Sozialgericht überhaupt über den Bescheid vom 25. Januar 2013 habe entscheiden dürfen. Insoweit sei das
Widerspruchsverfahren nämlich nicht klar beendet worden. Der Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides laute nämlich, dass
der Widerspruchsbescheid gegen den Bescheid vom 12. September 2012 geprüft worden sei und insoweit die Entscheidung ergehe,
dass der Widerspruch zurückgewiesen werde. Der Bescheid vom 25. Januar 2013 finde hierbei keine Erwähnung. Lediglich im Rahmen
der Begründung werde er angeführt. Die Begründung als solche stelle jedoch nicht die behördliche Entscheidung dar, sondern
diene allein der Erläuterung der im Verfügungssatz getroffenen Entscheidung. Es verwundere auch, dass das Sozialgericht den
Bescheid vom 25. Januar 2013 für zutreffend erachtet habe, obwohl in diesem Fall von einer Versicherungspflicht gemäß §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI ab dem 1. Januar 1999 ausgegangen werde, das Sozialgericht hingegen eine abhängige Beschäftigung angenommen habe. Mit Schreiben
vom 13. Dezember 2014 habe die Beklagte die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers angeschrieben, obwohl der Beklagten
bekannt sei, dass das diesbezügliche Mandatsverhältnis beendet worden sei. Damit habe die Beklagte einmal mehr unter Beweis
gestellt, dass sie die Angelegenheit des Klägers nicht mit der gebotenen Sorgfalt bearbeite. Der Kläger habe sich wegen seines
Versicherungsstatus mehrfach mit der Beklagten in Verbindung gesetzt. Über diese Telefonate lägen keine Gesprächsvermerke
in der Akte vor, obwohl mit dem vorgelegten Einzelverbindungsnachweis der telefonische Kontakt erwiesen sei. Offensichtlich
sei die Aktenführung der Beklagten lückenhaft. Die Beklagte habe entgegen ihrer Aufbewahrungsfristen Aktenteile vernichtet
oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß verwahrt. Damit habe sie dem Kläger die Nachweisführung der Antragstellung unmöglich gemacht.
Ferner falle auf, dass sich die Beklagte mit der gerügten Beratungspflichtverletzung nicht auseinandergesetzt habe. Die Beklagte
müsse deshalb die Ergebnisse der Betriebsprüfung bei der F. Finanzberatungs GmbH B-Stadt offen legen. Sollte sich hieraus
ergeben, dass der Versicherungsstatus des Klägers akzeptiert worden sei, wäre dies ebenfalls für den Umfang der Beratungspflicht
der Beklagten relevant. Für die Dauer der Tätigkeit des Klägers bei der F. Finanzberatungs GmbH B-Stadt komme es entscheidend
auf das Ergebnis der Betriebsprüfung an. Zwar begründe das Ergebnis grundsätzlich keinen Vertrauensschutz. Vorliegend sei
jedoch aufgrund der Unternehmensgröße davon auszugehen, dass gerade der Versicherungsstatus des Klägers geprüft worden sei,
weshalb dann auch dieses Prüfergebnis Vertrauensschutz begründe. Da die Akte der Beklagten nachweislich unvollständig sei,
sei eine Beweisführung für den Kläger nicht möglich. Dass der Befreiungsantrag des Klägers nicht eingegangen sein soll, lasse
sich jedenfalls mit der Behördenakte nicht beweisen. Da Beweisvereitelung vorliege, bestehe eine Beweislastumkehrung. Die
Beklagte müsse sich folglich so behandeln lassen, als wäre die Beweisführung gelungen. Die Telefonate im Jahr 2006 seien durchaus
von Bedeutung. Denn mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 sei in §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI ein zweiter Halbsatz eingeführt worden, der eine Rechtsänderung zur Folge gehabt habe. Es sei nämlich fraglich, ob diese
Norm überhaupt zur Anwendung habe kommen können, da diese Vorschrift - anders als §
2 Satz 1 Nr. 8
SGB VI - keine Regelung für Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit enthalten habe. Zum Zeitpunkt der Bestellung des Klägers
zum Geschäftsführer habe dieser davon ausgehen dürfen, dass er keiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
unterliege. Durch die Änderung im Jahr 2006 hätte die Beklagte den Kläger in den geführten Telefonaten auf diese Umstände
hinweisen müssen, was nicht geschehen sei. In diesem Fall hätte der Kläger noch von der Befreiungsmöglichkeit nach §
231 Abs.
5 SGB VI Gebrauch machen können, weil die Jahresfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als im Mai 2008 mit
der Beendigung der Tätigkeit als Geschäftsführer auch der Anknüpfungstatbestand des §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI nicht mehr gegeben gewesen sei. Für die Dauer der Existenz der F. Finanzberatungs GmbH B-Stadt könne der Kläger nicht Beitragsschuldner
sein, weil er als Arbeitnehmer zu behandeln sei. Sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, entfalle die Beitragspflicht
des Klägers vor dem Hintergrund der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit zum Mai 2008. Er sei seit diesem Zeitpunkt nur
noch als Liquidator der GmbH tätig gewesen. Als Liquidator könne keine Versicherungspflicht angenommen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. Oktober 2014 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 12. September 2012
und 25. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 abzuändern und festzustellen, dass der Kläger von
der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Ausführungen im Urteil betreffend einer abhängigen Beschäftigung bis Mai 2008 nicht zuträfen.
Aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses bei der Beschlussfassung habe der Kläger eine umfassende Sperrminorität und damit
die Rechtsmacht in der GmbH gehabt. Dies schließe eine abhängige Beschäftigung aus. Die Beklagte sei aber auch nicht von einer
abhängigen Beschäftigung ausgegangen. Im Übrigen hält sie das angegriffene Urteil für zutreffend. Selbst wenn in den Jahren
2005/2006 in einem Kontenklärungsverfahren in einem Telefongespräch oder bei der Betriebsprüfung die Selbstständigkeit thematisiert
worden sei, wäre zum damaligen Zeitpunkt eine Befreiung nicht mehr möglich gewesen. Die Frist sei längst abgelaufen. Ein sozialrechtlicher
Herstellungsanspruch könne da nicht helfen. Eine gedachte Falschberatung im Jahr 2006 könnte keine damals längst abgelaufene
Befreiungsfrist neu eröffnen. Mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könnte hier allenfalls begehrt werden, dass
die Verjährung für die Beiträge für die Jahre 2002 bis 2007 aufgehoben werden, was aber wohl nicht gewünscht werde.
Die Berichterstatterin hat am 2. Juli 2015 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Kläger in der Zeit von Januar bis Mai 2008 nicht abhängig beschäftigt gewesen.
Der Kläger hatte - wie die Beklagte zutreffend festgestellt hat - in dieser Zeit eine durch § 7 Abs. 10 Gesellschaftsvertrag
geregelte umfassende Sperrminorität und damit die Rechtsmacht in der GmbH gehabt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Das Urteil war daher insoweit aufzuheben.