Versicherungspflicht eines Syndikusanwalts
Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers
Verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger ab dem 19. März 2009 bis zum 31. August 2009 für die Beschäftigung,
die er bei B. - Bundesverwaltung ausübte, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien
hat.
Der 1974 geborene Kläger ist Volljurist und arbeitete u.a. ab dem 11. Dezember 2006 als Rechtsanwalt bei D. Rechtsanwälte,
D-Stadt, und ab dem 1. Dezember 2007 bis zum 30. April 2008 bei der E. Rechtsanwalts GmbH. Im Anschluss daran war der Kläger
arbeitslos gemeldet und arbeitete als freiberuflicher Rechtsanwalt. Die Beklagte befreite den Kläger mit Bescheid vom 17.
September 2008 auf dessen Antrag ab dem 1. Juni 2007 für alle versicherungspflichtigen Beschäftigungen in einer Rechtsanwaltskanzlei
bzw. für versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeiten als Rechtsanwalt nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI).
Seit Oktober 2009 ist der Kläger als angestellter Rechtsanwalt in A-Stadt tätig und insoweit von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Beklagte befreit - Bescheid vom 29. März 2010. Der Kläger war zunächst Mitglied
der Rechtsanwaltskammer X-Stadt und der Rechtsanwaltskammer E-Stadt und ist nun Mitglied der Rechtsanwaltskammer A-Stadt.
Seit dem 1. Juni 2007 ist der Kläger Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Land Hessen (Aufrechterhaltung der
Pflichtmitgliedschaft).
Am 28. Mai 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
für die Nebentätigkeit als Rechtssekretär bei B. - B-Stadt (Einsatzort F-Stadt) zur Tätigkeit als Rechtsanwalt. Insoweit legte
der Kläger u.a. in Teilen den Zeitarbeitsvertrag mit N. als teilzeitbeschäftigter Gewerkschaftssekretär mit einer Wochenarbeitszeit
von 19 Stunden für die Zeit vom 19. März 2009 bis zum 31. August 2009 vor. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 lehnte die Beklagte
die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit bei B. - in F-Stadt vom
19. März 2009 bis 31. August 2009 ab. Bei einer neben der berufsspezifischen Tätigkeit ausgeübten befristeten Nebentätigkeit
sei u.a. Voraussetzung für eine Erstreckung, dass in der Vergangenheit bereits ein Befreiungsbescheid nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI erteilt worden und diese Befreiung im Hinblick auf die berufsspezifische Hauptbeschäftigung noch aktuell wirksam sei. Da
im Hinblick auf die Hauptbeschäftigung des Klägers in dem Zeitraum vom 19. März 2009 bis 31. August 2009 keine wirksame Befreiung
vorgelegen habe, fehle für die berufsfremde Nebentätigkeit bereits die Grundvoraussetzung für eine Erstreckung der Befreiung.
Am 5. November 2010 erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, dass er aufgrund seiner hauptberuflich ausgeübten selbstständigen
Tätigkeit als Rechtsanwalt im Bereich Arbeits- und Verkehrsrecht Mitglied der Rechtsanwaltskammer B-Stadt gewesen sei. Die
bei N. ausgeübte Tätigkeit sei von dem Umstand gekennzeichnet gewesen, dass er beratend selbstständig tätig und nicht weisungsabhängig
gewesen sei. Der Befreiungsbescheid vom 17. September 2008 umfasse auch die bei N. ausgeübte Tätigkeit. Mit Widerspruchsbescheid
vom 12. Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, dass im Rahmen der Tätigkeit für N. von
dem Kläger keine typische anwaltliche Tätigkeit ausgeübt worden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 14. August 2011 Klage bei dem Sozialgericht Gießen erhoben und ausgeführt, dass er im streitgegenständlichen
Zeitraum vom 19. März 2009 bis zum 31. August 2009 nahezu ausschließlich als Leiter Recht bei N. tätig gewesen sei. Daneben
habe er als Rechtsanwalt gearbeitet und einen LL.M./MBA Masterstudiengang an der TU Dresden absolviert. Die Beklagte hat im
Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vorliegend nicht in Betracht
komme, festgehalten. Mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 hat das Sozialgericht das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land
Hessen (Beigeladener zu 1) und B. - (Beigeladene zu 2) beigeladen. Die Beigeladene zu 2 hat eine Tätigkeitsbeschreibung "Gewerkschaftssekretär/in
mit Rechtsschutzaufgaben" vorgelegt, wonach die Kernaufgaben der Stelle die Rechtsberatung und rechtliche Betreuung von Mitgliedern,
die Rechtsberatung und rechtliche Betreuung von betrieblichen Funktionären und Gremien, Koordinationsaufgaben, Rechtsschutzorganisation,
Bildungsarbeit und büroverwaltende Tätigkeiten beinhalten. Auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2013 hat das Sozialgericht
mit Urteil vom 23. April 2013 den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.
Juli 2011 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2 vom 19. März 2009
bis 31. August 2009 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers
zu tragen. Nach der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis hätten sich für die entscheidende Beurteilung, ob der Kläger
im Rahmen seiner Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär eine für einen Rechtsanwalt typische Tätigkeit ausgeübt habe, vier Kriterien
herausgebildet. Als Voraussetzung für einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
müsse die Tätigkeit eines Syndikusanwalts die Rechtsberatung, die Rechtsentscheidung, die Rechtsgestaltung und die Rechtsvermittlung
bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber umfassen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend u.a. aufgrund der vorgelegten Stellenbeschreibungen
zu bejahen.
Gegen das der Beklagten am 2. Mai 2013 zugestellte Urteil hat diese am 30. Mai 2013 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht
eingelegt. Zur Begründung weist sie auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den so genannten Syndikusanwälten
(abhängig beschäftigte Rechtsanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern) hin, die ein Recht auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
für diese verneine - Bundessozialgericht, Urteile vom 3. April 2014, B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R. Syndikusanwälte
seien danach nicht als Rechtsanwälte bei ihren jeweiligen Arbeitgebern beschäftigt. Nach gefestigter verfassungsrechtlicher
und berufsrechtlicher Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild des Rechtsanwaltes nach der BRAO werde derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Angestelltenverhältnis zu einem bestimmten
Arbeitgeber stehe, in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt
sei der Syndikus nur in seiner freiberuflichen, versicherungsfreien Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses. Auf die
von der Rechtsprechungspraxis entwickelte so genannte "Vier-Kriterien-Theorie" komme es nicht an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. April 2013 aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Kläger hält die Entscheidung des Bundessozialgerichts für unzutreffend, weist auf Presseberichte hin, wonach Gesetzesvorhaben
geplant seien, die Befreiungen von Syndikusanwälten und Volljuristen in Verbänden etc. von der Versicherungspflicht vorsähen
und regt an, den diesbezüglichen Referentenentwurf der Bundesregierung abzuwarten. Auch sei eine Aussetzung des Verfahrens
im Blick auf die anhängigen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht in Erwägung zu ziehen.
Der Beigeladene zu 1 hält die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 für falsch und nicht haltbar. Zudem
habe hier bereits ein Befreiungsbescheid vom 17. September 2008 für die Tätigkeit als Rechtsanwalt vorgelegen. Bisher sei
nicht abschließend geklärt, ob ein solcher Bescheid Vertrauen schaffe, auf das sich der Empfänger des Bescheides berufen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und
der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2011 ist
nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum gegenüber der Beklagten kein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2.
Nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI (in der Neufassung von Art. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze - SGB6uaÄndG - vom 15. Dezember 1995 - BGBl I 1824 4, der am 1. Januar 1996 in Kraft getreten und durch
Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung - RVOrgG - vom 9. Dezember 2004 -
BGBl I 3242 - ab dem 1. Januar 2005 durch Art. 86 Abs. 1 geringfügig modifiziert worden ist) werden von der Versicherungspflicht
befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer
durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung
oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung
Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine
gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze
zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene
erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen
ist.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Der Kläger kann in seiner Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 2 als so genannter Syndikusanwalt (ständiger Rechtsberater
in einem festen Dienst4 oder Angestelltenverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber), der zudem als Rechtsanwalt zugelassen
ist, nicht dem Berufsbild des Rechtsanwalts zugeordnet werden.
Insoweit folgt der Senat nach eigener Überprüfung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Syndikusanwälten (zugelassene
und abhängig beschäftigte Rechtsanwälte) - Bundessozialgericht, Urteile vom 3. April 2014, B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und
B 5 RE 3/14 R.
Diesbezüglich führt das Bundessozialgericht aus:
"Ihre anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es - worauf bereits
das LSG zutreffend hingewiesen hat - mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen
gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für ihre Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2
und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung,
sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von §
6 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. (...)
Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor4)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit
zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige
übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde.
Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an
den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV), das BVerfG (Art
100 Abs.
1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes RsprEinhG) möglich gewesen wäre. (...)
Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem
Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene
Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild
des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!)
seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt,
nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und
daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss
vom 22.3.1999 PatAnwZ 10/98 EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller
auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in
einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). (...)
Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht
in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen
Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung
ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden
(einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen
sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen
Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht
daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen,
das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw. Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts
grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt
ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht
kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 B 12 R 7/08 R SozR - 2600 §
2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des
SGB VI, vom 13.9.1979 12 RK 26/77 BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 12 RK 66/80 SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch hieran anknüpfend die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT Drucks 11/4124
S 148)."
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass gemäß §
6 Abs.
5 Satz 1
SGB VI die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt ist.
Eine erweiterte Rechtsstellung des Klägers im Sinne einer bereits bestehenden Befreiung resultiert zudem nicht aus dem Bescheid
vom 17. September 2008.
Zwar erstreckt sich die Befreiung in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit,
wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versicherungsträger für die Zeit
der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versicherungsanwartschaften gewährleistet, §
6 Abs.
5 Satz 2
SGB VI. Dem Betroffenen soll so der Verbleib in seinem Sicherungssystem und damit ein kontinuierlicher und lückenloser Aufbau seiner
Altersvorsorge ermöglicht werden (vgl. hierzu: Fichte in: Hauck/Noftz,
SGB VI, Kommentar, Stand: 08/13, §
6 Rdnr. 133).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.
Bei einer neben der berufsspezifischen Tätigkeit ausgeübten befristeten Nebentätigkeit ist für eine solche "Erstreckung" der
Befreiung Voraussetzung, dass in der Vergangenheit bereits ein Befreiungsbescheid nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI erteilt wurde und diese Befreiung im Hinblick auf die berufsspezifische Hauptbeschäftigung noch aktuell wirksam ist (vgl.
hierzu Fichte, aaO.). Vorliegend lag für den Kläger eine Befreiung für versicherungspflichtige Beschäftigungen in einer Rechtsanwaltskanzlei
bzw. für versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeiten als Rechtsanwalt vor (Bescheid vom 17. September 2008). Die Tätigkeit
für die E. Rechtsanwalts GmbH wurde jedoch zum 30. April 2008 beendet. Im streitgegenständlichen Zeitpunkt übte der Kläger
nach seinen eigenen Angaben eine Tätigkeit als freiberuflicher Rechtsanwalt für verschiedene Mandanten aus und war versicherungsfrei.
Vertrauensschutzgesichtspunkte sind nach der Auffassung des Senats vorliegend nicht berührt. Insoweit nimmt der Senat erneut
auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 Bezug. Lediglich ergänzend weist der Senat auch insoweit
darauf hin, dass es vorliegend um die erstmalige Befreiung des Klägers für eine Tätigkeit als Rechtssekretär bei einem nichtanwaltlichen
Arbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum geht.
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß §
114 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kam vorliegend nicht in Betracht. Nach §
114 Abs.
2 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung
einer Verwaltungsstelle auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen
eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle
festzustellen ist. Diese Voraussetzungen sind hier weder im Sinne der unmittelbaren noch im Sinne einer entsprechenden Anwendung
der Norm gegeben. Hierfür reicht die bloße Parallelität im Rechtlichen, z.B. die Anwendbarkeit derselben Rechtsnorm, nicht
aus. Vorgreiflichkeit im Sinne von §
114 Abs.
2 SGG ist deshalb nicht gegeben, wenn in dem anderen Verfahren nur über dieselbe oder eine vergleichbare Rechtsfrage, z.B. in einem
Musterprozess, oder über eine abstrakte Rechtsfrage, etwa über die Gültigkeit oder Auslegung einer Rechtsnorm, zu entscheiden
ist. Es stellt keinen Aussetzungsgrund dar, wenn beispielsweise eine Änderung der Gesetzeslage erwartet wird oder wenn beim
Bundessozialgericht oder Bundesverfassungsgericht ein Rechtsstreit über einen gleichliegenden Streitgegenstand schwebt (Bundessozialgericht,
Beschluss vom 1. April 1992, 7 RAr 16/91; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. Juli 2001, L 19 B 293/00 RJ; Kopp/Schenke,
Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 20. Auflage 2014, §
94 Rdnr. 4 ff).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Kosten der Beigeladenen waren nicht zu erstatten, da diese keine Anträge gestellt haben (Leitherer in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 11. Auflage 2014, §
193 Rdnr. 11a).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.