Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Kein Gebührenanspruch für ein Aussetzungsverfahren
Kein einheitlicher Rechtszug eines Aussetzungs- und Beschwerdeverfahrens
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus Prozesskostenhilfe festzusetzenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Im einem Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 27 SO 40/17 ER) begehrten
die Antragsteller des Ausgangsverfahrens die Gewährung von Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG). Die Antragsteller stellten am 31. März 2017 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Zugleich beantragten
sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe und legten zugleich die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
vor. Mit Beschluss vom 12. April 2017 gewährte das Sozialgericht Leistungen nach dem
AsylbLG vom 31. März bis 31. Mai 2017 und zudem Prozesskostenhilfe ab 31. März 2017 unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Zudem
verpflichtete das Sozialgericht die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der
Antragsteller.
Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens legte gegen den Beschluss am 24. April 2017 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht
(L 4 SO 71/17 B ER) in Darmstadt ein. Zugleich beantragte die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses
des Sozialgerichts. Der Vorsitzende des 4. Senats des Landessozialgerichts setzte durch Beschluss vom 4. Mai 2017 die Vollstreckung
aus dem Beschluss des Sozialgerichts vom 12. April 2017 durch einstweilige Anordnung aus. Zugleich wurde tenoriert, dass Kosten
für dieses Verfahren nicht zu erstatten seien. Auf Antrag der Beschwerdegegnerin vom 2. Mai 2017 gewährte das Landessozialgericht
durch Beschluss vom 10. Mai 2017 Prozesskostenhilfe für den Beschwerderechtszug. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2017 nahmen
die Antragsteller des Ausgangsverfahrens den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurück, nachdem das zwischenzeitlich
beigeladene Jobcenter ab April 2017 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gewährt hatte.
Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Schreiben vom 22. Juni 2017 die Festsetzung der Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfe
und machte folgende Gebühren geltend:
1. Instanz Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG 200,00 € Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV-RVG 60,00 € Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV-RVG 20,00 € Zwischensumme 280,00 € Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG 53,20 € Endsumme 333,20 € 2. Instanz Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV-RVG 246,00 € Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV-RVG 73,80 € Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV-RVG 20,00 € Zwischensumme 339,80 € Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG 64,56 € Endsumme 404,36 €
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Gebühren durch Beschluss vom 4. August 2017 wie folgt fest:
1. Instanz Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG 167,00 € Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV-RVG 50,10 € Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV-RVG 20,00 € Zwischensumme 237,10 € Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG 45,05 € Endsumme 282,15 € 2. Instanz Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV-RVG 205,00 € Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV-RVG 61,50 € Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV-RVG 20,00 € Zwischensumme 286,50 € Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG 54,43 € Endsumme 340,93 € Gesamtsumme 623,08 €
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei Berücksichtigung aller Beurteilungskriterien festzustellen sei, dass es sich um
einen unterdurchschnittlichen Fall gehandelt habe, so dass eine Herabbemessung der Verfahrensgebühr angemessen sei.
Die Beschwerdegegnerin legte hiergegen am 5. September 2017 Erinnerung ein, der der Urkundsbeamte am 6. September 2017 nicht
abhalf. Das Sozialgericht änderte durch Beschluss vom 9. Februar 2018 die Vergütungsfestsetzung ab und erhöhte sie auf die
ursprünglich beantragten 737,56 €.
Zudem beantragte die Beschwerdegegnerin am 5. September 2017 für das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung die Festsetzung
von Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfe in folgender Höhe:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG 150,00 € Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV-RVG 45,00 € Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV-RVG 20,00 € Zwischensumme 215,00 € Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG 40,80 € Endsumme 255,85 €
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Gebühren durch Beschluss vom 6. September 2017 wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG 50,00 € Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV-RVG 15,00 € Zwischensumme 65,00 € Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG 12,35 € Endsumme 77,35 €
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei Berücksichtigung aller Beurteilungskriterien festzustellen sei, dass es sich um
einen unterdurchschnittlichen Fall gehandelt habe und Synergieeffekte vorlägen, so dass eine Herabbemessung der Verfahrensgebühr
angemessen sei. Eine weitere Pauschale in Höhe von 20,00 € könne nicht festgesetzt werden.
Der Beschwerdeführer legte am 6. Februar 2018 Erinnerung ein und führte aus, dass ausschließlich für das Beschwerdeverfahren
Prozesskostenhilfe gewährt worden sei, jedoch nicht gesondert für das Aussetzungsverfahren. Daher bestehe für dieses Verfahren
kein Vergütungsanspruch aus Prozesskostenhilfe. Zudem gehöre der Aussetzungsantrag zum Beschwerderechtszug und werde nicht
gesondert vergütet. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG gehöre das Verfahren über die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Vollstreckung zum Hauptsacheverfahren.
Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass die Prozesskostenhilfe sich gemäß § 48 Abs. 2 RVG auch auf das Verfahren zur Aussetzung erstrecke und es sich hierbei kostenrechtlich gemäß § 18 Nr. 1a RVG um eine gesonderte Angelegenheit handele.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 6. April 2020 die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht
ausgeführt, dass sich die Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren auch auf das Verfahren zur Aussetzung der Vollstreckung
des erstinstanzlichen Beschlusses erstreckt habe. Bei diesem Verfahren handele es sich um ein selbständiges Nebenverfahren,
welches unabhängig vom Beschwerdeverfahren einen eigenständigen Kostentatbestand auslöse. Als Gebührenrahmen komme Nr. 3102
VV-RVG zur Anwendung, so dass die Mindestgebühr 50,00 € betrage. Die Beschwerde sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 23. April 2020 zugestellten Beschluss am 4. Mai 2020 Beschwerde beim Sozialgericht
Frankfurt am Main erhoben. Das Sozialgericht hat am 11. Mai 2020 der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erinnerungsbegründung und führt zudem ergänzend aus, dass, wenn es sich bei dem Aussetzungserfahren
um ein eigenständiges Nebenverfahren mit Kostenfolge handeln sollte, auch ein gesondertes Prozesskostenhilfeverfahren erforderlich
sei.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. April 2020, S 7 SF 32/18 E, aufzuheben und die Vergütung aus der Staatskasse auf insgesamt 0,00 € festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung des Beschlusses.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens sowie
des Ausgangsverfahrens - einschließlich des PKH-Hefts -, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG in voller Besetzung, da die zuständige Einzelrichterin den Rechtsstreit durch Beschluss vom 15. Dezember 2020 wegen grundsätzlicher
Bedeutung auf den Senat übertragen hat.
Die Beschwerde ist zulässig, da das Sozialgericht sie zugelassen hat. Die Beschwerde ist zudem innerhalb der Zweiwochenfrist
des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben worden, da der Beschluss vom 6. April 2020 dem Beschwerdeführer am 23. April 2020 zugestellt worden und die Beschwerde
am 4. Mai 2020 eingegangen ist.
Die Beschwerde ist begründet. Der Beschwerdegegnerin steht kein aus Prozesskostenhilfe zu gewährender Vergütungsanspruch für
das Aussetzungsverfahren zu.
Maßgeblich sind die Vorschriften des RVG in der bis zum 31. Dezember 2020 gültigen Fassung, § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse
zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das Hessische Landessozialgericht gewährte den Antragstellern des Ausgangsverfahrens mit Beschluss vom 10. Mai 2017 Prozesskostenhilfe
und die Antragsteller des Ausgangsverfahrens waren kostenprivilegierte Beteiligte i. S. d. §
183 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 Satz 1
SGG).
Die Vergütungspflicht richtet sich ausschließlich nach dem Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe, § 48 Abs. 1 RVG. Die Beiordnung umfasst die Tätigkeit als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter für die gesamte Instanz (Schneider/Volpert/Fölsch,
Gesamtes Kostenrecht, RVG, 2. Auflage 2017, §
48 Rn. 2). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug gesondert (§ 119 Abs. 1
Zivilprozessordnung -
ZPO). Für den Rechtszug i. S. d. § 119
ZPO ist nicht auf den verfahrensrechtlichen, sondern auf den kostenrechtlichen Begriff abzustellen, so dass als besonderer Rechtszug
jeder Verfahrensabschnitt zu verstehen ist, der gesonderte Gerichts- oder Rechtsanwaltskosten auslöst (Fischer, in: Musielak/Voit,
ZPO, 17. Auflage 2020, §
119 Rn. 2).
Die Gewährung der Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 10. Mai 2017 wurde für das Beschwerdeverfahren ausgesprochen, für
das Aussetzungsverfahren nach §
199 Abs.
2 SGG wurde weder Prozesskostenhilfe beantragt noch bewilligt.
Ein aus der Prozesskostenhilfe festzusetzender Gebührenanspruch ergibt sich zur Überzeugung des Senats nicht.
Das Aussetzungsverfahren nach §
199 Abs.
2 SGG soll nach überwiegender Ansicht im kostenrechtlichen Sinn ein selbständiger Rechtszug sein; es stelle kein unselbständiges
Zwischen- oder Nebenverfahren im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens dar. Auf dieses Verfahren fänden grundsätzlich alle Vorschriften
und Rechtsgrundsätze Anwendung, die für selbständige Verfahren gölten, so dass über die Kosten dieses Verfahrens gesondert
zu entscheiden sei (BSG, Beschluss vom 6. August 1999, B 4 RA 25/98 B, SozR 3-1500 § 199 Nr. 1; Bayerisches LSG, Beschluss vom 16. Juli 1996, L 1 An 90/95, NZS 1997, 96; LSG Niedersachsen vom 12. Juni 1997, L 4 S 2/97 – zur Pauschgebühr nach §
184 SGG, juris; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 6. Januar 2014, L 5 AR 53/13 R, juris; siehe auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. August 2016, 1 BvR 380/16, juris; Tammo Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
199 SGG Rn. 19 (Stand: 01.09.2020); B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020,
SGG §
199 Rn. 7c; Zeihe, in:
SGG-Kommentar, §
199 Rn. 11c).
Der Senat hat jedoch unter dem Aspekt des Entstehens von Gebühren nach dem RVG Zweifel an dieser Ansicht, betrachtet sie doch lediglich die Notwendigkeit einer Kostengrundentscheidung unter Anwendung
der kostenrechtlichen Regelungen des
SGG. Gebührenrechtlich normiert § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die eine vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung
zur Folge hat, wenn nicht eine gesonderte mündliche Verhandlung hierüber stattfindet, mit dem Hauptsacheverfahren, welches
vergütet wird, zusammenhängt. Eine weitere Gebühr entsteht deshalb für diese Tätigkeiten nicht. Das Verfahren über die vorläufige
Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Vollstreckung gehört gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG zum Hauptsacheverfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, deren Vollstreckung eingestellt werden soll. Die Herbeiführung
oder Abwehr von Entscheidungen über die Beschränkung der (zumeist vorläufigen) Vollstreckbarkeit gehört zur Führung des Rechtsstreits,
soweit keine mündliche Verhandlung stattfindet. Die mündliche Verhandlung muss jedoch gesondert von der Hauptsache stattfinden,
um einen eigenständigen Gebührenanspruch begründen zu können (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Auflage 2017,
RVG §
19 Rn. 37 Rn. 37). So gehören Verfahren gem. §§
707,
718,
719 ZPO z.B. zum Berufungsverfahren (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG VV 3309 Rn. 249; HK-RVG/Johannes Ebert, 7. Aufl. 2018, RVG § 19 Rn. 110). Nicht zu verwechseln sind die Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, die während eines laufenden
oder eines zumindest in diesem Rechtszug beendenden Verfahrens nach §§
707,
719,
769 ZPO bei dem Prozessgericht gestellt werden, mit einem Vollstreckungsschutzantrag nach §
765a ZPO, in dessen Rahmen auch die einstweilige Einstellung oder die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen erreicht werden soll.
Ein Vollstreckungsschutzantrag nach §
765a ZPO, der beim Vollstreckungsgericht zu stellen ist, ist immer eine besondere – gebührenrechtliche – Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG) (Hartung/Schons/Enders/Enders, 3. Aufl. 2017, RVG §
19 Rn. 33). §
199 Abs.
2 SGG aber entspricht den §§
709,
719 ZPO, die daneben im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung finden (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
13. Aufl. 2020,
SGG § 199 Rn. 7). Die benannten Grundsätze gelten auch für Beschwerdeverfahren (siehe hierzu Hess. VGH, Beschluss vom 12. Juni 2007, 7 S 688/07 , juris zu §
570 Abs.
3 ZPO i.V.m. §
173 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung –
VwGO).
Selbst wenn jedoch im vorliegenden Fall § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG nicht einschlägig wäre, da das Verfahren nach §
199 Abs.
2 SGG auch gebührenrechtlich als eigenständiges Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu betrachten wäre, bestünde
kein Kostenanspruch aus Prozesskostenhilfe für die Beschwerdegegnerin.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren umfasst das Aussetzungsverfahren nicht und führt mithin
nicht zu einem Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse für das Aussetzungsverfahren. Einstweilige Anordnungen stellen gegenüber
dem Hauptsacheverfahren und auch untereinander stets gesonderte Rechtszüge dar, so dass Prozesskostenhilfe gesondert beantragt
und bewilligt werden muss (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, RVG, 2. Auflage 2017, § 48 Rn. 10).
Das Aussetzungsverfahren und das Beschwerdeverfahren bilden auch nicht hinsichtlich des sachlichen Umfangs der Prozesskostenhilfebewilligung
ausnahmsweise einen einheitlichen Rechtszug, weil sie in einem notwendigen inneren Zusammenhang stünden. Maßgeblich ist, ob
bei der Gewährung der Prozesskostenhilfe nach deren Sinn und Zweck eine Trennung der Verfahrensabschnitte möglich ist oder
nicht (Ebert in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, RVG §
48 Rn. 15; Schultzky in: Zöller,
Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, §
119 Rn. 2). Die Streitgegenstände im Verfahren nach §
199 Abs.
2 SGG und im Hauptsacheverfahren sind verschieden und stehen nicht in einem solchen inneren Zusammenhang. Das Begehren des Verfahrens
nach §
199 Abs.
2 SGG ist die Aussetzung der Vollstreckung aus einem Titel nach §
199 Abs.
1 SGG, während es das Ziel des Hauptsacheverfahrens ist, die Rechtmäßigkeit des der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden Titels
zu überprüfen. Das Anliegen eines Aussetzungsantrags betrifft den Vollzug eines erstinstanzlichen Urteils oder Beschlusses,
eine Entscheidung, die sich in ihrer Ziel- und Rechtswirkung vom Anliegen des Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahrens grundlegend
unterscheidet. Denn es entspricht dem Wesen der einstweiligen Anordnung als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes, dass
sie nach nur summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ergeht. Ein Beteiligter, dessen Anordnungsantrag Erfolg hat, kann
gleichwohl im Verfahren der Hauptsache unterliegen. Daher kommt es für die Aussetzung nach §
199 Abs.
2 SGG auch nicht maßgeblich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels an (BSG, Beschluss vom 6. August 1999, B 4 RA 25/98 B, SozR 3-1500 § 199 Nr. 1). Dies ergibt sich schon daraus, dass nur der Vorsitzende des zur Entscheidung in der Hauptsache
berufenen Senats über die Aussetzung entscheidet und dabei prognostisch über die - grundsätzlich dem Senat vorbehaltende -
Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels befinden kann (BSG, Beschluss vom 6. August 1999, B 4 RA 25/98 B, SozR 3-1500 § 199 Nr. 1). So kommt es auf die Erfolgsaussichten nur in dem Sinn an, ob überhaupt die Gefahr einer unrechtmäßigen
Zwangsvollstreckung besteht. Maßgeblich kommt es dagegen auf eine Interessenabwägung an: zu berücksichtigen ist einerseits
das Interesse an der Vollziehung, andererseits das Interesse des Schuldners daran, dass nicht vor endgültiger Klarstellung
der Rechtslage geleistet wird (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020,
SGG §
199 Rn. 8).
Aus § 48 Abs. 2 bis 4 RVG ergibt sich keine Erstreckung der Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren auf das Aussetzungsverfahren. Demgegenüber
stellt § 48 Abs. 5 RVG klar, dass in anderen Angelegenheiten, die mit dem Hauptverfahren zusammenhängen, der für das Hauptverfahren beigeordnete
Rechtsanwalt eine Vergütung aus der Staatskasse nur dann erhält, wenn er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet ist. Für das
Aussetzungsverfahren ist daher gesondert Prozesskostenhilfe zu beantragen und ggf. zu gewähren (siehe hierzu auch Schleswig-Holsteinisches
LSG, Beschluss vom 15. Januar 2014, L 5 SF 12/13 E, juris).
Auch bei Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG wiederum ist anerkannt, dass gesondert Prozesskostenhilfe beantragt werden muss, wenn wegen gesonderter mündlicher Verhandlung
eine Gebühr entsteht (Schultzky in: Zöller,
Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, §
119 Rn. 3.9).
Der Beschwerdegegnerin wurde für das Aussetzungsverfahren keine Prozesskostenhilfe gewährt, ihr stehen daher keine Gebühren
zu.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).