Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Übergangsleistungen aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit (BK) streitig.
Der 1942 geborene Kläger war in seinem Beruf als Elektromonteur/Elektroinstallateurmeister von 1984 bis 1993 und vom Mai 1994
bis zur Aufgabe seiner Berufstätigkeit im Juli 1996 lärmgefährdet.
Im Rahmen von Ermittlungen zur Klärung des Vorliegens eines als BK anerkennungsfähigen Wirbelsäulenleidens erhielt die Beklagte
im März 1997 Kenntnis von einem bei dem Kläger vorliegenden Gehörschaden.
Der von der Beklagten daraufhin beauftragte Sachverständige Dr. D., Oberarzt der HNO-Klinik XH.krankenhaus in Y., führte in
seinem Gutachten vom 25. Juni 1998 aus, die im Audiogramm objektivierte Schwerhörigkeit des Klägers sei aufgrund der langjährigen
Lärmexposition eindeutig als berufsbedingt einzustufen. Es zeige sich die für einen Lärmschaden typische Hochtoninnenohrschwerhörigkeit.
In den niedrigen Frequenzen unter 2 kHz finde sich jedoch ein noch normales Hörvermögen, das Sprachverständnis im Sprachaudiogramm
sei recht gut. Erschwerend wirke sich dagegen ein lästiger Tinnitus aus, weshalb die Gesamt-MdE auf 5 v.H. einzuschätzen sei.
Unter dem 23. Juli 1998 schloss sich die Landesgewerbeärztin dieser Beurteilung an und wies darauf hin, dass im Falle weiterer
Lärmbelastung auf das Tragen eines geeigneten Gehörschutzes zu achten sei und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt
werden müssten. Der Beratungsarzt Dr. E., Facharzt für HNO-Krankheiten, ging in einem Schreiben vom 11. August 1998 davon
aus, dass die umschriebene Hörminderung im Hochtonbereich beidseits keine MdE bedinge.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 18. August 1998 eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der
Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) an und berücksichtigte als Folgen der BK eine knapp geringgradige Hörminderung im Bereich der hohen Frequenzen und einen
Tinnitus. Ein Rentenanspruch bestehe aber nicht, da infolge der BK keine MdE von wenigstens 20 v.H. bestehe. Nach Zurückweisung
des hiergegen eingelegten Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1999 wurde der Bescheid vom 18. August 1998
bestandskräftig.
Am 6. April 2001 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Gewährung von Übergangsleistungen nach §
3 Abs.
2 BKV ein. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. April 2001 mit der Begründung ab, der Kläger sei aufgrund der
anerkannten Lärmschwerhörigkeit nicht gezwungen gewesen, seine Tätigkeit zu unterlassen. Die konkrete individuelle Gefahr
der Verschlimmerung der BK habe durch persönliche Schutzmaßnahmen, nämlich das Tragen von Gehörschutz, vermieden werden können.
Zur Begründung seines hiergegen am 1. Juni 2001 eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, er habe auf den Baustellen
keine Möglichkeit gehabt, sich der Lärmeinwirkung zu entziehen. Die erforderliche Verständigung mit Mitarbeitern auch in anderen
Räumen ohne Sichtkontakt habe durch Zurufen erfolgen müssen, weshalb das Tragen eines Gehörschutzes nicht möglich gewesen
wäre. Eine Umschulung sei aufgrund seines Alters nicht mehr möglich gewesen, sodass er seine Tätigkeit im Juli 1996 habe einstellen
müssen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2001 zurück. Der Kläger habe nach § 10 Abs. 2
Unfallverhütungsvorschrift "Lärm" in dem Lärmbereich mit 90 dB(A), in dem er gearbeitet habe, Gehörschutzmittel benutzen müssen.
Es gebe Gehörschutz mit verschiedenen Dämmungsstufen, die eine Verständigung möglich machten, und deren Anwendung eine Verschlimmerung
der Schwerhörigkeit ausschlössen. Der Kläger sei also wegen der anerkannten Lärmschwerhörigkeit nicht gezwungen gewesen, die
Tätigkeit aufzugeben.
Hiergegen hat der Kläger am 30. Oktober 2001 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben.
Die Beklagte leitete weitere Ermittlungen ihrer Präventionsabteilung eingeleitet, die zunächst Unterlagen der Firma F. GmbH
& Co KG - Geschäftsbereich Lärmschutz - zu Gehörschutz-Otoplastiken vorlegt und anschließend weitere Nachforschungen bei dieser
Firma angestellt hat. Hierzu hat sie ein Schreiben der F. GmbH & Co KG vom 29. November 2002 vorgelegt, in dem ausgeführt
wurde, dass eine Verständigung im Lärmbereich mit entsprechendem Gehörschutz möglich sei, sofern der Hörverlust nicht zu hoch
und der Tinnitus nicht zu stark seien. Wenn ausreichender Gehörschutz getragen werde, sei eine Weiterbeschäftigung im Lärmbereich
möglich. Gehörschutz, der diese Kriterien erfülle, sei seit 1993 im Handel.
In einem Schreiben vom 26. Januar 2004 hat der Präventionsdienst außerdem ausgeführt, bereits 1990 hätte ein pegelabhängig
dämmender Kapselgehörschützer als Gehörschutz eingesetzt werden können. Bei diesem Typ habe es sich um elektroakustische Gehörschützer
gehandelt, die eine dynamische Schutzwirkung entfalteten. Eine Metallfreiheit für Gehörschutz bei Elektrikern sei im Vorschriftenwerk
nicht enthalten. Unter dem 17. August 2004 ergänzte der Präventionsdienst auf Vorhalte des Klägers, maßgebend sei die Tatsache,
dass der Gehörschutz seine Schutzwirkung entfalte, woran bei bestimmungsgemäßem Gebrauch kein Zweifel bestehe. Der elektroakustische
Gehörschutz stelle die "Königsklasse" unter den Gehörschützern dar, ausgereicht hätte vorliegend aber bereits ein konventioneller
Gehörschutz in Form von Gehörschutzstöpseln bzw. eine Otoplastik (speziell dem Gehörgang angepasster Gehörschutz). Weiterhin
verwies der Präventionsdienst unter dem 13. April 2006 auf die Berufsgenossenschaftliche Information (BGI) 823 "Ärztliche
Beratung zum Gehörschutz", wo dargelegt werde, dass die Faustregel "Kapselgehörschutz = hohe Schalldämmung, Gehörschutzstöpsel
= niedrige Schalldämmung" nicht zutreffe. Den Berufsgenossenschaftlichen Regeln (BGR) 194 sei zu entnehmen, dass beide Gehörschutzarten
hinsichtlich ihrer Schalldämmung im Grundsatz gleichwertig seien. Welches der beiden Systeme zum Einsatz komme, richte sich
letztlich nicht nach der Schalldämmung, sondern nach der Arbeitsaufgabe. BGR 194 empfehle bei Personen mit Hörverlust den
Einsatz von Gehörschutzstöpseln mit einer flachen Dämmcharakteristik, welche nach Auskunft des Berufsgenossenschaftlichen
Instituts für Arbeitssicherheit bereits 1996 auf dem Markt verfügbar gewesen seien.
Das Sozialgericht hat ein HNO-ärztliches Sachverständigengutachten bei Dr. D. vom 14. März 2006 eingeholt, der zu dem Ergebnis
gekommen ist, beim Abschirmen des Ohres mit einem Kopfhörer (Kapselgehörschutz) wäre keine Verschlimmerung der Lärmschwerhörigkeit
eingetreten. Ein nur im Gehörgang liegender Gehörschutz wie ein Schaumstoffstöpsel oder ein Bügelgehörschutz könne keinen
ausreichenden Schutz vor weiterer Lärmeinwirkung bieten. Ihm scheine es plausibel, dass beim Tragen eines ausreichend dämmenden
Gehörschutzes die Verständigung im Lärmbereich unmöglich sei. Hierzu sollte aber ein Hörgeräteakustiker mit Erfahrungen auf
dem Gebiet des gewerblichen Gehörschutzes gehört werden.
Daraufhin hat das Sozialgericht ein Gutachten des Sachverständigen für Hörgeräteakustik bei der Handwerkskammer Y., G., vom
5. September 2006 eingeholt. Dieser hat angegeben, seit Februar/März 1995 gebe es das Gehörschutzmittel Jrenum LD 24, das
alle Kriterien des Schallschutzes und der dennoch verfügbaren Sprachverständlichkeit besitze. Aus dem beigefügten Baumusterprüfbericht
gehe eindeutig hervor, dass eine Schalldämmung bei gleichzeitigem Sprachverstehen für die meisten Anwendungen möglich sei.
Die Filterwirkung des beschriebenen Hörschutzproduktes Jrenum LD 24 sei so beschaffen, dass sie in nahezu allen Lärmexpositionen
bis 100 dB (A) den zu erzielenden Gehörschutz unter Beibehaltung der Sprachverständlichkeit gewährleiste. Die gewünschte Wirkung
wäre im Falle des Klägers erzielt worden. Für diesen Gehörschutz sei nach langer vorangegangener Erprobung bereits Anfang
1995 die Bauartprüfung nach EN 352-2 erteilt worden. Eine Broschüre zu den Jrenum Gehörschutzsystemen war dem Gutachten ebenso
wie ein Aufsatz von de Boer/Poissenot aus Otorhinolaryngol Nova 1992; 2:220-222 mit dem Titel "Verbesserung der Sprachverständlichkeit
bei starkem Lärm in niedrigen Frequenzen und bei Verwendung eines Gehörschutzes" beigefügt.
Ergänzend hat das Sozialgericht die vom Präventionsdienst der Beklagten zitierten Informationen BGR 194, BGI 823 und BGI 5024
beigezogen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. April 2007 abgewiesen. Ein objektiver Zwang zum Unterlassen der Tätigkeit
wegen konkreter, individueller Gefahr der Verschlimmerung der BK lasse sich bei retrospektiver Betrachtungsweise nicht feststellen.
Im Juli 1996 und auch bereits vor der Tätigkeitsaufgabe des Klägers sei mit dem Gehörschutzmittel Jrenum LD 24 ausreichender
und wirksamer Gehörschutz erhältlich gewesen. Ob die Beklagte hiervon Kenntnis gehabt habe, sei unerheblich, da es der Kläger
unterlassen habe, eine entsprechende Anfrage nach geeignetem Gehörschutz zu stellen, was aber bei nicht erfolgter Bereitstellung
von geeignetem Gehörschutz seitens des Arbeitgebers vor der Tätigkeitsaufgabe angezeigt gewesen wäre. Nach der BGI 5024 seien
Otoplastiken auch zu empfehlen, wenn aufgrund arbeitsmedizinischer Befunde und bei schon vorhandenen Hörverlusten ein besonders
sicherer Schutz notwendig sei. Auch sei nicht ersichtlich, weshalb diese Otoplastik im Elektromontage- bzw. -installationsbereich
nicht geeignet sein sollte, und auch nicht erkennbar, weshalb dem Kläger das Tragen des Gehörschutzes unzumutbar gewesen wäre.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. Mai 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Juni 2007 Berufung
bei dem Hessischen Landessozialgericht Darmstadt eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, dem Gutachten des Sachverständigen G. könne nicht gefolgt werden, da dieser keine Messungen
durchgeführt habe. Bei dem Gutachten handele es sich um allgemeine Ausführungen, die jeglichen Bezug zu der Erkrankung und
dem Gehörschaden des Klägers vermissen ließen. Vielmehr hätte im Rahmen der Begutachtung eine Hörmessung unter nachgestellten
Arbeitsbedingungen des Klägers vorgenommen werden müssen. Die zitierten BG-Regeln und Informationen könnten nicht herangezogen
werden, da diese erst nach der Tätigkeitsaufgabe durch den Kläger aufgestellt worden seien. Zudem sei nicht berücksichtigt
worden, dass Otoplastiken nicht nach außen gegen Verschmutzung, Abbruchstaub und Metallstaub schützten. Daher sei dem Gutachten
des Dr. D. zu folgen. Ein geeigneter Gehörschutz habe 1996 auf dem Markt nicht zur Verfügung gestanden. Ein entsprechender
Nachweis sei jedenfalls nicht erbracht; dazu hätten Messungen durchgeführt werden müssen, was von der Bekalgten jedoch unterlassen
worden sei. Der Kläger habe zudem der Beklagten bereits im Verwaltungsverfahren ein Attest des HNO-Arztes H. vom 10. Februar
1997 vorgelegt, woraufhin dieser es aber unterlassen habe, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es geeigneten Gehörschutz gebe
und er diesen zu tragen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 27. April 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2001 zu verurteilen, ihm aufgrund der als Lärmschwerhörigkeit
anerkannten Berufskrankheit Übergangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Urteils. Eine Veranlassung von Messungen
am Arbeitsplatz des Klägers sowie eine rechtzeitige Einleitung von Maßnahmen zum Erhalt des Arbeitsplatzes des Klägers durch
Hinweis auf und Zurverfügungstellung von geeignetem Gehörschutz sei ihr schon deshalb nicht möglich gewesen, weil der Kläger
es unterlassen habe, sie vor Aufgabe seiner Tätigkeit von seiner Hörschädigung in Kenntnis zu setzen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der zum Verfahren beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil und der angefochtene Bescheid der Beklagten
vom 27. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2001 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger
nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Übergangsleistungen gemäß §
3 Abs.
2 BKV aufgrund der anerkannten Lärmschwerhörigkeit, denn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Nach §
3 Abs.
2 Satz 1
BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die "gefährdende Tätigkeit" einstellt, weil die
Gefahr einer Entstehung, eines Wiederauflebens oder einer Verschlimmerung einer BK für ihn nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich
der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren.
Vorliegend wäre jedoch die mit der ausgeübten Tätigkeit des Klägers verbundene Gefahr der Verschlimmerung der anerkannten
Lärmschwerhörigkeit durch das Tragen eines geeigneten Gehörschutzes zu beseitigen gewesen.
Zur Begründung kann zunächst gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen werden, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Sozialgericht zu Recht dem Gutachten des Sachverständigen für Hörgeräteakustik
G. vom 5. September 2006 gefolgt. Der HNO-Arzt Dr. D. hat sich in seinem Gutachten vom 14. März 2006 mit den hier bedeutsamen
Otoplastiken gar nicht auseinandergesetzt. Er hat vielmehr nur ausgeführt, dass ein entsprechend wirksamer Kapselgehörschutz
verfügbar gewesen wäre, es ihm aber plausibel erscheine, dass beim Tragen eines ausreichend dämmenden Gehörschutzes die Verständigung
im Lärmbereich unmöglich sei; diesbezüglich sei jedoch eine Untermauerung durch objektive Messungen wünschenswert. Die Beurteilung
der Frage, ob ein für den Kläger geeigneter Gehörschutz zur Verfügung gestanden habe, hat Dr. D. letztlich gerade in die Kompetenz
eines Hörgeräteakustikers verwiesen.
Bereits zum Zeitpunkt der Aufgabe seiner Berufstätigkeit durch den Kläger stand auf dem Markt eine Otoplastik zur Verfügung,
die ausweislich der von dem Hörgeräteakustiker G. vorgelegten Unterlagen für alle Arbeitsbereiche geeignet war und zu einer
Verbesserung der Sprachverständlichkeit führt. Danach kann das Filtersystem dieses Gehörschutzes auf jede individuelle Lärmsituation
eingestellt werden. Der Lärmfilter weist eine selektive Schalldämmung auf, die bis in den hochfrequenten Bereich (typischer
Maschinenlärm) reicht. Damit können Gefahrensignale weiterhin wahrgenommen werden und Richtungshören und Sprachverständlichkeit
bleiben erhalten. Entgegen der vom Kläger vermittelten Vorstellung, mit dem Tragen des Gehörschutzes werde auch gleichzeitig
mit dem beeinträchtigenden Lärm die Wahrnehmung von Sprache in der Umgebung ausgeschlossen, kann das Tragen des geeigneten
Gehörschutzes vielmehr eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit im Lärmbereich herbeiführen. Der Lärm führt zu einer "Maskierung",
d. h. der Wahrnehmung des lauteren und der Nicht-mehr-Wahrnehmung des leiseren von zwei Schallereignissen, denen ein Ohr gleichzeitig
ausgesetzt ist. Dabei wird das leisere Schallereignis vom lauteren verdeckt. Je höher der Geräuschpegel, desto ungünstiger
wird das Signal-/Rauschverhältnis und damit umso schlechter die Verständlichkeit von Sprache im Lärmbereich. Dämmt man nun
mit einem Gehörschutz die niedrigen Frequenzen stark ab, so wird die Möglichkeit zur Maskierung der höheren Frequenzgruppen
kleiner, das Signal-Rauschverhältnis günstiger und die Verständlichkeit gegenüber der Situation ohne Gehörschutz dadurch sogar
besser. Gerade diese Funktion vermag die individuell angepasste Otoplastik zu erfüllen, da sie im Gegensatz zu Konfektionsgehörschützern
kein Luftleck aufweist und damit eine große Dämmung in den niedrigen Frequenzen ermöglicht.
Vor diesem Hintergrund vermag der Senat keine Notwendigkeit zur Einholung eines weiteren Gutachtens eines Hörgeräteakustikers
nach Messungen zu erkennen. Die Höhe des Lärmpegels ist vorliegend nicht streitig und war den Sachverständigen bei der Abfassung
ihrer Gutachten bekannt. Das Tragen einer Otoplastik hätte das Sprachverständnis im Lärmbereich jedenfalls nicht gegenüber
der ohnehin durch den Lärm beeinträchtigten Verständlichkeit zusätzlich verschlechtert, sondern durch die "Demaskierung" sogar
eher verbessern können bei gleichzeitigem Schutz vor einer Verschlimmerung der BK.
Der Kläger kann auch keineswegs gegenüber der Beklagten vortragen, entsprechende Messungen an seinem früheren Arbeitsplatz
nicht vorgenommen zu haben oder ihm eine entsprechende Versorgung mit Gehörschutz nicht während seiner Tätigkeit angeboten
zu haben. Die Beklagte erlangte von dem Vorliegen der Lärmschwerhörigkeit bei dem Kläger erst im März 1997 Kenntnis und damit
ca. sieben Monate nach der bereits seitens des Klägers erfolgten Aufgabe seiner Tätigkeit. Dieser hatte es unterlassen, die
Beklagte noch während der Ausübung seiner Tätigkeit zu informieren, sodass die Beklagte auch nicht entsprechende Maßnahmen
hatte einleiten können.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht im Rahmen seiner Urteilsbegründung auch die BG-Regeln BGR 194 sowie
die BG-Information BGI 5024 herangezogen hat, selbst wenn diese zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe noch nicht in dieser Form
vorgelegen haben. Das Sozialgericht hat den BGR 194 hier lediglich technische Kriterien und vergleichende Bewertungen des
von dem Sachverständigen G. für geeignet erachteten, bereits seit 1995 auf dem Markt befindlichen Gehörschutzes entnommen,
die unabhängig von der Veröffentlichung der BGR sind. Gleiches gilt für die BGI 5024, denen nur Umstände entnommen werden,
unter denen der Einsatz von Otoplastiken zu empfehlen ist. Damit sind die zwar erst später - nach Tätigkeitsaufgabe - veröffentlichten
BGR und BGI durchaus geeignet, die von dem Sachverständigen G. getroffene Feststellung zu Geeignetheit des von ihm vorgeschlagenen
Gehörschutzes zu untermauern.
Wie das Sozialgericht daher zu Recht festgestellt hat, lässt sich vorliegend aufgrund der Möglichkeit der Versorgung des Klägers
mit geeignetem Gehörschutz ein objektiver Zwang zum Unterlassen der Tätigkeit wegen konkreter, individueller Gefahr der Verschlimmerung
der BK bei retrospektiver Betrachtungsweise nicht feststellen. Da sich hiernach die angefochtenen Entscheidungen als rechtmäßig
erweisen, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf §
160 Abs.
2 SGG.