Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 29. September 2002 als Arbeitsunfall nach dem Sozialgesetzbuch
Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII.
An diesem Tag erlitt der Kläger einen Unfall während eines Hilfseinsatzes der Landsmannschaft Ostpreußen - Kreisgemeinschaft
D. - in der russischen Gemeinde E. Bei der Zurücklegung des Weges zur Unterkunft in der F. stürzte der Kläger und zog sich
eine Weber-C-Außenknöchelfraktur rechts zu.
Ein diesbezüglicher Durchgangsarztbericht des Dr. FZ. vom 16. Oktober 2002 ging über die Unfallkasse des Bundes bei der Beklagten
am 22. Mai 2003 ein.
Zur Aufklärung des Sachverhaltes befragte die Beklagte zunächst am 4. Dezember 2002 den Zeugen G. telefonisch. Er gab an,
der Hilfstransport sei durch die Kreisgemeinschaft D. in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) organisiert worden.
An der Delegation seien jedoch nur Mitglieder der Kreisgemeinschaft D. und nicht des DRK beteiligt gewesen. Ferner holte die
Beklagte Auskünfte über die Kreisgemeinschaft Schlossberg ein. Es wurde mitgeteilt, dass die Heimatkreisgemeinden eigenständige
Vereine seien. Die Kreisgemeinschaft D. sei kein Mitglied der Beklagten und der Kläger sei wiederum kein Mitglied der Kreisgemeinschaft.
Der ebenfalls befragte Kläger gab an, er habe den Hilfstransport vom Grundstück des Zeugen G. in H. an begleitet. Der Transport
sei von vier Personen begleitet worden. Am 29. September 2002 sei man gegen 19.00 oder 20.00 Uhr in E. angekommen. Auf dem
Weg zur Unterkunft habe sich der Unfall ereignet.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von
Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da sich der Unfall nicht bei einer versicherten Tätigkeit
ereignet habe. Der Kläger sei kein Beschäftigter des Vereins gewesen, so dass der Versicherungsschutz nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII ausscheide. Darüber hinaus bestehe auch kein Versicherungsschutz nach §
2 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII, da sich der Unfall im Ausland ereignet habe und die Vorschriften des
SGB VII nur für Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland Geltung beanspruchen würden. Die Voraussetzungen für eine Ausweitung
des Versicherungsschutzes nach §
4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -
SGB IV auf eine Auslandstätigkeit seien nicht gegeben, da der Kläger zum Unfallzeitpunkt in keinem inländischen Beschäftigungsverhältnis
gestanden habe.
Hiergegen legte der Kläger am 12. August 2003 mit der Begründung Widerspruch ein, er sei Beschäftigter des Vereins im Sinne
des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII gewesen, da ihn der Verein als Dolmetscher und Begleiter eingestellt habe. Man habe mündlich ein Beschäftigungsverhältnis
vereinbart. Die Unentgeltlichkeit stehe der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Der Kläger habe seine
Aufgaben während des Hilfstransportes weisungsgebunden erledigt. Unterkunft und Verpflegung seien von der Kreisgemeinschaft
übernommen worden. Darüber hinaus bestehe auch Versicherungsschutz nach §
2 Abs.
1 Nr.
13 a SGB VII.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2003 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen
für ein Beschäftigungsverhältnis nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII seien vorliegend nicht erfüllt. Der Annahme eines Versicherungsschutzes stehe vorliegend entgegen, dass sich der Unfall außerhalb
des Geltungsbereiches des SGB ereignet habe und weder aus einem inländischen Beschäftigungsverhältnis heraus eine Entsendung
ins Ausland erfolgt sei noch eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Inland vorher vereinbart gewesen sei oder aufgrund der
Eigenart der Beschäftigung festgestanden habe.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Oktober 2003 Klage vor dem Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhoben hat.
Das Sozialgericht hat am 25. Juli 2006 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem der Kläger zu den Umständen des Unfalls
und seiner Tätigkeit für die Kreisgemeinschaft D. umfassend befragt und Herr G. als Zeuge vernommen worden ist. Hinsichtlich
der Einzelheiten im Vorbringen des Klägers und in der Aussage des Zeugen G. wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Des Weiteren hat das Sozialgericht die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege mit Beschluss vom
25. Juli 2006 zum Verfahren beigeladen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Juli 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der vorliegende Unfall
des Klägers habe sich nicht während einer versicherten Tätigkeit ereignet. Von einer versicherten Beschäftigung nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vom Gesamtbild her nicht auszugehen. Auch ein Versicherungsschutz
nach §
2 Abs.
1 Nr.
12 SGB VII oder nach §
2 Abs.
1 Nr.
13a SGB VII scheide aus. In Betracht komme vorliegend eine versicherte Tätigkeit nach §
2 Abs.
1 Nr.
9 SGB VII (ehrenamtliche Tätigkeit im Bereich des Gesundheitswesens oder der Wohlfahrtspflege) oder nach §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB VII (Personen, die "wie Beschäftigte" nach §
2 Abs.
1 SGB VII tätig werden). Einem entsprechenden Versicherungsschutz stehe jedoch jeweils die fehlende Ausstrahlungswirkung entgegen.
Der Unfall habe sich im Ausland ereignet und die Voraussetzungen für eine Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes auch
auf Verrichtungen im Ausland seien vorliegend nicht gegeben. Grundsätzlich bestehe nur für Tätigkeiten im Geltungsbereich
des SGB Versicherungsschutz (Territorialprinzip). Eine Ausnahme hierzu sei in §
4 SGB IV geregelt, welcher über §
2 Abs.
3 Satz 2, 2. Halbsatz
SGB VII vorliegend zur Anwendung komme und Anwendung für alle Versicherungstatbestände des §
2 Abs.
1 und
2 SGB VII finde. Als Ausnahmevorschrift sei §
4 Abs.
1 SGB IV eng auszulegen. Voraussetzung für den Unfallversicherungsschutz sei auch bei einer zum Unfall führenden Verrichtung im Ausland
der Nachweis einer sog. Ausstrahlungswirkung, die gegeben sei, wenn Beschäftigte aus einem inländischen Beschäftigungsverhältnis
heraus in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des
SGB VII entsandt werden und die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder aufgrund einer vorherigen vertraglichen Regelung
begrenzt ist. Beim Vorliegen einer unentgeltlichen und/oder ehrenamtlichen Tätigkeit sei §
4 Abs.
1 SGB IV analog anzuwenden, so dass in einem solchen Fall Voraussetzung für eine Ausstrahlungswirkung sei, dass der Betreffende im
Rahmen einer im Inland ausgeübten unentgeltlichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereiches
des
SGB VII entsandt werde und die Entsendung infolge der Eigenart der Tätigkeit oder entsprechend einer vorherigen Vereinbarung im voraus
begrenzt sei. Die vorherige im Inland ausgeübte unentgeltliche oder ehrenamtliche Tätigkeit sei unabdingbare Voraussetzung
für die Anerkennung der Ausstrahlungswirkung. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger sei vor dem
streitigen Ereignis nie für die Kreisgemeinschaft D. tätig gewesen, sondern um die Mithilfe beim Transport gebeten worden,
da eine ursprünglich eingeplante Begleitperson krankheitsbedingt ausgefallen war. Ein entsprechendes Beschäftigungsverhältnis,
welches im Hinblick auf eine Entsendung ins Ausland begründet werde, könne nach der Rechtsprechung das BSG dann als ausreichend
erachtet werden, wenn sichergestellt sei, dass der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Arbeit im Geltungsbereich
des SGB liege. Dies setze voraus, dass der Arbeitnehmer in diesen Fällen seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
haben müsse und dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach seiner Rückkehr aus dem Ausland aufgrund der Eigenart
der Beschäftigung oder aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung sichergestellt sei. Die Bejahung einer Ausstrahlung ohne
vorangegangene Beschäftigung beim Entsendungsarbeitgeber im Inland und ohne das Erfordernis einer solchen Weiterbeschäftigung
sei mit der Zwecksetzung des §
4 Abs.
1 SGB IV nicht vereinbar. Eine solche Ausdehnung der Ausstrahlungswirkung würde in der gesetzlichen Unfallversicherung die Arbeitgeber
und in den übrigen Bereich der Sozialversicherung Arbeitgeber und Arbeitnehmer beitragsmäßig belasten und letztlich die einseitige
Schaffung einer deutschen Versicherungspflicht im Ausland bedeuten, ohne dass dies durch die Aufrechterhaltung eines im Inland
bestehenden Versicherungsverhältnisses gerechtfertigt wäre. Dies ließe sich auch nicht mit der Souveränität der betroffenen
Staaten vereinbaren. Schließlich bedürfe es auch nach der Rechtsprechung des BSG im Bereich der Unfallversicherung auch unter
dem Gesichtspunkt eines umfassenden Versicherungsschutzes nicht einer solchen weiten Auslegung des §
4 Abs.
1 SGB IV, weil ein solcher Schutz über die freiwillige Versicherung des §
140 SGB VII erreicht werden könne. Vorliegend sei nicht von einer geplanten weiteren ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers nach seiner
Rückkehr aus E. auszugehen. Eine Bereitschaft, für weitere Hilfstransporte oder für andere Aufgaben des Vereins zur Verfügung
zu stehen, habe der Kläger erst nach weitgehender Ausheilung seiner Unfallverletzung und somit nach Abschluss des Hilfstransports
wieder im Inland erklärt. Tatsächlich sei der Kläger aber gar nicht mehr für den Verein tätig geworden. Somit sei die ehrenamtliche
Tätigkeit des Klägers für den Verein erst mit der Entsendung des Hilfstransportes nach E. begründet worden, ohne dass eine
konkrete weitere ehrenamtliche Tätigkeit des Klägers für die Kreisgemeinschaft D. im Inland vereinbart gewesen sei oder sich
ein solche aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben habe. Die vom Kläger verrichtete Tätigkeit sei vielmehr nach ihrer Eigenart
auf einen ausschließlichen Einsatz im Ausland ohne Bezug zum Inland ausgerichtet gewesen.
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 18. Juli 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. August 2007 Berufung
bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Der Kläger trägt vor, er habe schon vor Antritt der Fahrt seine Bereitschaft zur Durchführung weiterer Hilfstransporte und
Tätigkeiten für die Kreisgemeinschaft D. signalisiert und habe diese Bereitschaft auch stets erneuert. Auch wenn der streitgegenständliche
Hilfstransport nach Russland die bisher einzige Tätigkeit des Klägers für die Kreisgemeinschaft gewesen sei, sei dessen ehrenamtliche
Tätigkeit für die Kreisgemeinschaft D. nicht beendet. Zudem habe das Sozialgericht nicht problematisiert, dass die Reise des
Hilfstransports über mehrere Länder geführt und u. a. in Deutschland begonnen und geendet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli
2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2003 zu verurteilen, das Ereignis vom 29. September 2002
als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beziehen sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung.
Der Senat hat die Satzung der Kreisgemeinschaft D. e.V. vom 9. Juni 1990 beigezogen. Die Beklagte hat die Unterlagen über
die dortige Mitgliedschaft der Kreisgemeinschaft D. vorgelegt.
In einem Erörterungstermin am 12. April 2011 hat der Senat den Kläger nochmals zu seiner Tätigkeit im Rahmen des Hilfstransports
und dem Unfallereignis gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12. April 2011 Bezug
genommen. Alle Beteiligten haben sich in diesem Termin mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung nach
§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG- einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 9. Juli 2003 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. September 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei dem Ereignis
vom 29. September 2002 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall.
Auch der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in dessen Urteil vom 10. August 1999, Az.: B 2 U 30/98, wonach derjenige, der unmittelbar zur Entsendung ins Ausland eingestellt wird, also zuvor keine Tätigkeit für den entsprechenden
Arbeitgeber im Inland ausgeübt hat, dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht unterliegt, wenn für die Zeit nach
Beendigung der Entsendung eine Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber im Inland nicht gewährleistet ist. So liegt
der Fall auch hier. Der Kläger war nach seinen Angaben im Erörterungstermin am 12. April 2011 nicht in die Vorbereitungen
des Hilfseinsatzes eingebunden, weder im Rahmen der Erstellung der Listen der Hilfsgüter noch im Zusammenhang mit deren Bereitstellung
und Verladung. Wesentliche Aufgabe des Klägers im Rahmen des Transportes war das Dolmetschen, insbesondere im Zusammenhang
mit der Grenzabwicklung an der polnisch-russischen Grenze. Gerade wegen seiner russischen Sprachkenntnisse war der Kläger
von der Kreisgemeinschaft D. nach dem Ausfall der ursprünglichen Begleitperson gefragt worden, ob er den Transport begleiten
würde. Damit erfolgte die Tätigkeitsaufnahme unmittelbar zur Entsendung. Gleichzeitig war zum Zeitpunkt der Entsendung auch
in keiner Weise eine weitere Tätigkeit des Klägers für die Kreisgemeinschaft D. gewährleistet. Für eine entsprechend gesicherte
Position einer im Inland fortgesetzten Tätigkeit für den gleichen Arbeitgeber genügt die bloße Einigkeit darüber, dass aus
der Zusammenarbeit "mehr werden" könnte nicht. Es bedarf insoweit, wenn nicht vertraglicher, so doch konkreter Absprachen,
wie sich eine weitere Tätigkeit gestalten sollte, und dies bereits zu Beginn der Entsendung. Hieran fehlt es vorliegend. So
hat der Kläger selbst im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 25. Juli 2006 erklärt, er habe seine Bereitschaft, für
weitere Hilfstransporte und andere Aufgaben des Vereins zur Verfügung zu stehen, erstmals erklärt, als sein Fuß einigermaßen
wieder ausgeheilt war. Zuvor gab es also allenfalls vage Absichtserklärungen, jedoch keinerlei konkrete Vereinbarungen. Es
ist dann auch im Weiteren nicht zu einer solchen Tätigkeit gekommen.
Die Berufung konnte folglich keinen Erfolg haben.