Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Anerkennung der Parkinsonerkrankung als Berufskrankheit (BK) der
Gruppen 11 und 13 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) oder als Wie-BK nach §
9 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (
SGB VII).
Der 1961 geborene Kläger war seit dem Jahr 1979 in landwirtschaftlichen Betrieben erwerbstätig.
Mit Schreiben vom 9. November 2006 zeigte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. C. den Verdacht einer BK bei der Beklagten
an. Er gab an, bei dem Kläger bestehe ein Parkinson-Syndrom mit erheblichem Tremor. Eine Blutuntersuchung habe einen stark
erhöhten Kobaltwert gezeigt - hierbei ist auf einen Laborbericht vom 10. Oktober 2005 Bezug genommen worden, der einen Wert
von 2,9 Fg/l bei einem Normwert < 0,9 Fg/l ausweist -, was eine BK vermuten lasse.
Im Rahmen der daraufhin durchgeführten Ermittlungen der Beklagten gab der Kläger unter dem 28. November 2006 an, seit dem
1. Juni 1987 als Lagerarbeiter in der landwirtschaftlichen Warenabteilung der D., D-Stadt, - ab dem 1. Januar 1998 als E.
GmbH und seit dem 1. Januar 2000 als F. GmbH firmierend - beschäftigt gewesen zu sein. Seit Januar 2004 leide er unter einem
Parkinson-Syndrom, das sich durch einen Tremor im rechten Arm bemerkbar gemacht habe. In den Jahren 1994 bis 2004 habe es
zu seinem Arbeitsbereich gehört, Pflanzenschutzmittel für einige Landwirte auszubringen. Er habe jährlich etwa 900 bis 1.000
ha Fläche mit den unterschiedlichsten Pflanzenschutzmitteln in verschiedenen Mengen bearbeitet. Hierfür habe der jährliche
Zeitaufwand bei etwa 300 Arbeitsstunden gelegen. Nach dem Auftreten der ersten Parkinson-Symptome sei ihm dringend angeraten
worden, diesen Bereich seiner Arbeitstätigkeit aufzugeben.
Der von der Beklagten befragte Arbeitgeber des Klägers gab unter dem 4. Dezember 2006 an, der Kläger sei dort seit dem Jahr
1987 fortlaufend beschäftigt. Er sei unter anderem mit der Pflanzenschutzausbringung befasst gewesen. Atemschutz sei nicht
getragen worden. Der Kläger sei mit Futter- und Düngemitteln, Propionsäure, Ameisensäure und allen Arten von Pflanzenschutzmitteln
in Berührung gekommen. Bei der Arbeit mit Pflanzenschutzmitteln habe er die vorgeschriebene Sicherheitskleidung getragen.
Die angeschuldigte bzw. gefährdende Tätigkeit habe er am 29. Juni 2004 aufgegeben.
In der Folge zog die Beklagte einen Befundbericht der Paracelsus Elena-Klinik Kassel bei. In dem Bericht vom 15. Dezember
2006 wurde angegeben, der Kläger sei dort erstmals am 6. Juli 2004 in vorstationärer Behandlung gewesen. Er habe von erstmals
im Dezember 2003 aufgetretene Beschwerden in Form eines Ruhetremors der rechten Hand berichtet, wobei er die Vermutung eines
Zusammenhangs mit der Pflanzenschutzausbringung geäußert habe. In dem Bericht der Klinik wurde geäußert, die Diagnose eines
Morbus Parkinson sei gesichert. Die Ursachen eines Parkinson-Syndroms seien nicht im Sinne einer zwingenden Kausalkette bekannt.
Es gebe genetisch determinierte Fälle, daneben würden Alterungsprozesse, eine endotoxine oder exotoxine gesteigerte Apoptose
sowie immunologische Störungen als Ursachen vermutet.
Die Diagnose eines Morbus Parkinson bzw. eines rechtsbetonten idiopathischen Parkinson-Syndroms wurde auch in einem Bericht
derselben Klinik vom 10. November 2006, einem Bericht des Klinikums Kassel vom 11. Oktober 2006 sowie einem Bericht der Universitätsklinik
Göttingen vom 28. Februar 2007 genannt.
Die Beklagte beauftragte den Präventionsdienst mit der Ermittlung bzw. Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen bei
dem Arbeitgeber des Klägers.
In einer Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 16. Januar 2007 heißt es, dass der Kläger seit 1987 bei der
Firma F. GmbH, D-Stadt, als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen sei und hierbei gegenüber verschiedensten Stoffen, insbesondere
gegenüber Pflanzenschutzmitteln exponiert gewesen bzw. immer noch exponiert sei. Es habe nach den Angaben des Klägers zu seinem
Arbeitsbereich gezählt, Pflanzenschutzmittel für andere Landwirte auszubringen. Mit dieser Aufgabe sei er nach seinen Angaben
im Zeitraum von 1994 bis 2004 betraut gewesen. Mit Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sei etwa eine Fläche von 1.000 ha.
Der zeitliche Aufwand werde von dem Kläger auf etwa 300 Arbeitsstunden jährlich geschätzt. Bei Testungen habe sich bei dem
Kläger in Bezug auf die Belastung mit Kobalt ein um das Dreifache erhöhter Wert ergeben. Anhand der beigefügten Unterlagen
könne jedoch nicht abgeschätzt werden, worauf diese Kobaltintoxikation zurückzuführen sei. Zweifelsfrei sei der Kläger als
Lagerarbeiter gegenüber den verschiedensten Substanzen exponiert gewesen. In Bezug auf die erhöhten Kobaltwerte bei dem Kläger
lägen keine Hinweise darauf vor, dass der Kläger gegenüber kobalthaltigen Substanzen exponiert war. Auch seien z.B. kobalthaltige
Pflanzenschutzmittel nicht bekannt.
Im Anschluss erfolgte eine Arbeitsplatzanalyse durch den Präventionsdienst der Beklagten. Die entsprechenden Erhebungen auf
Grundlage eines Fragebogens zu den BKen Nrn. 1302, 1306 und 1317 der Anlage 2 zur
BKV wurden von dem Kläger und offenbar dem Arbeitgeber, Herrn G., bestätigt (Bl. 84 und 88 der Verwaltungsakte). Danach habe
die Tätigkeit des Klägers insbesondere die Annahme und Auslagerung von Getreide und Düngemitteln, Lagerarbeiten aller Art
und die Maschinenwartung umfasst. Des Weiteren habe es in den Jahren 1994 bis 2004 zu seinem Aufgabenbereich gezählt, in Lohnarbeit
Pflanzenschutzmittel für Landwirte auszubringen. Während dieses Zeitraumes habe er durchschnittlich pro Jahr 1.000 ha Fläche
mit einem Zeitaufwand von etwa 300 Stunden mit unterschiedlichsten Pflanzenschutzmitteln behandelt. Diese Tätigkeit sei zu
zwei Dritteln der Zeit im Frühjahr und zu einem Drittel im Herbst ausgeführt worden. Als Lagerarbeiter habe er Umgang mit
Getreide und Düngemitteln gehabt, wobei es bei der An- und Auslieferung jeweils zu einer erhöhten Staubbelastung (Mykotoxine)
gekommen sei. Beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln habe er Umgang mit allen Arten solcher Mittel gehabt. Im Anhang sei
eine Liste der 24 der von ihm am häufigsten ausgebrachten Pflanzenschutzmittel mit Unterscheidung nach Name, Hersteller, Werkstoff,
Konzentration und Gruppe des Pflanzenschutzmittels enthalten. Bei Bedarf könne der Kläger Nachweise darüber erbringen, wann
er welche Pflanzenschutzmittel in welcher Konzentration ausgebracht habe. Für das Ausbringen der Pflanzenschutzmittel sei
das flüssige Mittel in den Tank der Aufbauspritze, die sich auf dem Geräteträger (Traktor) befinde, eingefüllt worden. Anschließend
sei das Pflanzenschutzmittel beim Fahren auf dem Feld mithilfe der hinter der Fahrerkabine des Traktors angebrachten Spritzeinrichtung
verspritzt worden. Beim Einfüllen der Pflanzenschutzmittel in den Tank der Aufbauspritze seien Dämpfe aufgetreten, denen der
Kläger direkt ausgesetzt gewesen sei. Beim Versprühen des Pflanzenschutzmittels sei er dem Sprühnebel je nach Stärke und Richtung
des Windes ausgesetzt gewesen. Dabei sei zu beachten, dass sich der Kläger in einer Fahrerkabine ohne Klimaanlage befunden
habe. Der Kläger habe keinen Hautkontakt mit den Pflanzenschutzmitteln gehabt. Beim Einfüllen der Pflanzenschutzmittel in
den Tank habe er immer die vorgeschriebene persönliche Schutzausrichtung (Pflanzenschutzanzug und Pflanzenschutzhandschuhe,
Pflanzenschutzbrille sowie gegebenenfalls Atemschutzmaske mit Aktivkohlefilter) getragen. Die Fahrerkabine des Geräteträgers
(Traktor) habe über keine Klimaanlage verfügt. Je nach Temperaturen sei der Kläger mit geöffneten oder geschlossenen Scheiben/Türen
gefahren.
In einem Bericht des Präventionsdienstes, erstellt von Dr. H. unter dem 5. April 2007, wurden die Ermittlungsergebnisse zusammengefasst
und unter anderem ausgeführt, dass der Kläger beim Umgang mit Getreide und Düngemitteln im Lager einer erhöhten Staubbelastung
ausgesetzt gewesen sei. Die Exposition gegenüber Mykotoxinen sei als eher gering einzuschätzen.
Nach einer Stellungnahme von Dr. J. vom Präventionsdienst der Beklagten vom 18. April 2007 wurde unter Hinweis auf einen relativ
engen Zusammenhang zwischen Pestizidexpositionen und Morbus Parkinson eine fachneurologisch-arbeitsmedizinische Begutachtung
empfohlen.
Daraufhin holte die Beklagte von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dipl.- Psych. K., Direktor der neurologischen
Klinik, Klinikum Kassel, ein neurologisches Gutachten vom 4. September 2007 ein. Nach den Angaben im Gutachten äußerte der
Kläger gegenüber dem Sachverständigen in Bezug auf die früheren Arbeitsplatzbedingungen, dass er beim Befüllen des am Traktor
angebrachten Behälters für das Pflanzenschutzmittel Schutzbekleidung getragen habe, bestehend aus Overall, Gummihandschuhen
und bei Bedarf einem Mundschutz. Eine Schutzmaske sei nicht getragen worden. Nach dem Jahr 2004 habe er keine Pflanzenschutzmittel
mehr ausgebracht. Der Kläger habe angegeben, dass der Traktor nur mit einer undichten Schutzkabine versehen gewesen sei. Der
Gutachter diagnostizierte ein tremordominantes Parkinson-Syndrom. Die ersten Symptome seien im Jahr 2004 aufgetreten. Seither
sei die Erkrankung progredient fortgeschritten. Bei dem Morbus Parkinson handele es sich um eine chronisch fortschreitende
neurodegenerative Erkrankung. Neuere Forschungsergebnisse fokussierten sich auf genetische Faktoren. Eine Vererbung der Erkrankung
treffe aber nur für einen kleinen Teil der Patienten zu. Neben Alterungsprozessen, Endo-/Exotoxinen würden auch immunologische
Störungen als Ursache vermutet. Allerdings sei die eigentliche Ursache der Zelldegeneration, bis auf Einzelfälle, nicht bekannt.
Nach Referierung des Forschungsstandes zu dem kausalen Zusammenhang führte der Gutachter aus, es sei anzunehmen, dass der
Kläger trotz der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen toxischen Dämpfen ausgesetzt gewesen sei. Es bestehe nach Ansicht des Gutachters
die Möglichkeit, dass eine langjährige Exposition gegenüber Pestiziden und Insektiziden als Auslöser und/oder Triggerfaktor
für eine Parkinson-Erkrankung anzusehen sei. Ein wesentlicher kausaler Zusammenhang sei aber bisher wissenschaftlich noch
nicht bewiesen. Nach dem Stand der Wissenschaft seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nicht erfüllt. Derzeit
gebe es keinerlei Messgrößen, diagnostische Kriterien oder Grenzwerte, um den Zusammenhang zwischen Exposition von Pflanzenschutzmitteln
und einer Parkinsonerkrankung zu verifizieren. Die aufgrund einer Laboruntersuchung auf Schwermetalle festgestellten erhöhten
Kobaltwerte bei dem Kläger seien derzeit für den Gutachter nicht erklärbar. Allerdings bestehe sicher kein Zusammenhang mit
Parkinsonerkrankungen.
Die Beklagte zog ein Gutachten bei, welches im Jahr 2002 in einem - einen anderen Kläger betreffenden - Verfahren vor dem
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz von PD Dr. L., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-
Universität Mainz, erstellt worden war. Das dortige Verfahren hatte ebenfalls die Anerkennung einer Parkinsonerkrankung als
BK aufgrund des beruflichen Umgangs mit Pflanzenschutzmitteln zum Gegenstand. Weiterhin beigezogen wurde eine im Rahmen dieses
Verfahren erstellte wissenschaftliche Stellungnahme von Prof. Dr. M. aus dem Jahr 2002.
Dem Gutachter Prof. Dr. Dipl.-Psych. K. wurden diese beigezogenen medizinischen Expertisen mit der Bitte um Erstellung einer
ergänzenden Stellungnahme zugesandt. Der Gutachter hielt in seiner Stellungnahme vom 12. März 2008 seine Ansicht aufrecht.
Er führte aus, dass die Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges bestehe, jedoch nicht mehr Gründe für als gegen einen solchen
Zusammenhang sprächen. Bei dem Kläger sei von einem idiopathischen Parkinson (Morbus Parkinson) auszugehen, der immerhin mit
einer Prävalenz von 100 bis 200 je 100.000 Einwohner in Deutschland auftrete und somit eines der häufigsten neurologischen
Krankheitsbilder darstelle.
Der Landesgewerbearzt, dem diese Stellungnahme übersandt wurde, erklärte unter dem 9. April 2008, eine Studie aus dem Jahr
2007 zeige eine erhöhte Inzidenz für Parkinson bei Pestizidexposition. Es werde dort eine Risikoerhöhung von 1,4 im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung ausgewiesen. Er könne Prof. Dr. Dipl.-Psych. K. nicht folgen. Die Anerkennung der BK werde empfohlen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. Mai 2008 die Anerkennung der Parkinsonerkrankung als BK nach der Gruppe 11 oder 13
der Anlage zur
BKV ab. Die Erkrankung sei auch nicht als Versicherungsfall wie eine BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII anzuerkennen. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit gegenüber verschiedenen Pflanzenschutzmitteln
exponiert gewesen. Jedoch sei eine Zuordnung zu den genannten BK-Gruppen oder BK-Ziffern in Bezug auf das bei dem Kläger bestehenden
Krankheitsbild oder den am Arbeitsplatz vorkommenden Stoffen nur schwer möglich. In Bezug auf die Anerkennung einer Wie-BK
wurde ausgeführt, es lägen keine neuen gesicherten medizinischen Erkenntnisse seit der letzten Ergänzung der Anlage zur
BKV vor, wonach eine Einwirkung von Pflanzenschutzmitteln geeignet sei, eine Parkinsonerkrankung zu verursachen. Ansprüche gegen
die Beklagte bestünden somit nicht.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 6. November 2008 durch Schriftsatz seines vormaligen Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht
Kassel erhoben und sein auf die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als BK gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung
ist angeführt worden, dem Gutachten von Prof. Dr. Dipl.-Psych. K. könne nicht gefolgt werden, da die dortigen Ausführungen
oberflächlich und teilweise auch widersprüchlich seien und nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprächen. In anderen Verfahren
sei eine Parkinsonerkrankung als Wie-BK anerkannt worden. Im Klageverfahren sind weitere Angaben zu der Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln
durch den Kläger im Jahre 2003 vorgelegt worden.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten unter Verweis auf die Ausführungen von Prof. Dr. Dipl.-Psych. K. Die Stellungnahme des
Landesgewerbearztes (Dr. N.) vom 9. April 2008 habe nicht zu überzeugen vermocht. Die in der dort in Bezug genommenen Studie
genannte Risikoerhöhung von 1,4 genüge gerade nicht den Anforderungen nach §
9 Abs.
2 SGB VII.
Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein Gutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei Prof. Dr. L. vom 15. Januar 2010 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Kläger habe angegeben, Pflanzenschutzmittel
seien ausschließlich in geschlossenen Behältern umgeschlagen worden, die der Kläger im Rahmen der Lagerarbeit nicht geöffnet
habe. Mangansulfat sei als Futtermittel verwendet worden und habe sich in Säcken befunden. Die Säcke habe der Kläger auch
ohne Handschuhe angefasst. Dabei habe es auch ab und zu einmal gestaubt. Propionsäure habe sich in 30 l-Kanistern befunden.
An der Öffnung der Kanister habe der Kläger einen ätzenden Geruch wahrgenommen. Die Gebinde mit Pflanzenschutzmitteln seien
niemals defekt gewesen. Beim Ansetzen von Pflanzenschutzmitteln habe der Kläger stets speziell dafür zugelassene Schutzhandschuhe
sowie einen Schutzanzug getragen, aber in der Regel keine Atemschutzmaske. Die Pflanzenschutzmittel sowie gegebenenfalls Zusätze
von Dünger habe er auf ein Sieb gegeben, dass sich über einem Fass mit einem Volumen von 1.700 l befunden habe. Die Pflanzenschutzmittel
habe er offen mit Bechern mit Volumina zwischen einem und zehn Litern eingefüllt. Für das Abmessen und Abfüllen habe der Kläger
etwa sechs bis sieben Minuten insgesamt benötigt. Bei Fungiziden habe das Befüllen manchmal länger gedauert, da er zwei oder
drei Mittel gleichzeitig in das Fass gegeben habe. Bei Verwendung von drei Mitteln habe das Befüllen insgesamt 20 Minuten
gedauert. Der Kläger habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er beim Befüllen Dämpfe eingeatmet habe, da er mit dem Gesicht
nah an der Öffnung des Fasses gewesen sei. Nach den Pflanzenschutzmitteln habe der Kläger Wasser in das Fass gefüllt. Die
Menge habe für eine Fläche von etwa 8 ha gereicht. Das Befüllen des Tanks und das Ausbringen der Pflanzenschutzmittel hätten
etwa drei Stunden in Anspruch genommen. Der Kläger habe angegeben, etwa 1.000 ha pro Jahr gespritzt zu haben. Bei 125 Ausbringungen
mit einer Dauer von je drei Stunden ergebe dies eine jährliche Zeit von 375 Stunden. Gespritzt worden sei ab dem Frühjahr
bis kurz vor der Ernte. Außerdem seien im Herbst Herbizide gespritzt worden. Insektizide habe der Kläger bei Befall gespritzt.
Der Kläger habe angegeben, manchmal eine Woche lang täglich zwischen acht und zehn Stunden lang auf dem Schlepper gesessen
und den Geruch der Pflanzenschutzmittel eingeatmet zu haben. Beim Spritzen seien die Tür und die Fenster der Kabine stets
geschlossen gewesen. Der Kläger habe die Lüftung eingeschaltet gehabt. In der Zuluft habe es keinen Aktivkohlefilter gegeben.
Die Öffnung für die Zuluft habe sich in einer Höhe von etwa 2,8 m über dem Boden befunden. Der Kläger gehe deshalb davon aus,
dass über die Zuluft Pflanzenschutzmittel in die Kabine gelangt seien. Bei windigen Wetter sei es vorkommen, dass die Scheibe
so stark mit Pflanzenschutzmittel bedeckt gewesen sei, dass der Kläger sie habe reinigen müssen. Beim Spritzen habe er immer
einen Schutzanzug getragen, der an den Füßen keine Gummibünde gehabt habe. Beim Fahren habe der Kläger keine Handschuhe getragen.
Je nach Spritzmittel seien die Düsen häufiger oder seltener verstopft gewesen. Manchmal habe der Kläger sie jeden Tag reinigen
müssen, manchmal auch eine Woche lang gar nicht. Beim Reinigen der Düse mit einer Bürste habe der Kläger stets Schutzhandschuhe
getragen. Der Kläger habe sich bemüht, möglichst abends zu spritzen, wenn der Wind nachgelassen habe. Bei starkem Wind habe
nicht er gespritzt, da dies für den Landwirt ohne Nutzen gewesen wäre. Es habe keine Unfälle mit Pflanzenschutzmitteln oder
eine akute Vergiftung gegeben. Er habe bei jeder Mischung zwei Sack Bittersalz Microtop je 25 kg zugeben müssen, wobei es
auch schon mal etwas gestaubt habe. Das Bittersalz habe Mangan enthalten. Beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln habe er keine
Maske mit Aktivkohlefilter getragen. Auf Nachfrage habe der Kläger erklärt, dass er beim Spritzen von Pflanzenschutzmitteln
immer mit geschlossenen Scheiben und Türen gefahren sei. Die Türen und Fenster habe er nur auf der Rückfahrt nach dem Spritzen
geöffnet, wenn es heiß gewesen sei. Im Schlepper habe er getrunken, aber nicht gegessen. Des Weiteren sind im Gutachten Angaben
des Klägers zu den verwendeten Mitteln wiedergegeben worden. Der Stoff U 46 D sei nicht dabei gewesen, der Wirkstoff sei 2,43D.
Chlormequat habe er jedes Jahr gespritzt, dies sei auch in CCC (Chlorcholinchlorid) enthalten gewesen. Er habe Maneb, Mancozeb,
Rotenon oder Paraquat nicht gespritzt. Das manganhaltige Bittersalz habe er bis zum Jahr 2001 oder 2002 verwendet. Privat
habe er keinen Umgang mit manganhaltigen Produkten gehabt. Die Spritzmittel seien hauptsächlich als Flüssigkonzentrat vorhanden
gewesen. Nach acht Stunden Spritzen im Traktor habe der Kläger manchmal abends Kopfschmerzen und Übelkeit verspürt. Der Kläger
habe angegeben, dass bei der Getreideannahme und Getreideverarbeitung eine Mykotoxinbelastung bestanden habe, die er aber
nicht habe näher erläutern können.
Der Sachverständige hat in Bezug auf die Exposition hervorgehoben, dass der Kläger Maneb, Mancozeb, Rotenon oder Paraquat
nicht verwendet habe. Diese Substanzen seien besonders relevant im Hinblick auf die Entstehung eines Parkinsonsyndroms. Der
Kläger habe beim Ansetzen der Spritzbrühe stets spezielle Schutzhandschuhe und einen Schutzanzug getragen, so dass die Hautbelastung
gering gewesen sei. Soweit Aerosole oder Stäube entstanden seien, hätte diese jeweils nur kurzzeitig einwirken können und
es sei nur die Haut am Kopf exponiert gewesen. Beim Ausziehen der Handschuhe sei möglicherweise eine gewisse Exposition an
den Fingern anzunehmen. Geeigneter Atemschutz bei dem Ansetzen sei nicht getragen worden, so dass von einer kurzzeitigen Inhalativbelastung
beim Entstehen von Stäuben oder Aerosolen auszugehen sei. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang die Beschreibungen
des Klägers zur Lüftung des Traktors nochmals wiederholt und ausgeführt, es gebe leider keinen Bericht von der Schadstoffbelastung
in der Kabine. Es sei aber von einer Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln auszugehen. Die Höhe der Exposition hänge
von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehörten die Höhe des Entnahmeortes der Luft über dem Boden, die Konstruktion der Lüftungsanlage,
die Höhe der Spritzdüsen über dem Boden (in Abhängigkeit von der zu spritzenden Kultur), die Tröpfchengröße (abhängig von
der Bauart der Düsen und dem eingestellten Druck), die Windverhältnisse und weitere Faktoren. Es sei dem Sachverständigen
nicht möglich, die Exposition des Klägers zu quantifizieren. Dies müsste gegebenenfalls durch die Beklagte erfolgen. Der Sachverständige
hat unter Bezugnahme auf entsprechende fachwissenschaftliche Veröffentlichungen ausgeführt, dass generell eine geschlossene
Kabine sowohl die dermale als auch die inhalative Belastung erheblich reduziere. Aufgrund des Umstandes, dass die Luft im
Traktor in einer Höhe von etwa 2,8 m über dem Boden angesaugt worden sei, liege die Annahme nahe, dass die Pflanzenschutzmittelbelastung
des Klägers in der Kabine relativ gering gewesen sei. Darüber hinaus habe der Kläger beim Ausbringen Schutzkleidung getragen.
Bei kritischen Arbeitsvorgängen wie etwa im Reinigen von Düsen habe er konsequent Schutzhandschuhe getragen. Beim Ausbringen
selbst habe deshalb ein relativ guter Schutz vor einer dermalen Belastung durch Pflanzenschutzmittel bestanden. Allerdings
sei es aufgrund nicht ordnungsgemäßen Ausziehens der Handschuhe, nämlich mittels der Fingerspitzen einer ungeschützten Hand,
hierbei zu einer gewissen dermalen Belastung gekommen. Außerdem sei von einer gewissen Belastung durch kontaminierte Teile
des Traktors auszugehen, wenn dieser gefahren worden sei, ohne Pflanzenschutzmittel auszubringen. Zusammenfassend habe die
Arbeitsweise des Klägers im Vergleich zu der früher üblichen Arbeitsweise allerdings dazu geführt, dass seine Belastung sowohl
beim Ansetzen der Spritzbrühe als auch beim Ausbringen erheblich geringer gewesen sei als die von Landwirten, die überhaupt
keinen Körperschutz verwenden und keine Traktoren mit geschlossenen Kabinen nutzen. Demgegenüber sei der zeitliche Umfang
der Exposition des Klägers erheblich höher, da er nicht nur seine eigenen, sondern die Kulturen der übrigen Landwirte seines
Dorfes mit Pflanzenschutzmittel gespritzt habe. Eine ungefähre Abschätzung der Höhe der Pflanzenschutzbelastung des Klägers
sei aber aus den genannten Gründen nicht möglich. In Bezug auf die Manganbelastung hat der Sachverständige ausgeführt, insoweit
liege zur Belastungshöhe keine arbeitstechnische Ermittlung vor. Der Mangangehalt des Bittersalzes sei mit 3 % gering gewesen
und das Abfüllen habe stets nur kurze Zeit in Anspruch genommen. Daher werde die Manganbelastung insgesamt für relativ gering
gehalten. Es sei wenig wahrscheinlich, dass die Belastung hinreichend gewesen sei, eine Manganerkrankung zu verursachen bzw.
das Parkinsonsyndrom als BK Nr. 1105 anzuerkennen. Der Sachverständige hält daher die berufliche Manganbelastung nicht für
eine wesentliche Mitursache der Parkinsonerkrankung des Klägers.
In Bezug auf die Pflanzenschutzmittelbelastung hat der Sachverständige zum Kausalzusammenhang mit der Parkinsonerkrankung
ausgeführt, der Kläger sei gegenüber Pflanzenschutzmitteln in erheblich höherem Maße als die Allgemeinbevölkerung exponiert
gewesen. Bei einer hohen Belastung seien nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand die medizinischen Voraussetzungen für
die Anwendung des §
9 Abs.
2 SGB VII anzunehmen. Im Falle des Klägers sei eine hinreichend hohe Exposition jedoch nicht gesichert. Der Sachverständige führte
in diesem Zusammenhang aus, dem Gutachter Prof. Dr. Dipl.-Psych. K. könne nicht gefolgt werden, da er wesentliche Literatur
in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt habe. Auch sei Prof. Dr. Dipl.-Psych. K. nicht zuzustimmen, insoweit dieser ausgeführt
habe, dass keine spezifischen Stoffe gefunden worden seien, die ursächlich als Auslöser eines Parkinsonsyndroms anzusehen
seien. Eine toxikologische Plausibilität läge in Bezug auf die Substanzen Rotenon, Paraquat, Maneb und Mancozeb vor. Diese
Stoffe seien aber nicht verwendet worden.
Prof. Dr. L. hat weiter ausgeführt, außerberufliche Krankheitsursachen des Parkinsonsyndroms des Klägers hätten nicht gesichert
werden können. Daraus folge aber nicht eine berufliche Verursachung der Erkrankung. Der zeitliche Verlauf der Parkinsonerkrankung
sei mit einer toxischen Genese vereinbar, aber hierfür kein Beweis. Entscheidend sei vorliegend in Bezug auf die Zusammenhangsfrage
die Höhe der individuellen Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln. In den Fällen, in denen eine berufliche Verursachung
des Parkinsonsyndroms in Rechtsverfahren anerkannt worden sei, habe sich die Exposition ganz erheblich von der des Klägers
unterschieden. Der Kläger sei durch Schutzkleidung und durch das Ausbringen der Pflanzenschutzmittel in einem Traktor mit
geschlossener Kabine geschützt gewesen. Demgegenüber hätten bei den Landwirten, bei denen eine BK anerkannt worden sei, arbeitshygienisch
wesentlich ungünstigere Umstände bestanden. Die Arbeitsbedingungen seien nicht vergleichbar. Bei Annahme einer relativ niedrigen
Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln sei die Datenlage widersprüchlich. Daher sei es derzeit nicht möglich, die Frage
zu beantworten, ob eine relativ niedrige Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln hinreichend ist, ein Parkinsonsyndrom
zu verursachen oder zumindest wesentlich mitzuverursachen. Eine hohe Exposition des Klägers gegenüber Pflanzenschutzmitteln
sei nicht gesichert. Daher könne nicht empfohlen werden, das Parkinsonsyndrom des Klägers als BK anzuerkennen. Der Sachverständige
hat vorgeschlagen, dass die Beklagte ergänzende Ermittlungen zur Höhe der Exposition vornimmt. In Bezug auf die von dem Kläger
angeführte Belastung mit Mykotoxinen hat der Sachverständige ausgeführt, es stehe weder die Belastungshöhe fest noch sei etwas
über eine generelle Eignung einer solchen Belastung bekannt, ein Parkinsonsyndrom zu verursachen.
Der Kläger hat sodann im Verfahren eine tabellarische Zusammenstellung in Bezug auf die Pflanzenschutzmittelausbringung in
den Jahren 1994 bis 2004 vorgelegt.
Hierzu und zu den Stellungnahmen der Beteiligten zum Gutachten von Prof. Dr. L. ist eine ergänzende Stellungnahme dieses Sachverständigen
eingeholt worden, die unter dem 31. März 2010 erstellt worden ist. Der Sachverständige ist dort näher auf die Auswirkungen
bestimmter Arbeitsbedingungen auf die Exposition mit Pflanzenschutzmitteln eingegangen. Er hat seine Darlegungen zu den Arbeitsbedingungen
des Klägers, die er aufgrund der getroffenen Schutzmaßnahmen als vergleichsweise sehr gut beurteilt hat, wiederholt. Nochmals
hat der Sachverständige weitere technische Ermittlungen zu der Belastungssituation in der Traktorkabine empfohlen.
Die Beklagte hat darauf den Kläger nochmals eingehend zu seinen Arbeitsbedingungen befragt. In dem Ermittlungsbericht vom
10. Dezember 2010, mit dem sich der Kläger am 16. Januar 2011 einverstanden erklärt hat, werden folgende abweichende bzw.
weitergehende Punkte im Vergleich zu den bisherigen Angaben genannt: Bei dem Ausbringen sei der Kläger über die Lüftungsanlage
indirekt Pflanzenschutzmitteldämpfen ausgesetzt gewesen, die alle freien Hautpartien (Kopf, Hals, Hände, Arme) benetzt hätten.
Beim Ansetzen von Pflanzenschutzmitteln sei es zu Staubexposition gekommen, da schätzungsweise etwa 10 % der verwendeten Mittel
pulverförmig bzw. granuliert gewesen seien. Von dem Pflanzenzusatzstoff Bittersalz Microtop seien in den Jahren 2000 bis 2004
9,5 t verarbeitet worden. Die Füllung des Anmischtanks habe für eine Fläche von etwa 8 ha genügt, wobei für diese Fläche etwa
drei Stunden für das Ausbringen benötigt worden seien. Zum Anmischen einer Tankfüllung habe er etwa 20 min. benötigt. Der
Kläger habe etwa 120 Mischungen für die bearbeiteten 1.000 ha pro Jahr angesetzt, dementsprechend habe er etwa 40 h pro Jahr
Pflanzenschutzmittel angemischt. Ab dem Jahr 2000 sei ein Traktor verwendet worden, der über eine geschlossene Kabine verfügt
habe. Die Belüftung sei über eine Belüftungsanlage erfolgt. Die Ansammlung der Luft sei in Höhe des Kabinendaches erfolgt.
Die Luft sei durch ein Vliesfilter angesaugt geworden. Bis zum Jahr 2000 sei ein Traktor benutzt worden, der ebenfalls über
eine Kabine verfügt habe, die jedoch an manchen Stellen aus flexiblem Material (Planen) bestanden habe. Deswegen und wegen
des Alters des Traktors sei die Kabine insgesamt nicht so dicht gewesen wie diejenige des neueren Traktors. Das Tragen von
Schutzkleidung sei im Sommer aufgrund hoher Temperaturen nicht möglich gewesen. Durchschnittlich sei zu 50 % der Zeit des
Ausbringens der Pflanzenschutzmittel Schutzkleidung getragen worden. Der Kläger habe Maneb verarbeitet, allerdings nur kurzzeitig
bzw. sehr selten; Rotenon, Paraquat und Mancozeb seien dem Kläger nicht bekannt.
Das Sozialgericht hat daraufhin eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. L. angefordert und hierbei darauf hingewiesen, dass
die Beklagte angegeben habe, gegenüber den als gefährlich geltenden Substanzen dürfte die Exposition sehr gering gewesen sein,
wie sich aus den Aufstellungen des Klägers und den Ermittlungen des Präventionsdienstes ergeben habe. Insofern ist der Gutachter
um Stellungnahme gebeten worden, ob er in Anbetracht dieser Daten an seiner Einschätzung festhalte, dass eine Kausalität möglich
sei.
Der Sachverständige hat unter dem 2. April 2011 seine Stellungnahme abgegeben. Er hat dort ausgeführt, dass eine Messung der
Schadstoffkonzentration während des Spritzvorgangs in der Traktorkabine gegebenenfalls ein wichtiger Bestandteil einer synoptischen
Beurteilung sein könnte. Jedoch würden einzelne Messdaten, die nicht zu Belastung bei anderen Tätigkeiten in Bezug gesetzt
werden könnten, nicht viel weiterhelfen. Denn sie könnten nicht die notwendige synoptische Bewertung ersetzen. Deshalb könne
der Gutachter nicht empfehlen, noch eine Messung der Schadstoffkonzentration in der Traktorkabine während des Spritzens durchzuführen.
Der Fall sei hinsichtlich der Exposition ausermittelt. Wesentliche Fragen zur Belastung blieben insofern offen, es bestünden
aber keine konkreten Möglichkeiten mehr, diese zu klären. Der Kläger sei bei der Ansetztätigkeit vergleichsweise gut durch
Schutzkleidung geschützt gewesen. In Bezug auf das Ausbringen der Pflanzenschutzmittel habe der Kläger Traktoren, deren Kabinen
nicht hinreichend dicht gewesen seien, genutzt. Spritzmitteldämpfe hätten insbesondere über die Lüftungsanlage in das Innere
der Kabine gelangen können. Der Kläger habe pro Jahr ungefähr zehnmal so lange gespritzt wie andere Landwirte. Der Kläger
habe in der Regel bei geschlossenen Fenstern gespritzt. Bezogen auf den einzelnen Spritzvorgang sei die Belastung der Kabine
also deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Bei synoptischer Betrachtung sei die große Bedeutung des Ansetzens bei der Beurteilung
der Exposition hervorzuheben. Hier sei der Kläger aufgrund der Verwendung von Schutzkleidung vergleichsweise gering belastet
gewesen. Er habe Tätigkeiten, die mit einer besonders hohen Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln einhergingen, unterlassen.
Deshalb sei die Belastung des Klägers nach Ansicht des Sachverständigen insgesamt nicht höher, sondern eher geringer als die
anderer Landwirte in Westdeutschland gewesen. In Bezug auf die Zusammenhangsfrage hat der Sachverständige weiter geäußert,
das von den Stoffen, für die hinreichende toxikologische Daten vorlägen, die einen Einfluss auf die Entstehung eines Parkinsonsyndroms
zeigten, von dem Kläger nur mit Maneb gearbeitet worden sei. Dieses sei von ihm aber nur sehr selten verwendet worden. Soweit
der Kläger im Verfahren noch geltend gemacht habe, mit dem Stoff "Gaucho" gearbeitet zu haben, der den Wirkstoff Imidacloprid
enthalte, sei festzustellen, dass es keine Belege gebe für eine Verursachung eines Parkinsonsyndroms durch diesen Wirkstoff.
Die medizinischen Voraussetzungen für die Anwendung des §
9 Abs.
2 SGB VII lägen nur dann vor, wenn die Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln sehr hoch gewesen sei. Daher läge diese Voraussetzung
bei dem Kläger nicht vor. Es sei nicht zu empfehlen, das Parkinsonsyndrom des Klägers als BK anzuerkennen, da nur die Möglichkeit
einer wesentlichen Mitverursachung durch die Pflanzenschutzmittelexposition bestehe. Die von dem Kläger geltend gemachte Schädigung
von Mitochondrien sei nicht belegt, da der insoweit schädigende Stoff Rotenon nach den ausdrücklichen Angaben des Klägers
nicht verwendet worden sei. Ergänzende Messungen der Schadstoffkonzentration in der Schlepperkabine seien nicht erforderlich,
weil die quantitative Betrachtung eines einzelnen Arbeitsvorganges nicht die notwendige synoptische Bewertung der Exposition
ersetzen könne und die Höhe der Exposition häufig wesentlich durch die Belastung beim Ansetzen bestimmt werde.
Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten nach §
109 SGG beauftragt bei dem Facharzt für Arbeitsmedizin Prof. Dr. O., M.P.H. Dieser hat unter dem 31. Mai 2012 erklärt, er stimme
dem Gutachten Prof. Dr. L. und dessen ergänzenden Stellungnahmen nach gründlicher Sichtung der Aktenlage ausdrücklich zu.
Der Kläger sei nach der differenzierten Betrachtung der Schadstoffexposition durch Prof. Dr. L. nicht höher, vielmehr eher
niedriger schadstoffbelastet gewesen als andere Landwirte in Westdeutschland. Die Tätigkeit in einer geschlossenen, wenngleich
wohl undichten, Kabine sei eindeutig ein die Exposition mindernder Umstand gewesen. Eine langwierige hohe Pestizidexposition
läge daher nicht vor. Der Gutachter hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass in einer von ihm selbst erstellten
Fallkontrollstudie ein positives Dosis-Wirkungs-Verhältnis zwischen dem Einsatz von Herbiziden und Insektiziden und einer
Parkinsonerkrankung festzustellen gewesen sei. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Höhe der Pestizidexposition und
dem Parkinson-Erkrankungsrisiko untermauere die Forderung nach einer langwierigen hohen Pestizidexposition als notwendige
Voraussetzung für die Bejahung der Zusammenhangsfrage. Aufgrund der Zustimmung zu dem Vorgutachten in allen wesentlichen Punkten
sehe der Sachverständige von der Erstellung eines umfassenden Gutachtens ab. Bei dem Kläger sei ein Zusammenhang seiner Parkinsonerkrankung
mit seiner beruflichen Pestizidexposition nicht hinreichend wahrscheinlich.
Der Kläger hat daraufhin weitere Ausführungen zu den Bedingungen seiner Tätigkeit bei der Pestizidausbringung und zu der Schlepperkabine
unter dem 9. September 2012 gemacht. Dort hat er ausgeführt, der Auslöser seiner Parkinsonerkrankung sei in den Jahren 1997
bis 1999 zu suchen. Damals habe er einen bestimmten Geräteträger benutzt. Er hat dargelegt, weswegen er die Schadstoffbelastung
in der Schlepperkabine für hoch halte. Eine Messung im Innenraum sei erforderlich.
Der Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung hat auf entsprechende Anfrage des Sozialgerichts unter dem
24. November 2010 mitgeteilt, dass es nur in drei Fällen im Rahmen von Vergleichen im Zusammenhang mit sozialgerichtlichen
Verfahren eine Parkinsonerkrankung als Wie-BK anerkannt worden sei. Allgemeingültige medizinische Erkenntnisse zur Kausalität
lägen diesen Fällen nicht zu Grunde. Die Bestimmung einer wie auch immer gearteten Menge X im Sinne einer Dosis-Wirkung- Beziehung
sei derzeit nicht möglich.
Gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten hatte der Spitzenverband bereits unter dem 15. November 2010 unter anderem angegeben,
dass dort nicht über die zur Beurteilung der tatsächlichen Einwirkung auf den Kläger erforderlichen Instrumente verfügt werde.
Die Einwirkung sei sehr schwierig zu beurteilen, weil sie kumulativ von verschiedenen Faktoren abhängig sei. Neben der Kenntnis
der "Noxengemische" sei deren Konzentration, die Art der Ausbringung, das Vorhandensein von Aufsaugtrichtern, Hanglage, Windrichtung,
Fahrtgeschwindigkeit und anderes von Bedeutung. Darüber hinaus wäre zu ermitteln, ob persönliche Schutzausrüstung getragen
worden sei, und ob die Spritzdüsen jeweils senkrecht kurz über dem Grund oder seitwärts horizontal ausgerichtet gewesen seien.
Im Übrigen könnten alle diese Erkenntnisse nur Anhaltspunkte für die Exposition im Einzelfall liefern. Die Bestimmung einer
wie auch immer gearteten Menge X sei auch aus Sicht des Spitzenverbandes nicht möglich. Es werde daher die Auffassung des
Präventionsdienstes geteilt, dass belastbare Daten in derartigen Fällen im Nachhinein nicht mehr ermittelt werden können.
Das Sozialgericht hat bei dem Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine Auskunft dazu eingeholt,
welche Erkenntnisse dort zu einer möglichen Verursachung einer Parkinsonerkrankung durch Pflanzenschutzmittel vorliegen und
ob von Seiten der Unfallversicherungsträger derzeit Ermittlungen angestellt werden. Hierzu hat der Spitzenverband unter dem
2. Februar 2011 mitgeteilt, dass dort keine neuen gesicherten medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne von §
9 Abs.
1 und
2 SGB VII vorlägen.
Mit Urteil vom 3. Dezember 2012, das aufgrund entsprechenden Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
ergangen ist, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Anerkennung einer BK der Gruppen
11 und 13 der Anlage 1 zur
BKV oder auf Feststellung einer Quasi-BK gemäß §
9 Abs.
2 SGB VII zu. Das Sozialgericht hat sich hierbei maßgeblich auf das bei Prof. Dr. L. eingeholte Gutachten gestützt, das auch von Prof.
Dr. O. bestätigt worden sei. Zur Anerkennung einer BK der Gruppe 11 und 13 fehle es an einer entsprechenden beruflichen Exposition
des Klägers. Hinsichtlich der BK Nr. 1105 (Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen) lägen keine arbeitstechnischen
Ermittlungen vor. Grundsätzlich sei nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung eine Manganexposition zwar durchaus
geeignet, ein neurologisches Krankheitsbild ähnlich einem Parkinsonsyndrom hervorzurufen. Prof. Dr. L. sei jedoch nach Bewertung
der ihm vorgelegten Unterlagen mit nachvollziehbarer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Manganbelastung sehr wahrscheinlich
nicht hinreichend gewesen sei, eine BK zu verursachen. Das Sozialgericht hat weiterhin ausgeführt, aus den Gruppen 11 und
13 der
BKV ergäben sich keine weiteren Noxen, denen der Kläger während seiner Arbeitstätigkeit ausgesetzt gewesen sei. Die von dem Kläger
ausgebrachten Pestizide und Insektizide, denen gegenüber er exponiert gewesen sei, fänden sich nicht in der BK- Liste. Ebenso
sei dort auch nicht eine Parkinson-Erkrankung als BK ausdrücklich benannt.
Die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung des Klägers als Quasi-BK gemäß §
9 Abs.
2 SGB VII komme ebenfalls nicht in Betracht. Nach §
9 Abs.
2 SGB VII hätten die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der
BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen,
sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine
Bezeichnung nach §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII erfüllt sind. Im vorliegenden Fall habe Prof. Dr. L. nachvollziehbar dargelegt, dass nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen
die medizinischen Voraussetzungen für die Anwendung des §
9 Abs.
2 SGB VII bei einer hohen beruflichen Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln gegeben seien. Es gebe also durchaus Erkenntnisse
in der Wissenschaft dergestalt, dass die Personengruppen, die aufgrund ihrer Tätigkeit Pflanzenschutzmittel ausgesetzt sind,
also in erster Linie Landwirte, einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an Parkinson zu erkranken. Für den Fall des Klägers
gelte dies jedoch nicht, da bei ihm nicht die erforderliche "hohe" Exposition nachzuweisen ist. Dem Sachverständigen seien
drei Fälle von Landwirten bekannt gewesen, für die nach einer beruflichen Pflanzenschutzmittelexposition eine Quasi-BK anerkannt
worden sei. Alle drei Landwirte seien jedoch einer deutlich höheren Exposition von Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt gewesen
als der Kläger. Aufgrund der sehr gründlichen arbeitstechnischen Ermittlungen sei festgestellt worden, dass der Kläger einer
den vorgenannten Fällen vergleichbaren hohen Exposition nicht ausgesetzt war. Denn er habe Schutzkleidung einschließlich spezieller
Handschuhe getragen und die Pflanzenschutzmittel mittels eines Traktors mit einer geschlossenen Kabine ausgebracht. Dass auch
relativ niedrige Expositionen gegenüber Pflanzenschutzmitteln ausreichend sein könnten, ein Parkinson-Syndrom zumindest wesentlich
mitzuverursachen, sei wissenschaftlich nicht gesichert. Der Sachverständige Prof. Dr. L. habe nachvollziehbar ausgeführt,
dass es an entsprechenden Studien mangele und die Datenlage widersprüchlich sei. Ein ursächlicher oder mitursächlicher Zusammenhang
zwischen der Pflanzenschutzmittelexposition des Klägers und seinem Parkinsonsyndrom sei daher nicht wahrscheinlich zu machen.
Soweit der Kläger einwende, dass die Traktorkabine "undicht" gewesen sei bzw. die Außenluft ungefiltert in die Traktorkabine
gesaugt worden und die Innenluft daher regelmäßig mit Pflanzenschutzmittel kontaminiert gewesen sei, führe dies unter Berücksichtigung
der von Prof. Dr. L. hierzu ergänzend abgegebenen Stellungnahme vom 2. April 2011 zu keinem anderen Ergebnis. Das Sozialgericht
hat hierzu vor allem auf die von dem Sachverständigen hervorgehobenen besseren Schutzvorkehrungen des Klägers im Vergleich
zu anderen Landwirten verwiesen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass der Kläger beim Ansetzen der Pflanzenschutzmittel
aufgrund seiner Schutzkleidung vergleichsweise gut geschützt gewesen sei, auch wenn er erheblich größere Volumina an Spritzmitteln
angesetzt habe als andere Landwirte. Beim Ausbringen von Pflanzenschutzmittel habe der Kläger nicht unmittelbaren Kontakt
mit dem Mittel gehabt, sondern das Ausbringen sei von einem Traktor aus erfolgt, wenn auch - wie vorgetragen worden sei -
mit undichter Kabine. Demgegenüber habe der Sachverständige die größere Expositionen und schwerwiegendere Gesundheitsgefahren
mit sich bringende Möglichkeit herausgestellt, Pflanzenschutzmittel per Rückenspritze auszubringen bzw. von offenen Traktoren
aus zu verspritzen. Auch fehle es in anderen Fällen häufig an Schutzkleidung bzw. anderen Schutzvorkehrungen. Der Abgleich
dieser verschiedenen Varianten führe nach Ansicht Prof. Dr. L.s dazu, dass jedenfalls eine "hohe" Exposition beim Kläger nicht
gegeben sein könne, auch wenn er keinen präzisen Grenzwert nenne. Der Sachverständige äußere insoweit aber, dass vorliegend
nicht einmal ein Grenzfall zu einer "hohen" Exposition gegeben sei.
Was die Exposition der Stoffe Maneteb, Rotenon sowie Paraquat betreffe, habe Prof Dr. L. ausgeführt, dass hinsichtlich dieser
Stoffe durchaus eine hinreichende toxikologische Plausibilität vorliege. Eine ausreichende Schadstoffexposition liege jedoch
nicht vor. Denn aus dem vom Kläger ausgefüllten Fragebogen vom 8. Dezember 2010 gehe hervor, dass er lediglich Kontakt mit
Maneb - und dies auch nur sehr selten - gehabt habe. Für Mykotoxine sei nach Aussage Prof Dr. L. eine parkinsonauslösende
Wirkung nicht wahrscheinlich zu machen.
Das weitere, nach §
109 SGG eingeholte Gutachten von Prof. Dr. O. stütze das Gutachten von Prof. Dr. L. vollumfänglich. Der Sachverständige Prof. Dr.
O. habe sogar auf die Erstellung eines eigenen Gutachtens verzichtet, da er den Ausführungen des Vorgutachters in allen wesentlichen
Punkten gefolgt sei. Dies gelte insbesondere auch für die von Prof. Dr. L. als jedenfalls nicht "hoch" angenommene Exposition
des Klägers.
Das Sozialgericht hat ausgeführt, dass es aufgrund dieser eindeutigen Gutachtenlage zu der Überzeugung gelangt sei, dass die
Voraussetzungen von §
9 Abs.
2 SGB VII nicht vorliegen, da eine Ursächlichkeit der Noxen, denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei, aufgrund nicht ausreichender
Intensität der Schadstoffexposition nach aktuellen ärztlich- wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Parkinson-Erkrankung
nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.
Der Kläger hat gegen das ihm am 7. Januar 2013 zugestellte Urteil am 4. Februar 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
in Darmstadt eingelegt. Zur Begründung ist vorgetragen worden, das Sozialgericht habe zu Recht festgestellt, dass eine Parkinson-Erkrankung
grundsätzlich als Wie-BK anerkannt werden könne. Der vorliegende Streitfall unterscheide sich aber wesentlich von der üblichen
Belastung eines Landwirtes durch Pflanzenschutzmittel, da der Kläger weitaus höheren Belastungen mit Pflanzenschutzmitteln
ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger habe im Vergleich zu anderen Landwirten pro Jahr zehnmal so lange Pflanzenschutzmittel
versprüht, teilweise bis zu zehn Stunden täglich. Er habe außerdem etwa 40 Stunden pro Jahr Pflanzenschutzmittel angemischt
und damit etwa die doppelte Zeit, die ein normaler Landwirt pro Jahr aufwende, um Pflanzenschutzmittel auf Felder auszubringen.
Die beauftragten Sachverständigen hätten bei ihrer Beurteilung, der Kläger sei durch die Kabine des Traktors geschützt gewesen,
unberücksichtigt gelassen, dass die Kabine nicht dicht gewesen und die Zuluft nicht durch spezielle Filter gefiltert worden
sei. Es sei aus Studien zu Innenraumluftbelastungen von Personenkraftfahrzeugen bekannt, dass sich in der Umgebung des Fahrzeugs
befindliche Schadstoffe im Fahrzeuginneren anreicherten. Dieses sogenannte Anreicherungsphänomen sei von den Sachverständigen
nicht berücksichtigt worden. Es führe aber dazu, dass die Kabine zu einer höheren Belastung des Klägers geführt habe, als
wenn er mit einem offenen Traktor gefahren wäre. Die Einholung eines fahrzeugtechnischen Gutachtens zur Anreicherung der Pflanzenschutzmittel
in der Kabine sei erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30. Oktober 2008 aufzuheben und die Parkinson-Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit im Sinne der Gruppen 11 oder
13 der Anlage 1 zur
BKV, hilfsweise als Berufskrankheit nach §
9 Abs.
2 SGB VII (Wie-BK) anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Als besonders
schädlich für die Entstehung von Parkinson geltende Stoffe habe der Kläger nicht bzw. nur sehr selten verarbeitet. Es sei
nicht von einer hohen Belastung in der Traktorenkabine auszugehen, zumal die Lüftung des Traktors vorne am Fahrzeug gewesen
sei, die Ausbringung der Pflanzenschutzmittel aber durch die Spritzdüsen, die hinten am Traktor angebracht gewesen seien,
erfolgt sei. Entgegen der Behauptung der Klägerseite sei nach Recherchen festzustellen, dass auch der nach den Angaben des
Klägers bis zum Jahre 2000 verwendete Traktortyp nicht mit Planen an den Seitenteilen oder der Rückseite ausgestattet gewesen
sei. Vielmehr hätten diese Seitenteile aus Glasscheiben bestanden, so dass das Eindringen der ausgebrachten Mittel in das
Kabineninnere gerade nicht naheliegend erscheine. Messungen zur Schadstoffbelastung wären nur sinnvoll, wenn überhaupt eine
Exposition gegenüber Schadstoffen vorgelegen hätte, die theoretisch Parkinson verursachen könnten. Das sei aber gerade nicht
nachgewiesen. In Bezug auf das Vorbringen der Klägerseite, es sei von einer Schadstoffanreicherung im Kabineninnenraum des
Traktors auszugehen, hat die Beklagte ausgeführt, die hierzu von der Klägerseite in Bezug genommenen Studien seien ihr nicht
bekannt. Im Übrigen handele es sich bei den Schadstoffen in der Umgebung von Fahrzeugen in der Regel um Dieselmotor- Emissionen,
Kohlenmonoxyd und Ähnliches, so dass ein Vergleich mit den Aerosolen, die von dem Kläger ausgebracht worden seien, nicht zielführend
sei.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der
Beklagten Bezug genommen.
Solche zur Anerkennung einer Wie-BK notwendigen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft liegen nach Kenntnis
des Senats in Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Arbeit mit dem Ansetzen und Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln und
der Parkinsonerkrankung nicht vor. Insoweit ist auf die folgende Zusammenfassung des Sachstandes durch die parlamentarische
Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Lösekrug-Möller vom 22. Juni 2015 (Bundestagsdrucksache 18/5342,
S. 22 f. - Antwort auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Tackmann in Bezug auf die Anerkennung von Parkinson als BK) zu verweisen:
"Zur Frage einer möglichen Berufskrankheit Parkinson durch Pestizide besteht folgender Sachstand: Der Sachverständigenbeirat
hat in den Jahren 2010 und 2011 die wissenschaftliche Erkenntnislage zu Parkinson eingehend geprüft. Die diesbezüglichen nationalen
und internationalen Studien wurden im Hinblick auf die genannten gesetzlichen Voraussetzungen analysiert. Im Ergebnis waren
die in den Studien getroffenen Aussagen aber sehr unterschiedlich. Insbesondere hatten die epidemiologischen Studien, die
das entscheidende Kriterium für die Abgrenzung zwischen beruflich und außerberuflich verursachten Erkrankungen bilden, nur
begrenzte Aussagekraft. Die Studien zeigten zwar Hinweise auf einen Ursachenzusammenhang zwischen der Einwirkung von bestimmten
Stoffen (Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden) und der Entstehung von Parkinson. Allerdings gab es insbesondere in älteren
Studien erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf die eindeutige Diagnosestellung und Klassifikation der Erkrankung.
Darüber hinaus bestanden erhebliche Schwierigkeiten bei der rückwirkenden Expositionsermittlung. Auch eine damals gerade veröffentlichte
neue Übersichtsarbeit über das Studienmaterial aus dem Jahr 2011 von Prof. Karin Wirdefeldt vom Institut für medizinische
Epidemiologie und Biostatistik des Karolinska Instituts der Universität Stockholm kam für den Ursachenzusammenhang lediglich
zu der Gesamtbewertung "limited evidence - begrenzte Aussagekraft".
Der Sachverständigenbeirat hatte daher im Frühjahr 2012 beschlossen, zunächst weitere Erkenntnisse abzuwarten. Zu einem vergleichbaren
Ergebnis kam auch eine weitere systematische Übersichtsarbeit über die Studienlage, die im weiteren Jahresverlauf 2012 veröffentlicht
wurde.
Im Herbst 2014 hat der Sachverständigenbeirat beschlossen, die wissenschaftliche Erkenntnislage erneut zu prüfen, da weitere
Studien veröffentlicht worden sind. Diese Prüfung dauert noch an."
Unabhängig davon könnte nach den Ausführungen von Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 25. Januar 2010 und den diesbezüglichen
ergänzenden Stellungnahmen sowie dem sich diesen Ausführungen anschließenden Darlegungen in der gutachterlichen Stellungnahme
von Prof. Dr. O. ohnehin nur bei hohen Expositionen gegenüber Pflanzenschutzmitteln von einem Einwirkungszusammenhang ausgegangen
werden, nicht hingegen bei niedrigeren Expositionen, da insofern keine hinreichende Datenlage besteht.
Ein Anspruch auf Anerkennung der Parkinsonerkrankung als Wie-BK im Hinblick auf die von dem Kläger geltend gemachte Belastung
mit Mykotoxinen (Schimmelpilzgiften), denen er bei der An- und Auslieferung von Getreide und Düngemitteln ausgesetzt gewesen
sei, steht von vornherein jedenfalls entgegen, dass nach den überzeugenden Feststellungen von Prof. Dr. L. bereits kein Hinweis
auf eine generelle Eignung einer solchen Belastung für die Verursachung eines Parkinsonsyndroms besteht.