Honorarverteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen; Erforderlichkeit einer allgemein gehaltenen Härteregelung
für Ausnahmen vom Regelleistungsvolumen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung einer Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens nach dem Honorarverteilungsvertrag
der Beklagten für die Quartale II/05 - I/07.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt, bestehend aus zwei Ärzten. Frau Dr. med. L.-S. ist seit
1. Juli 1996 als Fachärztin für Chirurgie/Gefäßchirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, Herr Dr. med. M. seit
dem 1. April 2002 als Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie; seit diesem Zeitpunkt bestand auch die Gemeinschaftspraxis. Beide
Ärzte waren in einem Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten in Praxisgemeinschaft mit zwei Fachärzten für Innere Medizin mit dem
Schwerpunkt Angiologie tätig. Sie verfügen beide über die Genehmigung zur Sonographie in der Gefäßdiagnostik sowie zum ambulanten
Operieren. Frau Dr. med. L.-S. besitzt ferner die Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen nach der Ziffer 02311 EBM 2000plus
(Behandlung des diabetischen Fußes). Nach dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten war die Klägerin der Arzt-/Fachgruppe
der Fachärzte für Chirurgie zugeordnet und gehörte damit der Honorargruppe B 2.3 an. Mit Wirkung zum 1. April 2007 hat sich
die Gemeinschaftspraxis getrennt.
Am 16. Februar 2006 beantragte die Klägerin zusammen mit den weiteren Ärzten der Praxisgemeinschaft, ihr das Regelleistungsvolumen
für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen und die Fallzahl zu erhöhen. Sie trug
vor, das Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten betreue jährlich ambulant und stationär ca. 14.000 Patienten. Mit Einführung des
neuen EBM und insbesondere eines geänderten HVV sei es bei den angiologisch tätigen Gefäßchirurgen zu einem dramatischen Einbruch
der abrechenbaren Fallpunktzahl gekommen, der im Quartal II/05 mit einer Stützungsmaßnahme von 70.000,00 EUR lediglich habe
abgefangen werden können. Nach Rückführung der Stützungsmaßnahmen werde dies jedoch zu einer Existenzvernichtung führen. Sie
hätten bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Gruppe der Gefäßchirurgen nicht mit den übrigen Chirurgen
verglichen werden könne. Während bei den internistisch tätigen Angiologen mit PTA ein angiologischer Komplex von 1.665 Punkten
pro Fall zur Anwendung komme, könnten Chirurgen lediglich ca. 900 Punkte und weniger pro Fall abrechnen, obwohl die Diagnostik
absolut identisch sei. Ihre Praxis könne nicht der Fachgruppe der Chirurgen zugeordnet werden, da sie ausschließlich auf dem
Gebiet der Gefäßchirurgie tätig sei; der Schwerpunkt ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit liege in der Diagnostik und Therapie
der arteriellen, venösen und lymphatischen Erkrankungen. Im Rahmen der Diagnostik von arteriellen Verschlusskrankheiten sowohl
der peripheren als auch der supraaortalen Gefäße sei ein wesentlicher Bestandteil die Durchführung der Duplexsonographie.
Diese Untersuchungsmethode sei ebenfalls in der Behandlung von phlebologischen Erkrankungen unverzichtbar. Allgemeinchirurgen
würden sonographische Untersuchungen eher selten erbringen. Bei den Internisten seien spezielle Regelleistungsvolumina gebildet
und ihnen das Regelleistungsvolumen der invasiv tätigen Angiologen mit Punktwerten zwischen 2.423 und 2.443 Punkten bei den
Primärkassen sowie 2.048 und 2.400 Punkten bei den Ersatzkassen zuerkannt worden. In dem Quartal II/05 hätten sie einen Honorarverlust
von 62,74 EUR pro Fall im Vergleich zum Vorjahresquartal hinnehmen müssen. Von den angeforderten 3.045.200 Punkten bekämen
sie lediglich 1.437.129,90 Punkte zum oberen Punktwert vergütet, mehr als die Hälfte der angeforderten Leistungen, nämlich
insgesamt 1.608.070,10 Punkte, seien nur zum unteren Punktwert vergütet worden. Eine vergleichbare Praxis wie die ihre gebe
es aufgrund der Integration in das Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten in ganz Hessen nicht. - In einem von der Klägerin mit
unterzeichneten Schreiben vom 14. März 2006 bekräftigte die Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Gefäßmediziner diese Position
und beantragte für Angiologen und Gefäßchirurgen eine Anhebung der Fallpunktzahl. Bei ihnen handele es sich um eine zahlenmäßig
kleine Grundgesamtheit von spezialisierten Praxen, die weitgehend reine Überweisungspraxen darstellten und insgesamt ca. 80.000
komplex gefäßkranke Patienten pro Jahr in Hessen versorgten.
Mit Bescheid vom 28. April 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Sonderregelung im Rahmen der fallzahlabhängigen Quotierung
sowie zum Regelleistungsvolumen ab dem Quartal II/05 ab. Hiergegen legte die Klägerin am 30. Mai 2006 Widerspruch ein, den
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2007 als unbegründet zurückwies. Sie führte aus, für die Fachgruppe
der Chirurgen sehe der Honorarverteilungsvertrag (unter Berücksichtigung des Zuschlags von 130 Punkten für Gemeinschaftspraxen)
folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen vor:
|
Primärkassen
|
Ersatzkassen
|
Altersgruppe:
|
0 - 5
|
6 - 59
|
≥60
|
0- 5
|
6 - 59
|
≥60
|
Fallpunktzahl:
|
667
|
926
|
1.187
|
604
|
831
|
1.033
|
Zur Feststellung des endgültigen praxisbezogenen Regelleistungsvolumens im Quartal II/05 seien 1.452 Fälle mit einem Fallwert
von 997,1 Punkten zugrunde zu legen. Das Regelleistungsvolumen für das Quartal II/05 betrage damit 1.447.789,2 Punkte. Die
abgerechneten Honorarforderungen, die dem Regelleistungsvolumen unterlägen, betrügen demgegenüber 3.040.200,0 Punkte und überschritten
damit das praxisbezogene Regelleistungsvolumen um 1.592,410,8 Punkte. Im Quartal III/05 seien 1.277 Fälle mit einem Fallpunktwert
von 1.003,9 Punkten zugrunde zu legen, so dass das praxisbezogene Regelleistungsvolumen 1.281.980,3 Punkte betrage. Die abgerechneten
Honorarforderungen, die dem Regelleistungsvolumen unterlägen, betrügen demgegenüber 2.1866.195,0 Punkte. Eine Analyse des
Leistungsspektrums auf der Grundlage der Abrechnungsunterlagen für das Quartal II/05 habe zwar ergeben, dass die Klägerin
Leistungen nach den Ziffern 33060, 33061, 33070, 33072, 33073, 33075 und 33076 in größerem Umfang abgerechnet habe. Der besondere
Leistungsbedarf dieser Leistungen habe bei der Berechnung der für das Regelleistungsvolumen maßgeblichen Fallpunktzahlen für
Fachärzte für Chirurgie aber bereits dadurch Berücksichtigung gefunden, dass das entsprechende Punktzahlvolumen dieser Ärzte
in die Ermittlung einbezogen worden sei. Daher werde keine Möglichkeit gesehen, praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen
Fallpunktzahlen vorzunehmen. Eine Überprüfung der Versorgungssituation für den Bereich A-Stadt habe gezeigt, dass weitere
Ärzte - u. a. auch der Prüfgruppe der Klägerin - in diesem Planungsbereich über die fachliche Genehmigung für die streitgegenständlichen
Leistungen verfügten und diese auch abrechneten. Eine Sicherstellungsproblematik sei somit nicht festzustellen. Sofern es
zu Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus komme, könne die im Honorarverteilungsvertrag vorgesehene Regelung
zur Vermeidung von Fallwertverlusten zur Anwendung kommen.
Die Klägerin hat am 14. März 2007 Klage erhoben, mit der sie ursprünglich die Zuerkennung einer Sonderregelung im Rahmen der
fallzahlabhängigen Quotierung und zum Regelleistungsvolumen ab dem zweiten Quartal 2005 begehrt hat; später hat sie die Klage,
soweit sie sich gegen die fallzahlabhängige Quotierung der Beklagten richtete, zurückgenommen. Hinsichtlich des verbleibenden
Streitgegenstands hat sie vorgetragen, aufgrund ihres besonderen Schwerpunkts könne sie nicht auf das Regelleistungsvolumen
für die Fachgruppe der Chirurgen verwiesen werden. Von ca. 300 in Hessen niedergelassenen Chirurgen hätten lediglich ca. sieben
Chirurgen die Zusatzbezeichnung Gefäßchirurgie bzw. seien auf diesem Gebiet schwerpunktmäßig tätig. Bei den gefäßsonographischen
Leistungen ergäben sich Abweichungen zur Fachgruppe von teilweise mehr als 400 %. Die Einbeziehung dieser Leistungen in das
Regelleistungsvolumen für Chirurgen bewirke einen "Verwässerungseffekt", da dieser Honoraranteil nun in den Honorartopf für
die Gesamtheit aller chirurgischen Leistungen eingebracht werde, ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass diese spezifischen
Leistungen überwiegend nur von ca. sieben Gefäßchirurgen erbracht würden. Der durchschnittliche Punktebedarf aufgrund der
speziellen gefäßsonographischen Leistungen sowie durchgeführten Therapien liege bei ca. 1.800 bis 1.850 Punkten pro Fall.
Die Beklagte sei im gesamten Bundesgebiet derzeit die einzige KV, die den Gefäßchirurgen ausschließlich das Regelleistungsvolumen
der Chirurgen zuerkenne. Die Beklagte könne auch nicht auf das Durchschnittshonorar der Chirurgen abstellen, da ihre Praxis
eine spezielle technische Ausstattung erfordere und einen sehr viel höheren Kostensatz aufweise als eine allgemeinchirurgische
Praxis. Die Auffüllzahlungen nach Ziffer 7.5 HVV seien unzureichend und glichen die regelleistungsbedingten Honorarverluste
in keiner Weise aus. Weder die in A-Stadt tätigen Fachärzte für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie, noch die von der
Beklagten genannten Internisten böten ihr spezielles Leistungsspektrum an.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass ein Sicherstellungsproblem hinsichtlich der von der Klägerin angebotenen Leistungen
nicht bestehe. Es seien in A-Stadt alleine vier Fachärzte für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie niedergelassen, darüber
hinaus seien fünf Internisten in Einzelpraxis und weitere drei Internisten verteilt auf zwei Gemeinschaftspraxen mit dem Schwerpunkt
Angiologie tätig. Diese Ärzte erbrächten auch die entsprechenden Leistungen. Darüber hinaus seien in Hessen nicht nur sieben,
sondern 44 Chirurgen mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie tätig. Über das Regelleistungsvolumen hinausgehende Leistungen würden
zum unteren Punktwert vergütet. Honorarminderungen seien gerechtfertigt vor dem Hintergrund der damit zu erzielenden Stabilisierung
des Punktwertes. Durch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages sei es ab dem Quartal II/05
zu erheblichen Auffüllungen bei der Klägerin gekommen, welche die Verluste durch das Regelleistungsvolumen überkompensiert
hätten. Es liege im Ermessen der Klägerin, ihr Leistungserbringungsverhalten in der Weise zu ändern, dass nicht länger ein
Großteil ihrer Punkte aus dem Regelleistungsvolumen herausfalle. Auch ein überdurchschnittlicher Überweisungsanteil im Vergleich
zu den Facharztkollegen vermöge einen Anspruch auf Sonderregelung nicht zu begründen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass
die Klägerin im Vergleich zur Fachgruppe ein weit überdurchschnittliches Honorar erziele.
Mit Urteil vom 30. Januar 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Regelungen in Ziffer 6.3 des HVV, soweit für
die Klägerin maßgeblich, seien rechtmäßig, insbesondere mit den gesetzlichen Vorschriften in §
85 Abs.
4 SGB V vereinbar. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz habe der Gesetzgeber die sog. Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben.
Dadurch solle erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen
Punktwerten vergütet würden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen
gegeben werde. Leistungen, die den Grenzwert überschritten, sollten mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden, um der
Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechung zu tragen und den ökonomischen Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung
zu begrenzen. Ausgehend von den sich daran orientierenden Vorgaben im HVV habe die Beklagte das Regelleistungsvolumen und
insbesondere die arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen der Klägerin zutreffend berechnet. Allerdings sei der Vorstand der
Beklagten nach Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung praxisbezogene
Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen. Damit sei der Vorstand zu Ausnahmeregelungen nicht
nur in Fällen echter Härte, sondern generell bei atypischen Versorgungssituationen ermächtigt. Eine Ungleichbehandlung und
damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit könne dann vorliegen, wenn die Praxis einen zur
Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdecke. Dies sei unabhängig von der Honorarhöhe oder eventuellen Ausgleichszahlungen
nach Ziffer 7.5 HVV zu beurteilen; maßgeblich sei allein, ob im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung
oder eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der
auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte bezogen auf die Gesamtpunktzahl der Praxis habe. Die Kammer
halte es für unzulässig, den Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen, er könne auf seine Spezialisierung verzichten,
denn dies könne in der Konsequenz bedeuten, dass Spezialisierungen mit besonderen Praxisschwerpunkten nicht mehr gebildet
werden könnten mit der weiteren Konsequenz, dass diese Leistungen nicht oder nur in ungenügendem Umfang erbracht würden. Allerdings
sei zu berücksichtigen, dass nicht jede im Vergleich zur Fachgruppe vermehrte Erbringung von Einzelleistungen oder Leistungsgruppen
oder Spezialisierung einen Ausnahmefall begründen könne, da dann die Regelleistungsvolumina ihren Zweck der Kalkulationssicherheit
nicht mehr erfüllen könnten. §
85 Abs.
4 und
4a SGB V enthalte keine Vorgaben für differenzierte Ausnahmen und gebe insoweit die Tendenz einer Nivellierung des Leistungsgeschehens
vor, weshalb es nicht zu beanstanden sei, dass weder der Bewertungsausschuss noch der HVV ein den früheren Zusatzbudgets vergleichbares
Instrumentarium vorsähen. Ein zu berücksichtigender Ausnahmefall sei im Fall der Klägerin nicht erwiesen. Zwar weise diese
einen erhöhten Anteil sonographischer Leistungen auf, für die allein im zweiten Quartal 2005 insgesamt 1.856.690 Punkte angefordert
worden seien, was bezogen auf das Regelleistungsvolumen einen Anteil von 61 % bzw. bezogen auf die Gesamtpunktzahlanforderung
einen Anteil von 43,14 % ausmache; ähnliche Werte ergäben sich für das dritte Quartal 2005. Während die klägerische Praxis
die sonographischen Leistungen nach Ziffer 33061 EBM 2000plus 66 mal, die Ziffer 33072 EBM 2000plus 75 mal und die Ziffer
33075 EBM 2000plus 90 mal auf 100 Behandlungsfälle im Quartal III/05 erbringe, rechne die Fachgruppe diese Leistungen 2 mal,
4 mal und 4 mal bzw. die Praxen der Fachgruppe, die diese Leistung überhaupt erbringen würden (17 bis 22 Praxen von 129 Praxen
mit 279 Vertragsärzten) 25 mal, 23 mal und 29 mal auf 100 Behandlungsfälle im Quartal III/05 ab. Die Kammer sei dennoch der
Auffassung, dass bei der Begrenzung auf ein enges diagnostisches Leistungsspektrum, das im Wesentlichen von anderen Fachgruppen,
hier der Internisten erbracht werde, eine Ausnahmeregelung nicht erforderlich sei, da es hierdurch auch zu einer Verschiebung
zwischen den Honorar(unter)gruppen komme. Der Zubilligung eines Regelleistungsvolumens in Höhe des Regelleistungsvolumens
für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit Schwerpunkt Angiologie stehe ferner entgegen, dass die fachärztlich-invasiv
tätigen Internisten auf ein anderes Leistungsspektrum nach Nr. 3, 5 6 und 7 Kapitel 13.1 EBM 2000plus beschränkt seien, das
im Wesentlichen mit den Leistungen nach Abschnitt 13.3.1 EBM 2000plus für die Klägerin nicht gelte.
Gegen das ihr am 13. Februar 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. März 2008 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, das Sozialgericht führe einerseits zutreffend aus, dass in Ausnahmefällen praxisbezogene Änderungen an den
arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens möglich sein müssten und ein solcher Ausnahmefall in der
Spezialisierung einer Praxis liegen könne, und stelle auch einen im Vergleich zur Fachgruppe weit überdurchschnittlichen Anteil
sonographischer Leistungen fest. Dann sei es aber nicht nachzuvollziehen, weshalb das Sozialgericht dennoch zu dem Ergebnis
komme, ein wesentlich von der Fachgruppe abweichendes Leistungsspektrum liege bei ihrer Praxis nicht vor. Das Sozialgericht
habe sich in keiner Weise mit der von ihnen vorgelegten Berechnung in drei Beispielsfällen auseinandergesetzt, durch die sie
aufgezeigt hätten, dass bereits durch den Erstkontakt mit dem Patienten das Regelleistungsvolumen der Chirurgen von durchschnittlich
1.000 Punkten in jedem Einzelfall durch die diagnostische Abklärung fast um das Doppelte überschritten werde, zusätzliche
Behandlungen beim diabetischen Fuß noch nicht eingerechnet. Ein Regelleistungsvolumen, welches in keinem einzigen Fall, der
ihnen zur Diagnostik vorgestellt werde, zur Diagnose ausreichend sei, könne jedoch nicht rechtmäßig sein. Aus der für ihre
Praxis erstellten Statistik für die Ziffern 33072 und 33061 EBM 2000plus lasse sich entnehmen, dass diese Ziffern in den Quartalen
II/05 bis IV/07 bei nahezu jedem Patienten erbracht worden seien. Ebenso wenig tragfähig sei das Argument des Sozialgerichts,
die Zuerkennung eines Regelleistungsvolumens für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit Schwerpunkt Angiologie komme
nicht infrage, weil diese auf ein anderes Leistungsspektrum beschränkt seien; denn sie hätten nicht beantragt, das Leistungsspektrum
dieser Fachgruppe übertragen zu bekommen, sondern es gehe lediglich darum, das Regelleistungsvolumen der Punktzahl nach in
Höhe der fachärztlich-invasiv tätigen Internisten zugrunde zu legen, da dies ihr Leistungsspektrum am ehesten abbilde. Es
sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die einzige KV in Deutschland sei, welche die Gefäßchirurgen auf das unzureichende
Regelleistungsvolumen der Chirurgen verweise. Die Berufung der Beklagten auf die Auffüllregelung nach Ziffer 7.5 HVV, welche
Ausnahmefälle ausreichend berücksichtige, trage nicht, denn die Beklagte fordere mittlerweile für die Quartale II/06 bis IV/06
Auffüllbeträge in Höhe von 85.038,56 EUR zurück.
Nachdem die Klägerin mit der Berufung ursprünglich beantragt hat, ihr das Regelleistungsvolumen für fachärztlich-invasiv tätige
Internisten mit Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen, hat sie dieses Begehren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht
mehr aufrechterhalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.
April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2007 zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, auf eine Erhöhung der Fallpunktzahlen im Rahmen des Regelleistungsvolumens habe die Klägerin keinen Anspruch. Die
Berechnung der Fallpunktzahlen für die jeweilige Fachgruppe beruhe auf den Abrechungsdaten der Fachgruppe in den beiden ersten
Quartalen 2004. Unter den Fachärzten für Chirurgie seien in nicht unbedeutender Anzahl Ärzte mit der Schwerpunktbezeichnung
Gefäßchirurgie vertreten und unter diesen wiederum Ärzte, welche die betreffenden Ziffern in größerem oder annähernd gleichem
Umfang abrechneten wie die Klägerin, so dass die Fallpunktzahlen der Chirurgen auch den Leistungsbedarf der Klägerin ausreichend
abdeckten. Ein Anspruch auf Erhöhung ergebe sich nach dem HVV nur, wenn dies zur Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen
Versorgung notwendig sei. Damit komme es aber entgegen der Auffassung der Klägerin nur auf die Versorgung im Umkreis einer
Praxis und nicht auf den Versorgungsschwerpunkt der Praxis selbst an. Anderenfalls würde der Arzt über eine Spezialisierung,
die regelhaft den Zustrom eines bestimmten Patientenklientels nach sich ziehe, einen Versorgungsschwerpunkt selbst begründen
können, was sich nachteilig für die übrigen Ärzte der Honorargruppe auswirken könne. Die Versorgung der Versicherten mit den
Leistungen nach den Ziffern 33060, 33070, 33072, 33073, 33075 und 33076 EBM sei jedoch sichergestellt, da diese Leistungen
gerade auch von Fachärzten für Innere Medizin mit Schwerpunkt Angiologie erbracht würden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten klargestellt, dass Streitgegenstand des Verfahrens der Anspruch
auf eine Sonderregelung für die Quartale II/05 bis einschließlich I/07 ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne die am HVV beteiligten Krankenkassen/-verbände beizuladen. Die Frage, ob der
Kläger gegen die Beklagte weitergehende Honoraransprüche hat, berührt ihre Rechtssphäre nicht unmittelbar. Die Neufassung
des §
85 Abs.
4 Satz 2
SGB V durch Art 1 Nr. 64 Buchst h des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) hat nichts daran geändert, dass die Landesverbände
der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen (seit dem 1. Juli 2008: die Ersatzkassen) auch in solchen Honorarstreitverfahren,
in denen inzident über die Geltung des HVV gestritten wird, nicht notwendig beizuladen sind. Nach §
85 Abs.
4 Satz 2
SGB V wendet die KÄV seit dem 1. Juli 2004 für die Honorarverteilung den mit den Kassenverbänden "gemeinsam und einheitlich zu
vereinbarenden" Verteilungsmaßstab an. Zuvor war insoweit der in der Rechtsform der Satzung von der KÄV "im Benehmen" mit
den Kassenverbänden zu erlassende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) maßgeblich. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Einbindung
der Verbände der Krankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung ändert nichts daran, dass
im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident
(auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird (BSG, Urteil vom 17. September 2008, B 6 KA 46/07 R, juris Rdnr. 13).
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts kann keinen Bestand haben,
denn die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Diese ist verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf
praxisbezogene Änderung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen im Rahmen des Regelleistungsvolumens nach Ziffer 6.3 HVV
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Streitgegenstand des Verfahrens ist, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben, ob der Klägerin
für die Quartale II/05 bis einschließlich I/07 ein Anspruch auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zusteht; danach
liegende Zeiträume sind schon wegen der Auflösung der Gemeinschaftspraxis zum 1. April 2007 nicht zu beurteilen.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung
für die Quartale II/05 bis IV/05, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV)
sind nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, sofern eine Praxis den dort genannten Honorar(unter)gruppen
angehört. Dieser HVV galt hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen auch in den nachfolgenden Zeiträumen bis einschließlich
des Quartals I/07 unverändert fort. Die Klägerin gehörte als chirurgische Praxis der Honorar(unter)gruppe B 2.3 an und war
dort abrechnungstechnisch der VfG 17 zugeordnet.
Im Fall der Klägerin hat die Beklagte ausgehend von dieser fachlichen Zuordnung das Regelleistungsvolumen und die arztgruppenspezifischen
Fallpunktzahlen richtig berechnet. Die dem zugrunde liegenden Regelungen, nämlich der Beschluss des Bewertungsausschusses
in seiner 93. Sitzung vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen
gemäß §
85 Abs.
4 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 (DÄ 2004, 101 (46), A - 3129) sowie die daran anknüpfenden Regelungen in Ziffer 6.3 HVV sind
nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. u.a. HLSG, Urteil vom 11. Februar
2009, L 4 KA 82/07; Urteil vom 29. April 2009, L 4 KA 76/08; Urteil vom 24. Juni 2009, L 4 KA 85/05, alle veröffentlicht in juris). Im Streit steht allein, ob die Beklagte verpflichtet ist, bei der Klägerin einen Ausnahmefall
anzuerkennen und deshalb eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens vorzunehmen hat.
Als Rechtsgrundlage kommt insoweit Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV im Ergebnis nicht in Betracht. Danach ist der Vorstand der
KV Hessen ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen
an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.
Für die Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung sind die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung
in einem regionalen Bereich sowie die Feststellung von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher
Bedeutung. Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z. B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen
und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen
Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Diese Aspekte sind
in gleicher Weise bei der Frage von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung ausreichend sichergestellt ist. Der Beklagten steht
bei der Gewichtung dieser Kriterien ein Beurteilungsspielraum zu (Urteil des Senats vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07 - juris). Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Zulassungsgremien bei der Entscheidung über die Ermächtigung
von Krankenhausärzten und über die Zulassung von Ärzten wegen eines Sonderbedarfs einen Beurteilungsspielraum zugestanden
(BSGE 73, 25, 29 = SozR 3 2500 § 116 Nr. 4 S 29; BSG SozR 3-2500 § 101 Nr. 1 S 4 f; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 6 KA 35/99 R). Auch bei der Entscheidung der KV, zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in einem bestimmten Ort oder Ortsteil
den Betrieb einer Zweitpraxis zu genehmigen, hat diese einen Beurteilungsspielraum (BSGE 77, 188, 191 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7 S 28 f). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher darauf, ob der Verwaltungsentscheidung
ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die durch Auslegung des Begriffs "Sicherstellung" zu ermittelnden
Grenzen eingehalten und die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass
im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.
Eine Sicherstellungsproblematik hat die Beklagte im Fall der Klägerin mit nachvollziehbarer Begründung verneint. Die ärztliche
Versorgung mit den von der Klägerin erbrachten Leistungen im Raum A-Stadt ist ausreichend sichergestellt. Das ist bereits
deshalb anzunehmen, weil angiologische Leistungen von einer eigenen Fachgruppe, nämlich den Internisten mit entsprechender
Zusatzbezeichnung, erbracht werden. Nach den Feststellungen der Beklagten sind in A-Stadt fünf Internisten in Einzelpraxis
und weitere drei Internisten in zwei Gemeinschaftspraxen mit dem Schwerpunkt Angiologie tätig, welche die streitgegenständlichen
sonographischen Leistungen erbringen. Ferner sind vier Fachärzte für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie niedergelassen.
Angesichts dessen zweifelt der Senat nicht daran, dass auch ohne das spezialisierte Angebot der Klägerin die von ihr betreuten
Patienten in dem städtischen Ballungsraum von A-Stadt eine anderweitige Behandlungsmöglichkeit finden würden.
Soweit das Sozialgericht in dem angegriffenen Urteil davon ausgeht, der Begriff der Sicherstellung sei nicht in diesem engen
Sinne, sondern weitergehend zu verstehen im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle, folgt der Senat
dem nicht. Das Bundessozialgericht stellt für die Auslegung vertragärztlicher Vergütungsregelungen in erster Linie auf den
Wortlaut ab; ergänzend kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden
vergleichbaren oder ähnlichen Bestimmungen erfolgen (Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 22). Im Zweifel ist ein bereits eingeführter Begriff, wenn er auch in weiteren Regelungen verwendet wird, jeweils
übereinstimmend auszulegen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 6 KA 26/08 R, juris Rdnr. 16). Der Begriff der Sicherstellung der Versorgung ist in der bisherigen Verwaltungspraxis und Rechtsprechung
jedoch in anderer Weise verstanden worden als die Begriffe Versorgungsschwerpunkt bzw. Praxisschwerpunkt, mit denen das Sozialgericht
argumentiert. Das Erfordernis eines Versorgungsschwerpunkts wird vom Bundessozialgericht ausdrücklich unterschieden von dem
des Versorgungsbedarfs und dem hierzu gehörenden Gesichtspunkt der Sicherstellung der Versorgung (vgl. BSG, Urteil vom 28.
Oktober 2009, B 6 KA 26/08, unter Hinweis auf BSGE 87, 112, 116 ff. = SozR 3-2500 § 87 Nr. 26 S 136 ff.; BSG USK 2001-143 S 866 f.; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31 S 178 ff.; BSG SozR
4-2500 § 87 Nr. 12 Rdnr. 15 ff.). Angesichts des ausdrücklich auf Sicherstellungsgründe beschränkten Wortlauts kann Ziffer
6.3 HVV deshalb nicht im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle verstanden werden, zumal sich die Formulierung
"aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung" erkennbar an den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober
2004 (DÄ 2004, 101 (46), Ä-3129) anlehnt, der unter Ziffer 3.1 zur Ermittlung des Regelleistungsvolumens ausgeführt hat, dass
Anpassungen des Regelleistungsvolumens im HVV "zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung" vorgenommen
werden können. Es ist daher auch ausgeschlossen, das Fehlen einer generalklauselartigen Härtefallregelung im Wege ergänzender
Auslegung in den HVV hineinzuinterpretieren (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 29. November 2006, B 6 KA 43/06 B, juris Rdnr. 10 m.w.N.).
Der für die streitgegenständlichen Quartale maßgebliche HVV erweist sich als mit höherrangigem Recht aber insoweit unvereinbar,
als eine allgemeine Härtefallregelung fehlt, die im Fall einer in besonderer Weise spezialisierten Praxis - wie bei der Klägerin
- eine Ausnahmeregelung zulässt.
Das Bundessozialgericht hat zu Honorarverteilungsmaßstäben wiederholt festgestellt, dass auf eine allgemein gehaltene Härteregelung
nicht verzichtet werden kann (Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 71/97 R, juris Rdnr. 29; Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10). Es stellt dabei auf den aus Art.
12 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
3 Abs.
1 GG folgenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ab, der entsprechende Ausnahmeregelungen im HVM erforderlich macht
(Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 65/97 R, juris Rdnr. 24 f). Berufsausübungsregelungen müssen, auch wenn sie in der gewählten Form prinzipiell zulässig sind, die
Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Angesichts der mit der Rechtsetzung
durch einen Berufsverband verbundenen Gefahr der Benachteiligung von Minderheiten kommt der Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit
und ausreichender Differenzierung beim Erlass von Vergütungsregelungen besonderes Gewicht zu; die den kassenärztlichen Vereinigungen
- bzw. unter der Geltung der Honorarverteilungsverträge den Vertragspartnern der Vergütungsverträge - eingeräumte Verteilungsautonomie
lässt sich im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nur rechtfertigen, wenn damit die Verpflichtung
zur strikten Beachtung des Gleichheitsgebots verbunden wird. Dadurch wird den zur Normsetzung befugten Körperschaften freilich
nicht verwehrt, im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität einer Regelung zu verallgemeinern, zu typisieren und
zu pauschalieren. Der Gleichheitssatz lässt dem Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Ob er jeweils die zweckmäßigste,
vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat, ist vom Gericht nicht nachzuprüfen. Ein Verfassungsverstoß liegt jedoch
vor, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung nach einer
am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (BVerfGE 60, 113, 119; 67, 70, 85 f.). Dabei kann es bei komplexen Sachverhalten vertretbar sein, dass dem Normgeber zunächst eine angemessene
Zeit zur Sammlung von Erfahrungen eingeräumt wird und er sich in diesem Anfangsstadium auch mit gröberen Typisierungen und
Generalisierungen begnügen darf, die unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität namentlich deshalb gerechtfertigt sein können,
weil eine Verfeinerung die Gefahr mangelnder Wirksamkeit mit sich bringen kann (BVerfGE 33, 171, 189).
Diese Erwägungen gelten auch im Anwendungsbereich von arztgruppenspezifischen Regelleistungsvolumina, welche Fallpunktzahlen
zuordnen, die sich nach dem durchschnittlichen Leistungsgeschehen in der jeweiligen Arzt- bzw. Facharztgruppe richten. Denn
es sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen innerhalb einer Arztgruppe bestimmte Untergruppen mit den vorgesehenen Fallpunktwerten
infolge einer Spezialisierung nicht auskommen. Allerdings steht eine derartige individuelle Betrachtung prinzipiell im Widerspruch
zu dem mit den Regelleistungsvolumina angestrebten Steuerungsziel, wie es das Sozialgericht zutreffend beschrieben hat: Durch
Regelleistungsvolumina soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert
mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze gegeben
wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden, um zum Einen der
Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechung zu tragen, zum Anderen den ökonomischen Anreiz zur Leistungsausweitung
zu begrenzen (vgl. BT-Drucks 15/1170, S. 79). Regelleistungsvolumina zielen somit auch auf eine Begrenzung des ärztlichen
Leistungsverhaltens, indem nur das typische Leistungsgeschehen innerhalb einer Arztgruppe zum Maßstab genommen und mit einem
festen Punktwert vergütet wird, hingegen darüber hinaus erbrachte Leistungen nur noch mit deutlich niedrigeren Punktwerten.
Die Vertragspartner des HVV sind insoweit auch nicht verpflichtet, für jedes der in den Weiterbildungsordnungen genannten
Gebiete und Teilgebiete eine eigene Arztgruppe zu bilden (Engelhard in Hauck, Kommentar zum
SGB V, §
85 Rdnr. 259b). Gleichwohl gilt auch unter der Geltung der Regelleistungsvolumina, dass bei der Verteilung der Gesamtvergütungen
Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen sind (§
85 Abs.
4 Satz 3
SGB V).
Zur Überzeugung des Senats erfordert Art.
12 Abs.
1 i.V.m. Art.
3 Abs.
1 GG deshalb eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen außer für den im HVV 2005 geregelten Fall einer Sicherstellungsproblematik
auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelungen über die Regelleistungsvolumina Ärzte
mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hatten und dieses spezifisches Leistungsangebot durch das Regelleistungsvolumen
der Fachgruppe, der sie zugeordnet sind, nicht leistungsangemessen abgedeckt wird. Denn es gibt keinen Hinweis, dass der Gesetzgeber
mit §
85 Abs.
4 SGB V in der Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG)
vom 14. November 2003 (BGBl. I 2190), durch das die bis dahin als Sollvorschrift ausgestalteten Regelungen über die Regelleistungsvolumina
geändert und diese nunmehr verbindlich vorgeschrieben wurden, Spezialisierungen, welche sich in der Vergangenheit innerhalb
einer Arztgruppe entwickelt hatten, von Vornherein nicht berücksichtigen wollte. Solche Spezialisierungen sind, wie bereits
das Sozialgericht betont hat, im Grundsatz Ausdruck einer sinnvollen Arbeitsteilung innerhalb der Ärzteschaft und damit gleichzeitig
ein Gewinn für die Versorgung der Versicherten, weil aus der Spezialisierung einer Praxis eine besondere Behandlungsqualität
folgen kann. Nicht zuletzt spricht die in - allerdings erst für Quartale seit 1. Januar 2009 anwendbare - modifizierte Regelung
in §
87b SGB V (i. d. F. von Art. 1 Nr. 57b GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz m. W. v. 1. April 2007, BGBl. I, S. 378), wonach auch Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen sind, dafür, dass zumindest der Erhalt eines vorhandenen Leistungsschwerpunkts
durch die Einführung der Regelleistungsvolumina nicht prinzipiell unbeachtet bleiben sollte.
Entsprechende Spezialisierungen waren in der Vergangenheit nicht nur möglich, sondern wurden auch entsprechend honoriert.
Unter der Geltung des EBM 1996/1997 standen verschiedenen Arztgruppen qualifikationsabhängige Zusatzbudgets nach Teil B Nr.
4.1 EBM offen. In dieses Zusatzbudget fielen bei der Fachgruppe der Chirurgen - unter der Voraussetzung der Erfüllung der
entsprechenden Qualifikationsanforderungen - u.a. Leistungen der Gefäßchirurgie (Teilgebiet) und/oder Phlebologie (Zusatzbezeichnung),
sonographische Untersuchungen (EBM-Ziffern 375 bis 389, 398) und sonographische Gefäßuntersuchungen (Ziffern 668 bis 689 EBM).
Bei den letztgenannten Ziffern handelt es sich um Leistungen, die ansonsten den Fachärzten für Innere Medizin vorbehalten
sind. Die Fachgruppe der Chirurgen war somit unter der Voraussetzung entsprechender Qualifikationsnachweise (z.B. den Fachkundenachweis
im Bereich der Ultraschalldiagnostik) berechtigt, sonographische Untersuchungen als Leistung anzubieten und dies im Rahmen
der Zusatzbudgets abzurechnen.
Dann ist es jedoch mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar, wenn der Honorarverteilungsmaßstab
eine solchermaßen zulässige und entsprechend honorierte Tätigkeit bei der Umstellung auf das Recht der Regelleistungsvolumina
nicht berücksichtigt, wenn die entsprechende Spezialisierung sich nicht als unwirtschaftlich darstellt. Dafür gibt es vorliegend
keine Anhaltspunkte. Es kann daher auch keine Rolle spielen, dass das Leistungsspektrum der Klägerin ansonsten von einer anderen
Fachgruppe, nämlich den Internisten, erbracht wird. Das Argument des Sozialgerichts, eine Ausnahmeregelung zugunsten der Klägerin
führe zu einer Verschiebung zwischen den Honorar(unter-)gruppen, berücksichtigt nicht ausreichend, dass sich die Klägerin
mit ihrem Leistungsangebot bereits vor dem Inkrafttreten von §
85 Abs.
4 SGB V in der Fassung durch das GMG innerhalb ihrer Fachgruppe zulässigerweise auf sonographische Leistungen spezialisiert hatte
und damit einen bestehenden Versorgungsbedarf abdeckte.
Für die Frage, wann eine echte Spezialisierung vorliegt, welche im Rahmen des Regelleistungsvolumens die Notwendigkeit einer
Ausnahmeregelung begründet, kann an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden.
Zu dem Begriff der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" als Voraussetzung für die Erweiterung eines Zusatzbudgets
nach dem EBM-Ä 1997 hat es ausgeführt, dies setze eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung,
einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des
Fachgebiets voraus, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Indizien für eine entsprechende Spezialisierung
seien ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden
Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw. in der Behandlungsausrichtung
der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Während das Bundessozialgericht insoweit bei der Beurteilung
des Begriffs des "Versorgungsschwerpunkts" im Sinne der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 einen Leistungsanteil
von mindestens 20 % der von der Praxis abgerechneten Gesamtpunktzahl gefordert hatte (BSGE 87, 112, 117), hat es von einer solchen strikten Grenze im Bezug auf den Begriff der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs"
abgesehen, allerdings darauf hingewiesen, dass Abweichungen der einzelnen Praxis von der Typik der Arztgruppe, die sich (auch)
in abweichenden Anteilen des auf bestimmte Leistungen entfallenden Punktzahlvolumens niederschlügen, ein wichtiges Indiz für
die Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs seien (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31; SozR 4-2500 § 87 Nr. 12).
Im Fall der Klägerin liegt ein Härtefall vor, weil das ihr zuerkannte Regelleistungsvolumen ihre besondere, vom Durchschnitt
der Arztgruppe deutlich abweichende Praxisstruktur nicht berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 42, zu einer auf ambulante Operationen spezialisierten Augenarztpraxis). Denn bei ihr besteht eine eindeutige
Spezialisierung, nämlich auf sonographische Untersuchungen zur Abklärung bestimmter Gefäßerkrankungen. Nach dem durch die
Parameterstatistik untermauerten Vortrag der Klägerin erbringt sie die Leistungen der Ziffern 33072 (Sonographische Untersuchung
der extremitätenver- und/oder -entsorgenden Gefäße mittels Duplex-Verfahren) bzw. 33061 EBM 2000plus (Sonographische Untersuchung
der extremitätenver- und/oder -entsorgenden Gefäße mittels CW-Doppler-Verfahren) in nahezu jedem Behandlungsfall. Entsprechendes
gilt für die Ziffer 33075 EBM 2000plus (Zuschlag für die Durchführung als farbcodierte Untersuchung), welche die Klägerin
im Quartal II/05 90 mal auf 100 Behandlungsfälle erbracht hat. Allein die sonographischen Leistungen nach den Ziffern 33061
bis 33078 EBM 2000plus machten in den Quartalen II/05 und III/05 bei der Klägerin 43,14 % bzw. 38,9 % der Gesamtpunktzahl
aus. Wie die Klägerin nachvollziehbar darlegt, führt dieses Leistungsspektrum regelhaft zu einer deutlichen Überschreitung
des zur Verfügung stehenden Regelleistungsvolumens von im Fall der Klägerin durchschnittlich 1.000 Punkten. Denn hierdurch
fallen neben den allgemeinen Leistungskomplexen, insbesondere der Ordinationsgebühr nach Ziffer 07211/07212 EBM 2000plus mit
310 bzw. 335 Punkten und der Gesprächsleistung nach Ziffer 07720 EBM 2000plus mit 235 Punkten, für die speziellen Leistungen
der Klägerin nach Ziffer 33061 EBM 2000plus 285 Punkte, für die Leistung nach Ziffer 33072 EBM 2000plus 700 Punkte und für
die Leistung nach Ziffer 33075 EBM 2000plus 175 Punkte an. In diesem Zusammenhang kann vergleichsweise das Regelleistungsvolumen
der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Angiologie herangezogen werden, die ein ähnliches Leistungsspektrum aufweisen.
Bei diesen staffelt sich die Fallpunktzahl nach dem HVV wie folgt:
Altersklasse:
|
0 - 5
|
6 - 59
|
≥60
|
Primärkassen:
|
1.402
|
1.236
|
1.539 Punkte
|
Ersatzkassen:
|
1.486
|
1.302
|
1.613 Punkte.
|
Das Fehlen einer Härteregelung für fachlich spezialisierte Praxen im Rahmen der Vorschriften über das Regelleistungsvolumen
ist auch nicht im Hinblick auf Ziffer 7.5 HVV unbeachtlich. Diese Regelung, die nach ihrem Wortlaut der Vermeidung praxisbezogener
Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus dient, sieht vor, dass der für das aktuelle Abrechnungsquartal berechnete
fallbezogene Honoraranspruch (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden
Abrechnungsquartal 2004 verglichen wird, ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung
unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Zeigt der Fallwertvergleich
eine Fallwertminderung von mehr als 5 % (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den
maximalen Veränderungsrahmen von 5 %. Bei der Ermittlung der Fallwerte bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer
7.1 zur Honorierung kommen (extrabudgetäre Leistungen, wie z.B. Früherkennung und Schutzimpfungen), unberücksichtigt.
Diese Begrenzung auf einen fünfprozentigen Honorarverlust steht allerdings unter einer Vielzahl weiterer Voraussetzungen.
Sie erfolgt nämlich nur auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden
Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist (Ziffer 7.5.2 HVV). Ein Ausgleich ist ausgeschlossen, wenn im aktuellen
Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das
Leistungsspektrum der Praxis, u.a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Es ist
des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis, z.B. durch Übergang von einer Gemeinschaftspraxis
zu einer Praxisgemeinschaft, verändert hat. Zudem müssen ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15 % ihre Ursache
vollständig in der Einführung des EBM 2000plus haben. Schließlich steht Ziffer 7.5 HVV unter dem weiteren Vorbehalt der Zahlung
einer gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbaren budgetierten Gesamtvergütungszahlung und eines ausreichenden Honorarvolumens
nach Durchführung weiterer, aufgrund des Beschlusses der Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 vorzunehmender Honorarverschiebungen
(vgl. Ziffer 7.5.3 HVV).
Damit schließt die Konstruktion der Auffüllregelung durch das Anknüpfen an die Fallzahl des Jahres 2004 ein Wachstum der Praxis
aus und hindert durch die weiteren Einschränkungen die betroffenen Praxen an jeglicher Änderung ihrer Praxisstruktur, da sie
anderenfalls den Anspruch auf Ausgleichszahlungen verlieren. Sie ist zudem in ihren tatsächlichen finanziellen Wirkungen wegen
der Vorbehalte in Ziffer 7.5.3 HVV nicht vorhersehbar und bedeutet für die betroffenen Praxen somit kein Element verlässlicher
Planung. Tatsächlich ist es bei den Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV, wie sich aus den Honorarbescheiden der Beklagten
ergibt, bereits ab dem dritten Quartal 2005 nicht mehr möglich gewesen, die Fallwertverluste bis auf die vorgesehenen 5 %
auszugleichen. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts Marburg, welches bereits über eine Vielzahl derartiger Fälle entschieden
hat, haben die Auffüllbeträge in der Vergangenheit je nach Quartal und Fachgruppe zwischen 95 % und 67 % geschwankt (Urteil
vom 16. September 2009, S 12 KA 341/08, juris). Angesichts dessen kann Ziffer 7.5 HVV unabhängig von der Frage, ob hierdurch im Einzelfall erhebliche Honorarverluste
verhindert worden sind, nicht als ausreichende Regelung angesehen werden, welche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
genügt. Im Fall der Klägerin kommt hinzu, dass die Beklagte von ihr mittlerweile für die Quartale II/06 bis IV/06 Auffüllbeträge
in Höhe von insgesamt 85.038,46 EUR zurückfordert, weil die Klägerin in diesem Zeitraum die Voraussetzungen der Ausgleichsregelung
nicht mehr erfüllt haben soll.
Das Fehlen einer Härteregelung im Rahmen von Ziffer 6.3 HVV ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs-
und Erprobungsregelung unbeachtlich. Zwar gesteht das BSG bei der erstmaligen Gestaltung von Honorarbegrenzungsregelungen
den Kassenärztlichen Vereinigungen einen besonders großen Typisierungsspielraum zu (vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 16).
Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass die Notwendigkeit einer entsprechenden Ausnahmeregelung den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrags
aufgrund der bereits erwähnten langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des BSG zu derartigen Härteregelungen bekannt war
(vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 71/97 R, juris Rdnr. 29; Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10).
Mithin ist der HVV als Normsetzungsvertrag (siehe hierzu: Freudenberg, in Juris Praxiskommentar
SGB V, 2008, §
85, Rdnr. 114) insoweit rechtswidrig, weil er eine regelungsbedürftige und durch Auslegung nicht zu schließende Lücke enthält,
die von den Vertragspartnern des HVV kraft gesetzlichen Auftrags (Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit) zu schließen
ist. Insoweit ist ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung "teilweise nicht zustande" gekommen i.S.d. §
89 Abs.
1 Satz 1
SGB V mit der Folge, dass jede der Vertragsparteien befugt ist, einen Antrag bei dem zuständigen Landesschiedsamt auf Herbeiführung
einer entsprechenden Regelung zu stellen (siehe hierzu Beier in Juris Praxiskommentar, §
89 SGB V, Rdnr. 31), sofern nicht vorab eine vertragliche Ergänzung erfolgt. Sollten sich die Vertragsparteien wider Erwarten nicht
einigen und auch keinen Antrag beim Schiedsamt stellen, könnte die zuständige Aufsichtsbehörde nach Ablauf einer von ihr gesetzten
angemessenen Frist das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen (§
89 Abs.
1a Satz 1
SGB V). Eine rechtmäßige Ergänzung der Ziffer 6.3 HVV muss dahin gehen, dem Vorstand der Beklagten eine Befugnis einzuräumen, Änderungen
des Regelleistungsvolumens außer im Fall einer Sicherstellungsproblematik auch bei sonstigen Härtefällen vorzunehmen.
Bei der anschließend zu treffenden Ermessensentscheidung, in welchem Umfang eine Erweiterung des Regelleistungsvolumens geboten
ist, stehen der Beklagten verschiedene Möglichkeiten offen. Die Beklagte wird zunächst die auf der Grundlage des Schwerpunkts
im einzelnen Behandlungsfall notwendiger Weise zu erbringenden Leistungen zu erfassen und dem Regelleistungsvolumen gegenüber
zu stellen haben. Dabei kann die Beklagte berücksichtigen, dass die Regelleistungsvolumina selbst nur auf der Grundlage von
80 % der auf der Basis des EBM 2000plus an sich zugrunde zulegenden Punktzahlen berechnet worden sind, um eine gewisse Reserve
für andere Stützungs- und Ausgleichsmaßnahmen z.B. für Praxen in der Aufbauphase zu haben. Die Beklagte kann aber auch den
praxisspezifischen Leistungsbedarf entsprechend der Formel nach Anlage 2 zum Teil III BRLV anhand der Vorquartale II/03 bis
I/04 berechnen und den so ermittelten Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen mit dem Faktor
0,8 multiplizieren. In diesem Fall würde der Leistungsbedarf der Klägerin also anhand der vom Bewertungsausschuss bestimmten
Referenzquartale berechnet, jedoch unter Berücksichtigung des besonderen Leistungsbedarfs der Klägerin für die vorgenannten
sonographischen Leistungen. Darüber hinaus sind noch andere sachgerechte Ermessenserwägungen denkbar (vgl. etwa BSG, Urteil
vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 44 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 und
2 VwGO. Der Senat hat für das erstinstanzliche Verfahren berücksichtigt, dass hier ursprünglich zwei verschiedene Streitgegenstände
anhängig waren (Erhöhung des Regelleistungsvolumens sowie Erhöhung der Fallzahl). Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens
trägt dem ursprünglichen, über das Bescheidungsbegehren hinausgehenden Antrag der Klägerin Rechnung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen (§
160 Abs.
2 SGG).
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Für die erste Instanz hat der Senat die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts im Hinblick auf die verschiedenen Streitgegenstände,
für die jeweils der Regelstreitwert zugrunde zu legen war, von Amts wegen abgeändert (§ 63 Abs. 3 GKG).