Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen ab dem Quartal II/05.
Der Kläger zu 1) war im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung bis zum 8. August 2005 als Facharzt für Chirurgie niedergelassen.
Zum 9. August 2005 gründete er zusammen mit Dr. C. die Klägerin zu 2), eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt.
In diesem Zusammenhang erfolgte eine Umwandlung der Zulassung von Dr. A. zum Facharzt für Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung
Viszeralchirurgie. Ebenfalls mit Wirkung zum 9. August 2005 wurde Dr. C. als Facharzt für Chirurgie zugelassen.
Nach dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten gehören die Kläger zu 1) und 2) der Honorar(unter)gruppe der Fachärzte für
Chirurgie, B 2.23 an. Dr. A. ist berechtigt, Koloskopien zu erbringen und abzurechnen.
Am 21. Juli 2005 beantragte der Kläger zu 1) eine dem Schwerpunkt und den Besonderheiten der Praxis angemessene Fallpunktzahl
zur Berechnung eines angemessenen Regelleistungsvolumens. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 - bereits adressiert an die Gemeinschaftspraxis
- wies die Beklagte den Antrag ab, da Sonderanträge zur Bildung des Regelleistungsvolumens nach einer Festlegung des Vorstands
nur noch in Einzelfällen bei Vorliegen einer absoluten Sicherstellungsproblematik erfolgen könnten. Als Bewertungsvorgabe
sei ein "Sicherstellungsradius" von 50 km festgelegt worden, d. h. Patienten würden ggf. größere Entfernungen - speziell zur
fachärztlichen Versorgung - zugemutet. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien könne dem Antrag nicht stattgegeben werden.
Hiergegen legten die Kläger am 3. November 2005 Widerspruch ein. Sie wiesen darauf hin, dass mit Ausnahme einer weiteren,
mit ihnen im Praxisverbund stehenden Praxis in XY. (Enddarmzentrum Mittelhessen) keine fachkoloproktologische und fachviszeralchirurgische
Versorgung im ambulanten Bereich im Umkreis von 50 km um A-Stadt stattfinde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, gemäß dem Honorarverteilungsvertrag
seien für die Praxis folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen (einschließlich Zuschlag von 130 Punkten für Gemeinschaftspraxen)
festgelegt worden:
|
Primärkassen
|
Ersatzkassen
|
Altersgruppe
|
0 - 5
|
6 - 59
|
≥60
|
0 - 5
|
6 - 59
|
≥60
|
Fallpunktzahl
|
667
|
926
|
1.187
|
604
|
831
|
1.033
|
Im Quartal II/05 seien 1.645 Fälle mit einem Fallpunktwert von 838,9 Punkten zugrunde gelegt worden. Das praxisbezogene Regelleistungsvolumen
betrage damit 1.012.342,6 Punkte. Bei einer Honoraranforderung von 2.106.690,0 Punkten sei das Regelleistungsvolumen um 1.094.347,4
Punkte überschritten worden. Im Quartal III/05 betrage das Regelleistungsvolumen bei einer Fallzahl von 1.575 Fällen und einem
Fallpunktwert von 974,8 Punkten 1.535.310,0 Punkte. Das Regelleistungsvolumen sei bei einer Abrechnung von 2.233.465,0 Punkten
um 698.155,0 Punkte überschritten worden. Bei Überschreitung sei eine Bewertung zum unteren Punktwert erfolgt. Der Bewertungsausschuss
habe in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2004 für die Leistungen der Ziffern 30600, 30610 und 30611 EBM 2000plus keine Zuordnung
zu den Leistungsbereichen für extrabudgetär oder vorab zu vergütende Leistungen vorgesehen. Sicherstellungsgründe lägen nicht
vor. Im Planungsbereich des Landkreises A-Stadt sei zwar kein weiterer Viszeralchirurg tätig, es gäbe jedoch eine große Zahl
an weiteren Fachärzten, welche proktologische Leistungen berechtigterweise abrechneten. Die Einteilung der Arzt-/Fachgruppen
und damit der Honorar(unter)gruppen orientierten sich grundsätzlich an den Vorgaben des EBM 2000plus, und es erfolge die Honorarausstattung
der einzelnen Honorar-(unter)gruppen auf Basis der tatsächlich in den jeweiligen Quartalen des Jahres 2004 erfolgten Honorarzahlungen,
sodass in die Ermittlung der maßgeblichen Fallpunktzahlen das von der Arzt-/Fachgruppe der Chirurgen abgerechnete Honorarvolumen
für proktologische Leistungen einbezogen sei. Ferner greife bei den Klägern die Regelung der Ziffer 7.5 HVV zur Vermeidung
von Fallwertverlusten. Im Fall der Einzelpraxis des Klägers zu 1) als auch bei der Klägerin zu 2) habe die Ausgleichsregelung
in den Quartalen II/05 und III/05 zu Auffüllungsbeträgen in Höhe von 58.554,60 EUR bzw. 14.976,18 EUR geführt. Der Vorstand
habe beschlossen, dass Ausnahmeregelungen zum Regelleistungsvolumen nicht zugestimmt werden könne, wenn Honorarverwerfungen
bedingt durch die Einführung des EBM 2005 bereits durch einen Auffüllbetrag Berücksichtigung gefunden hätten.
Hiergegen haben die Kläger am 11. Januar 2007 Klage erhoben und vorgetragen, es müsse eine individuelle Anpassung des Regelleistungsvolumens
erfolgen. Das Regelleistungsvolumen für Chirurgen berücksichtige nicht den Schwerpunkt der Praxis. Die abgerechneten Leistungen
mit den EBM-Ziffern 30600, 30610 und 30611 lägen um ein Vielfaches über dem Durchschnitt der Fachkollegen. Allein für die
bei jedem Erstkontakt im Quartal obligat erbrachten Leistungen wie Ordinationskomplex nach den Ziffern 07211 bzw. 07212, den
proktologischen Basiskomplex nach Ziffer 30600 sowie der Arztbrief nach 01601 würden bereits 800 bzw. 825 Punkte innerhalb
des Regelleistungsvolumens erbracht. Jede weitere Therapiemaßnahme oder jedes Gespräch nach Ziffer 07220 übersteige das Regelleistungsvolumen
bei weitem. Hier werde Gleiches mit Ungleichem verglichen. Es sei ein eklatanter Honorarverlust seit Einführung des EBM 2000plus
eingetreten. Die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages sei eine Übergangsregelung, es sei ungewiss,
wie lange diese zur Anwendung komme. Fallzahlsteigerungen blieben dabei unberücksichtigt. Auch wenn die Beklagte auf weitere
Ärzte hinweise, die proktologische Leistungen erbringen könnten, so sei festzustellen, dass diese derartige Leistungen allenfalls
in einem nicht nennenswerten Umfang erbrächten und die vertragsärztliche Versorgung ohne sie - die Kläger - nicht sichergestellt
sei. Die von der Beklagten genannten Ärzte hätten ihre Praxen alle außerhalb A-Stadt und seien mindestens 17 km bzw. sogar
um die 40 km entfernt. Dr. C. sei zum Ende des Jahres 2007 aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden; ein Nachfolger
sei im Wege der Sonderbedarfszulassung zugelassen worden. Schon der Umstand einer Sonderbedarfszulassung spreche für einen
Bedarf. Ein Radius von 50 km sei zur Prüfung der Sicherstellung ungeeignet.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass ein Sicherstellungsproblem nicht gegeben sei. In einer Entfernung
von 16 km sei ein Facharzt für Chirurgie niedergelassen, der sowohl die Ziffer 30600 wie auch 30611 erbringe. Ein weiterer
Facharzt sitze in einer Entfernung von 40 km. In einer Entfernung von 36 km erbrächten zwei Ärzte die Ziffern 30600 und 30610.
Gleiche Ziffern erbringe ein Facharzt für Chirurgie in unmittelbarer Nähe von 2 km. Ein Arzt in einer Entfernung von 47 km
rechne die Ziffern 30600, 30610 und 30611 ab, ein weiterer in 17 km Entfernung. Nur 18 km entfernt sei ein Arzt niedergelassen,
der die Ziffern 30600 und 30610 erbringe. Es gebe noch weitere Ärzte, die proktologische Leistungen oder jedenfalls einen
Teil davon erbrächten. Aufgrund der Regelungen im Honorarverteilungsvertrag sei es auch zu Auffüllungen des Honorars gekommen.
Durch diese Auffüllungen werde der durch das Regelleistungsvolumen bedingte Honorarverlust mehr als ausgeglichen. Für die
Quartale II/05 bis einschließlich II/06 stünden Einbußen in Höhe von 85.266,00 EUR Auffüllbeträge in Höhe von insgesamt 107.393,00
EUR gegenüber. Die Kläger erzielten im Vergleich zur Fachgruppe weit überdurchschnittliche Gesamthonorare.
Mit Urteil vom 30. Januar 2008 hat das Sozialgericht die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese zur Neubescheidung
verurteilt; hinsichtlich des weitergehenden Begehrens auf Verpflichtung der Beklagten zur Anhebung des Regelleistungsvolumens
hat es die Klage dagegen abgewiesen. Streitgegenstand sei sowohl eine Entscheidung gegenüber dem Kläger zu 1) als auch der
Klägerin zu 2). Die Beklagte hat gegenüber beiden Klägern für den gesamten Zeitraum ab dem Quartal II/05 entschieden. Soweit
der angefochtene Bescheid nur gegenüber der Klägerin zu 2) adressiert gewesen sei, beinhaltete die Entscheidung auch den nur
die Einzelpraxis des Klägers zu 1) betreffenden Zeitraum. Inhaltlich sei damit auch eine Entscheidung gegenüber dem Kläger
zu 1) getroffen und ihm der Bescheid bekannt gegeben worden. Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig. Allerdings seien
die Regelungen in Ziffer 6.3 des HVV, soweit für die Kläger maßgeblich, rechtmäßig, insbesondere mit den gesetzlichen Vorschriften
in §
85 Abs.
4 SGB V vereinbar. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz habe der Gesetzgeber die sog. Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben.
Dadurch solle erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen
Punktwerten vergütet würden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen
gegeben werde. Leistungen, die den Grenzwert überschritten, sollten mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden, um der
Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechung zu tragen und den ökonomischen Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung
zu begrenzen. Ausgehend von den sich daran orientierenden Vorgaben im HVV habe die Beklagte das Regelleistungsvolumen und
insbesondere die arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen zutreffend berechnet. Die Beklagte habe aber verkannt, dass im Fall
der Kläger ein Fall vorliege, bei dem der Vorstand der Beklagten nach Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ermächtigt sei, aus Gründen
der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen.
Damit sei der Vorstand zu Ausnahmeregelungen ermächtigt, und zwar nicht nur in Fällen echter Härte, sondern generell bei atypischen
Versorgungssituationen. Eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
könne dann vorliegen, wenn die Praxis einen zur Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdecke. Dies sei unabhängig von der
Honorarhöhe oder eventuellen Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV zu beurteilen. Maßgeblich sei allein, ob im Leistungsangebot
der betroffenen Praxis eine Spezialisierung oder eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme,
die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte bezogen auf die
Gesamtpunktzahl der Praxis habe. Die Kammer halte es für unzulässig, den Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen,
er könne auf seine Spezialisierung verzichten, denn dies könne in der Konsequenz bedeuten, dass Spezialisierungen mit besonderen
Praxisschwerpunkten nicht mehr gebildet werden könnten mit der weiteren Konsequenz, dass diese Leistungen nicht oder nur in
ungenügendem Umfang erbracht würden. Bei der Feststellung der Sicherstellungsgründe komme es entgegen der Auffassung der Beklagten
nicht allein auf die Versorgung im Umkreis einer Praxis an, sondern maßgebend sei der Versorgungsschwerpunkt der Praxis. Mit
der Erbringung der Leistungen durch die Praxis werde zunächst der Bedarf dokumentiert, soweit eine Fehlabrechnung oder Unwirtschaftlichkeit
ausgeschlossen werden könne. Die mit einer Spezialisierung einhergehende vermehrte Zulauf von Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern
könne gerade auch Ausdruck der Qualität und des Rufs der Praxis sein. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass nicht jede im
Vergleich zur Fachgruppe vermehrte Erbringung von Einzelleistungen oder Leistungsgruppen oder Spezialisierung einen Ausnahmefall
begründen könne, da dann die Regelleistungsvolumina ihren Zweck der Kalkulationssicherheit nicht mehr erfüllen könnten. §
85 Abs.
4 und
4a SGB V enthalte keine Vorgaben für differenzierte Ausnahmen und gebe insoweit die Tendenz einer Nivellierung des Leistungsgeschehens
vor, weshalb es nicht zu beanstanden sei, dass weder der Bewertungsausschuss noch der HVV ein den früheren Zusatzbudgets vergleichbares
Instrumentarium vorsähen. Ein zu berücksichtigender Ausnahmefall liege aber bei einer eindeutigen Schwerpunktpraxis wie im
Fall der auf koloproktische Leistungen spezialisierten Kläger vor. Die klägerische Praxis habe die Leistung nach Ziffer 30610
EBM 2000plus (Behandlung von Hämorrhoiden durch Sklerosierung) im Quartal III/05 655mal und die Leistung nach Ziffer 30611
EBM 2000plus (Entfernung von Hämorrhoiden durch Ligatur) 652mal bei 1.557 Behandlungsfällen abgerechnet. Im Quartal III/05
sei die Leistung nach Ziffer 30610 EBM 2000plus von der klägerischen Praxis 42mal auf 100 Fälle erbracht worden, diese Leistung
werde von 61 Praxen von insgesamt 192 Praxen 6mal auf 100 Fälle erbracht. Entsprechend werde die Leistung nach Nr. 30611 EBM
2000plus von der klägerischen Praxis 41 mal erbracht, von der Fachgruppe von 54 Praxen in einer Häufigkeit von 3 mal auf 100
Behandlungsfälle. Die Kammer gehe dabei davon aus, dass die Leistungen nach Ziffer 30610 EBM 2000plus und Ziffer 30611 EBM
2000plus nicht am selben Patienten erbracht würden. Das bedeute, dass im Quartal III/05 bei 1.557 Behandlungsfällen mindestens
1.307 Patienten bzw. 83,9 % proktologisch behandelt worden seien. Dies sei weit mehr als die Fachgruppe und auch noch weit
mehr als der Teil der Fachgruppe, der diese Leistungen überhaupt erbringe. Ein ähnliches Bild sei auch in den übrigen Quartalen
festzustellen. Hinzu komme, dass der Kläger zu 1) aufgrund dieser Spezialisierung eine Sonderbedarfszulassung erhalten hatte
und die Beklagte nicht dargelegt habe, dass sich die Bedarfssituation verändert hätte. Aufgrund dieses Praxisschwerpunkts
sei daher von einem Ausnahmefall auszugehen. Die Beklagte werde daher zu prüfen haben, ob und ggf. in welchem Umfang sie das
Regelleistungsvolumen erhöhe.
Gegen das ihr am 15. Februar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. März 2008 Berufung eingelegt. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten den Rechtsstreit im Hinblick auf den Kläger zu 1) übereinstimmend für erledigt
erklärt. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin zu 2) ab dem Quartal I/07 ihr Regelleistungsvolumen
wegen der aufgrund neuer Vergütungsregelungen möglichen extrabudgetären Vergütung eines Großteils ihrer Leistungen im Rahmen
des ambulanten Operierens nicht mehr überschritten hat, haben die Beteiligten erklärt, dass Streitgegenstand des Verfahrens
der Zeitraum vom dritten Quartal 2005 bis einschließlich viertes Quartal 2006 ist.
Die Beklagte meint, es sei bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das Sozialgericht bei der Feststellung eines Versorgungsschwerpunktes
einer Praxis auf einen Vergleich der Fallzahlen mit der Fachgruppe abstelle. Das widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts,
nach der auf die Gesamtpunktzahl einer Praxis abzustellen sei. Der Anteil der proktologischen wie auch der koloskopischen
Leistungen erreiche nicht 30 % an der Gesamtpunktzahl. Eine atypische Versorgungssituation sei bei der Klägerin jedenfalls
in Bezug auf die Ziffer 30600 EBM 2000plus schon deshalb nicht gegeben, weil es sich hierbei um eine fachgruppentypische Leistung
handele, die von der Mehrzahl der Praxen der Fachgruppe der Klägerin erbracht werde. Mit der Anknüpfung an den Versorgungsschwerpunkt
der Praxis des Klägers setze sich das Sozialgericht über die Vorgaben des Bewertungsausschusses in seinem Beschluss vom 29.
Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen hinweg. In Punkt III Ziffer
3.1. des Beschlusses sei vorgeschrieben, dass zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung und zur Zielerreichung
der in Ziffer 1. geregelten Maßnahmen zur Steuerung arztgruppenspezifischer Auswirkungen im Honorarverteilungsmaßstab Anpassungen
des Regelleistungsvolumens vorgenommen werden könnten. Diese verbindlichen und zwingenden Vorgaben habe sie - die Beklagte
- in Ziffer 6.3 HVV umgesetzt. Bei der Feststellung der Sicherstellungsgründe komme es aber nicht auf den Versorgungsschwerpunkt
einer Praxis an. Auch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werde zwischen dem Begriff des Versorgungsschwerpunkts,
der eine bestimmte Spezialisierung zum Ausdruck bringe, und der Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung
differenziert. Die Versorgungssituation mit proktologischen Leistungen im Umkreis der Praxis der Kläger sei aber von ihr überprüft
worden mit dem Ergebnis, dass eine Sicherstellungsproblematik nicht vorliege, da die streitigen Leistungen von einer ausreichenden
Anzahl von Praxen im Umkreis von 50 km erbracht würden. Durch die Bildung der Regelleistungsvolumina werde auch nicht die
Spezialisierung einer Praxis behindert. Die Praxis der Kläger rechne trotz ihrer Spezialisierung im Vergleich zum Durchschnitt
der Fachgruppe überdurchschnittlich ab. Die wirtschaftlichen Folgen einer Spezialisierung hätten die Vertragsärzte im Übrigen
selbst zu tragen. Zudem seien durch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV regelleistungsvolumenbedingte Verluste mehr
als ausgeglichen worden. Nochmals sei darauf hinzuweisen, dass die Kläger mit ihrem in den Quartalen ab II/05 erzielten Honoraren
erheblich über dem Fachgruppendurchschnitt liegen würden. Einen Verfahrensfehler stelle es dar, dass das Sozialgericht die
Beiladung der am HVV beteiligten Krankenkassenverbände unterlassen habe.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin zu 2) und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Der mit der Spezialisierung einhergehende Zulauf stelle den besonderen
Versorgungsauftrag der Praxis dar. Über 80 % der Patienten ihrer Praxis würden proktologisch behandelt. Dies sei weit mehr
als die Fachgruppe erbringe. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe das Sozialgericht nicht auf einen Vergleich der Fallzahlen
mit der Fachgruppe abgestellt, sondern anhand der Frequenzstatistiken nachgewiesen, dass der ganz überwiegende Teil ihrer
Patienten koloproktologisch behandelt worden sei, z.B. im Quartal III/05 83,9 % der Patienten.
Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, der Radius von 50 km, der von ihr zur Beurteilung der Sicherstellungsproblematik
gezogen werde, beziehe sich auf Straßenkilometer. Sie hat eine Übersicht der in die Beurteilung einbezogenen Praxen und eine
Frequenzstatistik hinsichtlich der von diesen Praxen erbrachten Leistungen nach den Ziffern 30600, 30610 und 30611 EBM 2000plus
vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne die am HVV beteiligten Krankenkassen/-verbände beizuladen. Die Frage, ob der
Kläger gegen die Beklagte weitergehende Honoraransprüche hat, berührt ihre Rechtssphäre nicht unmittelbar. Die Neufassung
des §
85 Abs.
4 Satz 2
SGB V durch Art 1 Nr. 64 Buchst h des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) hat nichts daran geändert, dass die Landesverbände
der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen (seit dem 1. Juli 2008: die Ersatzkassen) auch in solchen Honorarstreitverfahren,
in denen inzident über die Geltung des HVV gestritten wird, nicht notwendig beizuladen sind. Nach §
85 Abs.
4 Satz 2
SGB V wendet die KÄV seit dem 1. Juli 2004 für die Honorarverteilung den mit den Kassenverbänden "gemeinsam und einheitlich zu
vereinbarenden" Verteilungsmaßstab an. Zuvor war insoweit der in der Rechtsform der Satzung von der KÄV "im Benehmen" mit
den Kassenverbänden zu erlassende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) maßgeblich. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Einbindung
der Verbände der Krankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung ändert nichts daran, dass
im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident
(auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird (BSG, Urteil vom 17. September 2008, B 6 KA 46/07 R, Juris Rdnr. 13).
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist in dem noch streitbefangenen
Umfang betreffend die Klägerin zu 2) nicht zu beanstanden. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Diese
hat über das Begehren der Klägerin auf Erweiterung des Regelleistungsvolumens für die Quartale III/05 bis IV/06 unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung
für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV)
sind nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, sofern eine Praxis den dort genannten Honorar(unter)gruppen
angehört. Die Klägerin gehört als chirurgische Praxis der Honorar(unter)gruppe B 2.3 an und ist dort abrechnungstechnisch
der VfG 17 zugeordnet.
Im Fall der Klägerin hat die Beklagte ausgehend von dieser fachlichen Zuordnung das Regelleistungsvolumen und die arztgruppenspezifischen
Fallpunktzahlen richtig berechnet. Die dem zugrunde liegenden Regelungen, nämlich der Beschluss des Bewertungsausschusses
in seiner 93. Sitzung vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen
gemäß §
85 Abs.
4 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 (DÄ 2004, 101 (46), A - 3129) sowie die daran anknüpfenden Regelungen in Ziffer 6.3 HVV sind
nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. u. a. HLSG, Urteil vom 11. Februar
2009, L 4 KA 82/07; Urteil vom 29. April 2009, L 4 KA 76/08; Urteil vom 24. Juni 2009, L 4 KA 85/05, alle veröffentlicht in Juris). Im Streit steht allein, ob die Beklagte verpflichtet ist, bei der Klägerin einen Ausnahmefall
anzuerkennen und deshalb eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens vorzunehmen hat.
Als Rechtsgrundlage kommt insoweit Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV in Betracht. Danach ist der Vorstand der KV Hessen ermächtigt,
aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen
Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.
In Bezug auf das Merkmal der "Sicherstellung" steht der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu (Urteil des Senats vom 11.
Februar 2009, L 4 KA 82/07). Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Zulassungsgremien bei der Entscheidung über die Ermächtigung
von Krankenhausärzten und über die Zulassung von Ärzten wegen eines Sonderbedarfs einen Beurteilungsspielraum zugestanden
(BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr. 4 S 29; BSG SozR 3-2500 § 101 Nr. 1 S 4 f; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 6 KA 35/99 R). Auch bei der Entscheidung der KÄV, zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in einem bestimmten Ort oder Ortsteil
den Betrieb einer Zweitpraxis zu genehmigen, hat diese einen Beurteilungsspielraum (BSGE 77, 188, 191 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7 S 28 f). Für diese Entscheidungen sind die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem
regionalen Bereich sowie die Feststellung von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher Bedeutung.
Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z.B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten
Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen),
die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Diese Aspekte sind in gleicher Weise bei
der Frage von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung ausreichend sichergestellt ist. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt
sich somit darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die
durch Auslegung des Begriffs "Sicherstellung" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und die Subsumtionserwägungen so hinreichend
in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe
erkennbar und nachvollziehbar ist.
Im Fall der Kläger hat die Beklagte ihren Beurteilungsspielraum verkannt, als sie das Vorliegen einer Sicherstellungsproblematik
verneint hat. Sie geht davon aus, dass die Versorgung der Versicherten sichergestellt sei, weil diese auf andere Ärzte in
einem als zumutbar erachteten Umkreis von 50 km Entfernung verwiesen werden können, welche die streitigen Leistungen der Koloskopie
erbringen, und verweist insoweit auf verschiedene Arztpraxen, welche proktologische Leistungen erbringen. Damit hat die Beklagte
im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles den Sachverhalt jedoch nicht ausreichend ermittelt.
Zwar muss die Beklagte bei der Beurteilung der Sicherstellungsproblematik nicht an den Grenzen des Planungsbereichs haltmachen,
sondern kann auch angrenzende Planungsbereiche in die Betrachtung mit einbeziehen, soweit das dortige Angebot für die Versicherten
mit zumutbarem Aufwand in Anspruch genommen werden kann. Denn anders als im Bereich des ärztlichen Zulassungsrechts, wo bei
der Beurteilung des Versorgungsbedarfs kraft der Vorgaben in §§
101 ff
SGB V vom Planungsbereich als räumlichen Anknüpfungspunkt auszugehen ist, fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Vorgabe
bei der Beurteilung des Sicherstellungsbedarfs in Zusammenhang mit der Bildung praxisindividueller Regelleistungsvolumen als
Honorarbegrenzungsmaßnahme gemäß §
85 Abs.
4,
4a SGB V (Urteil des Senats vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07, Juris Rdnr. 28).
Von einer Sicherstellung der ärztlichen Versorgung kann nach Auffassung des Senats jedoch nur ausgegangen werden, wenn es
für die Versicherten unter Berücksichtigung der festgestellten Nachfrage nach den streitgegenständlichen proktologischen Leistungen
entweder im Planungsbereich selbst oder zumindest in den unmittelbar angrenzenden Planungsbereichen eine in zumutbarer Zeit
erreichbare ausreichende Zahl von Behandlern gibt, die in der Lage wären, die notwendige Versorgung mit proktologischen Leistungen
zeitnah sicherzustellen. Denn die Beklagte ist verpflichtet, den Versicherten eine bedarfsgerechte und gleichmäßige ärztliche
Versorgung in zumutbarer Entfernung zur Verfügung zu stellen (vgl. Hess in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
Stand 2009, §
75 SGB V Rdnr. 7). Das setzt zunächst quantitative Feststellungen zur ärztlichen Versorgung mit den benötigten Leistungen im Planungsbereich
und, wenn sich hier Versorgungslücken aufzeigen, ggf. darüber hinaus in den angrenzenden Planungsbereichen voraus. Die Zumutbarkeit
lässt sich aber nicht, wie es die Beklagte getan hat, allgemein und abstrakt für ganz Hessen in der Weise bestimmen, dass
ein bestimmter räumlicher Bereich frei gegriffen und anschließend (nur noch) geprüft wird, ob in dem so bestimmten Gebiet
die benötigten ärztlichen Leistungen überhaupt angeboten werden. Vielmehr sind Feststellungen erforderlich, ob bei gedachtem
Wegfall oder erheblicher Einschränkung des Leistungsangebots der betroffenen Praxis davon auszugehen ist, dass den Versicherten
in einer (unter Beachtung von Fahrzeiten und Kosten) zumutbaren Entfernung ein ausreichendes, insbesondere mit akzeptablen
Wartezeiten verbundenes Angebot an ärztlichen Leistungen zur Verfügung steht. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Beklagte
stets verpflichtet wäre, umfangreiche Ermittlungen zur Versorgungssituation anzustellen. Bei der Beurteilung der Sicherstellung
der ärztlichen Versorgung können sich die Ermittlungspflichten der Beklagten je nach Größe und Erschlossenheit des Versorgungsgebiets
und der festgestellten Ärztedichte unterscheiden. Insoweit stellt sich die Situation in einem hoch verdichteten Ballungsraum
wie etwa dem Rhein-Main-Gebiet mit entsprechend guten Verkehrsanbindungen und breitem Arztangebot anders dar als im ländlichen
Raum mit geringerer Ärztedichte und schlechteren Verkehrsanbindungen. Ergeben sich aus dem Vorbringen des Arztes jedoch ernsthafte
Hinweise, dass sich im Falle des Wegfalls oder der erheblichen Einschränkung seines Leistungsangebots für die Versicherten
ein Versorgungsengpass ergeben kann, so steigen die Ermittlungspflichten der Beklagten.
Dies zugrunde legend hat die Beklagte keine ausreichenden Feststellungen zur Versorgungssituation in Bezug auf proktologische
Leistungen getroffen. Zwar gibt sie verschiedene Arztpraxen an, welche in einer Entfernung von einigen Kilometern Entfernung
zur klägerischen Praxis liegen und proktologische Leistungen erbringen. Hiervon befinden sich allerdings zwei Praxen in ZZ-Stadt
und damit bereits in so weiter Entfernung (mehr als 40 km), dass zweifelhaft ist, ob ihre Inanspruchnahme den Versicherten
aus dem Raum A-Stadt unter Berücksichtigung von Zeitaufwand und Kosten zumutbar ist. Unabhängig hiervon reichen die von der
Beklagten benannten Arztpraxen nicht aus, um eine Sicherstellung der ärztlichen Versorgung festzustellen. Die von der Beklagten
vorgelegten Daten weisen darauf hin, dass sich die ärztliche Versorgung mit proktologischen Leistungen ganz schwerpunktmäßig
auf die Praxis der Klägerin und die in gleicher Weise spezialisierten Praxis ihrer Kooperationspartner in XY., der Klägerin
des Verfahrens L 4 KA 28/08, konzentriert. So hat die Klägerin die Leistung der Ziffer 30600 EBM 2000plus im Quartal III/05 1.619mal erbracht, im Quartal
IV/05 1.687mal. Die Leistung der Ziffer 30610 hat sie im Quartal III/05 655mal, im Quartal IV/05 549mal erbracht. Die Leistung
der Ziffer 30611 schließlich hat sie im Quartal III/05 652mal, im Quartal IV/05 541mal erbracht. Hingegen haben sämtliche
anderen Praxen, welche die Beklagte bei ihrer Betrachtung der Sicherstellungsfrage in den Blick genommen hat, zusammengenommen
die Ziffer 30600, 30610 und 30611 in erheblich geringerem Umfang abgerechnet. Aus der vorgelegten Übersicht ergibt sich insbesondere,
dass die speziellen Leistungen 30610 und 30611 (Behandlung und Entfernung von Hämorrhoiden) überhaupt nur von wenigen Praxen
und nur in geringen Fallzahlen abgerechnet werden. Hierbei ist zu beachten, dass in diese Betrachtung nicht nur chirurgische,
sondern sämtliche Praxen (also auch Ärzte für Innere Medizin, Ärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten) eingeflossen sind,
welche die betreffenden Leistungen anbieten. Für die Fachgruppe der Chirurgen wird dieses Bild noch deutlicher, wie sich aus
den vom Sozialgericht dargestellten Zahlen der Frequenzstatistik zeigt. Ein nicht unerhebliches Indiz für eine Sicherstellungsproblematik
ist weiter, dass Dr. A. in der Vergangenheit eine Sonderbedarfszulassung erteilt worden ist und nach seinem Ausscheiden aus
der vertragsärztlichen Versorgung auch seinem Nachfolger eine Sonderbedarfszulassung erteilt wurde.
Angesichts dessen hätte die Beklagte in ihre Beurteilung aber auch die Frage einbeziehen müssen, wie sich die Sicherstellungsproblematik
bei gedachtem Wegfall oder zumindest erheblicher Einschränkung des Leistungsangebots der Klägerin darstellen würde (vgl. zu
ähnlichen Fragestellungen BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31 S. 178 ff, sowie BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 Rdnr. 15 ff., wo Rückschlüsse
von einem Versorgungsschwerpunkt auf einen Versorgungsbedarf für möglich gehalten werden). Denn es ist kaum anzunehmen, dass
diejenigen Praxen, welche diese Leistungen bisher lediglich in Einzelfällen oder in geringerem Umfang erbracht haben, in der
Lage wären, kurzfristig eine große Zahl von Behandlungsfällen aus den bisherigen Schwerpunktpraxen aufzufangen. Hierbei wäre
auch zu bedenken, dass die von der Beklagten in den Blick genommenen Praxen bereits mit anderen Leistungen ausgelastet sein
mögen und zudem sich bei ihnen im Fall der Übernahme einer großen Zahl von Patienten mit proktologischen Krankheiten das Problem
eines für die streitgegenständlichen Leistungen nicht auskömmlichen Regelleistungsvolumens in gleicher Weise wie bei der Klägerin
stellen würde, weshalb zu bezweifeln ist, dass diese Praxen bereit wären, proktologische Leistungen in großer Zahl anzubieten.
Insoweit reicht aber in einer solchen Sondersituation, wie sie sich vorliegend durch zwei auf proktologische Leistungen spezialisierte
und weitgehend konkurrenzlose Praxen im Raum AAB./A-Stadt darstellt, der Hinweis auf einzelne Praxen, welche derartige Leistungen
zum großen Teil auch nur in wenigen Fällen erbringen, nicht aus, um eine Sicherstellungsproblematik im Fall des Wegfalls oder
erheblicher Einschränkung des Leistungsangebots der Klägerin zu verneinen. Die Beklagte ist daher verpflichtet, über die Erweiterung
des Regelleistungsvolumens der Klägerin neu zu entscheiden. Sie wird dabei zu prüfen haben, ob unter Beachtung der vom Senat
aufgezeigten Kriterien ohne das schwerpunktmäßige Leistungsangebot der Klägerin die Versorgung der Versicherten mit proktologischen
Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum sichergestellt gewesen wäre, insbesondere ob realistisch davon ausgegangen werden
kann, dass behandlungsbedürftige Versicherte proktologische Leistungen in angemessener Zeit und in zumutbarer Entfernung erhalten
hätten. Hierzu kann sie weitere Ermittlungen anzustellen, z.B. durch Nachfrage bei den entsprechenden Praxen in räumlicher
Nähe mit einem entsprechenden Leistungsangebot, ob diese zur verstärkten Versorgung der Versicherten mit proktologischen Leistungen
bereit und unter Berücksichtigung der zu bewältigenden Fallzahlen in der Lage gewesen wären.
Sofern die Beklagte unter Beachtung der dargelegten Rechtsauffassung des Senats eine Sicherstellungsproblematik nunmehr bejaht,
wird sie bei der Neubestimmung der für die Klägerin maßgeblichen Fallpunktzahlen den proktologischen Schwerpunkt der Klägerin
angemessen zu berücksichtigen haben. Hierzu hat das Sozialgericht sachgerechte Vorschläge gemacht, denen sich der Senat vollinhaltlich
anschließt. Das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass die Beklagte zunächst die auf der Grundlage des Schwerpunkts im
einzelnen Behandlungsfall notwendiger Weise zu erbringenden Leistungen zu erfassen und dem Regelleistungsvolumen gegenüber
zu stellen hat. Dabei kann die Beklagte berücksichtigen, dass die Regelleistungsvolumina selbst nur auf der Grundlage von
80 % der auf der Basis des EBM 2000plus an sich zugrunde zulegenden Punktzahlen berechnet worden sind, um eine gewisse Reserve
für andere Stützungs- und Ausgleichsmaßnahmen z.B. für Praxen in der Aufbauphase zu haben. Die Beklagte kann aber auch den
praxisspezifischen Leistungsbedarf entsprechend der Formel nach Anlage 2 zum Teil III BRLV anhand der Vorquartale II/03 bis
I/04 berechnen und den so ermittelten Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen mit dem Faktor
0,8 multiplizieren. In diesem Fall würde der Leistungsbedarf der Klägerin also anhand der vom Bewertungsausschuss bestimmten
Referenzquartale berechnet, jedoch unter Berücksichtigung des besonderen Leistungsbedarfs der Klägerin für die proktologischen
Ziffern 30600 ff. Darüber hinaus sind noch andere sachgerechte Ermessenserwägungen denkbar (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22.
Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 44 f).
Sollte die Beklagte aufgrund ihrer erneuten Prüfung wiederum zu dem Ergebnis kommen, dass eine Sicherstellungsproblematik
nicht besteht, so müsste sie das Begehren der Klägerin noch unter einem weiteren Gesichtspunkt prüfen. Der für die streitgegenständlichen
Quartale maßgebliche HVV ist nämlich mit höherrangigem Recht insoweit unvereinbar, als eine allgemeine Härtefallregelung fehlt,
die im Fall einer in besonderer Weise spezialisierten Praxis - wie der der Klägerin - eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen
zulässt.
Das Bundessozialgericht hat zu Honorarverteilungsmaßstäben wiederholt festgestellt, dass auf eine allgemein gehaltene Härteregelung
nicht verzichtet werden kann (Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 71/97 R, juris Rdnr. 29; Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10). Es stellt dabei auf den aus Art.
12 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
3 Abs.
1 GG folgenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ab, der entsprechende Ausnahmeregelungen im HVM erforderlich macht
(Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 65/97 R, Juris Rdnr. 24 f). Berufsausübungsregelungen müssen, auch wenn sie in der gewählten Form prinzipiell zulässig sind, die
Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Angesichts der mit der Rechtsetzung
durch einen Berufsverband verbundenen Gefahr der Benachteiligung von Minderheiten kommt der Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit
und ausreichender Differenzierung beim Erlass von Vergütungsregelungen besonderes Gewicht zu; die den kassenärztlichen Vereinigungen
- bzw. unter der Geltung der Honorarverteilungsverträge den Vertragspartnern der Vergütungsverträge - eingeräumte Verteilungsautonomie
lässt sich im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nur rechtfertigen, wenn damit die Verpflichtung
zur strikten Beachtung des Gleichheitsgebots verbunden wird. Dadurch wird den zur Normsetzung befugten Körperschaften freilich
nicht verwehrt, im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität einer Regelung zu verallgemeinern, zu typisieren und
zu pauschalieren. Der Gleichheitssatz lässt dem Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Ob er jeweils die zweckmäßigste,
vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat, ist vom Gericht nicht nachzuprüfen. Ein Verfassungsverstoß liegt jedoch
vor, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung nach einer
am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (BVerfGE 60, 113, 119; 67, 70, 85 f.). Dabei kann es bei komplexen Sachverhalten vertretbar sein, dass dem Normgeber zunächst eine angemessene
Zeit zur Sammlung von Erfahrungen eingeräumt wird und er sich in diesem Anfangsstadium auch mit gröberen Typisierungen und
Generalisierungen begnügen darf, die unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität namentlich deshalb gerechtfertigt sein können,
weil eine Verfeinerung die Gefahr mangelnder Wirksamkeit mit sich bringen kann (BVerfGE 33, 171, 189).
Diese Erwägungen gelten auch im Anwendungsbereich von arztgruppenspezifischen Regelleistungsvolumina, welche Fallpunktzahlen
zuordnen, die sich nach dem durchschnittlichen Leistungsgeschehen in der jeweiligen Arzt- bzw. Facharztgruppe richten. Denn
es sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen innerhalb einer Arztgruppe bestimmte Untergruppen mit den vorgesehenen Fallpunktwerten
infolge einer Spezialisierung nicht auskommen. Allerdings steht eine derartige individuelle Betrachtung prinzipiell im Widerspruch
zu dem mit den Regelleistungsvolumina angestrebten Steuerungsziel, wie es das Sozialgericht zutreffend beschrieben hat: Durch
Regelleistungsvolumina soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert
mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze gegeben
wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden, um zum Einen der
Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechung zu tragen, zum Anderen den ökonomischen Anreiz zur Leistungsausweitung
zu begrenzen (vgl. BT-Drucks 15/1170, S. 79). Regelleistungsvolumina zielen somit auch auf eine Begrenzung des ärztlichen
Leistungsverhaltens, indem nur das typische Leistungsgeschehen innerhalb einer Arztgruppe zum Maßstab genommen und mit einem
festen Punktwert vergütet wird, hingegen darüber hinaus erbrachte Leistungen nur noch mit deutlich niedrigeren Punktwerten.
Die Vertragspartner des HVV sind insoweit auch nicht verpflichtet, für jedes der in den Weiterbildungsordnungen genannten
Gebiete und Teilgebiete eine eigene Arztgruppe zu bilden (Engelhard in Hauck, Kommentar zum
SGB V, §
85 Rdnr. 259b). Gleichwohl gilt auch unter der Geltung der Regelleistungsvolumina, dass bei der Verteilung der Gesamtvergütungen
Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen sind (§
85 Abs.
4 Satz 3
SGB V).
Zur Überzeugung des Senats erfordert Art.
12 Abs.
1 i.V.m. Art.
3 Abs.
1 GG deshalb eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen außer für den im HVV 2005 geregelten Fall einer Sicherstellungsproblematik
auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelungen über die Regelleistungsvolumina Ärzte
mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hatten und dieses spezifisches Leistungsangebot durch das Regelleistungsvolumen
der Fachgruppe, der sie zugeordnet sind, nicht leistungsangemessen abgedeckt wird. Denn es gibt keinen Hinweis, dass der Gesetzgeber
mit §
85 Abs.
4 SGB V in der Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG)
vom 14. November 2003 (BGBl. I 2190), durch das die bis dahin als Sollvorschrift ausgestalteten Regelungen über die Regelleistungsvolumina
geändert und diese nunmehr verbindlich vorgeschrieben wurden, Spezialisierungen, welche sich in der Vergangenheit innerhalb
einer Arztgruppe entwickelt hatten, von Vornherein nicht berücksichtigen wollte. Solche Spezialisierungen sind, wie bereits
das Sozialgericht betont hat, im Grundsatz Ausdruck einer sinnvollen Arbeitsteilung innerhalb der Ärzteschaft und damit gleichzeitig
ein Gewinn für die Versorgung der Versicherten, weil aus der Spezialisierung einer Praxis eine besondere Behandlungsqualität
folgen kann. Für die Beachtlichkeit derartiger Leistungsschwerpunkte auch unter der Geltung der Regelleistungsvolumina spricht
schließlich die - allerdings erst für Quartale seit 1. Januar 2009 anwendbare - modifizierte Regelung in §
87b SGB V (i. d. F. von Art. 1 Nr. 57b GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz m. W. v. 1. April 2007, BGBl. I, S. 378), wonach Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen sind.
Entsprechende Spezialisierungen waren in der Vergangenheit nicht nur möglich, sondern wurden auch entsprechend honoriert.
Unter der Geltung des EBM 1996/1997 stand den Ärzten u.a das bedarfsabhängige Zusatzbudget Proktologie (Ziffern 370, 371,
373, 755 EBM) offen, wenn seitens der KV ein besonderer Versorgungsbedarf festgestellt worden war. Dann ist es jedoch mit
dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar, wenn der Honorarverteilungsmaßstab eine solchermaßen zulässige
und entsprechend honorierte Tätigkeit bei der Umstellung auf das Recht der Regelleistungsvolumina nicht berücksichtigt. Für
die Frage, wann eine echte Spezialisierung vorliegt, welche im Rahmen des Regelleistungsvolumens die Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung
begründet, kann an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu ähnlichen Problemlagen abgeknüpft werden. Zu dem Begriff
der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" als Voraussetzung für die Erweiterung eines Zusatzbudgets nach dem
EBM-Ä 1997 hat es ausgeführt, dies setze eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung, einen
besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets
voraus, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Indizien für eine entsprechende Spezialisierung
seien ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden
Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw. in der Behandlungsausrichtung
der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Während das Bundessozialgericht insoweit bei der Beurteilung
des Begriffs des "Versorgungsschwerpunkts" im Sinne der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 einen Leistungsanteil
von mindestens 20 % der von der Praxis abgerechneten Gesamtpunktzahl gefordert hatte (BSGE 87, 112, 117), hat es von einer solchen strikten Grenze im Bezug auf den Begriff der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs"
abgesehen, allerdings darauf hingewiesen, dass Abweichungen der einzelnen Praxis von der Typik der Arztgruppe, die sich (auch)
in abweichenden Anteilen des auf bestimmte Leistungen entfallenden Punktzahlvolumens niederschlügen, ein wichtiges Indiz für
die Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs seien (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31; SozR 4-2500 § 87 Nr. 12).
Im Fall der Klägerin liegt ein Härtefall vor, weil das ihr zuerkannte Regelleistungsvolumen ihre besondere, vom Durchschnitt
der Arztgruppe deutlich abweichende Praxisstruktur nicht berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 42, zu einer auf ambulante Operationen spezialisierten Augenarztpraxis). Denn bei ihr besteht eine eindeutige
Spezialisierung auf proktologische Leistungen. Das hat das Sozialgericht anhand der Frequenzstatistik mit zutreffenden Erwägungen
festgestellt. Der Senat nimmt hierauf Bezug und verweist ergänzend auf seine obigen Feststellungen zum Abrechungsumfang der
Klägerin hinsichtlich der Ziffern 30600 ff EBM 2000plus im Vergleich zu anderen Praxen. Entgegen der Auffassung der Beklagten
kann dabei für die Anerkennung eines Praxisschwerpunkts nicht gefordert werden, dass der Anteil der spezialisierten Leistungen
mindestens 30 % der Gesamtpunktzahl ausmachen muss; für eine derartig weitgehende Grenzziehung bietet die bisherige Rechtsprechung
keinen Anhalt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 6 KA 26/08 R, Juris Rdnr. 17). Vielmehr ist unter Berücksichtigung der bereits äußerlich erkennbaren Praxisspezialisierung der Klägerin,
der festgestellten Fallzahlen im Bereich der proktologischen Leistungen und einem Anteil der proktologischen Leistungen am
Gesamtpunktzahlvolumen (nach den Berechnungen der Beklagten) von durchschnittlich 22 % in den streitgegenständlichen Quartalen
ein Versorgungsschwerpunkt offenkundig.
Ebenso wenig teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen scheide bei der überproportionalen
Abrechnung fachgruppentypischer Leistungen - hier der Ziffer 30600 EBM 2000plus - aus. Der von der Beklagten zitierten Entscheidung
des Senats vom 4. November 2009 (L 4 KA 99/08) ist ein derartiger Rechtssatz nicht zu entnehmen; in dem dortigen Fall lag eine spezialisierte Praxisausrichtung gerade
nicht vor. Ausreichend ist vielmehr eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebietes
(Senatsurteil vom 18. Juni 2008, L 4 KA 1/07, Juris Rdnr. 27). Das gilt in Sonderheit in dem hier zu beurteilenden Fall, wo zwar die Ziffer 30600 EBM 2000plus eine für
Chirurgen fachgruppentypische Leistung sein mag. Eine derartige Betrachtungsweise ist jedoch verkürzend, weil es sich bei
der Ziffer 30600 EBM 2000plus um den proktologischen Basiskomplex handelt. Das Leistungsangebot der Klägerin bestand aber
gerade darin, dass sie in großer Zahl die Leistungen der Ziffern 30610 und 30611 EBM 2000plus (Behandlung und Entfernung von
Hämorrhoiden) erbrachte, also Leistungen, welche gerade nicht fachgruppentypisch sind. Diese Ziffern sind jedoch regelhaft
mit dem proktologischen Basiskomplex verbunden. Die von der Beklagten gewählte Betrachtungsweise spaltet also ein einheitliches
Leistungsgeschehen künstlich in zwei Komplexe auf, um sodann einen fachgruppenatypischen Versorgungsschwerpunkt verneinen
zu können. Dem ist nicht zu folgen.
Das Fehlen einer Härteregelung für fachlich spezialisierte Praxen im Rahmen der Vorschriften über das Regelleistungsvolumen
ist auch nicht im Hinblick auf Ziffer 7.5 HVV unbeachtlich. Diese Regelung, die nach ihrem Wortlaut der Vermeidung praxisbezogener
Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus dient, sieht vor, dass der für das aktuelle Abrechnungsquartal berechnete
fallbezogene Honoraranspruch (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden
Abrechnungsquartal 2004 verglichen wird, ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung
unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Zeigt der Fallwertvergleich
eine Fallwertminderung von mehr als 5 % (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den
maximalen Veränderungsrahmen von 5 %. Bei der Ermittlung der Fallwerte bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer
7.1 zur Honorierung kommen (extrabudgetäre Leistungen, wie z.B. Früherkennung und Schutzimpfungen), unberücksichtigt.
Diese Begrenzung auf einen fünfprozentigen Honorarverlust steht allerdings unter einer Vielzahl weiterer Voraussetzungen.
Sie erfolgt nämlich nur auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden
Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist (Ziffer 7.5.2 HVV). Ein Ausgleich ist ausgeschlossen, wenn im aktuellen
Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das
Leistungsspektrum der Praxis, u.a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Es ist
des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis, z.B. durch Übergang von einer Gemeinschaftspraxis
zu einer Praxisgemeinschaft, verändert hat. Zudem müssen ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15 % ihre Ursache
vollständig in der Einführung des EBM 2000plus haben. Schließlich steht Ziffer 7.5 HVV unter dem weiteren Vorbehalt der Zahlung
einer gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbaren budgetierten Gesamtvergütungszahlung und eines ausreichenden Honorarvolumens
nach Durchführung weiterer, aufgrund des Beschlusses der Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 vorzunehmender Honorarverschiebungen
(vgl. Ziffer 7.5.3 HVV).
Damit schließt die Konstruktion der Auffüllregelung durch das Anknüpfen an die Fallzahl des Jahres 2004 ein Wachstum der Praxis
aus und hindert durch die weiteren Einschränkungen die betroffenen Praxen an jeglicher Änderung ihrer Praxisstruktur, da sie
anderenfalls den Anspruch auf Ausgleichszahlungen verlieren. Sie ist zudem in ihren tatsächlichen finanziellen Wirkungen wegen
der Vorbehalte in Ziffer 7.5.3 HVV nicht vorhersehbar und bedeutet für die betroffenen Praxen somit kein Element verlässlicher
Planung. Tatsächlich ist es bei den Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV, wie sich aus den Honorarbescheiden der Beklagten
ergibt, bereits ab dem dritten Quartal 2005 nicht mehr möglich gewesen, die Fallwertverluste bis auf die vorgesehenen 5 %
auszugleichen. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts Marburg, welches bereits über eine Vielzahl derartiger Fälle entschieden
hat, haben die Auffüllbeträge in der Vergangenheit je nach Quartal und Fachgruppe zwischen 95% und 67% geschwankt (Urteil
vom 16. September 2009, S 12 KA 341/08, juris). Angesichts dessen kann Ziffer 7.5 HVV unabhängig von der Frage, ob hierdurch im Einzelfall erhebliche Honorarverluste
verhindert worden sind, nicht als ausreichende Regelung angesehen werden, welche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
genügt.
Das Fehlen einer Härteregelung im Rahmen von Ziffer 6.3 HVV ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs-
und Erprobungsregelung unbeachtlich. Zwar gesteht das BSG bei der erstmaligen Gestaltung von Honorarbegrenzungsregelungen
den Kassenärztlichen Vereinigungen einen besonders großen Typisierungsspielraum zu (vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 16).
Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass die Notwendigkeit einer entsprechenden Ausnahmeregelung den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrags
aufgrund der bereits erwähnten langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des BSG zu derartigen Härteregelungen bekannt war
(vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 71/97 R, Juris Rdnr. 29; Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10).
Mithin ist der HVV als Normsetzungsvertrag (siehe hierzu: Freudenberg, in Juris Praxiskommentar
SGB V, 2008, §
85, Rdnr. 114) insoweit rechtswidrig, weil er eine regelungsbedürftige und durch Auslegung nicht zu schließende Lücke enthält,
die von den Vertragspartnern des HVV kraft gesetzlichen Auftrags (Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit) zu schließen
ist. Insoweit ist ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung "teilweise nicht zustande" gekommen i.S.d. §
89 Abs.
1 Satz 1
SGB V mit der Folge, dass jede der Vertragsparteien befugt ist, einen Antrag bei dem zuständigen Landesschiedsamt auf Herbeiführung
einer entsprechenden Regelung zu stellen (siehe hierzu Beier in Juris Praxiskommentar, §
89 SGB V, Rdnr. 31), sofern nicht vorab eine vertragliche Ergänzung erfolgt. Sollten sich die Vertragsparteien wider Erwarten nicht
einigen und auch keinen Antrag beim Schiedsamt stellen, könnte die zuständige Aufsichtsbehörde nach Ablauf einer von ihr gesetzten
angemessenen Frist das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen (§
89 Abs.
1a Satz 1
SGB V). Eine rechtmäßige Ergänzung der Ziffer 6.3 HVV muss dahin gehen, dem Vorstand der Beklagten eine Befugnis einzuräumen, Änderungen
des Regelleistungsvolumens außer im Fall einer Sicherstellungsproblematik auch bei sonstigen Härtefällen vorzunehmen.
Hinsichtlich der anschließend zu treffenden Ermessensentscheidung, in welchem Umfang eine Erweiterung des Regelleistungsvolumens
geboten ist, wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 und
2,
161 Abs.
2 VwGO. In Bezug auf den Kläger zu 1) hat es der Senat für billig gehalten, dass die Beklagte auch seine Kosten trägt, da seine
Klage ursprünglich in gleicher Weise berechtigt war wie die der Klägerin zu 2). Die Erledigung des Rechtsstreits beruht allein
auf der Tatsache, dass es aufgrund des im Quartal II/05 gezahlten hohen Auffüllbetrags nach Ziffer 7.5 HVV nach den Berechnungen
der Beklagten auch bei einer Erhöhung des Regelleistungsvolumens mit der Folge der Vergütung sämtlicher Punkte zum oberen
Punktwert nicht zu einer Honorarnachzahlung kommen würde. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat,
dass der Honorarbescheid für das Quartal II/05 insoweit auch nicht mehr korrigiert werden wird, entsprach die übereinstimmende
Erledigungserklärung der prozessualen Lage.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen (§
160 Abs.
2 SGG).
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 39 Abs. 1, 47, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.